Italienische Literatur

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Pierer 1860

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Italienische Literatur.

Die J. L., wie auch die aller übrigen romanischen Völker, hat sich nicht auf durchaus selbständige Weise entfaltet. Ist auch die von Petrarca vertretene Ansicht, daß sie eine unmittelbare Fortsetzung der Römischen sei, längst veraltet, so haben doch die Erinnerungen an die alten römischen Zustände u. Ansichten einen bedeutenden Einfluß ausgeübt. Nächst letzteren bilden christlich-katholische Ideen u. poetische Anregungen von anderen romanischen Völkern die Grundelemente, aus welchen die J. L. sich entwickelt hat, u. an welchen sie sich anlehnend erwachsen ist. Dennoch ist es gerade die J. L., die am wenigsten eine ängstliche u. sklavische Nachahmung fremder Vorbilder zeigt; das Fremde hat zwar unläugbar die Anregung u. Anleitung gegeben, aber es ist ihm auch unverkennbar der Stempel der eignen Nationalität aufgedrückt worden. Die fremden Vorbilder, welche in dieser Weise auf den Entwickelungsgang der J. L. eingewirkt haben, sind vorzüglich drei. Zuerst bemerklich macht sich der Einfluß der Provençalen, welche für die Lyrik der Italiener einen durch alle Zeiten hindurchgehenden bestimmenden Einfluß geübt haben. Etwas später, aber um so energischer u. nachhaltiger begann der Einfluß der alten Klassiker auf allen Gebieten der J. L., vorzüglich aber im Epos, dem Drama u. der Didaktik, wie auch in der Prosa sich zu offenbaren. Erst in der neueren Zeit, etwa seit Ende des 17. Jahrh. als die französische Bildung ganz Europa blendete, wurden die französischen Dichter u. Philosophen auch in Italien vielfach nachgeahmt u. würden eine verderbliche Wirkung geübt haben, wenn nicht in Folge großer politischer Umwälzungen der nationale Geist wieder wach gerufen u. von echt italienischen Männern auf die alten Schätze der eigenen Literatur hingewiesen worden wäre. Hierzu kommt in neuester Zeit die Bekanntschaft der Italiener mit den Engländern u. Deutschen, deren Literaturen bereits ihren Einfluß, wenn auch erst in schwachen Anfängen, zu zeigen beginnen. Überblickt man im Allgemeinen den Gang u. Verlauf der literarischen Entwickelung der Italiener, so bietet dieselbe als ein erfreuliches Zeichen der inneren, unerschöpflichen Geisteskraft des Volkes nicht Einen entschiedenen Gipfel der geistigen Blüthe, sondern mehre Perioden der geistigen Erhebung u. Kraft. Man unterscheidet am passendsten fünf solcher Perioden.

I. Die erste Periode

zeigt das Erwachen der Poesie in der belebenden Atmosphäre des religiösen Glaubens u. reicht vom 12. bis gegen Ende des 14. Jahrh. Vor dem 12. Jahrh. wurde die Italienische Sprache nicht literarisch gepflegt; als Schriftsprache diente ein barbarisches Latein. Seit Verlegung der Residenz der römischen Kaiser nach Constantinopel im 4. Jahrh. n.Chr. war die Pflege von Literatur u. Wissenschaft unter den fortwährenden Einfällen germanischer Völker u. beständiger Kriege in Vergessenheit gerathen. Erst seit Karls des Großen Einfluß auf Italien u. seitdem Kaiser Lothar I. Schulen angelegt hatte, wurde eine neue Saat der Wissenschaft in Italien ausgestreut u. deren Gedeihen durch mehrere Päpste von Hadrian I. bis[119] auf Urban IV. gepflegt, doch wirkten bis zum 11. Jahrh. die Einfälle der Sarazenen u. Ungarn, im 11. u. 12. Jahrh. der Kampf zwischen Guelfen u. Ghibellinen störend u. hindernd auf das Wachsthum u. Gedeihen. Wichtige Pflegstätten derselben wurden seit dem 13. Jahrh. die Universitäten, bes. Bologna, dann Padua (1221), Rom (1248), Perugia (1307), Siena (1330) u. Pisa (1339). Nachdem seit dem Ende des 11. Jahrh. die Poesie der Provencalen erwacht war, überschritten im 12. u. 13. Jahrh. die provencalischen Troubadours die Grenzen ihres Vaterlandes, wo sie sich unter dem Namen der Giullari (Toculatores) an den Höfen der vielen kleinen Dynasten Italiens, namentlich im heutigen Sardinien u. der Lombardei zahlreich finden. Das fremde Beispiel reizte auch Italiener zur Nachahmung; unter den Namen der Dichter, welche in Provencalischer Sprache dichteten, werden auch viele Italiener genannt. Am berühmtesten unter denselben sind Folco aus Genua, später Bischof von Toulouse (st. 1213), u. vor Allem Sordello aus Mantua (geb. 1189); einzelne waren auch von hohem Stande, wie Alberto, Marchese di Malaspina. Bes. geehrt u. belohnt wurden französische u. italienische Provencalen an den Höfen des Azzo VII. von Este zu Ferrara u. Gherardo da Comino zu Trevigi; selbst der furchtbare Ezzelino da Romano war ihnen nicht abhold. Die ersten Dichtungen in Italienischer Sprache fanden in Sicilien ihre Entstehung u. sind im Dialekte dieser Insel abgefaßt. Als der älteste dieser sicilianischen Dichter gilt Ciullo d'Alcamo, von welchem noch ein Liebesgespräch vorhanden ist. Er dichtete wahrscheinlich im Anfange des 13. Jahrh. Die mächtigste Anregung fand aber die Poesie an dem Hofe Kaiser Friedrichs II., der bis 1212 in Palermo residirte u. hier eine große Anzahl talentvoller Männer um sich versammelte. Von seinem berühmten Kanzler Petrus de Vineis (Pietro delle vigne), von seinem natürlichen Sohne Enzo, König von Sardinien, haben sich einige Gedichte erhalten; Ziemlich gleichzeitig lebten Guido delle Colonne aus Messina, welcher außer mehreren italienischen Gedichten auch in Lateinischer Sprache eine Historia destructionis Trojae verfaßte, die in italienischer Übersetzung (von Filippo Cetti im 14. Jahrh.) unter dem Namen Il Trojano od. Il gran libro di Troja lange Zeit berühmt war; ferner Odo delle Colonne, einem Verwandten des Letztern; Jacopo da Lentino, Ranieri u. Ruggieri da Palermo; Stefano Protonotajo u. Mazzeo da Ricco, beide aus Messina. Auch lebte in Sicilien die erste italienische Dichterin, Nina, die sich, weil sie mit dem toscanischen Dichter Dante da Majano Liebeslieder wechselte, Nina di Dante nannte. War auch Palermo der erste Mittelpunkt für die Poesie der Italiener, so blieb doch das übrige Italien nicht zurück. Seit Anfang des 13. Jahrh. werden namentlich in Toscana u. im römischen Gebiete zahlreiche Dichter genannt, welche zwar immer noch im Geiste u. in der Form der Provencalen, aber doch in Italienischer Sprache dichteten. Dante erwähnt tadelnd od. rühmend mehrere derselben. Unter denen, welche er tadelt, weil sie sich nicht ihrer allgemeinen italienischen Schriftsprache, sondern einer Volksmundart bedienten, ist der berühmteste Fra Guittone d'Arezzo (st. 1294), von welchem man lyrische Gedichte u. 40 Briefe an Freunde besitzt; letztere sind das erste Beispiel von Briefstyl im Italienischen. Rühmend werden von Dante genannt Guido Guinicelli aus Bologna (st. 1276), Guido Ghislieri, Fabrizio u. Onesto aus Bologna, Guido Lapo u. Gotto aus Mantua; doch hat sich von diesen nur Weniges erhalten. Der einzige Dichter jener Zeit, der sich ernsten sittlichen Gegenständen zuwandte, war Graziolo Bambaginoli aus Bologna, mit seinem Trattato delle virtù. Außerdem sind noch bekannt Folealchiero de' Folcalchieri aus Siena, der schon im Anfange des 13. Jahrh. gelebt haben soll, ferner der schon oben erwähnte Dante da Majano, der gegen Ende des Jahrh. dichtete, u. auch mit Dante Allighieri bekannt war. Alle diese werden überragt von Guido Caralcanti (st. 1300) aus Florenz, welchen Dante den ersten seiner Freunde nennt. Seine tiefsinnige Canzone über das Wesen der Liebe ist vielfältig commentirt worden. Die Gedichte der Genannten u. viele andere finden sich in zahlreichen handschriftlichen Sammlungen auf den italienischen Bibliotheken u. sind auch zum großen Theile mehrfach, am besten von Nannucci (Manuale della letteratura del primo secolo della lingua italiana, Flor. 1837, 3 Bde.) herausgegeben worden. Vgl. Orelli, Beiträge zur Geschichte der italienischen Poesie, Zür. 1810, 2 Thle. Alle diese Dichter, wenn auch von verschiedenem Talente, stehen auf einer Stufe; in allen möglichen Formen der Canzone, in Sonetten u. längeren Gedichten von freierer Form, sprechen sie nichts als Liebesklagen, Wünsche u. Sehnsucht aus, ohne wahres u. tiefes Gefühl, ohne Naturanschauung u. politische Regung; sie machen im Ganzen denselben unerfreulichen Eindruck, wie die Lyrik der Provencalen; sie haben nur noch ein sprachliches Interesse. Vereinzelt stehet nur Fra Jacopone da Todi da, welcher eigentlich Jacopo de Benedetti hieß, erst ein wohlhabender Rechtsgelehrter war, dann aber in den Franciscanerorden trat u. 1306 starb. Man hat von ihm eine große Anzahl geistlicher Gedichte (gedruckt zuerst Flor. 1490, Ven. 1514, Rom 1558, Ven. 1617), welche in Bezug auf die Sprache zwar roh u. unbeholfen erscheinen, aber an Tiefe u. Innigkeit der Liebe, sowie an Kühnheit, womit er der kirchlichen Ausartung seiner Zeit entgegentritt, ihres Gleichen suchen. Mehrere schöne lateinische Lieder in gereimten Versen haben sich ebenfalls von ihm erhalten, darunter das bekannte Stabat mater, welches jedoch auch dem Papst Johann XXII. (1316–33) zugeschrieben wird. Auch Franz v. Assisi hat geistliche Lieder gedichtet; am sichersten gehört ihm das Lied der Creaturen; Altissimo, omnipotente, bon Signore (vgl. A. F. Ozanam, Les poétes Franciscains en Italie au 13. siècle, Par. 1812). Neben diesem Dichter zeichnete sich durch höhere politische u. wissenschaftliche Bildung noch Brunetto Latini, gest. 1294, Kanzler von Florenz u. Lehrer Dantes, aus, welcher in französischer Sprache den Tresor, ein encyklopädisches Werk (in beinahe gleichzeitiger italienischer Übersetzung von Bono Giamboni mehrmals gedruckt) verfaßte u. in seinem Tesoretto, in siebensylbigen paarweise gereimten Versen in der J-n L. das erste Beispiel allegorischer Einkleidung gab (herausgeg. von Zannoni, Flor. 1824). Ein ähnliches kleineres Gedicht ist das Faroletto, außer welchem dem Brunetto Latini noch einige Übersetzungen römischer Klassiker verfaßte. Unrichtigerweise wird ihm auch das schmutzige, dem 15. Jahrh. angehörige Gedicht, Il pataffio, zugeschrieben, u.[120] weil dieses in Terza rima abgefaßt ist, als Erfinder dieser Versart betrachtet. Einsam über alle diese Dichter erhebt sich ohne Vorgänger u. Nachfolger der Riesengeist Dantes (s.d.). Außer seiner unsterblichen Divina Commedia hat er auch in seinen lyrischen Dichtungen, die in der Vita nuova u. dem Convito enthalten sind, alle seine Vorgänger u. Zeitgenossen überflügelt u. in dem letztgenannten Werke zugleich das erste großartige Beispiel wissenschaftlicher Prosa gegeben. Es konnte nicht fehlen, daß Dantes große allegorische Dichtung mehrfach Nachahmer fand, die aber sämmtlich weit hinter ihrem Meister u. Vorbild zurückblieben. Dahin gehört vor allem das Quadriregio des Federigo Frezzo aus Foligno (gest. 1416), welches nicht ohne poetischen Werth ist, aber namentlich wegen seiner chaotischen Gliederung weit der Divina Commedia nachsteht u. den Eindruck eines blassen verworrenen Nachbildes macht. In dieselbe Klasse gehört noch Fazio degli Uberti (lebte um 1367) wegen seines großen Gedichtes Dittamondo, das jedoch eine langweilige u. geistlose Allegorie ist. Als Gegner Dantes zeigte sich Cecco d'Ascoli (wegen Ketzerei 1327 in Florenz verbrannt) in seiner Acerba, einem wunderlichen unpoetischen Gemisch von scholastischer Gelehrsamkeit, Scharfsinn, Aberglauben u. Unsinn. Als Dichter unbedeutend ist Francesco da Barberino (1264–1348), ein Rechtsgelehrter in Florenz, der in seinen Documenti d'amore Regeln für ein kluges, wohlgefälliges u. tugendhaftes Verhalten im Leben u. in einer zweiten Dichtung, Del reggimento e de' costumi delle Donne, sehr ins Einzelne gehende Lehren für Frauen jedes Alters u. Standes gibt. Neben dieser, meist in das Gewand der Allegorie sich kleidenden ethischen, religiösen u. didaktischen Richtung, welche ihren Höhepunkt in Dante findet, zieht sich durch alle Jahrhunderte der J-n L. bald sparsamer, bald reichlicher fließend der Strom der erotischen Lyrik, welche ihren Gipfel in Petrarca (s.d.), dem zweiten Koryphäen dieses Zeitraumes, erreicht. Während jedoch Dante ohne bedeutende Vorgänger plötzlich u. einsam sich über seine Zeit erhebt, ist Petrarca als der letzte u. höchste Gipfel einer sich allmälig zu ihm erhebenden u. nach ihm wieder herabsinkenden Reihe von Dichtern zu betrachten. Als die vermittelnden Glieder zwischen den oben erwähnten Lyrikern des 13. Jahrh. u. Petrarca sind zunächst Benuccio Salimbeni u. Bindo Boniechi, beide aus Siena u. zwischen 1330 u. 1340 gestorben, zu nennen, welche jedoch den Ersteren noch näher stehen. Über dieselben erhebt sich der berühmte Rechtsgelehrte Cino da Pistoja, mit seinem Familiennamen Sinibaldi, gest. 1336, von dessen Gedichten an seine Geliebte Selvaggio viele denen des Petrarca sehr nahe stehen (herausgeg. von Ciampi, Pisa 1826). Petrarca selbst gründete seinen Ruhm auf seine lateinischen Schriften, während man gewohnt ist, in ihm nur den Liebesdichter der Laura zu bewundern; er hat dieser Gattung von Poesie für alle Zeiten Sprache, Ton u. Farbe gegeben. Von den Zeitgenossen u. nächsten Nachfolgern Petrarcas in der Lyrik, welche aber, mit Ausnahme des erwähnten Cino u. des Boccaccio, in poetischer Hinsicht unendlich fern von ihm stehen, sind zu nennen: Antonio da Ferrara, gest. 1363, welcher eine Elegie auf den Tod Petrarcas dichtete; Francesco degli Albizzi, gest. 1348, ein Freund u. Verwandter Petrarcas; Senuccio del Bene, gest. 1349, einer der genauesten Freunde des großen Lyrikers, u. Zenone de' Zenoni aus Pistoja, ebenfalls mit Petrarca befreundet, auf dessen Tod er ein Gedicht Pietosa fonte schrieb. Einige unbedeutende religiöse Gedichte besitzt man von der heiligen Catarina da Siena, gest. 1380. Eigenthümlicher ist Antonio Pucci, ein florentinischer Glockengießer, gest. 1373, welcher in verschiedenen Dichtungen, wie in dem umfangreicheren Delle cose fiorentine, das erste Beispiel der burlesken Poesie gegeben hat. Als lateinische Dichter jener Zeit, in welcher überhaupt nur die lateinische Poesie des Lorbeers würdig schien, zeichnete sich außer Petrarca noch bes. Francesco Landino aus Florenz aus; sonst sind noch Convenuolo aus Prato, Petrarcas Lehrer, Barbato von Salmona, Zanobi da Strada, gest. 1361, Thomas von Caloria in Sicilien, Giovanni Barrili, ein Neapolitaner; der berühmteste, wenn auch an Talent von Landino übertroffen, ist Lino Colluccio Salutati (1330–1406). Selbst Versuche im Drama wurden in lateinischer Sprache gemacht, wie vom Geschichtsschreiber u. Staatsmann Albertinus Mussatus aus Padua (1261–1330), welcher zwei Tragödien (Eccerinis u. Achilleis) dichtete; selbst Petrarca hatte in seiner Jugend eine Comödia, Philologia, geschrieben.

Auch die Prosa erhob sich in dieser Zeit zu einer Reise u. Correctheit des Ausdruckes, welche von Vielen, wenn such mit Unrecht, als der noch nicht wieder erreichte Gipfel der Classicität betrachtet wird. Als Musterbild glänzt in dieser Beziehung Boccaccio, der dritte Stern des 14. Jahrh. Als das älteste Probestück italienischer Prosa wird gewöhnlich der Cantico del sole des Franz von Assisi, gest. 1226, hingestellt Fast ebenso alt ist die trefflich geschriebene Übersetzung Fra Guidottos da Bologna von Ciceros Schrift De oratore (um 1257). Mit Ende des 13. Jahrh. beginnt eine Reihe historischer Aufzeichnungen, von denen mehrere in Sprache, Ton u. Darstellung musterhaft zu nennen sind. Für den ältesten Geschichtsschreiber in italienischer Sprache gilt Matteo Spinelli aus Giovenazzo im Neapolitanischen, welcher eine chronikenartige Geschichte seiner Zeit verfaßte (1247–68), sich aber der neapolitanischen Mundart bediente. Gebildeter zeigt sich die Sprache in der Chronik Fiorita d'Italia des Armannino aus Bologna, sowie in dem Geschichtswerke des Ricordano Malaspini, gest. 1281, des ersten florentinischen Historikers, welche von dessen Neffen Francesco Malaspini bis 1286 fortgesetzt wurde. Ein Muster von wackerer Gesinnung u. Wahrheitsliebe, wie von Zierlichkeit u. Einfachheit in der Sprache, ist das Werk des Dino Compagni, welches die florentinische Geschichte von 1280–1312 schildert. Berühmter ist das große Werk des Giovanni Villani aus Florenz, gest. 1348, welches von dessen Bruder Matteo Billani, dann von dem Sohne dieses, Filippo Villani, bis 1364 fortgeführt wurde. Sonst sind noch zu nennen Pace da Certaldo, ein Freund Villanis u. Verfasser der Storia della guerra di Semifonte; Donato Velluti, welcher eine Cronica di Firenze dal 1300–1370 schrieb; Paolino Pieri, wegen seiner Cronica delle cose d'Italia dal 1080–1305; Lapo di Castiglionchio, wegen seines Ragionamento e lettere; Coppo Stefani, wegen seiner Storia di Marchionne; Monaldi, wegen[121] seines Diario; Simon della Tosa, wegen seiner Annali, u. viele Andere, welche zum Theil noch ungedruckt in den Bibliotheken liegen. Vgl. Gervinus, Geschichte der florentinischen Historiographie in dessen Historischen Schriften, Frkf. 1833. Seit 1842 hat eine Gesellschaft von Gelehrten zu Florenz in dem Archivio storica-italiano eine große Anzahl älterer historischer Werke herausgegeben. Einen wichtigen Platz in der historischen Literatur nehmen die Ricordanze od. Familienbücher, Actenstücke u. wahre Memoiren mehrer bedeutender florentinischer Familien ein. In vieler Hinsicht merkwürdig sind auch die Reiseberichte der Venetianer u. Genuesen aus jener Zeit, unter denen wohl Marco Polo u. Marino Sanuto die bekanntesten sind. Viele Geschichtswerke wurden in lateinischer Sprache abgefaßt; so das Geschichtswerk des Albertinus Mussatus, die Venetianische Chronik des Dogen Andrea Dandolo, gest. 1354, des Genuesen Caffaro etc.; mit letzterem beginnt die Reihe der zahlreichen Chroniken von Genua.

Allein nicht blos die politischen Begebenheiten u. Ereignisse der eigenen od. vergangenen Zeit, sondern auch die Vorkommnisse des alltäglichen Lebens, sobald dieselben etwas Interessantes boten, schienen der Aufzeichnung würdig. Es entstand eine eigene Form der Erzählung, die Novelle, welche den Italienern eigenthümlich ist u. künstlerisch ausgebildet wurde. Die ältesten Sammlungen dieser Art sind die Cento novelle antiche aus dem Ende des 13. od. Anfang des 14. Jahrh. Boccaccio aber gebührt das Verdienst, diese Gattung zuerst mit wahren Kunstsinn ausgebildet zuhaben. In seinem weltberühmten Decamerone hat er übrigens die italienische Sprache zuerst mit Absicht u. Bewußtsein künstlerisch ausgebildet. Seitdem ist die Novelle eine Lieblingsdichtung der Italiener geworden, welche davon viele Sammlungen, mehr od. weniger Nachahmungen des Decamerone, besitzen. Von Boccaccios Nachfolgern gehören jedoch nur zwei, Fr. Sacchetti u. Ser Giovanni, wegen seines Pecorone, in diese Periode. Bei der frühen Bekanntschaft mit den Franzosen u. Provencalen war es natürlich, daß sich die bei diesen so sehr beliebten Ritterromane auch nach Italien verpflanzten, wo sie theils übersetzt od. bearbeitet wurden, theils aber auch ähnliche Werke hervorriefen. Dahin gehören die I reali di Francia in Prosa, eine sagenhafte Genealogie Karls des Großen u. seines Geschlechts, aus welcher viele späteren Dichter geschöpft haben. Ferner der Guerrino di Durazzo od. Il Meschino, welcher bis in die neuere Zeit ein beliebtes Volksbuch geblieben ist; dann die Romane von Lancelot, Tristan, Meliadus, der Fortunatus Siculus etc. Letzteres Werk scheint eine eigene Erfindung des Bosone da Gubbio, eines Zeitgenossen Dantes, zu sein. Der belehrenden Prosa gehören an Piero de' Crescenzi's Trattato dell' agricoltura, um 1350 aus einem lateinischen Originale ins Italienische übertragen; der Specchio di vera penitenza von Jacopo Passavanti, einem Dominicaner, gest. 1357, dessen reine u. edle Sprache von Manchen noch über die Prosa des Boccaccio gestellt wird. In letzter Beziehung stehen ihm Fra Domenico Cavalca aus Pisa, gest. 1342, in seinen verschiedenen asketischen Schriften, welche noch bis ins 18. u. 19. Jahrh. hinein abgedruckt worden sind, weit nach. Vorzüglich dagegen in Bezug auf Sprache u. Darstellung sind die Ammaestramenti degli Antichi von Bartolommeo da S. Concordio aus Pisa, gest. 1347, u. der Trattato del governo della famiglia des Agnolo Pandolfini (1365–1486).

II. Die zweite Periode der Geschichte der J-n L., das 15. Jahrh.

, ist das Zeitalter der Philologie. Nirgends u. zu keiner Zeit ist das wieder erwachte Studium des klassischen Alterthums mit so allgemeinem Eifer u. so glänzendem Erfolge betrieben worden, als damals in Italien. Der von Boccaccio, vielmehr aber noch von Petrarca ausgestreute Same trug die reichlichsten Früchte. Man suchte sich nicht blos die Kenntniß des Alterthums zu erwerben, sondern selbst in Gesinnung u. Leben mit Hintansetzung des Christenthums wieder aufzunehmen. Noch im 14. Jahrh. war das Gedeihen von Wissenschaften u. Künsten durch mehrere in deren Pflege wetteifernde Fürsten u. Herren, wie Robert von Neapel, Della Scala in Verona, das Haus Este in Ferrara, die Gonzaga in Mantua, gefördert, die Universitäten in Pavia (1361), Ferrara (1391), Turin (1400), Cremona (1413) u. Catania auf Sicilien (1445) gestiftet u. die bereits gemachten Anfänge zu Bibliotheken mit den Werken der Alten, welche man aus der Vergessenheit hervorzog, bereichert worden. Die Kenntniß des Griechischen wurde namentlich durch die vielen gelehrten Griechen, weiche schon seit dem Anfange des 15. Jahrh. bei immer dringender werdender Gefahr für Constantinopel, mehr aber noch nach dem Falle des Byzantinischen Reiches nach Italien übersiedelten, immer mehr verbreitet. Die Handschriften wurden eifrig gesammelt u. viele neue öffentliche u. Privatbibliotheken begründet. Dazu kamen die wissenschaftlichen Akademien in Florenz, Rom, Neapel, Venedig, sowie die Buchdruckerkunst, welche sich in Italien schnell verbreitete u. vervollkommnete. Unter den Fürsten, welche die wissenschaftlichen Bestrebungen des Jahrhunderts begünstigten, steht das erwachsende Haus der Mediceer oben an; mit demselben wetteiferten die Visconti, Sforza, Este, die Könige von Neapel, die Markgrafen von Mantua u. Montserrat, die Herzöge von Urbino u. Andere, nicht minder Päpste, Magistrate u. Privatpersonen. Zu den zahlreichen Universitäten, welche bereits bestanden, kam noch die in Parma.

