Verständlichkeit und Erklären (Goethe)

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Zuvörderst also darf unser Dichter wohl aussprechen dass er sich, im Sittlichen und Aesthetischen, Verständlichkeit zur ersten Pflicht gemacht, daher er sich denn auch der schlichtesten Sprache, in dem leichtesten, fasslichsten Sylbenmasse seiner Mundart befleissigt und nur von weitem auf dasjenige hindeutet, wo der Orientale durch Künstlichkeit und Künsteley zu gefallen strebt.

Das Verständniss jedoch wird durch manche nicht zu vermeidende fremde Worte gehindert, die desshalb dunkel sind, weil sie sich auf bestimmte Gegenstände beziehen, auf Glauben, Meynungen, Herkom- men, Fabeln und Sitten. Diese zu erklären hielt man für die nächste Pflicht und hat dabey das Bedürfniss berücksichtigt, das aus Fragen und Einwendungen deutscher Hörenden und Lesenden hervorging. Ein angefügtes Register bezeichnet die Seite, wo dunkle Stellen vorkommen und auch wo sie erklärt werden. Dieses Erklären aber geschieht in einem gewissen Zusammenhange, damit nicht abgerissene Noten, sondern ein selbstständiger Text erscheine, der, obgleich nur flüchtig behandelt und lose verknüpft, dem Lesenden jedoch Uebersicht und Erläuterung gewähre.


(Einleitung zu Noten und Abhandlungen zu besserem Verständnis des West-östlichen Divans)

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819. S. 245f