Hahn-Hahn, Ida Gräfin
Geboren 22. Juni 1805 Tressow, Mecklenburg-Schwerin als Tochter des "Theatergrafen" Karl Friedrich Graf von Hahn-Neuhaus. Übertritt zum Katholizismus (sie schrieb 21 Romane in der protestantischen und 45 in der katholischen Zeit), Reisen durch Europa und den Orient. Lebte in Greifswald (ab 1821, Fischmarkt 30), Berlin, Mainz, starb am 12. Januar 1880 in Mainz.
Herders 1855
[204] Hahn-Hahn, Ida Gräfin, geb. 1805 zu Tressow in Mecklenburg, verlebte keine allzu frohe Jugend, heirathete 1826 einen reichen Vetter, den Grafen Friedr. Wilh. Adolf von H.-H., wurde schon 1829 von ihm geschieden u. suchte auf Reisen in Europa, Palästina u. Aegypten Trost, in der Schriftstellerei Befriedigung ihrer Ruhmliebe. Weniger ihre Gedichte, von denen nur das Lied: »Ach wenn Du wärst mein eigen, wie lieb solltʼst Du mir sein« gepriesen wird, als ihre Reiseschilderungen (Jenseits der Berge, Orientalische Briefe) und noch mehr ihre Romane (Gräfin Faustine, Sigismund Forster, Zwei Frauen, Levin u.a.) gewannen den Beifall der Salons; denn H.-H. traf darin nicht nur den seinen übertünchten Ton u. die mitunter arg verschrobenen Ansichten der vornehmen Welt, sondern sie zeigte sich auch als gedankenreiche Frau u. wußte Seelenzustände sein auszumalen. Dagegen offenbaren ihre Romane Ueberfluß einerseits an Emancipationssucht und aristokratischem Hochmuth, anderseits Mangel an schöpferischer Kraft u. Originalität. Die Geschichte ihrer zu Berlin erfolgenden Rückkehr zur kath. Kirche 1850 ist bekannt und von ihr selbst in dem Schriftchen »Von Babylon nach Jerusalem« Mainz 1851 mit großem sittlichen Freimuthe u. zugleich mit einer Herbe gegen ihre frühere religiöse Gemeinschaft geschildert, wie dieselbe bei Convertiten häufig u. natürlich ist. Von ihrer wahrhaft frommen Gesinnung zeugt das Büchlein »Unserer lieben Frau«, neuestens die Dichtung »Das Jahr der Kirche«, Mainz 1854, woran besonders die kleineren lyrischen Gedichte vortrefflich gefunden worden. Die Dichterin selbst hat sich im Novbr. 1852 dem Klosterleben geweiht.
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 204. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003362205
Meyers 1907
[626] Hahn-Hahn, Ida Marie Luise Sophie Friederike Gustava, Gräfin, Schriftstellerin, geb. 22. Juni 1805 zu Tressow in Mecklenburg-Schwerin, gest. 12. Jan. 1880 in Mainz, Tochter des sogen. Theatergrafen Karl Friedrich v. Hahn (s. Hahn 4), vermählte sich 1826 mit dem reichen Grafen Friedrich Wilhelm Adolf v. H. aus der ältern Linie Hahn-Basedow, doch wurde die Ehe schon 1829 wieder gelöst, worauf die geschiedene Gattin auf Reisen und in der Poesie Zerstreuung suchte. 1835 besuchte sie die Schweiz, 1836 und 1837 lebte sie in Wien; 1838–39 bereiste sie Italien, 1840–41 wieder Italien, Spanien und Frankreich, 1842 Schweden und endlich Syrien und den Orient. Dazwischen lebte sie abwechselnd in Greifswald, Berlin und Dresden. Sie trat zuerst mit lyrischen Gedichten auf: »Gedichte« (Leipz. 1835), »Neuere Gedichte« (das. 1836), »Venezianische Nächte« (das. 1836) und »Lieder und Gedichte« (Berl. 1837). Später wandte sie sich dem sozialen Roman zu und ließ rasch nacheinander folgen: »Aus der Gesellschaft« (Berl. 1838; 2. Aufl. als »Ida Schönholm«, 1844), »Der Rechte« (das. 1839), »Gräfin Faustine« (das. 1841, 3. Aufl. 1848), »Ulrich« (das. 1841, 2 Bde.; 2. Aufl. 1845), »Sigismund Forster« (das. 1843, 2. Aufl. 1845), »Cecil« (das. 1844, 2 Bde.), »Zwei Frauen« (das. 1845), »Sibylla« (das. 1846), »Levin« (das. 1848), welche Romane teilweise u. d. T.: »Aus der Gesellschaft« (das. 1844, 12 Bde.) gesammelt erschienen. Sämtliche Romane bekundeten Esprit und eine zwar nicht tiefe, aber desto mannigfaltigere und äußerlich glänzende Bildung. Wiewohl sie ihrem Inhalt nach meist den aristokratischen Kreisen angehören, erschienen sie doch im allgemeinen von den Anschauungen des jungen Deutschland und der hiermit verwandten modern französischen Bildung beeinflußt. Ihre hocharistokratische Manier persiflierte der anonym erschienene (von Fanny Lewald verfaßte) Roman »Diogena. Von Gräfin Iduna H.