Wie Petrarca zu seiner Zeit der eifrigste Beförderer der klassischen Studien war, so ist auch aus seiner Schule u. seinem Hause der Mann hervorgegangen, welcher namentlich durch sein Lehrtalent am meisten zur Verbreitung der klassischen Studien beigetragen, Johannes von Ravenna, dessen unmittelbare od. wenigstens mittelbare Schüler fast alle berühmten Philologen des Jahrhunderts gewesen sind. Unter den Letztern zeichneten sich als Lehrer ihrer Zeit bes. aus: Guarino von Verona (st. 1460), Joh. Aurispa aus Sicilien (st. 1459), Gasparino Barzizza (st. 1431), Vittorino da Feltre (st. 1447), Giorgio Merula (st. 1494) etc. Die eigentlichen Häupter aber der philologischen Schule ihrer Zeit waren Poggio Bracciolino aus der Nähe von Arezzo (1380–1459), Francesco Filelfo (1398–1481) u. Laurentius Valla aus Rom (st. 1457). Neben diesen sind zu nennen: Leonardo Bruni aus Arezzo (1369–1444), Ambrogio Traversari, bekannter unter dem Namen Ambrosius Camalduleusis (1386–1439), Cristoforo Landino aus Florenz (1424–1504), welcher unter Anderm auch[122] den Dante weitläufig commentirte, Angelo Poliziano etc. Von den gelehrten Griechen übten Manuel Chrysoloras, der Cardinal Bessarion, Constantinos Lascaris, Demetrius Chalcondylas u. Gemisthus Pletho den bedeutendsten Einfluß auf die Studien der Italiener. Durch Pletho wurde namentlich das Studium der Platonischen Philosophie angeregt, was an dem ältern Cosmo de' Medici einen so begeisterten Verehrer fand, daß er eine eigene Platonische Akademie in Florenz stiftete. Unter den Mitgliedern derselben zeichneten sich vor Allem der Übersetzer des Plato, Marsilius Ficinus (st. 1499), Picus Mirandoiensis (st. 1494), die bereits erwähnten Bessarion u. Ambrosius Camalduleusis, Niccolo Niccoli, Alamanno Rinuccini u.a. aus. Der Begründer des antiquarischen u. historischen Studiums des Alterthums war Flavio Biondo aus Forli (st. 1463). Zu diesem Behufe wurde die Römische Akademie von Pomponius Lätus (st. 1498) gestiftet, zu welcher unter Andern auch der Geschichtsschreiber der Päpste, Bartolommeo Platina (eigentlich Sacchi), gehörte. Bei so eifrigem Studium des Alterthums konnte natürlich die eigentliche nationale Literatur nicht gedeihen; sie fand nur wenige Pflege, weil die Gebildeten ihren Ruhm auf Werke in Lateinischer Sprache zu gründen suchten u. der Gebrauch der vaterländischen Sprache vielfach verächtlich erschien. Daher die große Anzahl der lateinischen Dichter, unter denen außer einigen der schon genannten Philologen am berühmtesten sind: Matteo Vegio aus Lodi (st. 1458), Tito Vespasiano Strozzi (st. 1508) u. sein Sohn Ercole Strozzi; Battista Mantovano (st. 1516), Antoni o Beccadelli, bekannter unter dem amen Panormita (st. 1471), welcher Stifter einer der Philosophie u. Poesie gewidmeten Akademie in Neapel wurde; Angelo Poliziano, Giovio Pontano (st. 1503), Michele Marullo Tarchjoulia, ein Grieche von Geburt (st. 1500). Als Improvisator lateinischer Gedichte zeichnete sich Aurelio Brandolini aus Florenz (st. 1497) aus. Von Dichtern in der Muttersprache sind während der langen Zeit, vom Tode Petrarcas bis zu den glänzenden Zeiten des Lorenzo de Medici, gegen Ende des 15. Jahrh. nur zwei od. drei von geringer Bedeutung. Giusto de' Conti (st. 1449 in Rimini), welcher eine Sammlung lyrischer Gedichte unter dem Titel Bella mano herausgab, gilt als einer der glücklichsten Nachahmer Petrarcas, gehört aber nach Sprache u. Geist noch ganz in das vorige Jahrhundert. Die burlesken Sonette des lustigen Barbiers Domenico Burchiello in Florenz, eines höchst originellen Menschen, strotzen von florentinischen Witzen u. Redensarten, so daß sie kaum noch verständlich u. deshalb mehrfach commentirt worden sind. Erst gegen Ende des 15. Jahrh., als sich das leidenschaftlich getriebene Studium des Alterthums zu mäßigen begann, wendeten sich die hervorragenderen Geister des italienischen Volkes wieder der so lange vernachlässigten Muttersprache zu. Die Anregung hierzu ging abermals von Florenz aus u. zwar von der Umgebung des Lorenzo de' Medici (st. 1498). Obgleich von den Geschäften der Regierung überhäuft, bewahrte er sich Zeitlebens die Liebe für Kunst, Wissenschaft u. Literatur u. bildete den Mittelpunkt eines Kreises von Dichtern u. Gelehrten, welche seinen Hof zu dem glänzendsten Italiens machten. Er selbst nimmt als Dichter, bes. als Lyriker, einen nicht unbedeutenden Rang ein; noch mehr aber verstand er es, mit Anmuth, Gewandtheit u. Geist, kleine Ereignisse seines Privatlebens u. seines geselligen Kreises zu kleineren Werken scherzenden u. satyrischen, wie auch ernsteren Inhaltes zu benutzen. Dahin gehört La Nencia da Barberino (das erste Beispiel eines Gedichtes in zierlicher Bauernsprache), I Beoni, Ambra, Caccia col falcone, Alterazione. Außerdem versuchte er sich nicht nur in geistlichen Gedichten, sondern suchte auch den Maskenzügen durch Lieder u. Späße Bedeutung zu geben. Letztere Dichtungen bilden mit den ähnlichen Werken anderer Dichter die bekannte Sammlung der Canti Carnascialeschi. Unter Lorenzos Freunden nehmen Angelo Poliziano u. Picus Mirandolensis den ersten Rang ein. Erster ist der Dichter der berühmten Stanze, in welcher er zeigte, welcher Anmuth die Ottave fähig ist, u. der Favola d'Orfeo, des ersten selbständigen u. wirklich aufgeführten italienischen Dramas. Früher hatte man nur Mysterien gehabt, dann die Stücke des Terentius u. Plautus, auf Betrieb des Pomponius Lätus in Rom öffentlich erst lateinisch, dann in Mailand u. Ferrara in italienischen Übersetzungen aufgeführt. Zu den Haus- u. Tischgenossen Lorenzos zählten außerdem noch die drei Brüder Bernardo, Luca u. Luigi Pulci, von denen sich jedoch nur der Letztere (gest. 1487) einen bleibenden Namen erworben hat Sein Ruhm gründet sich auf den Morgante maggiore, welcher die glänzende Reihe der romantischen Rittergedichte der Italiener eröffnet, u. alle seine Vorgänger, wie die vielleicht schon aus dem 14. Jahrh. stammenden Buovo d'Antona, La Spagna u. La Regina Ancroja, ferner Altobello e re Trojano, Persiano figlio d'Altobello, Inammoramento di re Carlo u. die Leandra des Pier Durante de Gualdo verdunkelt. Der Inhalt des Morgante, wie seiner Vorgänger, gehört dem Sagenkreise von Karl u. seinen Paladinen an, zeigt jedoch eine durch Übertreibung jeder Art die Einfachheit der alten Sage parodirende u. den Glauben an die Herrlichkeit jener alten Zeit persiflirende Behandlung. Weit edler an Gesinnung u. reicher an Erfindung ist der Orlando innamorato des Matteo Maria Bojardo (s.d.), Grafen von Scandiano (st. 1494), dem für das 15. Jahrh. unstreitig der erste Preis in dieser Dichtart gebührt, wenn auch das große romantische Epos in einer etwas veralteten u. rohen Sprache geschrieben ist. Letzter Umstand wurde Veranlassung, daß das Original in Italien selbst zur Seltenheit geworden ist u. statt desselben nur in Bearbeitungen gelesen wird, unter denen die des Lodovico Domenichi (st. 1564) nur auf die Sprache beschränkt, während die des Francesco Berni (st. 1536) den ganzen Ton des Gedichtes ins Burleske verwandelt, aber durch Schönheit der Sprache ausgezeichnet, den allgemeinsten Beifall fand u. das ursprüngliche Gedicht in Vergessenheit brachte. Auch Fortsetzer zu Bojardos Werke fanden sich, wie Niccolo degli Agostini u.a. Neben die romantischen Epopöen des Pulci u. Bojardo stellt sich in diesem Jahrhundert noch der Mambriano des Francesco Cieco da Ferrara (st. 1495), welches bekannter zu sein verdient, als es wirklich ist. Als Gegensatz zu der frivolen, auf das Weltliche gerichteten, antikirchlichen Richtung bildete sich jene christlich-prophetische Begeisterung, die in dem bekannten Dominicaner Girolamo [123] Savonarola (s.d.) gegen Ende des 15. Jahrh. hervortrat. Unter seinen Anhängern verdient vor Allen Girolamo Benivieni (st. 1542) genannt zu werden, dessen Gedichte sich von denen der meisten seiner Zeitgenossen nicht blos durch Reinheit der Sprache, sondern auch durch Reinheit des Sinnes u. hohe Frömmigkeit auszeichnen. Weniger bekannt ist die Citta di vita des Florentiners Matteo Palmieri (st. 1475), welche nicht gedruckt werden durfte; sie ist gewissermaßen der letzte Nachklang der Poesie des Dante. Neben diesen bedeutenderen Dichtern traten in diesem Zeitraum, namentlich gegen dessen Ende hin, zahlreiche Lyriker auf, von denen jedoch keiner zu Bedeutung gelangte, wenn auch mehrere von ihnen bei ihren Zeitgenossen Bewunderung fanden. Einige, wie Bernardo Bellincioni (st. 1491), Feo Belcari, Antonio Alamanni, Giovanni Acquietini dichteten in der burlesken Manier des Burchiello, Andere, wie Francesco Cei aus Florenz, Gasparo Visconti aus Mailand (st. 1499), Agostino Staccoli aus Urbino nahmen sich den Petrarca zum Muster. Aus der großen Menge erhoben sich etwas Serafino Aquilano aus Aquila in den Abruzzen (st. 1500), welcher an mehreren Höfen als Improvisator beliebt war; Antonio Tebaldeo aus Ferrara (st. 1537) u. Bernardo Accolti aus Arezzo, mit dem Namen l'Unico (st. 1534), die wie ein unbekannter Florentiner (l'Altissimo genannt) ihrer Zeit wegen ihrer Improvisationen berühmt waren. Auch an Dichterinnen fehlte es nicht; mehrere Frauen, aus den höchsten Ständen, wie Cassandra Fedele aus Venedig, zeichneten sich durch ihre Fertigkeit im Latein aus.

Bei der allgemeinen Vorliebe für das Latein kann es nicht Wundernehmen, daß die italienische Prosaliteratur dieses Zeitraumes kein einziges stylistisches Kunstwerk aufzuweisen hat. Zu nennen sind nur drei unbedeutende Novellenschreiber, Gentile Sermini aus Siena, Giovanni Sabadino aus Bologna, der Verfasser der Novelle Porretine, u. Masuccio Salernitano, dessen Novellino jedoch nicht ganz ohne Werth ist. Bedeutender sind die Schriften zweier Künstler u. einiger Historiker. Die ersteren sind Leon Battista Alberti (st. 1472), welcher einen Dialog Della famiglia, über das Glück eines zurückgezogenen u. mäßigen Lebens schrieb, u. der berühmte Leonardo da Vinci (st. 1519), dessen Hauptwerk der Trattato della pittura ist. Zu den Historikern dieses Zeitraums, welche sich der Muttersprache bedienten, gehören Pandolfo Collenuccio aus Pesaro (hingerichtet 1504), welcher eine Geschichte Neapels verfaßte u. auch kurz vor seinem Tode einen schönen Inno alla morte dichtete, u. Bernardino Corio aus Mailand, welcher eine zuverlässige, aber schlecht geschriebene Geschichte dieser Stadt hinterließ. In Florenz waren als Geschichtsschreiber thätig Buonnacorso Pitti, Piero Buoninsegni, Goro Dati u.a. Ungemein groß ist die Zahl der Historiker, welche sich der lateinischen Sprache bedient haben. Hervorzuheben sind Äneas Silvius Piccolomini, der spätere Papst Pius II. (st. 1464), welcher die Geschichte seiner Zeit, wie auch des Basler Concils schrieb; Marcantonius Sabellicus (eigentlich Coccio, st. 1506), welcher das erste bedeutende Geschichtswerk über Venedig verfaßte; Bernardus Giustinianus (st. 1489), welcher die ältere venetianische Geschichte bis zum 9. Jahrh. behandelte, u. Georgius Stella (st. 1420), welcher eine Geschichte Genuas bis 1410 verfaßte. Mehrere der großen Entdecker des 15. Jahrh. haben ihre Reiseberichte in italienischer Sprache hinterlassen, wie Cadamosso, Columbus u. Amerigo Vespucci.

III. Die dritte Periode od. das 16. Jahrh.

zeigt auf der einen Seite die höchste Blüthe der italienischen Poesie u. Bildung überhaupt, auf der anderen aber auch schon den Beginn des Verfalls. Die in der vorigen Periode fast allein herrschende philologische Richtung kämpft im Anfange des 16. Jahrh. noch eine Zeit hindurch mit der immer mehr hervortretenden echt nationalen, bis sich endlich beide durchdringen u. so den eigentlichen Glanzpunkt dieses Abschnittes bilden. Der Sieg der nationalen Richtung ist zwar entschieden, doch entfaltet sich dieselbe gegen Ende des Jahrhunderts zum Nachtheil u. bis zum allmäligen Absterben der philologischen Studien, wodurch derselben Haltung u. Maß verloren geht. Was zunächst die Poesie betrifft, so gab es namentlich in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. noch viele Dichter, die sich der Lateinischen Sprache bedienten, wie denn noch viele der bedeutendsten Männer jener Zeit mit Geringschätzung die Sprache des italienischen Volks betrachteten; die Bewunderung, welche man dem Alterthum zollte, verführte sogar mehrere auch in ihren italienischen Werken die Manier der Alten nachzuahmen. Die bedeutendsten Latinisten des 16. Jahrh. waren: Jacopo Sadoleto, ein Modeneser (st. 1547), von dem man Epistolae u. unter mehreren Gedichten auch ein schönes auf die Wiederauffindung der Laokoongruppe besitzt; Jacopo Sannazaro (st. 1530), welcher Eclogae piscatoriae u. ein größeres Gedicht De partu virginis dichtete; Hieronymus Vida (st. 1566), der in seiner Christias nur allzusehr dem Virgil nachahmt; Pietro Angelio da Barga (st. 1596), welcher in seinem Epos Syrias den ersten Kreuzzug besingt; Andrea Navagero (st. 1529), der nur wenige, aber höchst zierliche lateinische Gedichte hinterlassen hat; Gabriello Faerno (st. 1561), der u.a. hundert lateinische Fabeln dichtete; Marcantonio Flaminio (st. 1550), welcher Oden, Elegien, Paraphrasen der Psalmen verfaßte; Marcellus Palingenius Stellatus (mit seinem eigentlichen Namen wahrscheinlich Pier Angelo Manzolli), dessen moralisches Gedicht Zodiacus vitae ihn in den Verdacht des Protestantismus brachte. Hieran reihen sich Aonius Palearius (Antonio della Paglia), 1570 in Rom als Ketzer gehenkt u. verbrannt, dessen Hauptwerk De immortalitate animae wegen Styl u. Ideen bewundert wird, u. Girolamo Fracastoro aus Verona (1553), der gelehrteste Mann seiner Zeit in den physischen Wissenschaften u. berühmter Arzt, von dem man u.a. mehrere schöne lateinische Episteln u. ein Gedicht Syphilis hat. Am Hofe Leos X. lebten die beiden lateinischen Improvisatoren Andrea Morone (st. 1527) u. Camillo Querno, von denen sich nur Weniges erhalten hat. Eine wichtige Rolle in der nationalen Literatur der Italiener spielt im 16. Jahrh. das Epos, bei welchem sich jedoch verschiedene Richtungen bemerklich machen. An der Spitze der Dichter, welche das Antike mit hartnäckigem, aber nicht eben glücklichem Eigensinn festhalten, steht der Graf Giangiorgio Trissino (st. 1550), der in seiner Italia liberata da' Goti seinem Volke ein episches Gedicht im Geist u. in der Form der Alten geben[124] wollte, aber eine poesielose, unlesbare Nachahmung bes. Homer geschaffen hat. Weit höher als Dichter steht Luigi Alamanni (st. 1556), welcher in seinem Girone il cortese einen Stoff aus der Artussage behandelte u. in der Avarchide die Ilias genau nachbildete. Großen Beifall, jedoch nur bei den Freunden des Alterthums, erhielt seiner Zeit der Costante von Francesco Bolognetti, obgleich es eben so unlesbar ist u. auch eben so leicht vergessen wurde, als der Ercole des Giambattista Giraldi Cinzio (st. 1573). Noch viel geistloser ist die Alamanna des Ant. Franc. Olivieri. Im Gegensatz zu diesen leblosen, aus einer übelverstandenen Vergötterung der Alten hervorgegangenen Dichtungen, gebührt das unsterbliche Verdienst, seinem Vaterlande das erste, dem Nationalsinn wahrhaft zusagende romantische Epos geliefert zu haben, dem Lodovico Ariosto (s.d.), der mit seinem Orlando furioso zwar in die Fußtapfen des Bojardo getreten ist, aber ihn, wenn auch nicht an Erfindungsgabe, so doch an Anmuth, geistvoller Schalkheit u. Eleganz der Sprache weit überflügelt. Fünfzig Jahre hindurch erhielt sich Ariosto im alleinigen Besitz der Bewunderung ganz Italiens u. verdunkelte nicht nur alle, wenn auch rühmlichen Werke seiner Vorgänger, sondern auch die seiner schwachen Nebenbuhler u. Nachahmer. Die wichtigsten der Letzteren sind: Lodovico Dolce aus Venedig (gest. 1566–69), welcher in einer großen Anzahl epischer Gedichte sowohl Stoffe aus dem Alterthum, als auch aus den romantischen Sagenkreisen des Mittelalters behandelte; Vincenzo Brusantino (st. 1570), der in seiner geistlosen Angelica innamorata eine Art Fortsetzung zum Orlando furioso lieferte; Pietro Aretino, der in seiner Marfisa u. Le lagrime d'Angelica Personen der Dichtung Ariosts besang, ebenso wie Giambattista Dragoncino da Fano in seiner Marfisa bizarra. Eigenthümlicher sind I trionfi di Carlo u. der Anteo gigante von Francesco de' Ludovisi, sowie Il Meschino von der durch Geist u. freies Leben bekannten Tullia d'Aragona. Die Rittergedichte schossen in so großer Menge auf, daß fast jede Person, die im Sagenkreise Karls des Großen genannt wird, auch in einem Gedichte verherrlicht wurde. Zu den besten Dichtern in der Zeit zwischen Ariost u. Tasso gehört unbedingt der Vater des Letzteren, Bernardo Tasso (st. 1569), der Verfasser des Amadigi, dessen Ruhm nur durch den seines Sohnes Torquato verdunkelt wurde. Torquato Tasso (s.d.) gilt jetzt ziemlich allgemein für den Lieblingsdichter des italienischen Volks, aber läßt sich ihm auch eine hohe Begabung für die Poesie nicht absprechen, so werden doch ein unbefangenes Urtheil u. ein wahrhaft poetischer Sinn keinen Augenblick zweifeln, dem Ariost die Palme zuzuerkennen. Die Girusalemme liberata des Tasso schmiegt sich in Bezug auf Form möglichst eng an die Antike, während die üppigen Blüthen des romantischen Sinns des Dichters diese enge Form zersprengend, sich stets hindurchdrängen. Der Beifall, welchen Tasso's große Dichtung fand, reizte eine Menge mittelmäßiger Dichter, sich mit Tasso zu messen, ohne ihn jedoch nur im entferntesten zu erreichen. Fast verschollen sind Il fido amante von Curzio Gonzaga, Il mundo nuovo von Giovanni Giorgini, La Malteide von Giov. Fratta, die Gerusalemme distrutta von Francesco Potenzano, L'universo von Raffaele Gualterotti u. v. A. Während Dichter wie Trissino u. Tasso jeder in seiner Art ihrem Volke ein würdiges u. nationales Heldengedicht zu schaffen strebten, u. sich namentlich bei Tasso der Ernst einer sittlichen Gesinnung u. einer an die Schwärmerei grenzenden Religiosität kund gibt, regt sich im Gegensatz hierzu die dem Nationalsinn mehr eigenthümliche Luft an Scherz, Ironie u. Carricatur, welche der unter den Gebildeten jener Zeit vorherrschenden Frivolität u. Verspottung alles Heiligen bes. zusagen mußte. Aus dieser Geistesrichtung sind verschiedene theils epische, theils satyrische Dichtungen des 16. u. des folgenden Jahrhunderts hervorgegangen. Dahin gehört der liederliche Mönch Teofilo Folengo (st. 1544), unter dem Namen Merlino Coccajo bekannt, welcher, wenn auch nicht der Erfinder, doch einer der ersten u. glücklichsten Bearbeiter der Maccaronischen Poesie war. Außer den Maccaronischen Werken: Maccaronicorum opus u. Caos del tri per uno, dichtete er auch burleske Epen, unter denen der Orlandino nicht ohne Anmuth ist. Sonst sind aus dieser Zeit noch drei kleine burleske Heldengedichte zu nennen: La Gigantea von Benedetto Arrighi, die Nanea don einem Unbekannten u. La guerra de ' mostri von Ant. Franc. Grazzini (st. 1583), einem der besten Novellendichter Italiens. Die Zeitverhältnisse begünstigten auch die Entwickelung einer anderen Art von burlesken Dichtungen, der sogenannten Capitoli, spottende, satyrische u. sittlich wie religiös frecher Gedichte in Terzinen, worin meist entweder ernste Gegenstände lächerlich od. höchst unsaubere u. schmutzige auf eine witzige u. leichte Weise behandelt werden. Fast alle Dichter dieser Zeit, viele Gelehrte u. Staatsmänner haben sich in dieser Dichtungsart versucht. Für den zierlichsten, anmuthigsten u. zugleich natürlichsten aller burlesken Dichter gilt den Italienern Francesco Berni (st. 1536), so daß die ganze Gattung nach ihm auch Poesia bernesca od. berniesca benannt wird. Ihm sehr nahe steht sein Freund Giovanni Mauro (st. 1536); sonst sind noch Firenzuola u. der in seinen Gedichten züchtigere, aber weniger elegantere Cesare Caporal (st. 1601) zu nennen. Auch Pietro Aretino (st. 1557), der schmutzigste aller italienischen Schriftsteller, hat sich in dieser Gattung ausgezeichnet. In einer dem Alterthum so eifrig nachstrebenden Zeit lag auch die Nachahmung der altrömischen Satyriker nahe, wenn auch die vielen Versuche, welche darin gemacht wurden, wenig Beachtung gefunden haben. Zu den besseren gehören die Satyren des Antonio Vinciguerra u. des Ercole Bentivoglio (st. 1573). Unbedeutend sind die Arbeiten von Sansovino, Lodovico Dolce, Girolamo de' Domini, Girol. Fenaruolo, Lodovico Paterno, Antonio Pace, Giannandrea dell' Anguillara, Agostino Caccia u. And. Die didaktische Poesie wurzelt bei den Italienern ganz in der Nachahmung der Alten, unter denen namentlich Virgil das Vorbild war. Doch hat die J. L. einige vorzügliche Leistungen aufzuweisen. Dahin gehört die Coltivazione des bereits erwähnten Alamanni; sein glücklichster Nebenbuhler war Giovanni Rucellai (st. 1526), der ein kleines, aber sorgfältig ausgeführtes Gedicht Le api verfaßte. Mit geringerem Erfolge in dieser Gattung dichteten Tito Giovanni Scandianese (eigentlich Ganzarini, st. 1582) u. Erasmo de Valvasone (st. 1593), welche beide die Jagd zum Gegenstande[125] wählten. Das Gedicht des Letzteren, von dem man auch noch eine Angeleide u. einen Lanci lotto besitzt, ist poetischer, als das des Ersteren. Girolamo Muzio (st. 1575), einer der fruchtbarsten Schriftsteller seiner Zeit, schrieb Dell' arte poetica; Bernardino Baldi, ein gelehrter Geistlicher aus Urbino (st. 1617), verfaßte eine Nautica, die nicht ohne Werth ist; von Alessandro Tesauro (st. 1621) hat man den Anfang eines Gedichts über den Seidenbau. Der Einzige, welcher ein Nachahmer des Lucrez genannt werden könnte, ist Paolo del Rosso (st. 1569), der streng nach Aristoteles La fisica schrieb. Auch Luigi Tansillo (st. um 1570), dessen Gedicht Le lagrime di S. Pietro seiner Zeit sehr beliebt war, hat sich durch seine Gedichte Il podere u. La balia als Didaktiker einen Namen gemacht. Der dramatischen Poesie der Italiener, namentlich der Tragödie, scheint von vorn herein die allgemeine Bewunderung der Alten viel Abbruch gethan zu haben. Es wurden zwar im 16. Jahrh. zahlreiche Versuche gemacht, doch sind nur wenige Arbeiten von einiger Bedeutung darunter zu finden. Mehrere dichteten noch in Lateinischer Sprache; dahin gehören Francesco Benzi (st. um 1594) wegen seiner Dramen Ergastus u. Philotimus, Bartolommeo Zamberti wegen seiner Dolotechne, Armonio Marso wegen seiner Komödie Stephanium, Giovanni Anisio wegen seiner Tragödie Protagoras. Sehr schön in der Sprache ist der Imber aureus des Antonio Tilesio aus Cosenza; alle aber werden an Eleganz übertroffen von Coriolano Martirano (st. 1551), welcher acht Tragödien u. zwei Komödien dichtete, von denen aber nur der Christus ganz seine eigene Schöpfung ist. Was von italienischen Tragödien aus dem 16. Jahrh. anzuführen ist, besteht fast nur aus mehr od. weniger kalten, unlebendigen Nachahmungen der Alten; überhaupt ist weder in diesem, noch in den folgenden Jahrhunderten eine wahrhaft nationale Tragödie gedichtet worden. Das erste Stück, welches den Namen einer Tragödie verdient, ist die Sofonisba des Marchese Galeotto del Carretto, welche 1502 bekannt wurde. Unendlich besser ist die Sofonisba des Trissino, welchem sein Freund Rucellai folgte, dessen Rosmunda schon 1516 in Florenz in Gegenwart Leo's X. aufgeführt wurde. Von keiner Bedeutung ist der Torrismondo des Torquato Tasso. Einen eigenen Weg versuchte Speron Speroni (st. 1588), welcher mit seiner Canáce in siebensylbigen Versen vielen Beifall, aber auch heftigen Widerspruch fand. Zu den besseren Tragödien dieser Zeit gehören noch der Edippo des Giovanni Andrea dell' Anguillara u. der Orazio des Pietro Aretino. Sonst hat man noch Tragödien von Lodovico Dolce, Domenichi u. vielen And., welche sich doch meist knechtisch an die Alten hielten. Nur Giambattista Giraldi versuchte in seinen Tragödien, wenn auch abenteuerlich u. verworren, meist selbst erfundene od. aus seinen Novellen geschöpfte Stoffe zu verarbeiten.

Auch die Komödie gelangte auf gelehrtem Wege durch Nachahmung der Alten in die J. L. u. diente daher nur zur Erheiterung der Höfe u. der höheren Gesellschaft. Die Gelehrte Komödie (Commedia erudita) wurde fast gleichzeitig vom Cardinal Bibiena, Ariosto u. Macchiavelli bearbeitet, doch scheinen die Ansprüche Ariosts auf die Priorität die ältesten u. begründetsten. Von Ariost hat man fünf Komödien, von denen zwei: Cassaria u. Suppositi, zuerst in Prosa geschrieben waren; Bernardo Dovizio, genannt Bibiena (st. 1520), dichtete die Calandra, welche zum ersten Male 1508 in Urbino, später in Rom vor dem Papste aufgeführt wurde; endlich Macchiavelli dichtete in höherem Alter die Madragola u. die Clizia, beide in Prosa. Die Stücke des Ariost ruhen mehr auf den Sitten der Alten, als auf denen seiner Zeit; die Komödien der beiden anderen sind, wie die meisten ähnlichen Producte dieser, voll von Zweideutigkeiten u. Schlüpfrigkeiten. Bei Weitem weniger als diese Hauptwerke des 16. Jahrh. bedeuten die Simillimi des Trissino, die Komödien des Pietro Aretino, Grazzini, Lodovico Dolce, Firenzuola, Parabosco, Ercole Bentivoglio, Annibale Caro, des Gelli u. And. Einer der fruchtbarsten u. talentvollsten Lustspieldichter ist Giammaria Cecchi, welcher seine Stücke zum Theil aus Terentius u. Plautus schöpfte, aber mit großem Geschick den neueren Sitten anpaßte; ebenso ausgezeichnet in der Sprache, wie durch echte Komik sind die drei Komödien des Francesco d'Ambra (st. um 1559). Der Candellajo ist ein niedrig komisches Stück des unglücklichen Philosophen Giordano Bruno. Während sich die Höfe u. die vornehme Welt an diesen Nachbildern ergötzten, welche nicht von Schauspielern auf Theatern, sondern von Mitgliedern der Akademien, von Hofleuten, ja zuweilen von fürstlichen Personen dargestellt wurden, hatte das Volk seine eigene Komödie, die Commedia dell' arte, deren Ursprung nicht ganz aufgeklärt ist. Wahrscheinlich ist es, daß sich die Mimen u. Pantomimen der Alten durch alle Jahrhunderte hindurch erhalten haben, u. daß in ihnen die Quelle der Masken des neueren italienischen Volkstheaters zu suchen ist. Schon im 16. Jahrh. waren die wichtigsten der letzteren in allgemeinem Gebrauch; so Pantalone, der ehrliche venetianische Kaufmann; Brighella u. Arlechino, bergamaskische Bedienten (beide zusammen Zanni genannt), jener pfiffig, dieser ein Tölpel, u. vielleicht noch mehre andere, wie Scapino, ein spitzbübischer Bedienter, Tartaglia, der Stammler etc. (s. Italienisches Theater). Die Stücke, welche dargestellt werden sollten, waren nicht ausgeführt u. aufgeschrieben, nur die Folge u. der Hauptinhalt der Scenen wurde vom Dichter angegeben, da es den Schauspielern überlassen blieb, die ihnen zugewiesenen Personen u. Scenen nach eigenem Belieben auszuführen. An derber Lustigkeit, kräftigem Volkswitz u. echt komischer Kraft, aber auch an Schmutz u. rohen Späßen konnte es nicht fehlen. Unter den Dichtern solcher meist verloren gegangener Stücke wird Flaminio Scala als der geistreichste u. genialste genannt. Andere für das Volk u. daher meist in Localmundarten geschriebene Stücke dieser Art hat man von dem Schauspieler Angelo Beolco (mit dem Beinamen Il razzante, st. 1542) meist im Dialekt von Padua, u. von Andrea Calmo (st. 1571) in venetianischer Mundart.

Die Luft der überfeinerten Höfe, der Vornehmen u. Großen an einer erträumten Hirtenwelt voll Unschuld, Glück u. Liebe, gab auch in Italien der Hirtenpoesie den Ursprung, welche im 16. Jahrh. vorzüglich in dramatischer Form, als Schäferdrama od. Pastorale, sehr beliebt war. Als die ersten Keime dieser Richtung lassen sich der Ameto des [126] Boccaccio, so wie die romanartige Arcadia des Jacopo Sannazaro, welcher sie schon in seiner Jugend gedichtet hatte, anführen; die erste wahrhaft dramatische Pastorale gab Niccolo da Correggio Visconti (st. 1508) in seiner Favola di Cefalo od. l'Aurora, welche auch 1487 wirklich am Hofe zu Ferrara zur Aufführung kam. Weniger dramatisch ist der Tirsis des Grafen Castiglione, so wie I due pellegrini des Luigi Tansillo. Auf diese ersten Versuche folgten nun die wirklichen Pastorale Egle von Giambattista Giraldi, 1545 zu Ferrara aufgeführt; Il sagrifizio von Agostino Beccari (st. 1590), ebenfalls 1554 zu Ferrara bei einem Hoffeste gegeben; die Schäferspiele Calisto u. Il pentimento amoroso von Luigo Groto, bekannter unter dem Namen Il Cieco d'Adria (st. 1585); die Aretusa des Alberto Lollio (1563) u. der Sfortunato des Agostino Argenti. Bei der Aufführung des letzteren Stückes zu Ferrara (1567) war Torquato Tasso zugegen, welcher wahrscheinlich hierdurch veranlaßt wurde, sich selbst in dieser Gattung zu versuchen. Sein Aminta, welcher 1573 zu Ferrara aufgeführt wurde, verdunkelte alles Vorhergehende; wenn das Stück als dramatisches Kunstwerk auch sehr schwach ist, so fand es doch wegen der Einfachheit der Handlung, die edele, angemessene u. höchst anmuthige Sprache die allgemeinste Bewunderung. Das größte u. ausgezeichnetste in dieser Gattung wird aber für immer der Pastor fido des Giambattista Guarini (st. 1612) bleiben. Eine sklavische Nachahmung des Aminta ist das Fischerstück Alceo von Antonio Ongaro aus Padua; ein Freund des Tasso, Angelo Ingegneri, schrieb die Pastorale La danza di Venere (1583). Die Filli di Sciro des Grafen Guidobaldo de' Bonarelli (st. 1607), welche man häufig neben den Aminta u. Pastor fido stellt, sind weiter nichts als eine Nachahmung beider.

Bei der Darstellung vieler dieser Stücke wurden die in Musik gesetzten Chöre gesungen, ja selbst in einzelnen Lustspielen die Zwischenacte durch musikalische Stücke ausgefüllt. Auf den Gedanken ein ganzes Stück singen zu lassen fiel gegen Ausgang des Jahrhunderts Emilio del Cavallieri, welcher 1590 zwei Pastorale La disperazione di Silena u. Il satiro zu diesem Behufe dichtete. Die Erfindung der eigentlichen Oper gehört den Florentinern. Zur ersten Oper vereinigten sich ein junger talentvoller Dichter, Ottavio Rinuccini (st. 1621) u. der Musiker Jacopo Peri; ihre Dafne wurde 1594 erst versuchsweise in Privatcirkeln aufgeführt, fand aber bald allgemeinen Beifall. Derselbe Dichter schrieb dann noch 1600 eine Euridice, etwas später die Arianna u. den Narcisso, welche von Peri u. von Giulio Caccini componirt wurden. Diese Opern (Canto recitativo hieß die Musik, das Drama selbst nannte man Drama musicale od. Opera per musica od. Opera in musica) wurden mit Ausnahme einiger lyrischen Partien, wahrscheinlich ganz nach Art unserer Recitative abgesungen. Fast gleichzeitig hatte. Orazio Vecchi (st. 1605) aus Modena den Antiparnasso (1597), eine in Musik gesetzte Komödie, geschrieben, welche man gewissermaßen als den Anfang der Opera buffa betrachten kann.

In lyrischen Dichtungen (Rime) versuchten sich wohl alle Dichter u. Schriftsteller dieses Zeitraumes. Mehre der bedeutendsten Dichter, wie Ariost, die beiden Tasso, Guarini, Tansillo, gehören auch zu den ausgezeichnetsten Lyrikern. Vorzugsweise als Lyriker haben sich berühmt gemacht: Pietro Bembo aus Venedig (st. 1547), welcher zwar als Wiederhersteller der Eleganz u. Correctheit in der Sprache betrachtet wird, aber sich nur allzu sklavisch an sein Vorbild Petrarca anlehnte; ferner Francesco Maria Molza (st. 1544); Giovanni Guidiccioni aus Lucca (st. 1541), welcher sich durch Geist u. patriotischen Sinn auszeichnet; Giovanni della Casa (st. 1556), dessen Gedichte Kraft der Gedanken u. höchste Zierlichkeit in der Sprache bekunden. Dem Casa u. dem Bembo, ja selbst dem Petrarca steht nach der Meinung der Italiener Annibale Caro (st. 1566) am nächsten, welcher bes. in seinen Rime die Sprache meisterhaft zu behandeln wußte. Angelo de Costanzo (st. 1591) zeichnet sich in seinen Gedichten durch Kraft der Gedanken u. Eigenthümlichkeit aus. In höherem Grade gilt dieses von dem als Künstler unsterblichen Michel Angelo Buonarotti (st. 1564). Als Dichter zweiten Ranges sind zu nennen: Francesco Beecuti, mit dem Beinamen Il Coppetta (st. 1553); Antonio Broccardo (st. 1531), Galeazzo di Tassia (st. 1535), die Gebrüder Lodovico u. Vincenzo Martelli (gest. 1527 u. 1556), Bernardo Tappello (st. 1565), Claudio Tolommei (st. 1555), der zu Rom eine Akademie stiftete, welche die Versmaße der Alten in Italienischer Sprache nachzubilden strebte; ferner Luca Contile (st. 1574), Bernardino Rota, Domenico Veniero (st. 1582), Gabriele Fiamma (st. 1585) u. viele Andere. Unter den dichtenden Frauen dieses Jahrhunderts sind bes. drei mit Auszeichnung zu nennen: Vittoria Colonna (st. 1547), die Wittwe des Feldherrn Pescara, deren Gedichte ernsten u. religiösen Inhalts sind; ferner ihre Freundin Veronica Gambara (st. 1550) u. Gaspara Stampa (st. 1554). Die Tultia d'Arragona ist schon oben erwähnt.

Der Roman hat eigentlich den Italienern bis auf die neueste Zeit herab gefehlt u. ist ihnen durch die Novelle u. das romantische Epos gewissermaßen ersetzt worden. Durch den Anbau u. die Pflege dieser beiden Literaturgattungen sind die Keime zum Roman, welche sich in Boccaccios Filocopo u. einigen der obenerwähnten Volksbücher, wie namentlich dem Guerrino il meschino zeigen, erstickt worden. Unter den ungemein zahlreichen Novellen dichtern des 16. Jahrh. nimmt Matteo Bandello (st. 1561), welcher 214 Novellen schrieb, den ersten Platz ein. Obgleich er bei weitem nicht den Boccaccio erreicht, so sind seine Novellen, welche sich meist auf wirkliche Begebenheiten stützen, wenn such nachlässig in der Sprache, doch nicht ohne Anmuth geschrieben. Dagegen schmutzig u. lüstern sind die Novellen des ausschweifenden Mönchs Agnolo Firenzuola (st. 1548), welcher zu den elegantesten Schriftstellern seiner Zeit gehörte u. u.a. auch eine Bearbeitung des Goldenen Esel des Appulejus u. eine Fabelsammlung (I. discorsi degli animali) veranstaltete. Die Novellen (Le piacevollissime notte) des Gianfrancesco Strapparola aus Caravaggio, welcher vorzüglich aus der höchst schlüpferigen u. deshalb allgemein verbotenen lateinischen Novellensammlung des Girolamo Morlino (1520) schöpfte. Interessant sind die Diporti des auch als Dichter u. Musiker bekannten Girolamo Parabosco u. die [127] Ecatommiti des Giambattista Giraldi Cinzio; weniger gilt dies von den Sei giornate des Sebastiano Erizzo, welche jedoch in Bezug auf Sprache dem Boccaccio nahe kommen. Neben diesen umfangreicheren Sammlungen gibt es noch zahlreiche einzelne, zum Theil treffliche Novellen verschiedener Verfasser; dahin gehören Macchiavelli, welcher eine einzige aber meisterhafte Novelle Belfagor schrieb; ferner Giovanni Brevio; Luigi da Porta, welcher in seiner einzigen Novelle die Sage von Romeo u. Julia behandelt; Marco Cadamosto; Antonio Cornazzano, welcher seine Novellen Proverbj nannte; Niccolo Granucci, Pietro Fortini, Scipione Bargagli, Giustiniano Nelli, Antonio Mariconda u. Andere; wozu auch noch die Cene des Lasca, u. mehre Novellen von Alamanni, Molza, Doni, Sansotcino u. Andere kommen.

Eine ziemliche Anzahl anderer Schriftsteller benutzte die schon im Alterthume beliebte Form des Dialogs theils zu heiteren u. satyrischen, theils auch zu ernsten u. philosophischen Mittheilungen. Dahin gehören die Gli Asolani des Pietro Bembo, welche die Liebe behandeln; die Dialoge des Sperone Speroni über Liebe, Würde der Frauen, die Pflichten einer Hausfrau u. dgl.; die des Antonio Bruccioli über Moral, Physik u. Metaphysik; das Decamerone des Valerio Marcellino über den Tod; die verschiedenen, dem Plato nachgebildeten, aber etwas weitschichtigen Gespräche des Torquato Tasso; die des Lionardo Salviati über die Freundschaft; die des Lodovico Dolce, des Muzio u. Anderer. Als Muster in dieser Art von Darstellung gelten die geistreichen Dialoge des Giambattista Gelli aus Florenz (st. 1563), dessen Hauptwerke La circe u. die Capricci del bottajo sind. Das berühmteste Buch dieser Art aber ist der Cortigiano des Grafen Baldasarre Castiglione (st. 1529), in welchem er gesprächsweise die Eigenschaften eines vollkommenen Hofmanns entwickelt.

Wohl kein Volk Europas hat im 16. Jahrh. eine so große Anzahl von politischen Schriftstellern u. Geschichtschreibern hervorgebracht als Italien. Wie einerseits die vielen kleinen Staaten, in welche Italien damals getheilt war, u. von denen jeder eine reiche innere u. äußere Geschichte besaß, die Veranlassung zur Darstellung der vaterländischen Geschichte boten, so mußten die verwickelten politischen u. staatsrechtlichen Verhältnisse dieser Staaten unter einander, so wie deren Beziehungen zu den Päpsten, wie zu Deutschland, Frankreich u. Spanien Gelegenheit zur Ausbildung des diplomatischen u. politischen Sinnes bieten. An der Spitze aller Politiker wie Geschichtschreiber dieser Zeit ist der berühmte Niccolo Macchiavelli (s.d.). Als großer u. tiefblickender Staatsmann zeigt er sich in den Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio, in den Werken Dell' acte della guerra, vor allem aber im Principe, als Geschichtschreiber in seinen meisterhaften Storie fiorentine. Obgleich durch den Namen Macchiavellis verdunkelt, sind unter den Politikern noch als bedeutend anzuführen: Scipione Ammirato (st. 1601), welcher seine Discorsi sopra C. Tacito namentlich gegen Macchiavelli richtete; Paolo Paruta (st. 1598), wegen seiner Discorsi politici u. seiner Schrift Della perfezione della vita civile; ferner Giovanni Botero (st. 1617), welcher in seinen Schriften Delle cause della grandezza della litteseinem Hauptwerke Della ragione di stato u. seinen Relazioni universali nicht allein billige Grundsätze in Hinsicht auf Andersgläubige, sondern auch die ersten gesunden Principien über Besteuerung u. Nationalwohlstand aussprach. Die allgemeine Geschichte ihrer Zeit schrieben lateinisch: Paolo Giovio aus Como (st. 1552), in seinem Werke Historiae sui temporis, wozu er später noch die Elogia virorum bellica virtute illustrium u. mehre Descriptiones fügte; ferner Bernardo Rucellai (Oricellarius, st. 1514), dessen kleines Werk De bellis italicis in Bezug auf Sprache u. Darstellung für das beste seiner Zeit gelten kann; Galeazzo Capra od. Capella, welcher mit Wahrheit u. Unparteilichkeit in zierlichem Latein Commentarii über die Kriege von 1521–30 im nördlichen Italien schrieb; Giorgio Florio, welchen die Kriege Karls VIII. u. Ludwigs XII. in Italien schildert. Unter den Geschichtsschreibern, welche sich der Italienischen Sprache bedienten, ist der berühmteste Francesco Guicciardini aus Florenz (st. 1540), dessen Storia d'Italia (von 1494–1534) jedoch stylistisch nicht genügt u. auch nicht als zuverlässig gelten kann. Der Sprache wegen wird gerühmt Pier Francesco Giambullaris Storia dell' Europa (887–913). Außerdem sind noch hervorzuheben Giambattista Adriani (st. 1579) wegen seiner Storia de' suoi tempi, Biagio Buonaccorsi wegen seines trockenen aber brauchbaren Diario italiano (1498–1512), u. Patrizio del Rossi wegen seiner interessanten Memorie storiche dei principali avvenimenti d'Italia durante il pontificato di Clemente VII. Unter den Specialgeschichten der einzelnen Städte behaupten die von Florenz den Vorrang vor allen anderen. Die wichtigsten Florentinischen Geschichtsschreiber, welche sich mehr od. weniger auf die letzten Umwälzungen in der Stadt, die den Untergang der Freiheit herbeiführten, beschränken, sind Jacopo Nardi (st. 1555), dessen Werk die Zeit von 1494–1531 umfaßt, Filippo Nerli (st. 1556), der geistreichste Nachfolger Macchiavells, Benedetto Varchi (st. 1565), Bernardo Segui (st. 1558), dessen Geschichtswerk in Bezug auf Styl u. Gesinnung zu den besten gehört, Gino Capponi, dessen kleines aber meisterhaftes Werk den Titel Tumulto de' Ciompi führt, Neri Capponi, welcher die Zeit von 1419–56 schildert, u. Giovanni Cavalcanti, welcher die Begebenheiten seiner Zeit erzählt. Der Venetianer Giammichele Bruto (st. 1594), hat in lateinischer Sprache über die Geschichte von Florenz geschrieben. Auch die Geschichte von Venedig ist vielfach bearbeitet worden. Im Auftrage des Staates schrieben der berühmte Pietro Bembo, welcher sein ursprünglich lateinisches Werk selbst ins Italienische übertrug, u. sein Fortsetzer Paolo Paruta; ähnliche Werke lieferten Daniello Barbaro u. Lodovico Contarini. Die Geschichte der Republik Genua schrieben außer Agostino Giustiniani (dessen einfache Chronik bis 1528 reicht), Jacopo Bonfadio (enthauptet 1550), dessen lateinisches Werk über die Zeit von 1528–50 klassisch geschrieben ist; Uberto Foglietta (st. 1581), welcher in ebenso schöner Sprache lateinisch die Geschichte seiner Vaterstadt bis 1527 herab darstellte. Ferrara hat an Giraldo Cinzio, Giambattista Pigna u. Girolamo Falleti gute Geschichtsschreiber gefunden. Neapel erhielt im 16. Jahrhundert seinen ersten, aber[128] trotz seiner Berühmtheit doch wenig selbständigen u. zuverlässigen Geschichtschreiber an Angelo di Costanzo. Camillo Porzio schrieb La congiura de' Baroni del regno di Napoli u. Gianantonio Summonte (st. 1602) eine Geschichte von Neapel dom Ursprung der Stadt bis 1582. Einzelne Italiener wandten sich auch der Geschichte fremder Länder zu, mit denen ihr Vaterland in Beziehung stand. So schrieb Paolo Emili (st. 1529) über Frankreich, Lucio Marineo über Spanien, Bernardo Davanzati über England, Lodovico Giucciardini über die Niederlande; ferner Martire d'Anghiera seine wichtigen Werke De insulis nuper inventis u. De rebus oceanicis et de orbe novo, u. Giampietro Maffei (st. 1603) seine Historiarum indie carum libri XVI. Erst die Arbeiten der Reformatoren zwangen die Katholische Kirche ihrerseits an die Darstellung der Kirchengeschichte zu denken u. so entstanden die Annales ecclesiastici des Cesare Baronio (st. 1607), ein rühmliches Denkmal beispiellosen Fleißes. Die hohe Blüthe aller Künste in diesem Jahrhundert bot Veranlassung, theils zu kunsthistorischen Studien, theils zu theoretischen Betrachtungen u. belehrenden Anweisungen. Ohne Vergleich das Hauptwerk für die Geschichte der Kunst sind die Vite de' piu excellenti pittori, scultori ed architetti von Giorgio Vasari (st. 1574). Mehr theoretisch behandelt Rafaello Borghini die Malerei u. Sculptur in seinem Riposo. Nicht minder wichtig sind die Schriften des florentinischen Goldarbeiters Benvenuto Cellini (st. 1570), dessen musterhafte Selbstbiographie durch Goethes Übersetzung bekannt geworden ist. Auch dessen Abhandlungen über Goldschmiedekunst, Sculptur, Zeichnen u. Baukunst sind für die Kunstgeschichte von hohem Werthe. Letzteres gilt auch von Giampolo Lomazzi's, eines Mailänders, des Malers Bernardo Campi aus Tremona u. des Giambattista Armenino aus Florenz Schriften über die Malerei. Über die Baukunst schrieb der große Baumeister Andrea Palladio (st. 1580) ein großes unschätzbares Werk; auch die Idea d'architettura universale von Vincenzo Scammozzi (st. 1616) ist für die Kunst von Bedeutung. Die Literaturgeschichte, in welcher die Italiener in der Folge mehr geleistet haben, als die meisten anderen Völker, zeigt sich im 16. Jahrh. nur erst in dürftigen Anfängen. Zu nennen sind nur des Giammaria Barbieri (st. 1571) Werk Dell' origine della poesia rimata (Modena 1790) u. die beiden Librerie (Ven. 1550 u. ebd. 1551, 1555) des Vielschreibers Antonio Francesco Doni (st. 1574) aus Florenz. Die gelehrten Arbeiten des Jesuiten Antonio Possevino (st. 1612) gehören mehr der allgemeinen Encyklopädie an, als der Literaturgeschichte. Auch die ersten grammatischen Versuche über die Italienische Sprache fallen in dieses Jahrhundert (s. Italienische Sprache). Die Philosophie, welche bisher nur im Dienste des herrschenden kirchlichen Systems vegetirt hatte u. sich nur in den gewöhnlichen Bahnen der Schule, die sich um Plato u. Aristoteles drehten, bewegt hatte, fing im 16. Jahrh. das erstemal an, ein selbständiges Leben zu äußern. Unter den Männern, welche ihrer eigenen Speculation vertrauten, sind Girolamo Cardano (st. 1576), der geniale Giordano Bruno u. Lucilio Varini die bedeutendsten, jedoch mußten die beiden Letzteren (1600 u. 1619) ihre philosophische Kühnheit auf dem Scheiterhaufen büßen.

IV. Die vierte Periode der Geschichte der J-n L, Il seicento

, welche vom Ende des 16. bis gegen das letzte Viertel des 18. Jahrh. reicht, ist das Zeitalter des Verfalles u. der Ausartung der Künste, bes. der Poesie, in Italien. Hauptursachen dieser allgemeinen Ermattung des Geistes sind einerseits die Reaction des Katholicismus gegen Ideen der Reformation, welche mit Hülfe der Inquisition alle Fortschritte, namentlich in den historischen, philologischen u. philosophischen Wissenschaften ängstlich überwachte u. niederzuhalten suchte, andererseits die damalige politische Lage Italiens. Hierzu kam noch seit dem Ende des 17. Jahrhunderts der verderbliche Einfluß französischer Theorien u. Vorbilder, welche die Geister verwirrten, die echt nationale Bildung verdrängten u. unter dem Namen der Philosophie eine elende Frivolität unter den höheren Klassen verbreiteten. Aberglaube unter dem Volke, Unglaube unter den Gebildeten bezeichneten im 18. Jahrh. u. bezeichnen zum Theil noch bis in die neueste Zeit herein den geistigen Zustand Italiens. Nur einen Ersatz erhielt die herabgesunkene Nationalität in der raschen Entwickelung der physikalischen u. mathematischen Wissenschaften, worin ungeachtet mancher pfäffischer Verfolgung, eine Anzahl der ausgezeichnetsten Männer sich hervorthat u. die unverwüstliche Kraft des italienischen Geistes bekundete. Es entstanden einige wahrhaft wissenschaftliche Verbindungen, welche leider nur zu schnell den ungünstigen Zeitumständen erlagen. Dahin gehört die Accademia dei Lincei in Rom, 1603 gestiftet, die älteste dieser Art in Italien, wie überhaupt in Europa. Zu der 1657 begründeten Accademia del Cimento gehörten die bedeutendsten Gelehrten jener Zeit. Obgleich beide Akademien keinen langen Bestand hatten, gaben sie doch den Anstoß zur Bildung ähnlicher Vereine an vielen Punkten Italiens u. wurden eine mächtige Stütze für die fortschreitende Entwickelung der physikalischen Wissenschaften. Die Astronomie, die Mathematik, die Physik, die Medicin sind im 17. Jahrh. unter den Italienern so durch Gelehrte in einer Zahl vertreten, wie sie kein anderes Volk in dieser Zeit aufzuweisen hat. Der glänzendste Name unter denselben ist in dieser Periode Galileo Galilei (s.d.), dessen Werke auch in sprachlicher Beziehung ausgezeichnet sind. Unter seinen Schülern sind die berühmtesten Vincenzo Viviani aus Florenz (st. 1703), Evangelista Torricelli aus Faenza (st. 1647) u. Benedetto Castelli aus Brescia. Andere berühmte Mathematiker u. Physiker dieser Zeit waren Gianalfonso Borelli aus Neapel (st. 1679), Domenico Guglielmini aus Bologna (st. 1710), Giovanni Domenico Cassini (st. 1712 in Paris). Der Jesuit Giambattista Riccioli aus Ferrara (st. 1671) u. Francesco Grimaldi aus Bologna (st. 1663) gehörten zu den ausgezeichnetsten Astronomen ihrer Zeit. Nach längerem Zwischenraume reiht sich im 18. Jahrh. Maria Zanotti aus Bologna denselben an. Unter den Förderern der Medicin, welche mit dem Erwachen der physikalischen Wissenschaften eine neue Gestalt annehmen mußte, zeichneten sich Marcello Malpighi (st. 1694), Lorenzo Bellini (st. 1704), vor Allen aber auch der als Naturforscher u. Dichter bekannte Francesco Redi aus Arezzo (st. 1697) aus. Später machte sich Antonio Cocchi (st. 1758) als Lehrer der Medicin in Pisa u. Florenz berühmt; der ausgezeichnete Botaniker u. Arzt Domenico Cirillo in Neapel wurde 1799 hingerichtet. So wenig[129] die Zeitverhältnisse philosophische Studien begünstigten, so wandten sich denselben doch mehrere fähige Köpfe zu; dahin gehört vor Allen der unglückliche Tommaso Campanella aus Calabrien (st. 1639), welcher außer seinen philosophischen Schriften auch Poesie filosofiche hinterlassen hat. Etwas später lebte Giambattista Vico aus Neapel (st. 1744), einer der genialsten Forscher, welche Italien besessen hat, der durch sein Hauptwerk, die Principj di scienza nuova, das erste Licht in die Geschichte der Völker gebracht hat. Gegen Ende dieses Zeitraumes, wo freilich durch den Einfluß der französischen Ideen auch in Italien ein freierer Geist der Untersuchung erwachte, thaten sich Cesare Beccari (st. 1794) u. Gaetano Filangieri, weiter Antonio Genovesi (st. 1769), Ferdinando Galiani (st. 1787), Mario Pagano (hingerichtet 1799), die Brüder Pietro u. Alessandro Verri (st. 1797 u. 4816), Letzter namentlich durch seine Notti romane hervor.

Obwohl die Verhältnisse dieser Periode jeder freien Forschung u. freien Rede sehr ungünstig waren, hat das Gebiet der Geschichte sehr viele Bearbeiter gefunden, u. selbst mehrere Werke von hoher Bedeutung aufzuweisen, wenn auch nur wenige, welche Selbsterlebtes schildern. Die Kirchengeschichte Italiens nennt als ihren, aber freilich einsam stehenden Stolz, den Serviten Fra Paolo Sarpi (st. 1623), welcher in seiner Geschichte des Tridentinischen Concils ein Meisterwerk schuf, der das Werk des Sforza Pallavicino (st. 1667) über denselben Gegenstand weit nachsteht. Unter der Zahl derjenigen Historiker, welche im ersten Theile dieser Periode noch die Geschichte ihrer Zeit zu schildern suchten, ist vor Allen Arrigo Caterino Davila (st. 1631) wegen seines vom Standpunkte des Hofes aus geschriebenen Werkes Delle guerre civili di Francia (1547–98) zu nennen. Hieran reihen sich die Storia della guerra di Fiandra (1559–1607) von Guido Bentivoglio (st. 1644) u. das im fließendsten Latein geschriebene Werk De bello Belgico des Jesuiten Famiano Strada (st. 1649). Als Werke gelehrten Fleißes sind zu nennen Francesco Capocelatro's (st. 1670) Geschichte von Neapel, von Roger I. bis zum Tode Friedrich's II.; ferner die sehr geschätzte Geschichte Venedigs (1613–71) von Battista Nani (st. 1678). Ausgezeichnet durch Wahrheitsliebe ist die Geschichte seiner Zeit (1613–50) von Pietro Giovanni Capriata aus Genua (st. nach 1650). Ohne eigentlichen Werth sind die zahlreichen Compilationen des Gregorio Leti aus Mailand (st. 1701). Je weiter man in dieser Periode vorschreitet, desto mehr treten Sammlerfleiß u. Erudition an die Stelle der großartigen Gesinnung u. des politischen Scharfsinnes, welchen die Geschichtsschreiber der vorhergehenden Jahrhunderte bekunden. Als der ausgezeichnetste Gelehrte dieser Art ist Lodovico Antonio Muratori (st. 1750) zu nennen, dessen höchst zahlreiche u. zum Theil sehr umfangreiche Werke (darunter auch die ungemein fleißig gearbeiteten Annali d'Italia) jedoch meist lateinisch geschrieben sind. Ihm nicht unähnlich an vielseitiger Thätigkeit war sein Freund, der Marchese Scipione Maffei (st. 1755) aus Verona. Unstreitig der bedeutendste Geschichtsschreiber der zweiten Hälfte dieser Periode ist Pietro Giannone (st. 1748), welcher nach Herausgabe seiner Storia civile del regno di Napoli sein Vaterland verlassen mußte. Weit unter ihm steht Carlo Giovanni Maria Denina (st. 1813), unter dessen zahlreichen Geschichtswerken die Révoluzione d'Italia das beste sind. Zu nennen ist noch die Storia di Milano vom Grafen Pietro Verri (st. 1797), welche an Pietro Custodi u. Stefano Ficozzi Fortsetzer gefunden hat. Um die Kunstgeschichte hat sich diese Periode sowohl in allgemeineren Darstellungen als in specielleren Untersuchungen viele Verdienste erworben. Hervorzuheben sind aus früherer Zeit Filippo Baldinucci aus Florenz (st. 1696), welcher in seinem Hauptwerke, den Notizie de' professori del disegno da Cimabue in quà, den Vasari zu vervollständigen u. zu berichtigen suchte; ferner Carlo Dati aus Florenz (st. 1675) u. Giovanni Baglione, welcher Vite de' pittori, scultori, architetti ed intagliatori schrieb. Aus späterer Zeit ist das Hauptwerk für die Kunstgeschichte Italiens die Storia pittorica d'Italia von Luigi Lanzi (st. 1810), neben welcher noch die Storia della scultura des Grafen Leopoldo Cicognara zu nennen ist. Die Oper hat an dem Spanier Arteaga, das Theater überhaupt an Pietro Napoli Signorelli (st. 1815) Geschichtschreiber gefunden. Der Feldherr Raimondo Montecucculi aus Modena (st. 1681) wurde durch seine Aforismi dell' arte bellica der erste Militärschriftsteller seines Vaterlandes. Einen Glanzpunkt in dieser Periode bilden die Arbeiten der Italiener über ihre eigene Literatur. Im Anfange derselben gab Gianvittorio Rossi aus Rom (st. 1647) unter dem Namen Janus Nicius Erythreus in seiner Pinacotheca eine Geschichte vieler zu seiner Zeit lebenden Gelehrten, u. der Arzt Giovanni Cinelli Calvoli aus Florenz (st. 1706) in seiner Biblioteca volante (Ven. 1734, 4 Bde.) eine sehr brauchbare Sammlung unzähliger kleiner Schriften heraus. Hieran reiht sich die Biblioteca dell' eloquenza italiana von Giusto Fontanini (Rom 1736, mit den trefflichen Noten des Apostolo Zeno, Ven. 1753, 2 Bde.) Den ersten, wenn auch schwachen Versuch einer wirklichen Geschichte der J-n L., machte Giacinto Gimma (st. 1735) in seiner Idea della storia dell' Italia letterata (Neap. 1723). Die wichtigsten Werke aber sind die Storia della volgar poesia (Rom 1698, Ven. 1731, 6 Bde.), von Giovanni Maria del Crescimbeni (st. 1728), ferner die große Storia e ragione d'ogni poesia (Bologna 1739, Mail. 1741–52, 7 Bde.) des Jesuiten Francesco Saverio Quadrio (st. 1756). Ein Werk unendlichen Fleißes sind die Scrittori d'Italia (Brescia 1753–63, 6 Bde.) des Grafen Giovanni Maria Mazzucchelli (st. 1768) in alphabetischer Ordnung, welches jedoch nur bis zum Buchstaben B reicht u. keinen Fortsetzer gefunden hat. Alle diese Arbeiten werden jedoch übertroffen durch die fleißige, zugleich aber auch im Ganzen mit gesundem Urtheil u. mit Kritik ausgestattete Storia della letteratura italiana (Modena 1772–83, 14 Bde., 1787–94, 16 Bde. u.ö., zuletzt Mail. 1822–26, 16 Bde.) des Girolamo Tiraboschi aus Bergamo (st. 1794). Giamballisto Corniani (st. 1813) in seinen Secoli della letteratura italiana (Brescia 1818–19, 9 Bde.) u. der bei weitem geistvollere Camillo Ugoni in seinem Werke Della letteratura italiana (ebd. 1820–1822, 3 Bde.) behandeln nur biographisch eine gewisse Anzahl Schriftsteller. Hierzu kommen zahlreiche Werke über die Geschichte der Literatur u. Gelehrten in den einzelnen Staaten, Landschaften u. Städten Italiens. In allen diesen zum Theil mit unermüdlichem Fleiße gearbeiteten [130] Werken werden jedoch am meisten Kritik u. ästhetisches Urtheil vermißt. An Schriftstellern darüber hat es nicht gefehlt, wohl aber an tieferer philosophischer Bildung; was bis auf die neueste Zeit herab über diesen Gegenstand zur Veröffentlichung kam, ist fast nichts anderes, als der Widerschein französischer Grundsätze. Einer der ersten, welcher sich um ästhetische Theorie u. Kritik verdient machte, ist Benedetto Fioretti, bekannter unter dem Namen Udeno Nifieli (st. 1642), der Verfasser der Proginnasmi poetici; ihm folgte Benedetto Averano aus Florenz (st. 1707) mit seinen Dissertationes u. der schon erwähnte Crescimbeni mit seinem Trattato della bellezza della volgar poesia. Gründlicher u. umfassender als diese alle ist der gelehrte Jurist Giovanni Vincenzo Gravina (1718), welcher in seiner Schrift Della ragion poetica die Natur als höchstes Gesetz aufstellend, sowohl den Aristoteles, wie die Marinisten bekämpft. Geistreicher als Muratori's Werk, Della perfetta poesia, sind die Ragguagli di Parnasso des Trojano Boccalini (st. 1613) u. in noch höherem Grade die journalähnlichen Frusta letteraria des Giuseppe Baretti (st. 1789). Die eigentliche literarische Kritik gewann im 17. Jahrh. ein weites Feld durch das Entstehen der Zeitschriftenliteratur. Das erste literarische Journal der Italiener war das Giornale de' letterati, welches 1668 in Rom von Francesco Nazari begründet wurde (s. Zeitungen u. Zeitschriften). Schon oben wurde erwähnt, daß gegen die Mitte des 18. Jahrh. der französische Einfluß so sehr die Oberhand gewann, daß er sich auch in der Sprache offenbarte. Die Männer, welche diese Richtung vertraten, meinten zwar, ihr Volk, welches sie in Erschlaffung versunken sahen, wieder zu erwecken, allein sie verließen die Bahn der wahren Nationalentwickelung, u. ihre Erfolge konnten daher nicht von langer Dauer sein. Die Hauptvertreter dieser Richtung waren Francesco Algarotti aus Venedig (st. 1764), ein Liebling Friedrichs des Großen, welcher zwar Vieles, aber nur Unbedeutendes schrieb; Saverio Bettinelli aus Mantua (st. 1808), welcher in seinen Lettere Virgiliane seine Unfähigkeit bewies, einen wahren Dichter, wie Dante, zu würdigen; das meiste aber wirkte zur Verbreitung neuer u. zwar französischer Ansichten in der Literatur Melchiorre Cesarotti (st. 1808), welcher unter anderm auch seine Landsleute mit dem Ossian bekannt machte u. die Poesie Homers behandelte. Haben auch diese Männer, vorzüglich aber Cesarotti, nicht den richtigen Weg zur Regeneration des italienischen Geistes eingeschlagen, so haben sie unstreitig das Verdienst, das abgestorbene, pedantische Wesen ihrer Zeit zurückgedrängt u. die Bekanntschaft mit den geistigen Schöpfungen u. Ansichten anderer Völker vermittelt u. somit im Ganzen heilsam auf die Bildung ihres Volkes gewirkt zu haben.