« (Leipz. 1847) aufs köstlichste. Von ihren zahlreichen Reiseschriften sind »Jenseit der Berge« (Leipz. 1840, 2 Bde.; 2. Aufl. 1845), »Reisebriefe« (Berl. 1841, 2 Bde.), »Erinnerungen aus und an Frankreich« (das. 1842, 2 Bde.), »Ein Reiseversuch im Norden« (das. 1843) und »Orientalische Briefe« (das. 1844, 3 Bde.) zu nennen. Der Tod ihres Freundes (Herrn v. Bistram aus Kurland) hinterließ in ihrem ohnedies nie befriedigten Herzen eine Leere, deren Ausfüllung sie in der alleinseligmachenden Kirche zu finden hoffte. Bischof Ketteler in Mainz wurde ihr Gewissensrat, 1850 erfolgte ihr Übertritt zur katholischen Kirche. Als echte Konvertitin wirkte sie nun in fanatischem Eifer für diese, zunächst durch die Schrift »Von Babylon nach Jerusalem« (Mainz 1851), die ihren Schritt rechtfertigen sollte, die aber durch die geistreiche, ebenso milde wie scharfe Entgegnung Abekens: »Babylon und Jerusalem; ein Sendschreiben etc.« (Berl. 1851), in das verdiente Licht gestellt wurde. Demselben Zweck dienten: die Gedichtsammlung »Unsrer Lieben Frau« (Mainz 1851, 3. Aufl. 1856); »Aus Jerusalem« (das. 1851); »Die Liebhaber des Kreuzes« (das. 1852); »Ein Büchlein vom guten Hirten« (das. 1853); »Bilder aus der Geschichte der Kirche« (das. 1853–66, 4 Bde.; Bd. 1, 3. Aufl. 1874). Im November 1852 trat sie zu Angers als Novizin in ein Kloster und beteiligte sich an der Gründung des Klosters »Zum guten Hirten« in Mainz, worin sie starb. Ihre spätern Romane: »Maria Regina« (Mainz 1860; 6. Aufl. 1898, 2 Bde.), »Doralice« (das. 1861, 2 Bde.), »Zwei Schwestern« (das. 1863, 2 Bde.), »Peregrin« (das. 1864, 2 Bde.), »Die Erbin von Cronenstein« (das. 1868, 2 Bde.), »Nirwana« (das. 1875, 2 Bde.), »Eine reiche Frau« (das. 1877), »Der breite Weg und die enge Straße« (das. 1877, 2 Bde.), »Wahl und Führung« (das. 1878, 2 Bde.) u. a. machten in derselben äußerlich blendenden Weise für ihre ultramontanen Anschauungen Propaganda wie die frühern Romane für die jungdeutschen. Eine Gesamtausgabe ihrer frühern Romane erschien zu Berlin 1851 in 21 Bänden; die Schriften aus der Zeit ihrer ultramontanen Tendenzen wurden als »Gesammelte Werke« mit einer Einleitung von O. v. Schaching (Regensb. 1902 ff.) herausgegeben. Vgl. Marie Helene, Gräfin Ida H. (Leipz. 1869); Haffner, Gräfin Ida H. (Frankf. 1880); Alinde Jacoby, Ida Gräfin H. (Mainz 1894).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 626. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006731007
Brockhaus 1911
[746] Hahn-Hahn, Ida, Gräfin von, Schriftstellerin, geb. 22. Juni 1805 zu Tressow, Tochter des durch seinen Enthusiasmus für Theater- und Schauspielwesen bekannten Grafen Karl Friedr. von H. (geb. 18. Mai 1782, gest. 21. Mai 1857 zu Altona), 1826 vermählt mit ihrem Vetter, dem Grafen Friedr. von Hahn (auf Basedow), 1829 wieder geschieden, machte weite Reisen, wurde 1850 katholisch (vgl. »Von Babylon nach Jerusalem«, 1851), trat 1852 in ein Kloster zu Angers, dann zu Mainz, gest. das. 12. Jan. 1880. Ihre Romane mit exklusiv aristokratischer Tendenz (»Faustine«, »Ulrich«, »Cecil«, »Sibylle« etc.); schrieb auch Reiseschilderungen, Gedichte und seit ihrer Konversion kath. Tendenzromane (»Maria Regina«, 1860, u.a.); »Gesammelte Werke« (1904 fg.). – Biogr. von Maria Helene (1869), Jacoby (1894).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 746. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001168169
Pataky
[305] Hahn-Hahn, Gräfin Ida. Von Babylon nach Jerusalem. 8. (247) Ebda. 1851. 3.50 ‒ Wahl u. Führung. Ein Rom. 2 Bde. 8. (559) Ebda. 1878. 7.50 ‒ Zwei Frauen. 2 Bde. 8. (458) Berlin 1845, A. Duncker. 9.– ‒ Zwei Schwestern. Erzählg. aus der Gegenwart. 2 Bde. 8. (790) Mainz 1863, Kirchheim. 7.50
Quelle: Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 1. Berlin, 1898., S. 305. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009045341