Die Dichter dieser Periode tragen noch mehr als die übrigen Schriftsteller das traurige Gepräge ihrer Zeit. Als Grundfehler der Poesie läßt sich Unnatur, Mangel an Wahrheit angeben. Geistige Erschlaffung u. Gesinnungslosigkeit treten im Allgemeinen mehr od. minder bei allen Schriftstellern dieses Zeitraumes entgegen; die Dichter gefallen sich in der Schilderung von Dingen, welche man nicht innerlich empfunden, innerlich erschaut hatte; daher eitles Wortgepränge, unpassender, oft gigantischer u. falscher Bilderwust; langweilige Ausschmückungen u. kleinliche Ausmalungen jedes Nebenumstandes; Schwulst, Wortspiele, geschrobene Antithesen u. unsinnige Metaphern; überhaupt Concetti, wie man diese Spiele eines eitlen u. leeren Witzes zu bezeichnen pflegte. Die falsche Richtung, deren Keime sich schon bei den Dichtern der früheren Jahrhunderte finden, mußte um so mächtiger hervortreten, je mehr die späteren Dichter ohne innere Begeisterung, ohne wahren Beruf, die Poesie nur als ein heiteres Spiel zur Befriedigung der eigenen Eitelkeit u. zur Erheiterung für Andere betrachten. Die Zahl der Lyriker dieser Periode ist unübersehbar. An der Spitze aller Dichter dieser Periode, mit allen ihren Fehlern behaftet, aber an Phantasie u. melodischer Fülle des Ausdruckes hoch über die meisten andern sich erhebend, steht Giambattista Marini aus Neapel (st. 1625). Unter der großen Anzahl seiner Werke ist sein großes episch-mythologisches Gedicht l'Adone das wichtigste, welches alle seine Vorzüge u. zugleich auch alle seine Fehler am besten erkennen läßt. Marini fand allgemeine Bewunderung, nicht blos in Italien, sondern auch in Frankreich u. auf der Pyrenäischen Halbinsel; er wurde das Haupt einer ganzen Dichterschule, der Marinisten, welche, ohne seine Vorzüge zu theilen, fast nur die Fehler ihres poetischen Führers nachzuahmen od. wo möglich noch zu übertreiben vermochte. Bis zum tollsten Übermaß aber wurde die Manier Marini's von zwei Juristen aus Bologna, Claudio Achillini (st. 1640) u. Girolamo Preti (st. 1626), gesteigert. Es fehlte zwar nicht an Männern, welche dieses Unwesen erkannten u. demselben entgegen zu wirken suchten; allein als ein verunglückter Versuch dieser Art muß die 1690 durch Crescimbeni u. Gravina gestiftete Akademie der Arkadier in Rom betrachtet werden, welche zwar bald in allen Theilen Italiens Nachahmung fand, aber mit dem von ihr vertretenen Schäferwesen nur eine neue Abgeschmacktheit an die Stelle des Marinismus setzte. Mit besserem Erfolge steuerten dagegen einzelne andere Dichter durch Werke ernsterer Art. Dahin gehört der sich mehr dem Alterthume zuwendende Gabriello Chiabrera aus Savona (st. 1637), welcher zwar die Weichlichkeit seiner Zeitgenossen vermeidet, aber dabei in Schwulst u. hochtrabenden Pathos verfällt. In denselben Fehler verfällt auch häufig Fulvio Testi (st. 1646), so wie der männlichere u. edlere Vincenzo da Filicaja aus Florenz (st. 1707). Dichter, wie Bendetto Menzini aus Florenz (st. 1708), Alessandro Guidi (st. 1712), Giambattista Felice Zappi (st. 1719), Francesco de Lemene (st. 1704) u. Carlo Maria Maggi (st. 1699), welche eine Art poetischen Hofs der Königin Christine von Schweden bildeten, waren zu ihrer Zeit zwar hochberühmt, sind aber durch Schwulst, Ziererei u. weibische Weichlichkeit ungenießbar. Dasselbe gilt auch von Carlo Innocenzio Frugoni aus Genua (st. 1768). Ganz anderer Art, dem Geiste Dante's verwandt, sind dagegen die nicht zahlreichen Poesien des Eustachio Manfredi aus Bologna (st. 1738). Auch die lyrischen Dichtungen des Paolo Rolli aus Rom (st. 1767) sind nicht ohne Werth. Gegen Ende des Zeitraumes werden noch mit Auszeichnung genannt Lodovico Fontana Savioli (st. 1804) u. Onofrio Minzoni (st. 1817). Einer der besten italienischen Dichter ist Giovanni Meli aus Palermo (st. 1815), von welchem man reizende Gedichte in sicilianischer Mundart besitzt; nicht minder Beachtung verdient Carlalfonzo Pellizzoni (st. 1818), welcher[131] im mailändischen Dialekte dichtete. Schon in die letztere Periode herein greifen die Lyriker Francesco Gianni, Luigi Carretti (st. 1805), Clemente Bondi (st. 1821), Luigi Lamberti (st. 1813), Giovanni Fantoni (st. 1807), Angelo Mazza (st. 1817), Jacopo Vittorelli (st. 1835) etc. In einer Periode, welche eine so große politische u. wissenschaftliche Verkommenheit zeigt, konnten kaum bedeutendere epische Dichtungen entstehen; von den vielen Versuchen, welche gemacht wurden, hat sich kein einziger über das Mittelmäßige erhoben. Der Vergessenheit anheim gefallen sind die epischen Poesien des Chiabrera, ebenso der Mondo nuovo des Tommaso Stigliani (st. nach 1625) u. Mondo creato des Gasparo Murtola. Das beste Werk aus dieser Zeit ist noch Il conquisto di Granata des Girolamo Graziani (st. 1675), welches jedoch vielfach überschätzt worden ist. Schwächer sind der Boemondo von Giovanni Leone Sempronij (st. 1646) u. das Imperio vendicato von Antonio Carraccio. Manches Eigenthümliche zeigen die Dichtungen Adamo o il mondo creato von Tommaso Campailla (st. 1740) u. die Visioni sacre e morali von Alfonso Varano (st. 1788). Desto günstiger waren die Zeitverhältnisse für das komische Heldengedicht. Der größte Meister in dieser Gattung ist unbestritten Alessandro Tassoni aus Modena (st. 1635), dessen Hauptwerk, die Secchia rapita, zwar noch immer gelesen wird, aber doch kein rechtes Interesse zu erwecken im Stande ist. Noch in viel höherem Grade gilt letzteres von dem Scherno degli Dei des Francesco Bracciolini aus Pistoja (st. 1645). Berühmt zwar, aber ohne die weitläufigen Commentare von Minucci, Biscioni u. Salvini ganz unverständlich ist das echt florentinische Malmantile racquistato des Malers Lorenzo Lippi aus Florenz (st. 1664). Andere Dichtungen dieser Gattung, aber nur noch dem Literarhistoriker bekannt, sind der Torracchione desolato von Bartolommeo Corsini (st. 1675), L'asino vom Grafen Carlo de' Dottori, Le pazzie de' savj ovvero il Lambertuccio von Bartolommeo Bocchini, Il lamento di Cecco da Varlunga von Francesco Baldovino aus Florenz (st. 1716), La Cicceide von Gianfrancesco Lazzarelli (st. 1694), La Moscheide u. La Franceide von Giambattista Lalli (st. 1637), welcher auch eine Eneide travestita geschrieben hat; La Bucchereide von Lorenzo Bellini, La presa de Samminiato von Ippolito Neri u.a. Als Nachklang einer längste erschollenen Zeit ist der Ricciardetto des römischen Prälaten Niccolo Fortegherri (st. 1735) von Interesse, durch welchen derselbe das einst so beliebte Heldengedicht wieder zu beleben suchte. In die Zahl der komischen Dichtungen gehört die poetische Bearbeitung des alten Volksbuchs Artuzie di Bertoldo von Giulio Cesare Croce, einer Art von Eulenspiegel, welches unter dem Titel Bertoldo con Bertoldino e Cacasenno von zwanzig verschiedenen Verfassern italienisch geschrieben, nachher von eben so vielen Damen in die Bolognesische Mundart übersetzt wurde. Ebenso wurden die Späße des Gonella, eines Hofnarren des Herzogs Borso von Ferrara, durch Giulio Cesare Becelli in Verse gebracht. Ein wunderliches Werk ist der Cicerone des Giovanni Carlo Passeroni (st. 1803), doch voll des gutmüthigsten echt italienischen Humors. Das Gegenstück dazu bilden die Animali parlanti u. Novelle des abattista Casti (st. 1803), welche ganz von der frivolsten französischen Manier durchdrungen sind. Ein neueres satyrisch komisches Gedicht ist der Poeta di teatro (1808) von Filippo Pananti (st. 1837). Die zuerst im 18. Jahrh. bearbeitete Fabel hat außer Passeroni noch mehre Dichter aufzuführen, so den Aurelio Bertola (st. 1798), welcher Geßners Manier nach Italien zu verpflanzen suchte, u. Lorenzo Pignotti (st. 1812.) Bei weitem vorzüglicher in der Sprache sind jedoch Luigi Clasio (Fiacchi) aus Toscana u. Gaetano Parego. Die Satyre hat in diesem Zeitraume wenig Glück gehabt. Die Satyren des Virginio Cesarini, des Lorenzo Azzolini u. des Lodovico Adimari sind längst verschollen; eher verdienen die Sermoni des Chiabrera u. die Satyren des Jacopo Soldani (st. 1641) Beachtung. Außer diesen hat der ganze Zeitraum nur einen wahrhaft originellen Dichter dieser Gattung aufzuweisen, den Maler Salvator Rosa (st. 1673), dessen Satyren höchst eigenthümlich, bizarr, leidenschaftlich u. nichts weniger als musterhaft in Bezug auf die Sprache sind, u. wahrscheinlich auf vorhergegangenen Improvisationen beruhen. Sehr geachtet werden auch noch, bes. wegen der Anmuth der Sprache, die Schriften u. insbesondere die Satyren des Gasparo Gozzi aus Venedig (st. 1786). Unter den Satyrikern der Folgezeit verdienen die meiste Erwähnung Giuseppe Zanojo (st. 1817). Giannantonio de Luca u. Angelo d'Elci. Das Beste, was die didaktische Poesie in dieser Periode aufzuweisen hat, ist die Riseide ossia la coltivazione del riso von Giambattista Spolverini (st. 1767), welche für ein Meisterstück gilt. Erwähnung verdienen noch Giovanni Vincenzo Imperiali, Herzog von S. Angelo wegen seines Stato rustico, Giovanni Lorenzo Stecchi wegen seines Gedichtes Delle meteore, Bartolommeo Lorenzi (st. 1820), Verfasser der Coltivazione de' monti, u. Zaccaria Betti (st. 1788) wegen seiner Bacchi dei Seta. Noch jünger sind Cesari Arici (st. 1836), welcher drei kleinere didaktische Dichtungen (1808–14) u. Giuseppe Nicolini, welcher La coltivazione de' cedri (1815) herausgab. Die dramatische Poesie gelangte auch in diesem Zeitraume zu keiner höheren Bedeutung u. wurde von der sich steigernden Luft an der Oper in den Hintergrund gedrängt. Die meisten Producte der zahlreichen Tragiker dieses Zeitraums sind bombastisch u. hohl, ohne Wahrheit u. ohne Interesse, oft bis zum Albernen u. Lächerlichen herabsinkend. Selbst die Stücke des Giovanni Delfino (st. 1699) u. Antonio Carraccio (st. 1702), welche noch die meiste Vollkommenheit zeigen, sind jetzt ganz vergessen. Auf der einen Seite wurde das Spanische in ungeschickter u. geistlos übertreibender Weise nachgeahmt, andererseits suchte man das Publicum durch abenteuerliche Darstellung heiliger Gegenstände zu gewinnen. In letzter Art ist der Adamo des Schauspielers Giambattista Andreini (st. 1652) berühmt geworden, welcher ganz in der Art der alten Mysterien gehalten ist. Gegen Ende des 17. Jahrh., als das französische Theater in Italien bekannt wurde, suchte man sich die Weise der französischen Dramatiker anzueignen. Der erste, welcher nicht nur die französische Tragödie, sondern auch die Alexandriner in Italien heimisch zu machen suchte, war Pier Jacopo Martelli aus Bologna (st. 1727). Das beste jedoch, was das 18. Jahrh. überhaupt im Tragischen hervorbrachte, ist ohne [132] Vergleich die Merope des oben schon erwähnten Scipio Maffei; ihm steht nicht unwürdig zur Seite der Mathematiker Antonio Conti aus Padua (st. 1749). Gänzlich verschollen dagegen sind die Werke des Pietro Chiari aus Brescia. Reicher u. bedeutender sind in diesem Zeitraum die Leistungen der Italiener in der Komödie. Die Commedia dell' arte erhielt sich trotz aller Anfeindung bis auf die neueste Zeit herab. Für dieselbe schrieb mit großem Beifall der Dichter u. Schauspieler Flaminio Scala (st. 1620), welcher mit seiner Truppe auch Paris besuchte. Noch mehr Aufsehen erregten in Paris die Talente des Tiberio Fiorillo (st. 1694); auch Salvator Rosa war unter dem Namen Signor Formica in Florenz u. Rom für die Komödie thätig. Im Anfange des 17. Jahrh. blühte die Komödie vorzüglich in Neapel. Der berühmteste unter den dortigen Dichtern war Giamballisto Porta, welcher 14 Komödien veröffentlichte. Ihm sind an die Seite zu setzen Lorenzo Stellato, der Herzog von Sermonetta, Filippo Gaetano u. Francesco d'Isa (st. 1622); kühner u. eigenthümlicher ist Scipione Errico in seinen Stücken in den Rivolte di Parnasso. Ganz eigenthümlich in ihrer Art sind La Fiera u. La Tancia von dem jüngeren Michelangelo Buonarotti (st. 1646), von denen das eine im Florentinischen Stadtdialekt, das andere in der Bauernsprache eigens dazu geschrieben wurden, um der Crusca Beispiele aus der Volkssprache Toscanas für ihr Wörterbuch zu bieten. Die bedeutendsten Talente für die Komödie hat das 18. Jahrh. entwickelt. Zunächst zu nennen ist Girolamo Giglio aus Siena (st. 1722), welcher doch mehr Nachahmer des Racine u. Molière, als selbständiger Dichter war. Auch der Lyriker Giambattista Fagiuoli schrieb mehre nicht eben bedeutende Komödien, welche, so wie die des Marchese Liveri aus Neapel (1740_–50) u. des erwähnten Chiari in Venedig, ihrer Zeit Beifall fanden, jetzt aber vergessen sind. Die Leistungen aller seiner Vorgänger verdunkelte aber Carlo Goldoni (st. 1792), der einzig wahre Komiker, welchen Italien aufzuweisen hat. Er wollte in der Art Molières schreiben u. durch edlere Sittenkomödie die Commedia dell' arte verdrängen. Letzteres gelang ihm zwar nicht, doch hat er in vielen seiner zahlreichen Stücke treue Schilderungen echt italienischer Charaktere u. Sitten in natürlicher, oft selbst nachlässiger Sprache gegeben, welche ihn zum Lieblingsdichter seines Volkes machten. Er beherrschte mit seinen Stücken von 1740–50 in Venedig die Bühne, obgleich er eine Zeit lang gegen den Einfluß des Chiari zu kämpfen hatte, bis sich Graf Carlo Gozzi (st. 1806) gegen Beide erhob u. sie durch seine dramatisirten Märchen (Fiabe teatrali), welche reich an Poesie, Laune u. bizarren Erfindungen sind, überflügelte. Gegen Ausgang des 18. Jahrh. schwankte man zwischen französischen u. auch deutschen Vorbildern (Kotzebue u. Iffland), auch hat sich kein einziges wahrhaft bedeutendes Talent hervorgethan. Dahin gehören Antonio Avelloni, Gualzeiti aus Neapel, Greppi aus Bologna u.a. m. Die weinerliche Komödie wurde eine Zeit lang nicht ohne Erfolg durch Camillo Federici aus Turin vertreten. Talent bekundeten auch Gherardo de' Rossi, der Marchese Francesco Albergati Capacelli, Napoli Signorelli, der Graf Alessandro Pepoli, Mario Pagano u. der Venetianer Sografi. Ein Theater für Kinder schrieb Giulio Genoino aus Neapel. Die Oper, im ganzen 17. u. 18. Jahrhundert u. auch gegenwärtig noch das Lieblingsschauspiel der Italiener, entwickelte im 17. Jahrhundert zwar einen großen Luxus in Bezug auf theatralische Ausstattung u. Musik, ließ aber in poetischer Hinsicht Alles zu wünschen übrig. Einen Fortschritt machte sie darin, daß seit etwa 1613, vorzüglich in Folge der Bemühungen des Grafen Fulvio Testi, die Monotonie der Recitative durch die Arie mehr u. mehr unterbrochen wurde. Dagegen erreichte die Operndichtung ihren Gipfel im 18. Jahrh. u. erlangte eine solche Celebrität, daß sie an viele Höfe des Auslandes verpflanzt wurde. Sie verdankt dies zwei noch jetzt in Italien hoch geachteten Dichtern, dem ernsten u. gelehrten Apostolo Zeno aus Venedig (st. 1750) u. dem Pietro Trapassi, bekannter unter dem präcisirten Namen Metastasio (st. 1782). Weniger bedeutend sind ihre Zeitgenossen Rolli, Frugoni, Migliavacca, Olivieri, Cigna, Damiani, Fattiboni, Coltellieri, Rogati, Rezzonico u. Calsabigi. Von jüngeren sind De Cristoforis u. Felice Romani zu nennen. Die komischen Opern von Giovanni Gherardini sind nie aufgeführt worden.

V. Die fünfte Periode

der Geschichte der J-n L. bildet die neuere u. neueste Zeit. Durch die gewaltigen politischen Ereignisse der letzten Decennien des 18. Jahrh., bes. durch die Französische Revolution, wurde eine Krisis veranlaßt, welche nicht blos eine Regeneration der Sprache u. Literatur, sondern des Volksgeistes der Italiener überhaupt herbeiführte. Während sich der Drang nach nationaler Selbständigkeit u. freien, würdigen politischen Institutionen in verschiedenen Revolutionen, wie 1821, 1831, 1848 u. 1859, Luft machte, entwickelten sich in Bezug auf Sprache u. Literatur zwei Hauptgegensätze: der eine auf dem Gebiete der Sprache, der andere tiefere u. umfassendere auf dem Gebiete der literarischen Kritik. In der Sprache zeigte sich das Streben, die vielfach eingedrungenen Gallicismen zu bekämpfen u. auf die besseren Alten, namentlich auf Dante u. Petrarca, so wie die gleichzeitigen Dichter u. Prosaisten (Il trecento) zurückzuweisen. Es konnte nicht an Männern fehlen, welche die Vorliebe für das Trecento bis zur Affectation trieben. Als der wichtigste Verfechter dieser pedantischen Schule, der sogenannten Trecentisten, ist der sonst allerdings um die Italienische Sprache hochverdiente Antonio Cesari aus Verona (st. 1828) zu nennen, welcher mit unermüdlichem Eifer zeitlebens durch die Herausgabe alter italienischer Klassiker, durch Übersetzungen aus dem Lateinischen, durch eine weitläufige Schrift zur Erläuterung der Sprachschönheiten des Dante, vorzüglich aber durch eine mit zahllosen veralteten Wörtern bereicherte Ausgabe des Wörterbuchs der Crusca für die Reinheit der Sprache nach Maßgabe des goldenen Trecento zu wirken suchte. Obgleich oft mit Spott, bes. von Monti, behandelt, ist er doch die hauptsächlichste Veranlassung gewesen, daß sich seitdem alle besseren Schriftsteller einer echt italienischen, von fremder Beimischung möglichst freien Sprache befleißigt haben, u. der Streit der Puristen u. Gallieisten ganz entschieden zum Vortheil der Ersteren ausgefallen ist. Einen treuen Nachfolger erhielt Cesari an Pellegrino Farini (st. 1848). Noch bis auf die Gegenwart nicht zu voller Entscheidung gekommen ist der oben erwähnte zweite Gegensatz zwischen den Klassikern u. Romantikern, od. den Anhängern der älteren poetischen Schule,[133] u. denen, welche den freieren Ansichten der Engländer u. Deutschen huldigen. Unter den Männern, welche sich überhaupt um die Regeneration der J. L. verdient machten, ist zunächst Giuseppe Parini aus Bosisio im Mailändischen (st. 1799), welcher als Dichter zuerst einen besseren, männlicheren Ton anschlug u. in seinem Hauptwerke Il giorno mit höchster Eleganz der Sprache die Nichtigkeit des Lebens der höheren Stände seiner Zeit geißelte. Ihm steht würdig zur Seite Ippolito Pindemonte aus Verona (st. 1828), welcher in seinen Epistole vielfältig die Verwüstungen seines Vaterlandes beklagte u. überhaupt in fast allen seinen Werken eine dem Italiener sonst fremde melancholische Stimmung zeigte. Unendlich mehr wirkte auf seine Zeit der Graf Vittorio Alfieri (st. 1803), welcher seinen Ruhm vorzüglich durch seine Tragödien begründete. Wegen letzterer wird er allgemein als der Restaurator des italienischen Theaters u. das Haupt einer bedeutenden Schule betrachtet. Ein Feind der opernartigen Weichlichkeit der italienischen Dramen, wie der oft widrigen Liebschaften u. Confidens der französischen Tragödie, verfiel er in das entgegengesetzte Extrem; er verlangte höchste Leidenschaftlichkeit auf der einen u. möglichste Einfachheit der Handlung auf der anderen Seite. Auf diesem Wege erreichte er jedoch statt Einfachheit u. Natur nur Härte, so wie eine von aller Localfarbe u. aller Charakteristik entblößte Abstraction. Dennoch wurde die neue Erscheinung von den Besseren im Volke mit Freude aufgenommen. Zu der Schule Alfieris gehört zunächst auch der an Charakter in manchen Beziehungen ähnliche Ugo Foscolo (gest. in London 1827), welcher jedoch weniger durch seine Dramen u. anderen Poesien, als vielmehr durch seine Ultime lettere di Jacopo Ortis, eine in das Politische u. Fanatische übertragene Nachahmung von Goethes Werther, berühmt geworden ist. Ohne Zweifel den bedeutendsten Einfluß auf die Regeneration der italienischen Poesie u. der Sprache seiner Zeit hat Vincenzo Monti (st. 1828) geübt. In dem zu seiner Zeit, vorzüglich durch Giovanni Berchets Übersetzung des Wilden Jägers u. der Leonore von Bürger angeregten Streite zwischen dem Klassicismus u. der Romantik, stellte er sich auf die Seite des ersteren; in dem Streite der Puristen u. Gallicisten verfocht er, ohne die Einseitigkeit Cesaris u. seiner Anhänger zu billigen, mit Geist u. Geschmack die Sache des Purismus. In allen seinen Bestrebungen stand ihm sein Schwiegersohn, der Graf Giulio Perticari (st. 1822), treulich mit der gründlichsten Kenntniß des italienischen Alterthums u. der älteren J. L. zur Seite.

Monti folgt in seinen mit dem glänzendsten Beifall aufgenommenen Trauerspielen Aristodemo (1786) u. Galeotto Manfredo (1788) im Ganzen dem Systeme Alfieris od. vielmehr der französischen klassischen Tragödie, mildert es aber bedeutend durch die Anmuth der Sprache. Unter den neueren Dramatikern, welche dieser klassischen Schule angehören, gebührt unstreitig der erste Rang dem talentvollen u. geistreichen Florentiner Niccolo Niccolini, welcher seine früheren Stoffe zwar meist aus der Mythologie entlehnte, sich aber später mit Glück der vaterländischen Geschichte zuwandte. Schwächer, aber durch Liebenswürdigkeit der vaterländischen Gesinnung ausgezeichnet, sind die dramatischen Werke des Silvio Pellico (s.d.) aus Saluzzo. Derselben Richtung gehören noch die Tragödien u. Dramen von Carlo Maroncelli, dem Unglücksgefährten Silvio Pellicos, ferner von Luigi Scevola u. Cesare de la Valle, Herzog von Ventignano, welche Beide fast nur mythologische Stoffe in gewohnter Weise behandeln; ferner Francesco de la Valle, Marchese di Casanova (st. 1836), u. der ungemein fruchtbare Neapolitaner Cosenza.

Eine ganz neue Bahn im Tragischen, wie auch in anderen Gattungen der Poesie, hat sich Alessandro Manzoni, wohl der bedeutendste Dichter der Italiener in neuester Zeit, gebrochen. Durch seine beiden Tragödien Il conte di Carmagnola (1820) u. Adelchi (1823), welche von Goethe wohlwollend beurtheilt wurden, begründete er das historische Drama u. wurde in Wahrheit der Reformator des Italienischen Theaters. Ihr Vorbild haben Tedaldo Fores, De Christoforis Rosini, Carlo Marenco aus Ceva (st. 1846) nicht erreichen können. Die meisten der neueren Dramatiker folgen mehr od. minder der von Manzoni eingeschlagenen Bahn. Dahin gehören Giuseppe Revere, A. Gigliani, Felice Turatti, Giacinto Battaglia, A. Brofferio, Carlo Guaita, Gius. La Farina, T. Ottoboni u. v. And., die sich meist auch auf anderen literarischen Gebieten versucht haben. Geschätzt werden die dramatischen Arbeiten von Giovanni Sabbatini in Modena, Francesco del Ongaro in Triest u. G. E. Bideri in Neapel. Im Lustspiel haben sich die unerreichten Stücke von Goldoni u. Alberto Nota (st. 18. April 1847) auf der Bühne erhalten. Sonst sind die Komödien von Meneghezzi, Augusto Bon, des Grafen Giov. Giraud, G. Paradisi, Antonie Benci (st. 1843) mit Beifall aufgenommen worden. In jüngster Zeit sind Gherardo del Testa u. Paolo Farini mit günstigem Erfolge als Lustspieldichter aufgetreten. Die Oper hat in neuerer Zeit wenig Bedeutendes aufzuweisen; überhaupt ist die italienische Bühne noch immer von, durch Übersetzungen od. Bearbeitungen französischer Werke vielfach überschwemmt. Das Epos im alten Sinne, wie es bisher vielfältig in Italien versucht worden war, ist in neuerer Zeit nicht wieder vorgekommen, wogegen kleinere epische Erzählungen, gewissermaßen poetische Novellen, u. Romane vielen Beifall gefunden haben. In dieser Art dichtete Tommaso Grossi, der bedeutendste Vertreter der epischen Dichtung in der jüngsten Literaturepoche Italiens. Seine bedeutendsten Werke sind die versificirten Novellen La fuggitiva (1817) u. Ildegonda, ferner die Russiada u. sein Hauptwerk, die umfangreichere Dichtung I Lombardi alla prima crociata (1826), welche viele Streitschriften hervorrief. Andere epische Dichtungen, die sich jedoch nicht über die Mittelmäßigkeit erheben, veröffentlichten in den letzten Decennien Bened. Sestini, Pietro Bagnoli, Ces. Arici (st. 1837), Girol. Orti, Giov. Torti, Jacopo Cabianca, Angelo Maria Ricci (st. 1850), Dom. Biorci, C. Capriata, P. Castiglioni, die Dichterin Fantastici Rosellini u. v. And.

Die hervorragendsten unter den zahllosen Lyrikern, auch der jüngsten Entwickelungsepoche der J-n L., sind Alessandro Manzoni, welcher in seinen Inni sacri einen bis dahin unbekannten Ton in Italien anschlug, u. der hochgebildete Graf Giacomo Leopardi (st. 1837). Beide Dichter sind die Vorbilder der beiden Hauptrichtungen, die sich in jüngster Zeit in Italien geltend gemacht haben. Der Richtung Manzoni's, od. der sogen. Klassischen[134] folgen Giovanni Berchet u. der erwähnte Tommaso Grossi, welche beide verstorben sind; unter den noch Lebenden sind Niccolo Tommaseo u. Giovanni Prati die namhaftesten. Hauptsitz der Schule, die sich an Leopardi anschließt, od. der sogenannten Formisten, ist Bologna u. gruppirt sich um Marchetti. Dahin gehören Alessandro Poĕrio (ein Bruder des unglücklichen neapolitanischen Ministers), Terencio Mamiani u. die Dichterin Ferrucci. Auch die gegenwärtigen Dichter in Rom, welche ihren Mittelpunkt in dem jüngeren Fürsten Torlonia (st. 1858) fanden, haben Leopardi zum Vorbild, lassen aber auch deutsche Dichter, wie namentlich Lenau u. And., nicht unbeachtet. Dahin gehören Fabio Nannarelli, Ignacio Ciampi, P. E. Castagnola, Giambatt. Maccari u. die Dichterin Guoli. Eine neue Richtung entwickelt sich seit Kurzem in Oberitalien; sie wird vorzüglich durch Aleardo Aleardi in Verona, Giulio Carcano, Scolari u. Bellini (letztere beide in Piemont) vertreten. Außer den Genannten haben sich in neuerer u. neuester Zeit einen Namen als Lyriker erworben: Luigi Carrer (st. 1850), Angelo Maria Ricci, Gius. Borghi (st. 1847), Agostino Cagnoli (st. 1846), Girol. Orti, Ant. Zoncada, Giamb. Casti, Luigi Gaiter, Carlo Guaita (st. 1846), Luigi Ciampolini (st. 1846), Paolo Fumeo (st. 1846), Pieri Zorutt, Ant. Peretti, Giulio Uberti in Mailand, P. P. Parzanese in Neapel etc. Einen Béranger hat Italien an Giuseppe Giusti (st. 1850), welcher viele ansprechende patriotische Gedichte in toscanischer Volksmundart lieferte. Als gemüthlicher u. naiver Dichter war seiner Zeit J. A. Casiglieri (st. 1846 in Mantua) sehr beliebt. Die namhaftesten Dichterinnen der letzten Decennien sind: Fantastici Rosellini aus Florenz, Adele Curti (st. 1845), Elisabeta Kulmann, Diodata Saluzzo (st. 1840), Beatrici Oliva Mancini in Turin (die Gattin des berühmten neapolitanischen Flüchtlings), Rosina Muzio-Salvo u. Rosalia Amari (die Töchter des berühmten Geschichtsschreibers) aus Sicilien, wo auch die gefeierte Turrisi Colonna (st. 1848) lebte, u. v. And. Die berühmteste Improvisatrice Italiens ist gegenwärtig Giannina Milli aus den Abruzzen. Wie überhaupt durch die Lyrik des neueren Italiens ein politischer Zug hindurchgeht, so haben namentlich die großen Bewegungen des letzten Jahrzehnts eine Menge patriotischer Oden, Hymnen u. anderer Poesien hervorgerufen; doch verdient von den rein politischen Dichtern nur etwa Brofferio in Turin besondere Erwähnung. Während des Italienischen Krieges von 1859 war Goffredo Mamelli der Theodor Körner der Italiener.

Die Novelle, welche bis zum 17. Jahrh. die Lieblingsunterhaltung der Italiener war u. so zahlreiche Dichter in Anspruch nahm, ist seit dieser Zeit fast gänzlich verstummt. Alles, was bis auf die neueste Zeit herab darin vorkommt, ist bedeutungslos. In den letzten Jahren wurden wieder einige Versuche von Gaetano Parolini, Luciano Scarabelli, Carlo Tami u. And. gemacht. Dagegen fand der vorher Italien ganz fremde Roman durch Ugo Foscolo's schon erwähnte Ultime lettere di Jacopo Ortis (Vened. 1802, Lond. 1817) jenseits der Alpen Eingang. Die von Ugo Foscolo angeschlagene Saite klang zwar in den zahlreichen Romanen Bertolettis u. Defendente Sacchis nach, sowie in dem bessern Platone in Italia (1804) von Vineenzo Cuoco u. den Viaggi del Petrarca (1820) von Antonio Levati, doch war es erst das Bekanntwerden u. die Bewunderung der Werke Walter Scotts, was in Italien den historischen Roman erzeugte. Auch hier war es Alessandro Manzoni, welcher in seinen klassischen Promessi sposi (1825) zuerst den Weg zeigte, den später so viele Nachfolgen wandelten. Unmittelbar in die Fußtapfen Manzoni's trat der Pisaner Giov. Rosini mit der Monaca di Monza (1829), der Luisa Strozzi (1833) u. Il conte Ugolino della Gerardesca ei Gibellini di Pisa (1843); mit mehr Talent folgten ihm der Geschichtsschreiber Ces. Cantu (Margherita Pusterla, Mail. 1837, Flor. 1845), der Minister Massimo d'Azeglio im Ettore Fieramosca u. Assedio di Firenze, u. Francesco Domenico Guerazzi (zuletzt Beatrice Cenci). Unter den übrigen Dichtern des historischen Romans seit Manzoni sind zu erwähnen: C. Varese, Giambatt. Bazzoni, A. Bresciani, L. Gualtieri, Gius. Revere, Adolfo Mezzanotte, Giov. Campiglio, L. Romani, Falconetti, Vincenzo Lanzetti, Defendente Sacchi, Gius. di Cesare, Pietro Marocco, P. Zorli, Luigi Vigna, Fürst von Santa Rosa, Giacinto Battaglia, Niccolo Tommaseo, Ranieri, L. Carrer, L. Cibrario, Gius. Rovani, Ign. Cantu, Tullio Dandolo, Luigi Fornaciari, Luigi Ruozi, Giov. Celanese, Tito Dellaberrenga, Luigi Dasti, Aless. Bulgarini, Aless. Verri, Fil. de Boni, C. Vandoni, Carlo a Valle, Bass. Finoli, Fil. de Bernardi etc; ferner die Romandichterinnen Lucrezia Marinella (L'Enrico, Vened. 1844, 3 Bde.), Sabina Rasori (Ermellina, Tur. 1842) u. v. A. Fast alle Männer, welche in neuester Zeit eine Rolle in den öffentlichen Angelegenheiten spielten u. noch spielen, haben sich der Form des Romans bedient, um ihren politischen Ansichten, patriotischen Ideen u. Tendenzen einen Ausdruck zu verleihen. In neuester Zeit hat man auch versucht den socialen Roman aus Frankreich hierher zu verpflanzen, doch ist noch nichts Bedeutendes erschienen. Sonst werden fast alle französischen Romane, oft in mehreren Übersetzungen zugleich, verbreitet.

Die Geschichtsschreibung im höheren Sinne des Wortes konnte bei dem Drucke, unter welchem bis auf 1848 die Presse in ganz Italien u. seit jener Zeit im größten Theile der Halbinsel zu leiden hat, sowie bei dem Mißtrauen der weltlichen u. geistlichen Regierung nie recht gedeihen. Noch gegenwärtig besteht die bei der einstigen historischen Bedeutung so reiche historische Literatur Italiens aus Erläuterungen älterer Geschichtswerke, in Urkunden u. Quellensammlungen, sowie in monographischen Arbeiten über einzelne Orte, Personen u. Begebenheiten. Doch waren schon vor den Stürmen der Jahre 1848 u. 1849, welche für die Staaten des Königs von Sardinien vollständige Preßfreiheit, für die Lombardei u. Venedig wenigstens eine mildere Handhabung der Controle herbeiführten, neben den bloßen Anhäufungen von Materialien allmälig immer mehr Werke, in neuester Zeit namentlich in Sardinien, an das Licht getreten, die von einem gründlichen u. umfassenden Quellenstudium, dabei einer genauen Kenntniß u. Berücksichtigung namentlich der einschlagenden Deutschen Literatur Zeugniß ablegen u. zugleich auch von philosophischem, ebenso wie patriotischem Geiste durchweht sind. Dies gilt bes. von Cesare Cantu's Storia universale (zuerst Mail 1837 ff., 37 Bde.), der ersten allgemeinen Weltgeschichte, die in Italien[135] geschrieben u. hier mit Begeisterung, im Auslande mit Achtung aufgenommen wurde. Ebenso wurde die allgemeine Geschichte Italiens, bei den politischen Bestrebungen nach Einheit, mehrfach Gegenstand der Bearbeitung. So sind außer A. Coppi's Annali d'Italia dal 1750 zu erwähnen die Geschichtswerke über Italien von Giov. Campiglio, Gius. La Farina, Balbo, Levati (fortgesetzt von Ignacio Cantu), Gius. Borghi, Gius. Cannonieri, Ces. Cantu Vannucci, Gabriele Rosa (Storia della cultura Italiana), J. Ferrari (Histoire des revolutions d'Italie). Eine Geschichte der italienischen Gesetzgebung versuchte Sclopis, die Storie dei domini stranieri in Italia schrieb Moisé u. Gius. Berta L'Italia sacra. Außerordentlich begünstigt wurde das Studium der vaterländischen Geschichte, was die älteste Epoche betrifft, durch die häufigen Ausgrabungen antiker Schriftdenkmäler, u. was das Mittelalter u. die neuere Zeit angeht, durch die sorgfältige Herausgabe zahlreicher Quellenschriften. Vorzügliches leisteten mehrere eigens zu diesem Zwecke zusammengetretene Gesellschaften. Vor Allem ist das von Vieusseux in Florenz 1842 begonnene u. von Bencini, Capponi, Ciampi, del Furia, Gelli, Inghirami, Niccolini, Polidori, Repetti, Rosini u. andern Geschichtsforschern geleitete Archivio storio Italiano zu nennen. Außer Geschichtsquellen enthält dasselbe auch gründliche historische Untersuchungen. Sonst besteht zu Florenz ein Verein zur Herausgabe der Relazioni degli ambasciatori Veneti al Senato, unter Leitung Alberi's. Gleiche Zwecke verfolgen die Societa historica in Neapel u. die historische Gesellschaft in Piemont. Schätzbare Beiträge zur Geschichte Italiens lieferten G. Molini, Luigi Tosti, P. Bigazzi, Cibrario, Cesare Balbo, Carlo Leoni u.a. Übrigens sind in den meisten Zeitschriften (s.d.) viele, oft vortreffliche Untersuchungen verborgen. Die älteste Geschichte Italiens bis zum Untergange des Weströmischen Reichs fand einen ausgezeichneten Bearbeiter an Gius. Micali (s.d.), Garzetti, Ang. Mazzoldi, Bened. Giovanelli, Inghirami, C. Baudi di Vesme u.a. Die Geschichte des Römerstaats behandelten Pellegrini Farini, Tullio Dandolo, Gius. Cesare etc. Eine Reihe sehr tüchtiger Arbeiter erschien während des letzten Decenniums über die Geschichte Italiens im Mittelalter. Vor Allem ist hier Carlo Troya's (st. 1859) Storia d'Italia del medio evo zu nennen, sowie noch Werke von Ercole Ricotti, Rancieri, Provana, La Farina, A. Ruggieri. Bes. rief die Geschichte der Longobarden u. die Streitfrage über den Ursprung der Municipalverfassung mehrere schätzbare Arbeiten hervor. So erschienen außer einer Übersetzung von Savigny's Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter als Quellen Troya's Codice diplomatico Longobardico dal 568 al 774 u. Bandi di Vesme's Edicta regum Longobardorum. Sonst schrieben über diesen Gegenstand, C. Morbio, C. Troya, C. Redaelli, Fil. de' Bernardi, Baudi di Vesme, Carlo d' Arco, Paolo Emiliano-Giudici, Giul. Ricci, Fossati u.a. Die Geschichte der neuern Zeit seit der Französischen Revolution konnte seit Botta's Storia d'Italia wegen des Druckes der Censur kaum bearbeitet werden. Das Wenige, was über das neuere Italien geschrieben wurde, erschien meist im Auslande; jedoch ist seit dem Regierungsantritt Victor Emanuels namentlich in den Sardinischen Staaten manches schätzbare Werk aus Licht getreten, wie die Memorie del Generale Pepe, Mariotti's englisch zu London 1846 u. 1848 herausgekommene Werke über Italien in seiner politischen u. literarischen Entwickelung; ferner Schriften von Gius. La Farina, L. C. Farini, Gius. Martini etc. Die Revolution von 1848 hat verschiedene historische Arbeiten hervorgerufen, die jedoch meist im Parteiinteresse geschrieben sind. Dahin gehören die Werke von F. A. Gualterio, C. Rusconi. Gius. La Farina, Franc. Anfossi, Carlo Pisacane, Ces. Vimercadi, Fd. Ranalli, Caloandro Baroni, A. Bresciani etc. Je weniger Arbeiten das gesammte Italien betreffen, desto mehr Monographien über die Geschichte einzelner Begebenheiten, Provinzen, Städte, Geschlechter u. Personen hat die ältere wie die neuere J. L. aufzuweisen. Es wird kaum einen Ort von historischer Bedeutung in Italien geben, der nicht auch seinen Geschichtsschreiber u. seinen Archäologen aufzuweisen hätte. Meist jedoch gelangen ihre Arbeiten nicht über die Provinz, geschweige denn über die Grenzen Italiens hinaus.

Die wichtigsten Arbeiten, welche die neuere Zeit auf dem Gebiete der Specialgeschichte hervorbrachte, lieferten zunächst für das Königreich Sardinien L. Cibrario, Federigo Sclopis, Ces. Balbo, Ercole Ricotti, A. Galenga, Domenico Carutti, Giovambattista Adriani, G. Casali (Geogr. u. Statistik), C. Promis u.a.; Geschichtsschreiber der Insel Sardinien ist G. Mano; wozu noch Vittore Martini (Kirchengeschichte), Spano (Archäologie), de Tola u. Alb. de la Mannora (Geographie) kommen. Die Geschichte der Stadt u. Republik Genua schrieb N. G. Canale, vorher Carlo Varese u. Girolamo Serra. Über die Lombardei schrieben Luigi Tossi, Ces. Cantu, über die Stadt Mailand insbesondere B. Corio, G. Giulini, Carlo Annoni (Archäologie), Fr. Predari (Literatur); über Brescia F. Odorici, über Padua Gio. Citadella, über Cremona Fr. Robolotti, über Verona Orti-Manara, über die Stadt u. Republik Venedig vor Allen C. Romanin, dann Agostino Sagredo, Cicogna, Matinelli, Crivello, Moschini, Cadorin, Pietro Bettio etc. Die Geschichte Parmas bearbeiteten Luciano Scarabelli, Ireneo Asso, Aug. Pezzana, Giordani (Kunstgeschichtliches); die Geschichte Modenas L. Forni, C. Campora, Franc. Manfredini u.a. In Toscana ist Florenz noch immer ausgezeichnet durch die große Anzahl u. Tüchtigkeit seiner Geschichtsforscher. Die Geschichte des Toscanischen Staates bearbeiteten früher Lorenzo Pignotti, in neuester Zeit Franc. Inghirami, F. Moisé, Ant. Zobi, in topographischer Hinsicht Repetti; über Florenz schrieben außer vielen Anderen Fr. Trucchi, P. di Santa Rosa, Tullio Dandolo, G. Ariazzi, F. Moisé, A. Reumont, über Pisa Bonaini, E. Valtancoli-Montazio, über Siena Vinc. Buonsignori, G. Porri, Gaet. Milanesi (Archäologie u. Kunst), über Lucca Girol. Tommasi, A. Mazzarosa, G. Matraja, C. Minutoli u.a. Die Republik San-Marino haben die Werke Melch. Delficos u. Oreste Brizi's zum Gegenstande. Um die Geschichte der Päpste machten sich, jedoch von sehr verschiedenen Standpunkten aus, verdient A. Bianchi-Giovini, Tullio Dandolo, L. Tosti etc.; viele in jüngster Zeit über Rom u. den päpstlichen Staat erschienene Schriften können auf den Namen von historischen Werken wegen ihrer offen ausgesprochenen politischen u. kirchlichen Tendenzen[136] gar keinen Anspruch machen. Die Stadt Rom betreffen die Schriften von Ant. Vesi, A. Belli, Pasquale Adinolsi u.a.; Ancona fand seinen Geschichtsschreiber an Agost. Peruzzi, Bologna an Gaet. Giordani, Perugia an Franc. Bartoli u. Vermiglioni, Ferrara an Landerchi. Das Königreich beider Sicilien betreffend, so gehört Coletta's Storia del Reame di Napoli dal 1735–1825 (Capolago 1834, 2 Bde.; Par. 1835) zu den besten Geschichtswerken Italiens. Außer ihm schrieben über die Geschichte dieses Königreichs kurz vorher Pagano u. später Nicolo Corcia, Pietro Giannone (Stor. civ. del regno di Napoli, Mail. 1844 ff.), Matteo Camera L. del Pozzo, Minieri-Riccio. Die Geschichte der inneren Verfassung u. Verwaltung des Königreichs suchen unter Anderen Giov. Manna u. Bianchini darzustellen. Für Herausgabe älterer Geschichtswerke ist zu Neapel namentlich S. Volpicella thätig, wie auch P. Garzilli, V. Capialbi u. bes. Gius. del Re. Tüchtige Bearbeiter fand die Geschichte der Insel Sicilien an Gius. Alessi, Pietro Lanza, Fürst von Scordia, Gius. di Cesare, Nic. Palmieri, Lodov. Bianchini, Mas. Zoferro, Michele Amasi (s.d.). In den italienisch sprechenden Theilen Tyrols (Friaul) traten als Geschichtsschreiber auf Gius. Bianchi, Perini, Pinamonti, Frapporti, Giovanelli (st. 1840) etc., für Istrien u. Dalmatien Vinc. Solitro, Fr. Carrara, Franc. Cusani. Die Geschichte berühmter italienischer Familien hat zahlreiche Monographien aufzuweisen; hervorzuheben sind des Grafen Litta Famiglie celebri Italiane, 1819 ff., wie auch Giov. Monnerets Sull e famiglie nobili della Monarchia di Savoia. Die Kriegsgeschichte hat in Ercole Ricotti's Storia della compagnie di ventura in Italia einen ausgezeichneten Beitrag erhalten. Andere Arbeiten erschienen von Cam. Vacani, Ferrero, A. Fabretti, Aless. Zanoli, Ferd. Pinelli u. Mariano d'Ayala. Letzter ist gegenwärtig überhaupt der bedeutendste Militärschriftsteller Italiens. Über die Geschichte der auswärtigen Völker u. Staaten erschien nur wenig Beachtenswerthes; zu nennen sind nur etwa Botta's Stor. della guerra dell' independenza degli Stati Uniti d'America (zuerst 1809 u.ö.) u. Camillo Vacanis Geschichte des Französischen Kriegs in Spanien. Nicht minder arm ist die geographische Literatur über fremde Länder. Die Kunde Italiens wurde, abgesehen von den vielen Städtebeschreibungen, in Att. Zuccagni-Orlandini's Corografia dell' Italia (Flor. 1835–45, 12 Bde.) bearbeitet. Durch ihre Werke über allgemeine Geographie sind Adriano Balbi, Vater u. Sohn, bekannt. Werthvolle Beiträge zur allgemeinen Culturgeschichte geben Enrico Poggi, L. Cibrario, L. Cicconi. Einen Beitrag zur Geschichte des Mönchswesens gab Ant. Loncado (Mail. 1843). Die Geschichte der geistlichen u. weltlichen Orden erläuterte Gaet. Giucci.

Die Kunstgeschichte hat in neuerer Zeit vortreffliche Bearbeiter gefunden. Die Werke der schon erwähnten Forscher Lanzi u. Cicognara sind wie die von Giuseppe Bossi, Fumagalli, Giulio Ferrario, Inghirami, Luigi Canina, Rosini, Ennio Quirino Visconti, Ant. Vanucci, Fd. Ranalli, Felice Turotti, P. Selvatico, auch im Auslande nach Verdienst anerkannt worden. Der Reichthum der archäologischen Literatur in Italien ist bei der großen Fülle der Denkmäler natürlich. Wohl durch Einfluß der Deutschen beginnt ein wissenschaftlicherer Geist die sonst gewöhnlich blos todten Materialiensammlungen zu beleben. Von besonderem Einfluß zeigt sich hier das 1829 von Ed. Gerhard in Rom unter Mitwirkung Bunsen's u. den Auspicien des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen gegründete Istituto archeologico di Roma, welches in seinen Memorie, Bulletino u. Annali schätzbare Beiträge deutscher u. italienischer Gelehrten enthält. Vieles bieten die von den verschiedenen Akademien Italiens, von denen sich die Accademia Herculanense u. andere blos mit Alterthum befassen, herausgegebenen Schriften u. Abhandlungen. Vortreffliches bietet Avellino's (st. 1850) Bulletino archeologico Napoletano (Neap. 1815–48, 6 Bde.), sowie dessen Opuscoli diversi (ebd. 1831–36, 3 Bde.) u. Spano's Bulletino archeol. Sardo (1852 etc.). Systematische Bearbeitungen der Wissenschaft versuchten Giov. Batt. Vermiglioni (st. 1848), Nibby (st. 1839), Domen. Mancini (st. 1845). Beschreibungen von Museen, den Alterthümern einzelner Orte u. Provinzen, so wie einzelner Denkmäler, lieferten Minervini in Neapel, Raff. Gargiulo, Carelli, P. Pisani, Seb. Ciampi, Giov. Battista Vermiglioni; ferner Salv. Morso, Vinc. Mortillaro, Giulio Ferrara, Gius. de Fabris, Tom. Torteroli, C. Avvolta, Cavedoni; Fr. Orioli, P. Secchi, Cardinali, P. E. Visconti, Franc. de Lardi, Carrara (Salona), Nibby in Rom, Franc. Inghirami, Domenico Lo Faso Pietrasanta, Duca di Serradifalco u. Luigi Canina.

In der Philosophie hatte in der ersten Hälfte der jüngsten Literaturepoche Giandomenico Romagnoli lange die erste Stelle behauptet. Er wurde in den Hintergrund gedrängt einerseits durch den Sicilianer Pasquale Galuppi (st. 1846), der sich durch das Studium der deutschen Philosophie gebildet hatte u. dessen zahlreiche Schriften in mehrfachen Auflagen u. vielen Nachdrücken über ganz Italien verbreitet wurden, andererseits durch den tyrolischen Priester Antonio Rosmini (s.d.), der eine idealkatholische Theorie entwickelte u. gewissermaßen eine Schule bildete, zu der auch Niccolo Tommaseo zu rechnen ist. Rosmini's Gegner wurden einerseits die Jesuiten, andererseits die Liberalen. Selbständiger trat ihm Vinc. Gioberti (s.d.) entgegen. Alle diese philosophischen Richtungen übten ihren Einfluß auf die verschiedenen politischen u. kirchlichen Theorien u. Ideale, welche die verschiedenen Parteien in Italien zu verwirklichen suchen. Als die bedeutendsten politischen Parteischriftsteller der letzten beiden Decennien sind Mazzini, Gioberti, Massimo d'Azeglio, Cesare Balbo, Terenzio della Rovere, Graf Mancini (Stifter einer philosophischen Akademie in Genua) u. Brofferio zu bezeichnen. Nicht wenige politische Redner haben sich während der Bewegungen der Jahre 1848 u. 1849, sowie seitdem in den sardinischen Kammern (Cavour, Ratazzi u.a.) gezeigt.

Für die Philologie haben die Italiener schon seit langer Zeit wenig gethan. Zwar haben sich Peyron in Turin u. Angelo Mai durch die Herausgabe neuaufgefundener Texte u. Handschriften Verdienste erworben; aber die wenigen in Italien erschienenen Ausgaben der alten Klassiker sind ebenso wie die in jüngster Zeit für die Zwecke des höheren Unterrichts in Turin u. Mailand veröffentlichten Ausgaben von wenig od. gar keiner Bedeutung. Doch finden sich in Italien nicht selten die tüchtigsten Kenner der alten Sprachen u. der klassischen Literatur. Namentlich ist Italien reich[137] an guten Latinisten (z.B. Tommaso Vallauri in Turin) u. lateinischen Dichtern (z.B. Nodari, Rosani). Um die lateinische Lexikographie machten sich Facciolati u. Furlanetto verdient. Ein Zweig der klassischen Philologie, die lateinische Epigraphik, blieb bis vor kurzer Zeit fast ausschließlich das Eigenthum der Italiener. Seit der Umgestaltung Oberitaliens durch die Revolution von 1848 haben sowohl die sardinische Regierung wie die österreichische Manches gethan, um den humanistischen Unterricht auf den höheren Schulen u. die klassischen Studien auf den Universitäten zu fördern, doch wird erst die Zukunft die Früchte, dieser Bemühungen ernten können. Durch die Übersetzungen mehrer guter Lehrbücher (G. Curtius Griechische Grammatik u. dergl.) ist Italien auch mit der Methode u. den Ergebnissen der wissenschaftlichen Philologie der Deutschen bekannt gemacht, sowie durch Bearbeitung des Sanskrit durch Gasp. Gorresio u. Giovanni Flecchia ihr Gesichtspunkt erweitert worden. Das wissenschaftliche Studium der Romanischen Sprachen liegt noch fast völlig darnieder, was natürlich auf die grammatische u. lexikalische Behandlung der eigenen Sprache von Einfluß sein mußte (s. Italienische Sprache). Die Italiener haben in dieser Beziehung zwar außerordentliches geleistet, doch entsprechen alle die zahlreichen u. umfangreichen Werke derselben über die italienische Sprache nicht den höheren Anforderungen der deutschen Sprachgelehrten. Wenn die Geschichte der eigenen Literatur in neuerer Zeit auch nicht so zahlreiche u. umfangreiche Werke aufzuweisen hat, wie das 17. u. 18. Jahrh., so sind doch namentlich eine große Anzahl wichtiger specieller Arbeiten erschienen. Fortsetzungen zu Tiraboschi's oben angeführtem großen Werke lieferten Ant. Lombardi (Storia della letteratura italiana nel sec. XVIII., Mod. 1827_–30, 12 Bde.) u. Ant. Levati (Saggio sulla storia della letteratura ital. ne' primi 25 anni del sec. XIX., Mail. 1831). Andere Werke über italienische Literatur im Allgemeinen lieferten Gius. Maffei (Storia della letteratura italiana, 2. Aufl., Mail. 1834, 4 Bde.), Cimorelli (Origine e progressi delle belle lettere ital., ebd. 1845), Rovani (Storia delle lettere e belle arti in Italia, ebd. 1856–58, 3 Bde.), Paolo Emiliano-Giudici (Storia della letteratura italiana, Flor. 1851, 2. Aufl. ebd. 1855, 2 Bde.), Cereseto (Storia della Poesia in Italia, Mail. 1857, 3 Bde.), Prudenziano (Storia della letteratura Italiana del secolo XIX., Neapel 1857); Camillo Ugoni (Della letteratura Italiana nella seconda meta del sec. XVIII., Mail. 1856–59, 3 Bde.), der Fortsetzer des schon erwähnten Corniani; Bart. Malpaga (Quadro storico-critico delle letteratura ital., Udine 1855) u.a. Unter den speciellen Werken sind die von Spotorno (Storia letteraria della Liguria, Genua 1824–58, 5 Bde.), Alessio Narbone (Storia della letteratura siciliana, Palermo 1856–59, Bd. 1–6), Vermiglioni (Perugia), von Sauli u. Vallauri über Piemont etc. hervorzuheben. Hieran reihen sich eine ziemliche Anzahl guter bibliographischer Arbeiten, darunter die für die Bibliographie der italienischen Nationalliteratur wichtigen Werke von Gamba (Serie de' testi di lingua, Ven. 1839, 4. Aufl.; Bibliographia delle novelle ital., Flor. 1845); Melzi (Bibliografia de Romanzi e poemi cavalleresci italiani, Mail. 1838) u.a. kommen. Arbeiten von Nichtitalienern über die Geschichte der J. L. sind auszuzeichnen Gingnene, Histoire littéraire de l'Italie (Par. 1811, 9 Bde.; italienisch von Perotti mit Anmerkungen, Flor. 1823–26, 12 Bde.; fortgesetzt von Salfi, Par. 1823–35, 4 Bde.), u. Ruth, Geschichte der italienischen Poesie (Lpz. 1844–47, Bd. 1 u. 2).

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 119-138. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010193200


Meyers 1907

[98]

Italienische Literatur.

Die i. L. hat sich verhältnismäßig spät entwickelt. In Frankreich hatten sich längst die provenzalische und die französische Literatur entfaltet, als Italien immer noch ohne eine eigne Nationalliteratur war. Da nun die politischen und Handelsverbindungen der beiden Länder den westlichen Literaturen leichten Eingang in Italien verschafften, so ist es erklärlich, daß die erste Periode der italienischen Literatur mit der Nachahmung beginnt.[98]

Erste Periode (13. Jahrhundert).

Vom Ende des 12. Jahrh. an, vielleicht schon früher, kamen häufig provenzalische Trobadors an die kleinen oberitalienischen Höfe, wo ihre Sprache leicht verstanden wurde, und bald begannen auch Italiener provenzalisch zu dichten, unter ihnen der durch Dante berühmt gewordene Sordel. Dagegen gab es in Mittelitalien damals keine glänzenden Höfe, die jenen Trobadors gastliche Aufnahme hätten gewähren können, und in Süditalien verstand man das Provenzalische nicht. So griff man hier zuerst zu der eignen Vulgärsprache: in Sizilien am Hofe Kaiser Friedrichs II. nahm die italienische Dichtkunst ihren Ursprung. Friedrich selbst, sein Sekretär Pier della Vigna, König Enzio, Giacomo da Lentino u. a. gehören der sizilianischen Dichterschule an. Aber ihre Dichtungen waren zumeist nur ein matter Abglanz der provenzalischen, ermangelten der Individualität und überboten sogar noch die Künsteleien und Frostigkeiten ihrer Vorbilder. Ihre Sprache war ein durch Einfluß des Provenzalischen und Lateinischen gereinigter Dialekt und kam dem Toskanischen nahe. Mit dem Sturz der Hohenstaufen verstummte dieser Minnesang in Sizilien. Er fand ein neues Heim in der Toskana, wo Guittone d'Arezzo (ca. 1215–1294), der durch seine Studien noch mehr unter provenzalischem Einfluß stand, das Haupt einer Dichterschule wurde, die auch die moralische und politische Dichtung eifrigst pflegte. Hier machte sich daneben eine frischere realistischere Strömung geltend, die namentlich durch Chiaro Davanzati und Rustico di Filippo vertreten war. Von Toskana kam die sizilianische Dichterschule nach Bologna, und hier entstand im Gegensatz zu ihr eine neue Dichtungsart, von Dante der »dolce stil nuovo« genannt, die durch die Einmischung der seit kurzem eifrig betriebenen philosophischen Studien einen symbolisch-allegorischen Charakter bekam. Ihr Haupt war Guido Guinicelli (gest. 1276). Diese Richtung fand in Florenz mit Cavalcanti und Dante ihre vollendetste Ausbildung. Daneben läuft eine burleske, triviale, satirische Lyrik weiter, deren Hauptvertreter Folgore da San Gemignano, Cene della Chitarra und Cecco Angiolieri waren, und der selbst Cavalcanti und Dante in einigen Sonetten folgten. Auch die französische Sprache gewann in Italien bedeutenden Einfluß. Manche Italiener schrieben ihre wichtigsten Werke französisch, so Brunetto Latino, Rusticiano da Pisa, Marco Polo etc., und in Oberitalien entwickelte sich unter dem Einfluß französischer Bänkelsänger sogar eine franko-italienische Literatur, die sich der Pflege des Ritterromans widmete. Daneben bestand in Oberitalien noch eine volkstümliche didaktische, religiöse und moralische Dialektpoesie, die zumeist von Geistlichen herrührt. In Umbrien wurde die geistliche Dichtung lyrischen Charakters (Laudendichtung) ausgebildet, und die aus Frankreich gekommene allegorische lehrhafte Dichtung fand bei Brunetto Latino, Francesco da Barberino u. a. bemerkenswerte Pflege. Auch die prosaische Literatur nahm in diesem Jahrhundert ihren Anfang. Wir haben Briefmuster von Guido Faba, Rechnungsbücher, Briefe von Kaufleuten, Novellensammlungen, Enzyklopädien, Übersetzungen aus französischen Abenteuerromanen und aus lateinischen Schriftstellern etc.

Zweite Periode (14. Jahrhundert).

Im 14. Jahrh. wurde Florenz der politische Mittelpunkt der Toskana und damit auch die i. L. fast ausschließlich toskanisch, der toskanische Dialekt gelangte zur vollen Herrschaft. An der Schwelle des Jahrhunderts begegnet uns eine der gewaltigsten Gestalten aller Zeiten. Die verschiedenen poetischen Elemente der ersten Periode der italienischen Literatur faßt er zu einem harmonischen Ganzen zusammen; in vollendeter Weise paaren sich in seinem Werke Wissenschaft, Allegorie und Dichtkunst. Dante (1265–1321) begründete zugleich durch seine gewaltige »Komödie«, durch seine lyrischen Gedichte und durch die Prosaschriften »La Vita Nuova« und »Il Convivio« die eigentliche Literatursprache Italiens. Ihm tritt der jüngere Petrarca (1304–74) zur Seite und führt die italienische Lyrik in seinen »Rime« auf ihren Höhepunkt. Er betrieb zugleich eifrigst das Studium der lateinischen Sprache und versprach sich Ruhm bei der Nachwelt durch seine zahlreichen, eleganten lateinischen Schriften. Endlich wird die Novelle um dieselbe Zeit von Boccaccio (1313–75) durch den »Decamerone« zur Vollendung gebracht. Neben diesem haben seine andern italienischen und seine lateinischen Werke nicht die gleiche epochemachende Bedeutung. Die übrige Literatur des 14. Jahrh. ist im Vergleich zu den Schöpfungen der drei Meister armselig. Teils knüpft sie direkt an die Erzeugnisse des 13. Jahrh. an, teils bewegt sie sich in deren Nachahmung. Der religiöse Aufschwung brachte eine reiche religiöse Literatur, besonders in Prosa, hervor. Dem Anfang des Jahrhunderts gehören die Predigten des Giordano da Rivalto (ca. 1260–1311) an. Fra Domenico Cavalca (gest. 1342) übersetzte frei die lateinischen »Vitae Patrum« u. d. T.: »Vite de' Santi Padri« und verfaßte viele asketische Traktate. Fra Jacopo Passavanti (ca. 1300–57) schrieb einen »Specchio della vera penitenza«, und von der heil. Katharina von Siena (1347–80) besitzen wir viele Briefe (373) und Traktate. Zu derselben Zeit entstand die Sammlung der »Fioretti di San Francesco«. Dazu haben wir unzählige Übersetzungen aus dem Lateinischen. Die Liebeslyrik ist teils Fortsetzung des dolce stil nuovo, so bei Cino da Pistoja (1274[?]-1337) u. a., teils Nachahmung Petrarcas. Die moralische Lyrik knüpft mit Bindo Bonichi (gest. 1338) und andern direkt an Guittone an. Politische Kanzonen dichteten Fazio degli Uberti, Saviozzo, Pucci u. a. Letzterer und der bekannte Architekt Andrea Orgagna pflegten auch die volkstümliche burleske Dichtung. Der Epik gehören eine große Anzahl aus dem Französischen übersetzter und nachgeahmter Abenteuerromane an, darunter die »Reali di Francia« von Andrea dei Magnabotti (1372 bis ca. 1431). In der ersten Hälfte des Jahrhunderts entstand der fälschlich Bosone da Gubbio zugeschriebene, geistlose moralische Abenteuerroman »L'Avventuroso Ciciliano«. Andre Romane sind in Oktaven geschrieben; Pucci verfaßte z. B. die »Istoria della Reina d'Oriente«, die »Istoria di Apollonio di Tiro« und schrieb auch historische Heldengedichte. Selbst ein »Poema della Passione« ist vorhanden. Die Novellendichtung ist Nachahmung Boccaccios, so Ser Giovannis »Pecorone« und Sercambis (1347–1424) Novellensammlung. Der am häufigsten genannte Nachahmer Boccaccios ist der auch als Lyriker bekannte Franco Sacchetti aus Florenz (ca. 1330 bis nach 1399). Zu den Nachahmungen Boccaccios gehört auch der lehrhafte Roman »Il Paradiso degli Alberti«. Die Didaktik bewegt sich ganz im Gleise Dantes, ohne das Vorbild auch nur annähernd zu erreichen. Fazio degli Uberti verfaßte einen »Dittamondo«, eine geographische Beschreibung der Welt[99] und Bruchstücke einer Weltgeschichte. Federigo Frezzi, Bischof von Foligno (gest. 1416), beschrieb im »Quadriregio« eine phantastische Reise durch die vier Reiche Amors, Satans, des Lasters und der Tugend. Die »Acerba« des Cecco d'Ascoli (1327 als Ketzer verbrannt) ist ein dürres Lehrgedicht von der physischen und moralischen Welt. Ähnlichen Inhalts ist das »Dottrinale« in Settenari von Dantes Sohn Jacopo. Pucci brachte die Chronik Giovanni Villanis in seinem »Centiloquio« in Verse. Die Literatur der Überarbeitungen und Übersetzungen aus dem Lateinischen und Französischen endlich wuchs in diesem Jahrhundert noch bedeutend.

Dritte Periode (15. und 16. Jahrhundert).

In Italien hatte tatsächlich die Überlieferung der klassischen Kultur nie aufgehört. Schon zu Dantes Zeiten wurden die Bestrebungen, die lateinischen Klassiker neu zu erwecken, eifrigst gefördert. Am tätigsten in dieser Richtung waren Albertino Mussato aus Padua (1262–1329) und Ferreto da Vicenza (ca. 1295–1337). Im 14. Jahrh. stellten sich Petrarca und Boccaccio an die Spitze der Bewegung. In Florenz wirkten in ihrem Sinne weiter Luigi Marsili (1330 bis ca. 1394), Coluccio Salutati (1330–1406) und Giovanni da Ravenna (gest. ca. 1420). Im 15. Jahrh. begannen Fürsten und Gelehrte im Aufsuchen alter griechischer und lateinischer Handschriften zu wetteifern. So ist es begreiflich, daß die durch die Eroberung Konstantinopels aus Griechenland vertriebenen Gelehrten in Italien enthusiastische Aufnahme fanden. Die Erfindung der Buchdruckerkunst und die vielen kleinen Fürstenhöfe begünstigten die Verbreitung der neuerworbenen Kenntnisse vom Altertum ungemein. Die berühmtesten Gelehrten dieser Blütezeit der klassischen Studien waren in Florenz, das auch hier wieder das Primat behauptete, und von wo aus sich die Bewegung rasch über ganz Italien verbreitete, z. B. Leonardo Bruni (1369–1444), Poggio Bracciolini (1380–1459), Carlo Marsuppini (1399–1453), Giannozzo Manetti (1396–1459) u. a. Viele von ihnen schrieben auch lateinische und griechische Gedichte.

Die gelehrte Bewegung im 15. Jahrh. unterdrückte anfänglich die Vulgärliteratur fast ganz, man verachtete sie als gemein, und erst allmählich fand sie wieder Verteidiger. Die i. L. der ersten Hälfte des 15. Jahrh. ist daher nicht bedeutend. In Florenz schrieb unter andern Giusto de' Conti (ca. 1400–49) einen »Bella Mano« betitelten Canzoniere und dichtete der Barbier Domenico di Giovanni, genannt Burchiello (gest. 1448), seine burlesken Sonette in grobem, oft schmutzigem Humor. Seine Manier fand viele Nachahmer und wurde »alla burchiellesca« genannt. In Venedig bildete der auch als Humanist bedeutende venezianische Patrizier Lionardo Giustiniani (ca. 1388–1446) in seinen reizenden Kanzonetten und Strambotti die volkstümliche Liebesdichtung nach und dichtete in ältern Jahren teils sehr schöne Landen. Seine Sprache ist mit Venetianismen reich durchsetzt. Um 1424 schrieb der Sienese Gentile Sermini 40 ziemlich obszöne Novellen, die mit Sonetten, Kanzonen und andern Gedichten vermischt sind. Die religiöse Dichtung der Lauden erweiterte sich in diesem Jahrhundert in Umbrien zum dramatischen Werke »Devozione«, in Florenz »Sacra Rappresentazione« genannt. Oft sind drastische und burleske Szenen eingeschoben. – Von der Mitte des Jahrhunderts an findet die italienische Dichtkunst wieder bei der vornehmen Welt an den Höfen Aufnahme und eifrige Pflege. Es bildeten sich drei literarische Mittelpunkte: Neapel, Ferrara und Florenz. Hier beschützte Lorenzo de' Medici (1448–92) die i. L., der selbst als Lyriker mit gutem Beispiel voranging und auch vielfach der volkstümlichen Dichtkunst huldigte. Ihm eng befreundet und den gleichen Bestrebungen ergeben waren Luigi Pulci (1432–84) aus Florenz und Agnolo Ambrogini, genannt Poliziano (1454–94). Ersterer schuf in dem Heldengedicht »Morgante« den Übergang des romantischen Epos von der volkstümlichen Form zu der reinen Kunstform, letzterer behandelte in der dramatischen Fabel »Orfeo« zuerst einen weltlichen Stoff in italienischer Sprache. Fast gleichzeitig mit Pulci verfaßte in Ferrara Matteo Maria Bojardo, Graf von Scandiano (1434–94), sein unvollendetes Epos »Orlando innamorato«, das erste wirkliche Kunstepos in Italien. Ein andrer Ferraresischer Dichter, Francesco Bello, genannt il Cieco, verfaßte gegen 1494 das Rittergedicht »Mambriano«. Unter den lyrischen Dichtern sind zu nennen der Neapolitaner Cariteo (gest. ca. 1515), Serafino d'Aquila (1466–1500), Bernardo Accolti aus Arezzo, auch als Improvisator berühmt, genannt l'unico (gest. ca. 1534), Panfilo Saffi aus Modena (gest. 1527) und Antonio Tebaldeo aus Ferrara (1456–1535). Die burleske und satirische Lyrik ist besonders durch Antonio Cammelli aus Pistoja (1440 bis 1502) vertreten. Die Dramatik der Zeit war Nachahmung der Alten. Unter den Prosaikern sind hervorzuheben Leon Battista Alberti (ca. 1406 bis 1472) und Matteo Palmieri (1406–78). Der bekannte Girolamo Savonarola aus Ferrara schrieb viele Predigten, einige Traktate und Landen. Von dem Bologneser Giovanni Sabadino degli Arienti haben wir eine um 1478 verfaßte Sammlung von 70 Novellen, »Le Porretane«, und zwischen 1460 und 1470 schrieb Masuccio da Salerno in Neapel seine 1476 in 5 Büchern veröffentlichten 50 Novellen. Beide ahmen das »Decamerone« nach. Gegen Ende des Jahrhunderts endlich schuf Jacopo Sannazaro aus Neapel (1458–1530) eine neue Literaturgattung mit dem phantastischen Schäferroman »Arcadia«, der in fast allen Literaturen Europas bedeutsam nachwirkte.

Im 16. Jahrh. verbinden sich der Humanismus und die Vulgärliteratur zu einem harmonischen Ganzen und erzeugen eine zweite Blüte der italienischen Literatur, die klassische Periode. Sie beginnt mit der Vervollkommnung des romantischen Heldengedichts durch Lodovico Ariosto (1474–1533). Sein »Orlando furioso« ist eine Fortsetzung des »Orlando innamorato« Bojardos, an dessen abgerissene Fäden er überall, aber ganz selbständig, anknüpft, und rief eine Hochflut jetzt meist vergessener Heldengedichte hervor. Daneben sind die Überarbeitungen von Bojardos Gedicht durch Lodovico Domenichi (1541) und Francesco Berni zu nennen, wovon jedoch die letztere nur auf eine Verbesserung der Sprache abzielte. Gleich nach dem ersten Erscheinen des »Orlando furioso« (1516) machte sich eine Reaktion geltend und stellte der seinen Darstellung der romantischen Welt eine unverhüllte, derbe Komik gegenüber. Ihr Haupt war der Mantuaner Teofilo Folengo (1492–1544), Verfasser vieler makkaronischer Dichtungen, der im »Baldus« (1517, ganz 1521) und »Orlandino« (1526) die Ritterdichtung verspottete. Fast gleichzeitig gab eine andre Schriftstellergruppe der italienischen Literatur eine neue Richtung: sie verlangte peinliche Nachahmung der Alten und verfaßte lange erzählende [100] Heldengedichte nach den Vorschriften des Aristoteles. Sie wendete sich vom karolingischen Sagenkreis ab und griff zur Geschichte und zur bretonischen und spanischen Heldensage. Ihr Haupt war Giangiorgio Trissino aus Vicenza (1478–1550), der in seiner »Italia liberata dai Goti« (in versi sciolti geschrieben) sich sklavisch an die »Ilias« anlehnte. Weiter gehören hierher des Luigi Alamanni aus Florenz (1495 bis 1556) »Girone il cortese« (1548) und »Avarchide« (gedruckt 1570), der »Amadigi« (1560) des Bernardo Tasso aus Venedig (1493–1569) u. a. Torquato Tasso (1544–95) nahm die Bestrebungen seines Vaters wieder auf und schuf das letzte Meisterwerk der klassischen Periode. Die »Gerusalemme liberata« verbindet Einheit der Handlung mit vielseitiger Erfindung und edle, ungekünstelte Sprache mit feierlicher Form. In dem Jahrhundert des Klassizismus wurde auch das Lehrgedicht der Alten vielfach nachgeahmt. Meistens dienten die »Georgica« des Vergil als Vorbild, und neben der italienischen Sprache fand die lateinische Verwendung. Giovanni Ruccellai (1475–1525) umschrieb in den »Api« (1539 gedruckt) das vierte Buch der »Georgica«. Deren ganzen Stoff behandelte Luigi Alamanni in der »Coltivazione« (1546 gedruckt). Hierher gehören ferner die »Caccia« (1591) des Erasmo da Valvasone aus Friaul (ca. 1523–93), die »Nautica« (1585) des Bernardino Baldi aus Urbino (1553–1617), Luigi Tansillos »Podere« und »Balia«; Girolamo Muzios (1495–1576) »Arte poetica« (1551) und Alessandro Tesauros (2. Hälfte des 16. Jahrh.) »Sereide« (1585). Lateinisch schrieb Girolamo Fracastoro (1483–1553) das berühmte »De morbo gallico«, Girolamo Vida (1490–1566) »De Bombyce« und »Scacchia«. Die Lyrik knüpfte wieder direkt an Petrarca an, nicht an seine Nachahmer des 15. Jahrh. Führer dieser Richtung war der Kardinal Pietro Bembo (1470–1547). Viele folgten seinem Beispiel: Francesco Maria Molza aus Modena (1489–1544), Giovanni Guidiccioni aus Lucca (1500–41), Giovanni della Casa (1503 bis 1556) und die drei Dichterinnen: die fromme Vittoria Colonna aus Marino (1490–1547), die tatkräftige Veronica Gambara (1485–1550) aus Brescia und die unglückliche Gaspara Stampa aus Padua, die in natürlicher Wärme ihre zügellose Liebe zu dem Grafen Collaltino von Collalto besingt und, erst 30 Jahre alt, an gebrochenem Herzen stirbt. Weiter sind zu nennen Michelangelo Buonarroti (1475–1564), der auch hier eigenartiger ist als die übrigen Petrarkisten, Luigi Alamanni, Lodovico Martelli (1499–1527), Bernardo Cappello aus Venedig (ca. 1500–65), Galeazzo di Tarsia aus Cosenza (1476–1553), Bernardino Rota aus Neapel (1509 bis 1575), Torquato Tasso, Bernardo Baldi, Annibale Caro, Luigi Tansillo u. v. a. Eine Gruppe von Dichtern mit Claudio Tolomei aus Siena (1492–1553) an der Spitze machte gegen den Petrarkismus Front und schrieb Gedichte in klassischen Metren. Die lateinische Lyrik wetteifert mit der italienischen und hat z. T. sogar Schöneres hervorgebracht. Wir nennen nur Sannazaro, Bembo, Molza, Castiglione, Vida, Marcantonio Flaminio. Neben der ernsten Lyrik wurde in reichem Maß auch die scherzhafte Dichtkunst angebaut. Sie bekam den Namen »poesia bernesca« nach ihrem bedeutendsten Vertreter, Francesco Berni aus Lamporecchio (1496–1535). Er schrieb »Capitoli« in Terzinen und Sonette. Die Nachahmer kamen nicht über ihn hinaus. Zu nennen sind von ihnen Giovanni Mauro (ca. 1490–1536) aus Friaul, Anton Francesco Grazzini aus Florenz (1503–83), Cesare Caporali aus Perugia (1531–1601), Francesco Coppetta u. a. Die Satire der Zeit war entweder persönlich, wie bei Berni, Grazzini, Pietro Aretino (1492–1556), oder Nachahmung des Horaz, meistens mit lehrhafter Tendenz. Die ersten Satiren dieser Art schrieb Antonio Vinciguerra (1495), die besten Ariosto. Die Dramatik ist im 16. Jahrh. in Italien noch wenig originell und brachte keine wirklich bedeutenden Arbeiten hervor. Im Anfang des Jahrhunderts machte man mit lateinischen Dramen Versuche.

Die erste regelmäßige italienische Tragödie ist die »Sofonisbe« (1515) des Giangiorgio Trissino (1478–1550) aus Vicenza. Weiter seien genannt Ruccellais »Rosmunda« und »Oreste«, »Canace« von Sperone Speroni aus Padua (1500–1588), die »Orbecche« des Giambattista Giraldi, die »Orazia« Pietro Aretinos und Tassos »Torrismondo«. In allen ist wenig Originalität, und statt kraftvollen Lebens macht sich die hohlste Rhetorik breit. Reicher und mannigfaltiger, z. T. auch höher stehend sind die Komödien. Fast alle weisen lateinischen Einfluß auf, vielfach sind es nur wenig geänderte Übersetzungen aus Plautus und Terenz, andre setzen die modernen Sitten an Stelle der alten, noch andre schweißen mehrere Stücke zu einem zusammen. Fast ein Meisterwerk ist Machiavellis (1469–1527) »Mandragola«. Ferner sind zu nennen des Kardinals Bernardo Dovizi, genannt Bibbiena (1470–1520), »Calandria«, Agnolo Firenzuolas (1493 bis ca. 1545) »Lucidi« und »Trinuzia«, des Lorenzino de' Medici »Aridosia«, Giambattista Gellis (1498–1564) »Sporta« und »Errore«, Anton Francesco Grazzinis »Gelosia«, »Spiritata«, »Strega« etc., Ariosts »Suppositi«, »Cassaria«, »Negromante« etc., Dolces »Marito« etc., Giovan Maria Cecchis (1518–87) »Assiuolo«. Wie das letztere Stück sind die Komödien des Pietro Aretino (1492–1556) durch größern Realismus und größere Originalität ausgezeichnet, z. B. die »Cortigiana«, der »Marescalco« etc., und Giordano Brunos (gest. 1600) »Candelajo«. Neben der klassischen Komödie entwickelte sich das Volksdrama. In Neapel haben wir in den »Farse cavajole« (so genannt, weil meistens ein dummer Bewohner von La Cava auftritt) die satirische Komödie; in Toskana entwickelt sich namentlich in Siena durch Einfluß der 1531 errichteten Gesellschaft Congrega de' Rozzi die Bauernkomödie. Die dialektische Komödie wird besonders im Venezianischen gepflegt durch den Paduaner Angelo Beolco, genannt Ruzzante (1502 bis 1542). und den Venezianer Andrea Calmo (ca. 1510–71), beides berühmte Schauspieler. Endlich haben wir die Commedia dell' arte oder a soggetto, die auf öffentlichen Plätzen oder in Holzbuden ausgeführt wurde, und der es nicht an kräftigem Volkswitz und komischer Wirkung fehlte. Sie verbreitete sich von Italien auch nach Frankreich etc. und verdrängte die klassische Komödie. Gleichzeitig wurde noch das aus der dialogisierten Ekloge entwickelte Pastoraldrama mit besonderm Eifer gepflegt. Das erste ist das »Sacrificio« des Agostino Beccari (ca. 1510–90) aus Ferrara, 1554 ausgeführt. Die Vollendung erreichte diese Art in Tassos »Aminta« (1573) und dem »Pastor fido« des Battista Guarini aus Ferrara (1538–1612), der 1581 begonnen, 1585 in Turin ausgeführt und 1590 gedruckt wurde. Am Ende des 16. Jahrh. entstand auch die erste Oper. Veranlassung dazu war die bei den Gelehrten herrschende Ansicht, die Alten hätten ihre Tragödien ganz gesungen.[101] Ottavio Rinuccini (gest. 1621) verband sich da mit dem Musiker Peri, um ein solches klassisches Drama zu schaffen, und so entstand die »Dafne«, 1594 im Hause des Jacopo Corsi in Florenz zum erstenmal ausgeführt. 1600 folgte »Euridice«, 1608 »Arianna«. Unter den Gattungen der Prosa schildern uns zunächst die Novellen und die Briefe das öffentliche und private Leben der Zeit aufs anschaulichste. Für die Novelle ist auch jetzt noch das »Decamerone« vorbildlich. Matteo Bandello aus Castelnuovo (ca. 1490 bis ca. 1560) sammelte seine Novellen z. T. aus dem Mund adliger und berühmter Zeitgenossen. Von Firenzuola haben wir 10 schlüpfrige Novellen. Grazzini verfaßte die vorzüglich geschriebenen »Cene«, Giraldi die »Ecatommiti« oder »Cento novelle« mit moralischer Tendenz, ebenso Sebastiano Erizzo aus Venedig (1525–85) die »Sei giornate«. Weiter sind zu nennen die lasziven »Giornate e notti dei novizi« des Pietro Fortini aus Siena (ca. 1500–1562), die »Diporti« des Girolamo Parabosco aus Piacenza (ca. 1500 bis ca. 1560), Machiavellis vorzügliche Novelle »Belfegor«, Straparolas (gest. nach 1557) »Piacevoli notti«, Luigi da Portos »Romeo und Julie« u. v. a. Der Brief wird als literarische Gattung gepflegt nach dem Vorbilde der Alten und Petrarcas. Er ist daher vielfach künstlich und rhetorisch, aber eine vorzügliche Quelle für Geschichte und Kulturgeschichte. Besonderer Erwähnung verdienen die Briefe von Tasso, Annibale Caro (1507–66), Bembo, della Casa, Jacopo Bonfadio (ca. 1500–50), Luigi da Porto (1485–1529), Filippo Sassetti (1540 bis 1588), Doni, Berni, Niccolo Franco (1509–69), Pietro Aretino. Auch der Dialog und Traktat erfreuten sich großer Beliebtheit. Baldassare Castiglione aus Casatico (1478–1529) schildert im »Cortegiano« das Ideal des höfischen Lebens und des Hofmannes. Della Casa lehrt im »Galateo« die seine Umgangsform. Giambattista Gelli aus Florenz (1498–1563) entwickelt in den »Capricci del bottajo« und der »Circe« moralische, auf ein kontemplatives Leben hinführende Gedanken. Pietro Aretino führt mit seinen »Ragionamenti« in die gemeinste Welt des Lasters, Doni bekämpft in der »Moral filosofia« und den »Marmi« Vorurteile und Aberglauben seiner Zeit. Bembo schreibt seine berühmten »Asolani«, Gespräche über die Arten der Liebe, und die »Prose della volgar lingua« zur Verteidigung der Vulgärsprache. In derselben Absicht verfaßt Varchi seinen »Ercolano«. Zahlreiche, Platon nachgebildete Dialoge über den Adel etc. haben wir von Tasso. 1582 entstand die berühmte Accademia della Crusca, deren Seele Leonardo Salviati war, und die 1612 das erste italienische Wörterbuch herausgab. Die ersten Anfänge einer Literaturgeschichte haben wir in Barbieris (1519–74) »Dell' origine della poesia rimata«. Das Jahrhundert brachte endlich auch noch musterhafte Übersetzungen klassischer Werke hervor und daneben die freien Bearbeitungen der »Äneis« durch Caro, der »Metamorphosen« durch Anguillara und des »Goldenen Esel« durch Firenzuola.

Vierte Periode (17. u. erste Hälfte des 18. Jahrh.).

Italien fällt etwa 150 Jahre in die Knechtschaft Spaniens. Mit diesem politischen, sozialen und religiösen Niedergange geht der Verfall der Literatur Hand in Hand, der sich unter zwei verschiedenen Gestalten, dem Secentismus und der Arcadia, zeigt. Unter Secentismus versteht man das kindische Spiel mit Worten bei völliger Leere des Inhalts, das Haschen nach blendendem Putz durch Verwenden der seltsamsten Bezeichnungen, der unpassendsten Metaphern, der geschrobensten und gekünsteltsten Redefiguren und Bilder, der gesuchtesten Gegensätze. Ansätze dazu findet man schon in der sizilianischen Dichterschule, bei Petrarca, bei einer Anzahl seiner Nachahmer im 15. Jahrh. (Cariteo, Tebaldeo, Serafino) und bei Tasso. Der besondere Charakter der Arcadia, einer Reaktion gegen den Secentismus, ist äußerste Gedankenarmut, Mangel an Phantasie, Unfähigkeit, sich für das Erhabene zu begeistern, Konventionalismus in der Form. – Das Epos ging einerseits in knechtischer Nachahmung Tassos zugrunde, anderseits wandelte es den Inhalt, das Idyll nahm seine Form und seinen Umfang an. Es wurde zum mythologischen Gedicht in dem »Adonis« (Par. 1623) des Neapolitaners Giambattista Marini (1569–1625). Dagegen erreichte das komische Heldengedicht eine bisher unerreichte Vollkommenheit durch die »Secchia rapita« von Alessandro Tassoni aus Modena (1565 bis 1635). Ihm ahmten viele nach, doch niemand erreichte ihn. So Francesco Bracciolini aus Pistoja (1566–1645) mit der »Croce racquistata« und dem »Scherno degli Dei«, der Maler Lorenzo Lippi aus Florenz (1606–64) mit dem »Malmantile racquistato«, Bartolomeo Corsini (1606–73) aus dem Mugello mit dem »Torracchione desolato«. Eine Sonderstellung nimmt Niccolò Forteguerri aus Pistoja (1674–1736) mit seinem »Ricciardetto« ein, der, von Secentismus frei, an Ariosto anknüpft. In der Lyrik folgten die meisten Dichter dem Beispiel, das Marini auch hier gab (daher Marinisten), so die Bolognesen Claudio Achillini (1574–1640) und Girolamo Preti (ca. 1590–1626) und Giovanni Ciampoli aus Florenz (1589–1643). Nur wenige setzen die von Tolomei begründete Schule der Klassizisten fort. So suchte Gabriello Chiabrera aus Savona (1552–1637) die Formen Pindars und Anakreons zu erneuern, und Fulvio Testi aus Ferrara (1593 bis 1646) dichtete nach dem Muster des Horaz. Allmählich empfand man jedoch das Bedürfnis, zur Einfachheit und Natürlichkeit zurückzukehren. An die Spitze einer Reform trat die in Rom lebende Königin Christine von Schweden, die eine Anzahl auserlesener Dichter um sich versammelte. Hervorzuheben sind Vincenzo da Filicaja aus Florenz (1642–1707), Benedetto Menzini aus Florenz (1646–1704), Francesco Redi aus Arezzo (1626–98) und der Liebling und Vertraute der Königin, Alessandro Guidi aus Pavia (1650–1712). Aus diesem Dichterkreis entstand 1690 die Accademia degli Arcadi, kurz die Arcadia genannt (s. Arkadier), deren Zweck es war, größere Einfachheit und Natürlichkeit zu verbreiten, die aber nur eine Geschmacklosigkeit durch eine andre verdrängte. Ihre Kolonien dehnten sich bald über ganz Italien aus. Sonette und Madrigale schrieben Carlo Maria Maggi aus Mailand (1630–99), Francesco di Lemene aus Lodi (1634–1704), Giov. Battista Felice Zappi aus Imola (1667–1719), Kanzonetten in Nachahmung Chiabreras, deren Inhalt aber auf Liebe und Galanterie beschränkt blieb, Tommaso Crudeli aus dem Casentino (1703–45), Paolo Rolli (1687–1765) und Pietro Trapassi (Metastasio), beide aus Rom (1698–1782). Carlo Innocenzo Frugoni (1692–1768) endlich sucht die Feierlichkeit der klassischen Dichtkunst mit der arkadischen Spielerei zu verbinden. Den reinen Petrarkismus vertritt in dieser Periode nur Eustachio Manfredi aus Bologna (1674–1739). Die Satire folgte zunächst der Weise des 16. Jahrh., allmählich jedoch lehnte sie sich gegen[102] die Verderbtheit der Zeit auf. Schon der Florentiner Jacopo Soldani (1579–1641) richtete seine Satiren gegen die Höfe, die Heuchelei, den Luxus und den wissenschaftlichen Scharlatanismus. Bedeutender sind der Maler Salvator Rosa aus Neapel (1615–73), Menzini und Lodovico Sergardi aus Siena (1660–1726). Hier ist auch nochmals Chiabrera mit seinen »Sermoni« in Horazischer Art zu nennen. Die burleske Dichtung fand Vertreter in dem Florentiner Antonio Malatesti (gest. 1672), Francesco Lazzarelli aus Gubbio (gest. 1694) und Francesco Baldovini aus Florenz (1634–1716). Die dramatische Dichtkunst verfiel schnell, obgleich das Schaubedürfnis in allen Kreisen gewachsen war und man an vielen Orten feste Bühnen errichtet hatte. Sie wurde durch die Commedia dell' arte verdrängt, deren berühmtester Vertreter der Schauspieler Flaminio Scala war, der auch eine Sammlung Szenarien herausgab. Nur das Pastoraldrama blühte in Nachahmung Tassos und Guarinis. Zu nennen ist vor allem die »Filli di Sciro« von Guidobaldo Bonarelli aus Pesaro (1563–1608). Unter den Fortsetzern der Überlieferung des 16. Jahrh. sind erwähnenswert in Neapel Giovambattista della Porta (1538–1615), Jacopo Cicognini, der jüngere Michelangiolo Buonarotti (1568–1646) aus Florenz mit seinen beiden Bauernkomödien »Tancia« und »La Fiera« und Giovambattista Fagiuoli aus Florenz (1660–1742), der einige 20 Komödien in schönster Florentiner Sprache schrieb. Das Melodrama, fortgesetzt durch Chiabrera, Testi, Guidi (»Endimione«), durch Apostolo Zeno (1669–1750) reformiert, kam durch Metastasio zur Vollendung. Unter den Tragödien ist der von Milton benutzte »Adamo« des Giovambattista Andreini aus Venedig zu erwähnen. Weiter schrieben Gravina und Dottori Tragödien in Nachahmung der Alten. Frisches Leben kam erst durch die Nachahmung der Franzosen in die Tragödie. Pier Jacopo Martelli aus Bologna (1665–1727) adoptierte auch den Alexandriner, der nach ihm verso martelliano genannt wurde. Scipione Maffei aus Verona (1675 bis 1755), der eifrigste Reformator des Theaters, schrieb die berühmteste Tragödie des Jahrhunderts: »Merope« (1713). Der Paduaner Antonio Conti (1677–1749) kannte zwar Shakespeare, verstand ihn aber nicht zu würdigen. Die Prosa dieses Zeitraumes ist in den Romanen, Novellen, Briefen, Traktaten etc. sehr gekünstelt und unbedeutend. In der historischen und rein wissenschaftlichen Prosa macht sich aber von Anfang an eine gesündere Richtung geltend. Auf grammatischem und literarhistorischem Gebiet beginnt ein reges Leben. Um die italienische Sprache ist der Florentiner Carlo Dati (1619–75) hochverdient durch die dritte Auflage des Crusca-Lexikons. Die grammatischen Regeln der italienischen Sprache setzten fest Marcantonio Mambelli aus Forli (1582–1644) in seinen »Osservazioni della lingua italiana« und Benedetto Buommattei aus Florenz (1581–1647) in dem Traktat »Della lingua toscana«. Daniello Bartoli schrieb das »Torto e dritto del non si può«. Celso Cittadini (1533–1627) und Gigli (1660–1722) bekämpften die Florentiner Schule. Trajano Boccalini aus Loreto (1556–1613) bekämpfte in den »Ragguagli di Parnasso« und der »Pietra del paragone politico« literarische und politische Vorurteile der Zeit. Die ästhetische Kritik ward gefördert durch Gianvincenzo Gravina aus Rogiano (1664–1718) mit der Schrift »Della ragion poetica« (1718) u. a., Sforza Pallavicino aus Rom (1607–67) mit der Abhandlung »Dello stile e del dialogo« und Lodovico Antonio Muratori aus Vignola (1672–1750) mit dem Traktat »Della perfetta poesia«. Die Literaturgeschichte beginnen zu behandeln Girolamo Ghilini in seinem »Teatro d'uomini letterati« (1647), Lorenzo Crasso in den »Elogi d'uomini letterati« (1656). Giovan Mario Crescimbeni aus Macerata (1663–1728) gab 1698 seine durch Gelehrsamkeit, nicht aber durch Kritik ausgezeichnete »Istoria della volgar poesia« heraus und ergänzte sie durch 5 Bände seiner »Comentarj« (1702–11). Francesco Saverio Quadrio aus Ponte (1695–1756) veröffentlichte 1734 zwei Bücher: »Della poesia italiana« unter dem Pseudonym G. M. Andrucci und 1739–52 in 7 Bänden das Werk »Della storia e della ragion d'ogni poesia«, das die Dichtung aller Sprachen umfaßt. Zur biographischen Behandlung kehrte der Graf Giammaria Mazzuchelli aus Brescia (1707–65) zurück in »Gli scrittori d'Italia, etc.« (1753 ff.). Das Werk, alphabetisch geordnet, geht nur bis B (6 Bde.). Schon der nächsten Periode gehört Tiraboschis (1731–1794) »Storia della litteratura italiana« an, die sich auf diesen Grundlagen aufbaut (Modena 1772–82).

Fünfte Periode (Neuzeit).

Die fünfte Periode der italienischen Literatur umfaßt die Zeit der politischen Wiedergeburt Italiens. Die Literatur begleitet diese Bewegung und bereitet sie auch vor. Von der Mitte des 18. Jahrh. an entsteht in ihr eine tiefgreifende Änderung. Die Gründe sind mannigfach: der Einfluß der philosophischen Richtung Frankreichs, die auf Umsturz der bestehenden sozialen und politischen Ordnung hinleitete, und damit Hand in Hand gehend die juristischen und ökonomischen Reformen in Oberitalien und die Stellungnahme des emporstrebenden Bürgertums neben dem Thron gegen Adel und Geistlichkeit, die tiefgehende, von Galilei und Newton eingeleitete Umwälzung auf dem naturwissenschaftlichen Gebiete, das Bekanntwerden mit der deutschen und englischen Literatur. Der neue Geist macht sich zuerst auf der Bühne geltend. Carlo Goldoni aus Venedig (1707–93), der zunächst der alten, an die Commedia dell' arte anknüpfenden Richtung folgte, schuf darauf in bewußtem Gegensatz zu ihr und in Nachahmung Molières durch eine ganze Reihe Lustspiele die italienische Charakterkomödie. Ihn bekämpften der oberflächliche Pietro Chiari aus Brescia (ca. 1700 bis ca. 1785) mit nach Effekt haschenden Dramen und Carlo Gozzi (1720–1806) mit phantastischen, Volksmärchen entlehnten Fabeln (»L'amor delle melarance«, »L'augellin Belverde«, die von Schiller bearbeitete »Turandot« etc.). Goldoni hatte viele Nachahmer. Der Graf Vittorio Alfieri aus Asti (1749–1813) schuf gleichzeitig die echt italienische Tragödie nach antiken Vorbildern und erfüllt von glühender Vaterlandsliebe und Tyrannenhaß. Von gleichen Empfindungen beseelt ist die Lyrik und Satire des Giuseppe Parini aus Bosisio (1729–99). Er begann als Arkadier, schlug aber bald seine eignen Wege ein in seinen 21 Oden und vollends in der Satire auf das frivole, leichtsinnige, verlotterte Leben der lombardischen Aristokratie »Il Giorno«. Unter den Lyrikern dieser Zeit, die sich von der Arcadia abwenden, erwähnen wir noch Lodovico Savioli aus Bologna (1729–1804), Agostino Paradisi aus Vignola (1736–83), Luigi Cerretti aus Modena (1738–1808), Angelo Mazza aus Parma (1741–1817), Carlo Castone Rezzonico aus Como (1742–96), Giovanni Fantoni[103] aus Fivizzano (1755–1807), Amelio Bertòla aus Rimini (1753–98), Jacopo Vittorelli aus Bassano (1749–1835) und den Palermitaner Giovanni Meli (1740–1815), der reizende, frische Dichtungen in sizilianischem Dialekt schrieb. Auf andern Gebieten sind zu nennen Alfonso Varano aus Camerino (1705 bis 1788) mit den religiös-moralischen »Visioni«, Gian Carlo Passeroni aus Nizza (1713–1803) mit seinen Fabeln und der Satire »Cicerone«, Giambattista Casti aus Montefiascone (1721–1803), der laszive Novellen in Versen und das satirische Gedicht »Gli animali parlanti« verfaßte, Lorenzo Pignotti aus Figline (1739–1812) und Luigi Fiacchi aus Scarperia, genannt Clasio (1754–1825), mit ihren Fabeln, Lorenzo Mascheroni aus Bergamo (1750–1800) mit dem Lehrgedicht »Invito a Lesbia Cidonia« und Melchiore Cesarotti aus Padua (1730–1808) mit seiner Ossianübersetzung. Unter den Prosaikern dieses Abschnitts verdient vor allen genannt zu werden Gaspare Gozzi (1713–86), der in dem durch Addison angeregten »Osservatore« den neuen Ideen Bahn brach und auch in der »Difesa di Dante« gegen Bettinelli auf das Studium Dantes hinwies, und der Kritiker Giuseppe Baretti aus Turin (1719–89) mit den »Lettere familiari« und der »Frusta letteraria«. – Der nächste Abschnitt dieser Periode spiegelt in der Literatur die Ereignisse der Revolution, die Taten Napoleons und die erwachte italienische Einheitsidee wider. Den Reigen führen der charakterlose Vincenzo Monti aus Alfonsine (1754 bis 1828), der nacheinander dem Papst, der Republik, Napoleon und dem Kaiser von Österreich diente und in einer ganzen Reihe meist unvollendet gebliebener Werke, den Stil Dantes nachahmend, in vorzüglicher Sprache und unübertroffenem Wohllaut der Verse die Ereignisse seiner Zeit verherrlichte und klassisch mythologischen Stoff behandelte, und Ugo Foscolo aus Zante (1778–1827), Verfasser des herrlichen Gedichtes »Dei sepolcri« (1806) und des den »Werther« nachahmenden politischen Romans »Ultime lettere di Jacopo Ortis«. Beide schrieben auch Tragödien, beide sind Klassizisten, wie ihre Nachahmer, von denen hier nur der Lyriker Ippolito Pindemonte aus Verona (1753–1828) genannt sei. Als Komödienschriftsteller sind Giovanni Giraud aus Rom (1776–1834) und Alberto Nota aus Turin (1775 bis 1847), beides Nachahmer Goldonis, zu erwähnen. Bemerkenswert ist in diesem Abschnitt die Zuspitzung der Sprachfrage. Es entstand die Schule der Puristen, die zum Studium der Trecentisten zurückkehrten und sich gegen die Nachlässigkeiten und Inkorrektheiten der meisten zeitgenössischen Schriftsteller sowie gegen den französischen Einfluß wendeten. Ihr Haupt war Antonio Cesari aus Verona (1760–1828). – Inzwischen war Napoleon gefallen und eine völlige politische Reaktion eingetreten. Die Keime des Einheitsgedankens fanden aber Pflege in den beiden Dichterschulen der Romantiker und der Klassizisten, die einander im übrigen schroff bekämpften. Erstere bildete sich unter deutschem und englischem Einfluß im Gegensatz zu Monti und Foscolo. Ihr Organ war die mailändische Zeitschrift »Il Conciliatore«, ihr Haupt Alessandro Manzoni aus Mailand (1785–1873). Letztere hatte im Grafen Giacomo Leopardi aus Recanati (1798–1837) ihren bedeutendsten Vertreter.

Manzonis historischer Roman »I promessi sposi« ist eine der schönsten Blüten der romantischen Literatur überhaupt. Um ihn scharten sich viele Dichter. Giovanni Torti aus Mailand (1774–1858); der Lyriker Giovanni Berchet aus Mailand (1783 bis 1851); Tommaso Grossi aus Bellano (1791–1853), der Novellen in Versen und das Epos »I Lombardi alla prima crociata« und den Roman »Marco Visconti« verfaßte; Silvio Pellico aus Saluzzo (1789–1859), besonders durch die Schilderung seiner Einkerkerung (»Le mie prigioni«) bekannt; Luigi Carrer aus Venedig (1801–50); Goffredo Mameli (1827–49) mit seinen Vaterlandsliedern; Alessandro Poerio aus Neapel (1802–49); Giuseppe Giusti aus Monsummano (1809–50), als Satiriker unübertroffen; der burleske Dichter Antonio Guadagnoli aus Arezzo (1798–1858); Massimo d'Azeglio aus Turin (1798–1866), der die Romane »Ettore Fieramosca« und »Niccolò de' Lapi« verfaßte; die Romanschriftsteller Francesco Domenico Guerrazzi aus Livorno (1804–73); der fruchtbare Historiker Cesare Cantù aus Brivio (1807–95), mit dem Roman »Margherita Pusterla«; Giulio Carcano aus Mailand (1812–84); Giovanni Rosini aus Lucignano (1776–1855); der bekannte Verschwörer Giuseppe Mazzini aus Genua (1808–72), der Kritiker der romantischen Schule, u. a.-Leopardi hat in seinen Kanzonen in der modernen italienischen Literatur an Formvollendung u. Gedankentiefe nicht seinesgleichen. Er ist der Dichter des Pessimismus. In seinen »Operette morali« und »Pensieri« ist diese Weltanschauung in klassischer Prosa ausgedrückt. Zu seiner Schule gehören unter andern der ausgezeichnete Prosaiker Pietro Giordani aus Piacenza (1774–1848), Terenzio Mamiani aus Pesaro (1799–1885) und Giambattista Niccolini aus San Giuliano, der viele Tragödien schrieb, z. B. »Arnaldo da Brescia« (1843). – Namentlich seit der Einigung Italiens ist wieder eine rege Literatur auf allen Gebieten erblüht. – Die dramatische Dichtkunst, die nach den erwähnten Schöpfungen Manzonis und Niccolinis in Verfall geraten war, hob sich allmählich wieder. Paolo Giacometti aus Novi (1817–82) schrieb mit Beifall aufgenommene Tragödien und Komödien; Leopoldo Marenco verfaßte Tragödien, Familienstücke, Ritterschauspiele und Sittenkomödien, welche die Bühne eine Zeitlang beherrschten und vielfach nachgeahmt wurden. Zeitweisen Erfolg hatten ferner Domenico Bolognese, Battaglia, Zamboni, Salmini, d'Agnillo, Morelli, Montanelli, Chiossone, Giotti, Bracci, Barattani, Gazzoletti u. a. Die erste Stelle nimmt in der Tragödie Pietro Cossa aus Rom (1830–81) mit »Nerone«, »I Borgia« u. a. ein. Cavallottis »Alcibiade« fand gute Ausnahme. In der Komödie haben wir das komische Lustspiel und die soziale Komödie. Erstere Richtung war am glänzendsten durch den Advokaten Tommaso Gherardi del Testa aus Terricciuola (1815–81), letztere durch Paolo Ferrari aus Modena (1822–89) vertreten, der, solange er lebte, die Bühne beherrschte. Meisterwerke sind »Goldoni e le sue sedici commedie« und »Parini e la satira«. An diese beiden schlossen sich zahlreiche jüngere Schriftsteller an, z. B. Alberti, Leone di Castelnuovo, Riccardo Castelvecchio (gest. 1894). Giordano, Panerai, Calonzuoli, Suner, Bersezio, Carrera, Martini, Montecorboli, Costetti, Marco Praga, Rovetta, Giacosa, Camillo und Giannino Antona-Traversi, Bracco. Von neuern Lyrikern heben wir noch folgende hervor: Francesco dall' Ongaro aus Oderzo (1808–73) wegen der »Stornelli politici«; Giovanni Prato aus Trient (1815–84), sehr bedeutend als lyrisch-epischer Dichter (»Edmenegarda«, »Canti lirici«, »Iside«, »Psiche«); Aleardo Aleardi aus Verona (1812–78) mit den[104] »Lettere a Maria«; Giuseppe Regaldi aus Novara (1809–83); Giuseppe Maccari aus Frosinone (1840 bis 1867), der schöne Idylle verfaßte; Luigi Mercantini aus Ripatransone (1821–72), ein patriotischer Dichter, dessen »Inno di Garibaldi« (1860) Volkslied wurde; Ippolito Nevo aus Padua (1832–60); Andrea Maffei aus Riva (1798–1885), der auch Schiller übersetzte; Giuseppe Revere; Arnaldo Fusinato; Cesare Betteloni; Fabio Nannarelli, Ferdinando Bosio, Giuseppe de Spuches aus Palermo (1819–84), der leider zu früh verblichene Emilio Praga (gest. 1875) und der vielseitige, gelehrte Priester Giacomo Zanella (gest. 1888). Von den noch lebenden Lyrikern ist bei weitem der bedeutendste Giosuè Carducci aus Valdicastello (geb. 1836). In seinen frühern Gedichten verbindet er meisterhaft Satire und Lyrik, in den jüngern ist er zum gemäßigten »Verismus« übergegangen. Historische Betrachtungen und Betrachtungen der Natur in blendend schönem klassischen Gewande gelingen ihm am besten. Der Verismus wird zum Zynismus bei Lorenzo Stecchetti (Olindo Guerrini) und besonders dem großen Stilkünstler Gabriele D'Annunzio. Diese Richtung hat sich überlebt. Pessimistisch sind die gehaltvollen Dichtungen von Arturo Graf (geb. 1848 in Athen). Weiter sind bedeutende Lyriker, die z. T. die häusliche Dichtkunst pflegen, Guido Mazzoni, Severino Ferrari, Ettore Novelli, Giovanni Pascoli, Mario Rapisardi, Marc' Antonio Cassini, Giuseppe Chiarini, Giovanni Marradi, Ugo Ojetti, Guido Novelli u. a. Unter den Dichterinnen seien angeführt Laura Mancini, Rosa Taddei, Giacomina Milli, Francesca Lutti, Ermina Fuà-Fusinato, Giuseppina Guaggi-Nobile, Giuseppina Turrisi-Colonna, Maria Alinda Bonacci Bonnemonti, Ada Negri, Vittoria Aganoor. Im Roman und in der Novelle nennen wir endlich außer den angeführten die ältern Bazzoni, Varese, Falconetti, Lanzetti, Sacchi, Marocco, Zorzi, Vigna, Santa Rosa Battaglia, Ranieri, Antonio Bresciani, Niccolo Tommaseo und Ippolito Nievo mit seinen schönen »Memorie d'un ottuagenario«. Weiter sind zu erwähnen Bersezio, Donati, de Amicis, Barrili, Verga, Farina, Capuana, Ciampoli, Rovetta, Matilde Serao, die Marchesa Colombi, D'Annunzio, Antonio Fogazzaro, Graf u. a.

Wissenschaftliche Literatur.

Auf philosophischem Gebiet ist Italien nicht von so weit reichendem Einfluß auf andre Länder gewesen wie auf sonstigen Gebieten der Kultur; es steht hier hinter England, Frankreich, namentlich aber hinter Deutschland zurück. Eine Brücke, gewissermaßen von dem antiken zu dem mittelalterlichen Denken, bildet Boëthius (gest. 525), dessen eignen Schriften und Übersetzungen es besonders zuzuschreiben ist, daß die Logik des Aristoteles die formale Grundlage für die mittelalterliche Scholastik wurde. Von der römischen Kirche, welche die Bildung möglichst pflegte, wurden Elemente der alten Philosophie aufgenommen, und so entstand die Scholastik, deren bedeutendster Vertreter Thomas von Aquino (gest. 1274), ein Italiener, war. Sein großartiges, auf Aristoteles aufgebautes System ist in neuerer Zeit, besonders durch Papst Leo XIII., in der katholischen Kirche wieder zu neuem Leben erweckt worden. Mit dem Entstehen des Humanismus entwickelte sich in Italien und von Italien aus ein heftiger Kampf gegen den scholastisch, d. h. übel verstandenen Aristoteles, dem gegenüber der gleichsam neu entdeckte Platon eifrigst verehrt und gepflegt wurde, wenn man ihn auch mehr in neuplatonischem Sinn auslegte. Hier ragen besonders hervor Gemistos Plethon (geboren in Konstantinopel, gest. 1464) und Marsilius Ficinus (gest. 1499), der Über setzer Platons und Plotins. Seinen Mittelpunkt fand der Platonismus längere Zeit an dem Hofe der Mediceer in Florenz, woselbst eine platonische Akademie entstand. Zwischen Platon und Aristoteles vermittelnd wirkte Bessarion (gest. 1472), während andre den Aristoteles quellenmäßig zu verstehen suchten, auch im Gegensatze zu den Anhängern des arabischen Averrhoës auf Alexander von Aphrodisias, den griechischen Erklärer des Aristoteles, zurückgingen. So spalteten sich die Aristoteliker in zwei Parteien, in Alexandristen und Averrhoisten, wobei es namentlich auf die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele ankam. Zu den erstern gehörten Hermolaus Barbarus (gest. 1493), Pomponatius (gest. 1525), der zum Naturalismus hinneigte und von der theologischen die philosophische Wahrheit unterschied, zu den Averrhoisten Vernias, Niphus (gest. 1546), Caesalpinus (gest. 1603). Einfluß übte im 16. Jahrh. auch die antike Naturphilosophie aus, so namentlich auf Telesius (gest. 1588), der freilich vielmehr neue Prinzipien: die selbständige Naturforschung, die Verifikation durch die Erfahrung, besonders betonte, zugleich Gründer der naturforschenden Academia Consentina in seiner Vaterstadt Cosenza war. Mit diesem Hinweis auf die Natur kam eine neue kräftige Bewegung in die italienische Philosophie, deren vornehmliche Träger Giordano Bruno (gest. 1600), Campanella (gest. 1639) und Galilei (gest. 1641) waren. Der erste, von glühender Liebe für die Natur, die unendliche, beseelt, bildete in Anlehnung an Nikolaus Cusanus, auch an die Alten, namentlich an die Stoiker, in phantasievoller Weise einen naturalistischen Pantheismus aus, dessen Elemente nicht zur Einheit verarbeitet sind, aber viel Anregung für spätere Systeme gegeben haben. Während der kirchlich gesinnte Campanella die Erkenntnistheorie zu begründen suchte, neben der Wahrnehmung auch den Glauben als Erkenntnisquelle annehmend, war der berühmte Physiker Galilei für die genaue Forschungsmethode überhaupt von großer Bedeutung und gelangte zu einer mechanischen Naturanschauung.

Das nationale Element, das neuerdings bei italienischen Philosophen eine Rolle spielt, brach sich im 16. Jahrh. schon entschieden Bahn bei dem Staatsmann Machiavelli (gest. 1527), der sein Buch über den Fürsten nur in dem Gedanken an die Einheit und nationale Selbständigkeit Italiens, namentlich der Kirche gegenüber, schrieb. In der philosophischen Entwickelung Italiens trat vom Anfang des 17. Jahrh. an eine lange Stockung ein, die nur durch Vico (gest. 1744) unterbrochen wurde, der dem unhistorischen Sinn der Cartesianer gegenüber die Geschichte besonders betonte und als Begründer der Geschichtsphilosophie und der Völkerpsychologie gelten kann, übrigens auch mit andern Gedanken bis in die Gegenwart in Italien fortwirkt. Sonst sind bis in die neueste Zeit bei regem, philosophischem Leben die verschiedensten Richtungen daselbst vertreten, ohne daß besonders eigentümliche Gedanken aufgetaucht wären und Wirkung gehabt hätten. Während der Cartesianismus noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts seine Verehrer fand (Kardinal Gerdil, gest. 1802), huldigten andre dem Empirismus und Sensualismus Lockes und Condillacs, wie Genovesi (gest. 1769), Romagnosi (gest. 1835). Auch an Kant schlossen[105] sich manche an, so Cantoni, ebenso an Herbart, wie Labriola, der aber später den historischen Materialismus vertrat, und namentlich an Hegel: Vera, Mariano, Ragnisco, Spaventa u. a. In den Anhängern des Positivismus: Villari, Ardigò, Siciliani, Morselli, und in denen des Thomismus, von denen insbes. zu nennen sind: Liberatore, Sanseverino, Cornoldi, haben die extremen Richtungen ihre Vertreter.

Als selbständigere Denker idealistischer Richtung, aber ohne Einfluß auf andre Länder ausgeübt zu haben, treten hervor: Rosmini-Serbati (gest. 1855; vgl. Bd. 1 des unten angeführten Werkes von K. Werner), der in Anlehnung an Platon und deutsche Philosophen zu einem von der innern Wahrnehmung ausgehenden ideologischen Psychologismus gelangte, Gioberti (gest. 1852), der die politischen und nationalen Gedanken in den Vordergrund stellte und sich zu einem »Ontologismus« bekannte, nach dem man das absolute Sein unmittelbar schauen soll. Den Versuchen dieser beiden, die katholischen Lehren mit der Vernunft zu versöhnen, opponierten heftig: Ferrari (gest. 1876) und Franchi. In ähnlicher Weise wie Gioberti philosophierte auch der rege Politiker Mamiani (gest. 1885), der sich selbst einen Platoniker nannte und die von ihm gegründete Zeitschrift: »La filosofia delle scuole italiane« bis zu seinem Tode leitete; fortgesetzt wird sie in der »Rivista di filosofia italiana«, redigiert von Ferri. Vgl. Spaventa, La filosofia italiana dal 16. secolo (Modena 1860); Ferri, Essai sur l'histoire de la philosophieen Italie (Par. 1869); Giovanni, Storia della filosofia in Sicilia (Palermo 1879, 2 Bde.); Pompa, L'Italia filosofica contemporanea (Salerno 1879,2Bde.); K. Werner, Die italienische Philosophie des 19. Jahrhunderts (Wien 1884–86, 5 Bde., von denen Bd. 4 die Philosophie der Gegenwart behandelt).

Von einer italienischen Theologie ist eigentlich nicht zu reden. Die dogmatischen und ethischen Stoffe sind auch hier wie anderwärts in überlieferter Form bearbeitet worden, ohne daß in Italien Nichtkleriker und in der katholischen Kirche Europas Nichtitaliener davon Notiz genommen hätten. Höchstens die Ethik Liguoris (gest. 1787) und die Dogmatik Perrones (1794–1876) haben in der katholischen Welt eine maßgebende Bedeutung gewonnen. Dagegen hat es nicht an hervorragenden Klerikern gefehlt, die, wie Angelo Mai (1782–1854) und neuerdings G. Mercati, die patristischen Studien gefördert haben. Andre, wie Carlo Maria Curci (1810–91) und Carlo Passaglia (1814–87), glänzten als Publizisten. Einige Originalität auf dem Gebiete des religionsphilosophischen und dogmatischen Denkens hat nur einer, der schon erwähnte Antonio Rosmini-Serbati (1797–1855), an den Tag gelegt, aber nur, um von der Kurie verleugnet zu werden. Die Stimmung der gebildeten Kreise, soweit sie kirchlichen Dingen überhaupt noch zugewandt und günstig ist, wird viel mehr beherrscht durch die poetischen, philosophischen und historischen Schriften Manzonis, Giobertis, Cantus, als durch speziell theologische Geister. Soweit aber die internationale theologische Bewegung auch von Italien aus Förderung erfährt, geht letztere von Männern aus, die nicht Fachtheologen sind, wie Alessandro Chiapelli in Neapel, Raffaelo Mariano in Rom und Gaetano Negri in Mailand, die in biblischer Kritik und alter Kirchengeschichte, in Religionsphilosophie und kirchlicher Kulturgeschichte Bedeutendes geleistet haben.

Geschichtschreibung.

Erst im 14. Jahrh. begann man in Italien sich der nationalen Sprache für die Geschichtschreibung zu bedienen. Denn die Schriften, die man lange ala die ältesten Erzeugnisse der italienischen Historiographie betrachtet hat, die Tagebücher des Matteo di Giovinazzo (1249–68) und die florentinische Geschichte des Ricordano Malespini und seines Neffen Giacotto (bis 1286), sind jetzt als spätere Fälschungen entlarvt. Dagegen gilt die Chronik (bis 1312) des Florentiners Dino Compagni, die eine Zeitlang auch als Fälschung angefochten wurde, jetzt für echt, wenn auch nicht ganz unentstellt, und ist als das erste bedeutende Geschichtswerk der italienischen Literatur anzusehen. An Quellenwert übertroffen wird Dino von seinen Landsleuten Giovanni und Matteo Villani, deren Chronik (bis 1364) zwar gleichfalls die florentinische Geschichte in den Mittelpunkt rückt, aber auch auf die Ereignisse im übrigen Italien und in andern Ländern ihr Augenmerk richtet; mit diesem klar und verständig geschriebenen und umfassenden Werke können die trocknen Annalen des Florentiner Kaufmanns Paolino Pieri (bis 1305) in keiner Weise verglichen werden. Die ersten 11 Bücher der Chronik Villanis setzte der Florentiner Glockengießer Antonio Pucci (gest. nach 1373) in Verse und stellte auch sonst zeitgenössische Ereignisse, so den Krieg gegen Pisa 1362–65, in historischen Gedichten im Bänkelsängerton dar. Die zahlreichen und bedeutenden historischen Werke, die Italien den Humanisten des 15. Jahrh., wie L. Bruni, Enea Piccolomini, Poggio, Aretino u. a., verdankt, kommen, weil lateinisch abgefaßt, hier nicht in Betracht. Von italienisch geschriebenen Chroniken dieser Zeit verdient die »Historia di Milano« des Bernardino Corio (gest. 1519) Erwähnung, die von den Sforza durch Mitteilung wichtiger Urkunden unterstützt wurde. Hinter ihr steht die »Storia di Napoli« des Pandolfo Collenucio aus Pesaro (gest. 1504) weit zurück, und auch die Arbeiten der Florentiner Buonacorso Pitti, Piero Boninsegni und Gregorio (Goro) Dati reichen an Din o und Villani nicht heran.

Die Blütezeit der italienischen Historiographie ist das 16. Jahrh. An der Spitze der geistigen Bewegung stand Florenz: ihm gehört der größte politische und einer der größten historischen Schriftsteller des Cinquecento an, Niccolò Machiavelli (1469–1527), der in den »Discorsi sopra la prima decade di Tito Livio« an der ältesten römischen Geschichte sein republikanisches Staatsideal entwickelte, im »Principe« ein meisterhaftes Bild des modernen Fürstentums, das den Gedanken der Einigung Italiens verwirklichen sollte, entwarf und in den »Istorie Fiorentine« die Geschichte seiner Vaterstadt nicht immer richtig, aber stets anziehend darstellte. Francesco Guicciardini (1483–1540) machte zuerst in der »Istoria d'Italia« (1492–1534) die Gesamtgeschichte Italiens zum Gegenstand seiner Forschung; auch seine »Storia fiorentina« (bis 1378) ist wertvoll. Donato Giannotti (1492–1573) gab in seinen Hauptwerken »Della repubblica de' Veneziani« und »Della repubblica fiorentina« eine anschauliche Beschreibung der Verfassung und Staatseinrichtungen beider Städte. Neben ihnen verdienen Erwähnung die Florentiner Jacopo Nardi (gest. 1555), Filippo Nerli (gest. 1556), Bernardo Segni (gest. 1556), Benedetto Varchi (gest. 1565), Vincenzo Borghini (gest. 1570), Giambattista Adriani (gest. 1579), der in der »Istoria de' suoi tempi« (bis 1579) eine Fortsetzung Guicciardinis[106] gab, der gewissenhafte Sammler Scipione Ammirato (gest. 1601), Gino und Nero Capponi, Giovanni Cavalcanti u. a. Aus Venedig ist der namhafteste Schriftsteller der Epoche Pietro Bembo (1470 bis 1547), dessen im Auftrag der Republik ursprünglich lateinisch geschriebenen 12 Bücher venezianischer Geschichten (1487–1513) bedeutenden Wert besitzen. Piemont gehört der Nationalökonom Giovanni Bottero (gest. 1617) an, Genua der Annalist Giustiniani. In Ferrara schrieb Giambattista Pigna eine »Istoria de' principi d'Este«. Die Geschichte Neapels behandelten Gianantonio Summonte (gest. 1601) und Camillo Porzio (gest. 1603). Patrizio de' Rossi verfaßte »Memorie storiche« über die Geschichte Italiens unter Clemens VII., Francesco Giambullari (gest. 1556) eine »Storia dell' Europa 887–913« und Lodovico Guicciardini, der lange in den Niederlanden lebte, »Commentarj delle cose d'Eurepa, specialmente de' Paesi Bassi« (1529–1560). Auch Literatur- und Kunstgeschichte fanden Bearbeiter, namentlich in Giorgio Vasari (s. d.). Seit der Erstarrung des politischen Lebens unter der spanischen Herrschaft im 17. Jahrh. erlahmte das Interesse an der Geschichte der Gegenwart; die Geschichtschreibung wurde gelehrter. Die Kirchengeschichte Italiens fand einen einsam stehenden Bearbeiter in Paolo Sarpi (1552–1623), dessen meisterhafte Geschichte des Tridentinischen Konzils den Jesuitismus kühn bekämpfte. Als die bedeutendsten Geschichtswerke dieser Zeit verdienen daneben genannt zu werden: Arrigo Caterino Davilas (gest. 1631) »Storia delle guerre civili di Francia« (1547–98), Guido Bentivoglios (gest. 1644) Geschichte des Aufstandes der Niederlande, Francesco Capecelatros Geschichte Neapels von Roger I. bis zum Tode Friedrichs II., Battista Nanis (gest. 1677) Geschichte Venedigs von 1613–71 und die freilich trockne genuesische Zeitgeschichte des Giov. Antonio Capriata (gest. 1652).

Im 18. Jahrh., dem Zeitalter der gelehrten Forschung und Kritik, ist vor allen Ludovico Antonio Muratori (1672–1750) zu nennen, dem sein Vaterland die wertvollsten Quellensammlungen verdankt; neben ihm der Marchese Scipione Maffei (gest. 1750). Die große Reihe der fleißigen Lokal- und Territorialgeschichtschreiber überragt nur der Neapolitaner Pietro Giannone (1676–1748), trotz gelegentlicher Ausbeutung früherer Darstellungen ein wirklicher Historiker. Im Zeitalter der Revolution erwacht in Italien mit dem politischen Leben der Nation auch die Geschichtschreibung zu neuem Aufschwung. Der fruchtbarste historische Schriftsteller des neuern Italien ist Cesare Cantù (1807–95), dessen vielbändige »Storia universale« auch außerhalb der Grenzen ihres Vaterlandes Beachtung fand. Ihm voran ging Carlo Botta (1766–1837), dessen »Storia d'Italia del 1490 al 1814« bis 1534 Fr. Guicciardini (s. oben) wiederholt und dann eine Fortsetzung bis zum Sturz Napoleons anschließt. Eine Fortsetzung seines Werkes lieferten L. Farini (bis 1850) und C. Turotti (bis 1854), dann Ant. Coppi (1782–1870), dessen »Continuazione degli Annali d'Italia del Muratori« (von 1750–1861) wieder von I. Ghiron bis auf die neueste Zeit fortgesetzt wird. Andre allgemeine Geschichten Italiens veröffentlichten Graf L. Bossi (gest. 1835), Gius. La Farina (1815–63), N. Nisco, Cesare Balbo (1789–1853), P. Balan u. a. Um die Geschichte Italiens im Altertum haben sich G. Micali (gest. 1844), Giamb. Garzetti, Atto Vannucci, F. Bertolini und vor allen E. Pais Verdienste erworben. Für die mittelalterliche Gesamtgeschichte der Halbinsel ist ein Hauptwerk Carlo Troy as (1784–1858) »Storia d'Italia del medio evo«, das in 17 Bänden bis auf Karl d. Gr. geführt ist und auf gründlichen Quellenstudien beruht; ebensoweit reicht Ces. Balbos zweibändige »Storia d'Italia«. Geschichten des italienischen Städtewesens schrieben C. Morbio und Lanzani. Fr. Bertolini hat in seiner »Storia delle dominazioni germaniche in Italia del V. al XI. secolo« seinen Landsleuten die Ergebnisse der deutschen Geschichtsforschung zugänglich gemacht; Malfatti die Beziehungen zwischen Päpsten und Kaisern im fränkischen Zeitalter mit Kritik erörtert. Eine brauchbare und fleißig gearbeitete Darstellung des spätern Mittelalters gab C. Cipolla. Auch die Rechts- und Verfassungsgeschichte des Mittelalters hat eifrige Pflege gefunden; unter ihren neuern Bearbeitern mögen hier A. Pertile, F. Schupfer, F. Patetta, G. Tamassia, C. Calisse, G. Salvioli genannt werden.

Die Periode des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit bearbeitet der bedeutendste unter den lebenden italienischen Geschichtsforschern, Pasq. Villari, dessen Werke über die Zeitalter Savonarolas und Machiavellis sich durch Gründlichkeit der Forschung und durch Kunst der Darstellung auszeichnen. Dieselben Vorzüge eignen Gius. de Levas »Storia documentata di Carlo V in correlazione all' Italia«; auch die »Storia della riforma in Italia« des Waldenser Theologen E. Comba verdient rühmliche Erwähnung. Einen kirchlichen Standpunkt vertritt T. Dandolo. Erst die Zeit der Erhebung Italiens schuf auf dem Gebiete der neuesten nationalen Geschichte Werke von größerer Bedeutung, so von C. Tivaroni (»Storia critica del risorgimento italiano«), F. Bertolini, Montanelli und La Farina, von Anelli, Belviglieri, La Porta, Sirao, A. Gualtiero, C. Mariana, V. Bersezio, vor allen aber N. Bianchis »Storia documentata della diplomazia europea in Italia 1814–1861«. Dazu kommt dann eine große Zahl von Memoiren (G. Pallavicini, Massimo d'Azeglio u. a.), die Biographien Cavours, Giobertis, Viktor Emanuels, Lamarmoras u. a. von Massari, Correntis von Massarani: fast jeder der bedeutendern Freiheitskämpfer des neuern Italien hat seinen Biographen gefunden.

Die unübersehbare Zahl derjenigen Historiker, deren Haupttätigkeit sich lokal oder provinzial beschränkten Gebieten zugewendet hat: so Neapel und Sizilien V. Cuoco (1770–1823), P. Colletta (1775–1831), in neuerer Zeit La Farina, Capasso, de Blasiis, Schipa, Alessi, Lanza, La Lumia u. a., überragt an Bedeutung Michele Amari (1806–89), dessen Hauptwerke: »La guerra del Vespro Siciliano« und »Storia dei Muselmanni di Sicilia«, durch die Genauigkeit der Forschung und durch die Kunst der Darstellung zu den bedeutendsten Erzeugnissen der neuern italienischen Historiographie gehören. Um die Geschichte Roms, des Kirchenstaates und der Päpste haben sich die Ausländer größere Verdienste erworben als die Italiener, von denen hier nur Bosio und Farini genannt seien. Geschichten Toskanas schrieben im 18. Jahrh. Galluzzi, im 19. Jahrh. Pignotti und Zobi; Florenz insbes. behandelten C. Paoli, Gino Capponi und P. Villari. Was Varese, Canale, Celesia, Serra u. a. für Genua, Romanin, Molmenti u. a. für Venedig geleistet haben, steht nicht auf der Höhe der hier gestellten großen Aufgaben;[107] von jüngern Gelehrten haben sich namentlich Cipolla und Monticolo um die Einzelforschung über die Geschichte Venedigs und seines Gebiets verdient gemacht. Für Mailand und sein Gebiet sind nach der noch dem 18. Jahrh. angehörenden, für ihre Zeit schätzenswerten »Storia di Milano« des Pietro Verri im 19. Jahrh. insbes. Bianchi-Giovini, Brambilla, Cantù, Cusati, Custodi, Ferrai, Magri, Osio u. a. tätig gewesen. Besonders die Geschichte des Hauses Savoyen und seiner Länder hat zahlreiche Bearbeiter gefunden, von denen hier Bianchi, Carutti, Cibrario, Claretta, Gerbaix-Sonnaz, Manno, Parri, Perrero, Ricotti, Gabotto genannt werden mögen. Die Geschichtschreiber der kleinern Städte und Landschaften auch nur summarisch zu verzeichnen, ist unmöglich.

Gegen über dem regen Interesse für die vaterländische Geschichte ist in dem neuern Italien die mitarbeitende Teilnahme an der Geschichte des Auslandes so gut wie ganz zurückgetreten; Werke wie E. Broglios »Vita di Federico il Grande« und »Il regnō di Federico II« (auf Carlylescher Auffassung beruhend) u. a. bilden vereinzelte Ausnahmen. Da gegen bildet die nationale Literatur und Kunst auch in neuerer Zeit den Gegenstand eifrigster Pflege; es genügt, an Namen wie Borghesi, Cavalcaselle, Cicognara, Fiorelli, Milanesi, de Rossi u. a. für Archäologie und Kunstgeschichte zu erinnern. Übrige Wissenschaften.

Ein hervorragendes Verdienst hat sich Italien um die Pflege der klassischen Philologie erworben; die Nachkommen der alten Römer waren die berufenen Erneuerer der antiken Kultur. Seit Petrarca und Boccaccio bis ins 16. Jahrh. waren sie die Führer der neuen humanistischen Bewegung, und erst von ihnen wurden die Gelehrten der andern Nationen zu selbständiger Fortsetzung dieser Studien angeleitet. Der Wert der philologischen Arbeiten Italiens wird daher deutlicher im großen Zusammenhang der Geschichte dieser Wissenschaft überblickt (s. Philologie). Aber auch der italienischen Philologie haben sie seit Dante (»De vulgari eloquentia«) verständnisvolle Pflege gewidmet und in neuester Zeit sowohl auf literarhistorischem als im engern Sinne des Wortes philologischem Gebiet gründliche und geschmackvolle Arbeiten geliefert. S. die unten (S. 110) angeführte Literatur und Art. »Italienische Sprache«.

Bereits im 15. Jahrh. erzeugte die Zunahme wissenschaftlicher Bildung sowie das Aufblühen von Gewerbe und Handel die Anfänge einer staatswissenschaftlichen Literatur, die zwar hier wie anderwärts um diese Zeit vorwiegend von Theologen gepflegt wurde, aber doch schon eine eingehendere sachgemäße Behandlung einzelner Materien zeigt. Unter den Politikern des 15. Jahrh. ist Dom. Caraffa, unter den Theologen der heil. Leonhard von Siena und der heil. Antonin von Florenz zu nennen. In Machiavellis Schriften ist von der wirtschaftlichen Seite der Politik nur wenig die Rede. Um die Wende des 16. Jahrh. macht sich Guicciardini durch Beschäftigung mit finanzwirtschaftlichen Fragen bemerkbar. Aus den letzten Jahren dieses Jahrhunderts ist der Piemontese Botero, Abt und Sekretär des heil. Karl Borromäus, zu nennen, der in seinen politischen und volkswirtschaftlichen Ansichten stark von Bodin beeinflußt ist und in Italien bereits das Merkantilsystem vertritt. Die Wirren des Münzwesens veranlassen auch hier eine Reihe von Schriften, unter denen die von Davanzati und Scaruffi zu erwähnen sind; auch die von Th. Morus neu entdeckte Literatur der Utopien findet in dem Florentiner Gelehrten Doni (1513–74) und dem Kalabreser Mönch Campanella (»Civitas solis«, 1643) phantasievolle Nachahmer. Unter den italienischen Anhängern des Merkantilsystems ist der bedeutendste Antonio Serra, dessen 1613 erschienenes Buch über die Mittel, wodurch ein Land sich Reichtum an Edelmetallen verschaffen könne, in der Geschichte der Volkswirtschaftslehre überhaupt eine beachtenswerte Stellung einnimmt. Im 18. Jahrh. sind Pascoli und Bandini, besonders aber A. Broggia (»Trattati dei tributi, delle monete e del governo politico della società«, 1743) und der Neapolitaner A. Genovesi (1712–69) zu nennen. Sie alle stehen mehr oder weniger auf dem Boden des Merkantilismus. Die Physiokratie übte nur auf eine kleine Anzahl von Schriftstellern einen erkennbaren Einfluß, so auf den berühmten Kriminalisten Beccaria (1738–94), mehr noch auf den Mailänder Verri (1728–97), auf Galiani, Ricci, Ortes. Während Italien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. auf dem Gebiete der politischen Ökonomie immerhin noch eine ehrenvolle Stellung einnahm, waren die zerfahrenen Verhältnisse Italiens zu Anfang des 19. Jahrh. der staatswissenschaftlichen Tätigkeit nicht günstig. Doch. erschien auf Veranlassung P. Custodis in Mailand von 1802–16 die wichtige Sammlung der »Scrittori classici italiani di economia politica«. A. Smith und I. B. Say fanden seit 1813 in verbreitetern elementaren Lehrbüchern Eingang. Als verspäteter Merkantilist gibt sich M. Gioja (»Nuovo Prospetto«, 1815–17). In Mailand gründeten Custodi, Gioja und Romagnosi die seit 1824 erscheinenden »Annali universali di statistica«; in Paris erhielt der Italien er Pel. Rossi den Lehrstuhl Says. Außerdem verdienen Erwähnung Ant. Scialoja (»Principii d'economia sociale«, 1840), ein gewandter Verteidiger des Freihandels, L. Cibrario (»Economia politica del medio evo«, 1839), Ger. Boccardo (»Tratatto teorico-pratico di economia politica«, 1853)., der glänzende Polemiker Fr. Ferrara, der die Herausgabe der »Biblioteca dell' economista« leitete, und der neapolitanische Minister Bianchini. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. übte die Neubildung des Königreichs, die Rede- und Preßfreiheit, das Auftauchen neuer wirtschaftlicher, sozialer und finanzieller Probleme auf die Entwickelung der staatswissenschaftlichen Literatur einen unverkennbaren Einfluß; freilich bereitete die durch Ferrara herrschend gewordene, von Bastiatschen Ideen erfüllte Richtung den Fortschritten bis in die neueste Zeit manche Hindernisse. Unter den zeitgenössischen Nationalökonomen verdienen namentlich A. Messedaglia, Minghetti, Luzzani, Cernuschi, ganz besonders aber Luigi Cossa genannt zu werden. Cossa hat durch seine »Primi elementi di economia politica« (3 Bde.), die auch durch deutsche Bearbeitungen bekannt geworden sind, sehr viel zur Ausbreitung nationalökonomischer Kenntnisse getan und eine tüchtige Schule von Gelehrten gegründet, als deren Hauptvertreter Ferraris, Nazzani, Gabaglio, Ricca-Salerno, Rota, Cusumano, Nicolini, Loria, der jüngere Cossa zu erwähnen sind. Cossa und noch mehr die jüngern Gelehrten haben auch auf die Wichtigkeit der deutschen und englischen Literatur hingewiesen, wodurch die historisch-realistische Richtung zur Geltung gebracht und das Studium staatswissenschaftlicher Fragen neu angeregt und gefördert worden ist.[108]

Auf dem Gebiete der Rechtswissenschaft spielte Italien jahrhundertelang nicht bloß eine maßgebende, sondern geradezu eine führende Rolle; ein überaus großer Teil des modernen Rechts hat seine Wiege in I. zu suchen. Von der Wiederaufnahme des wissenschaftlichen Studiums des römischen Rechts durch die Schule von Bologna, besonders unter der Leitung des Irnerius (s. d.) um 1100, bis gegen das Ende des 15. Jahrh. fällt die Geschichte der italienischen Rechtswissenschaft mit jener der Rechtswissenschaft überhaupt zusammen; die Kenntnis und Anwendung des römischen und des von Italien ausgegangenen kanonischen sowie des nach und nach in den italienischen Städten ausgebildeten romanischen Rechts auf dem Gebiete des Zivilrechts, des Zivilprozeßrechts, des Strafrechts und Strafprozeßrechts, wie nicht minder des langobardischen Lehnrechts, verbreitete sich von dort aus über die ganze damalige zivilisierte Welt. Es war dies das Verdienst der aus der Geschichte des römischen Rechts bekannten Glossatoren und Kommentatoren. Wenn nun auch sodann die zivilistische Rechtswissenschaft in Italien bis gegen Ende des 18. Jahrh. im ganzen und großen eine Periode des Verfalls durchzumachen hatte, so hatte sie immerhin noch einige bedeutende Männer, wie Alb. Gentilis, Menochio, Mantica und De Luca, aufzuweisen, und in der neuesten Zeit ist das Studium des römischen Rechts, obwohl Italien sich schon seit 1865 eines einheitlichen bürgerlichen Gesetzbuches erfreut, durch die schriftstellerische und Lehrtätigkeit von F. Serafini, Padeletti, Scialoja, Schupfer u. a. wiederum zu hoher Blüte gelangt. Auf dem Gebiete des Strafrechts hatten sich im 16. Jahrh. Giulio Claro und Prospero Farinacci ausgezeichnet, und um die Mitte des 18. Jahrh. hat Italien ein geradezu epochemachendes, in fast alle Sprachen übersetztes Werk hervorgebracht: Cesare Beccarias Schrift »Dei delitti e delle pene« (1764), die den Kampf gegen den Fortbestand der Todesstrafe mit vielem Geschick und Erfolg eröffnete. Aus der neuern Zeit sind als hervorragende Vertreter des Strafrechts zu nennen: Romagnosi, Carrara, Lucchini und Brusa, und selbst der neuesten »anthropologischen« Schule, deren eifrigste Verfechter der Jurist Ferri und der forensische Mediziner Lombroso sind, kann Bedeutung nicht abgesprochen werden, wenn sie auch in ihren Thesen das Maß des praktisch Durchführbaren weit überschreitet. Infolge der besondern Ausdehnung des italienischen Handels entwickelten sich ebendort die meisten Grundsätze und Einrichtungen, auf denen das moderne Handels- und Wechselrecht beruht. Die ersten Anfänge des neuern Gesandtschaftsrechts sind auf die bezüglichen Geschäftsregeln der Venezianer zurückzuführen, und auch andre Materien des Völkerrechts, besonders das Kriegsrecht, haben, z. T. schon durch Alb. Gentilis und seine Nachfolger, in Italien ihre Pflege gefunden; nicht minder wurde die neueste und-schwierigste Rechtsdisziplin, das internationale Privat- und Strafrecht, dort mit solchem Eifer und solcher Sachkunde bearbeitet, daß auf diesem Gebiete mit einer besondern italienischen Schule zu rechnen ist, als deren bedeutendste Vertreter Mancini, Fiore, Pierantoni, Brusa, Sacerdoti und Fusinato gelten können.

Von der Heimat der Renaissance erhielt auch die Naturwissenschaft ihre ersten und kräftigsten Impulse, und es gibt kaum eine Disziplin, die nicht hier ihre neue Jugend durchlebt und in ihr Mannesalter eingetreten wäre. Die für Kunst und Wissenschaft begeisterten Fürstenhöfe, die berühmten Universitäten führten die Blüte der Jugend und die Gelehrsamkeit der Welt in Rom, Florenz, Padua und Bologna zusammen, als Pforte des Morgenlandes war Venedig ein Mittelpunkt des Handels und der Kaufleute, hier floß Bildung und Reichtum zusammen, um den Blick in die Naturschätze zu öffnen. Schon Dante entwickelt kosmologische Kenntnisse, die neben seiner theologischen Gebundenheit um so mehr überraschen. Sein Zeitgenosse Marco Polo liefert einen Bericht über seine weiten Reisen durch die Alte Welt, der an schlichter Wahrhaftigkeit mit den phantastischen Orientschilderungen der vorhergehenden Zeiten zu seinem Vorteil stark kontrastiert. Durch Kolumbus und Amerigo Vespucci geht auch die Entdeckung und erste Kenntnis der Neuen Welt von Italien aus, obwohl Spanien und Portugal in Reise- und Naturschilderungen aus fremden Ländern bald für längere Zeit die Führung übernehmen. Das Universalgenie eines Leonardo da Vinci, fast alle Naturwissenschaften umfassend, entwickelt zuerst vernünftige Anschauungen über Bau und Entwickelung des Erdballes und über die Versteinerungen; Fracastoro (gest. 1553) deutet gleichfalls die Versteinerungen als das, was sie sind, Nikolaus Steno (gest. 1687), ein am Florentiner Hofe lebender Däne, liefert, auf ihren Schultern stehend, in seinem Buche »De solido intra solidum naturaliter contento« (1669) den ersten Abriß einer wissenschaftlichen Geologie. Inzwischen hatte die Entdeckung der Buchdruckerkunst den Italienern die Möglichkeit geboten, das Erbe des Altertums auch nach der naturwissenschaftlichen Seite auszubeuten. Die Schriften des Plinius, des Theophrast, Dioskorides und Aristoteles wurden kommentiert und neu herausgegeben, Mattioli (1501–77) lehrt in seinem neugedruckten Kräuterbuch die Pflanzen der Alten kennen und legt dadurch den Grund zur botanischen Wissenschaft, die von Anguillaria, Fabius Colonna, Prosper Alpin u. a. beträchtlich gefördert, durch Cesalpini (1519–4603) die erste auf den Bau der Frucht begründete systematische Anordnung empfing. Für die Zoologie leistete Aldrovandi (1522–1605) die ersten Dienste einer umfassen den Beschreibung, worauf Fabricius von Acquapendente (1537–1619) die Grundlagen der vergleichenden Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Tiere lieferte. Stelluti gab in seinem Bienenbuch (»Apiarium«, Rom 1625) die älteste mit Hilfe des Mikroskops unternommene Tierbeschreibung, worauf Marcello Malpighi (1628–1694) der Begründer der Histologie oder mikroskopischen Tier- und Pflanzenanatomie wurde und auch die entwickelungsgeschichtlichen Kenntnisse förderte. Für die Physiologie leistete Francesco Redi (1626–97) ähnliche Dienste, indem er die Wirkung der Gifte erprobte und die bis dahin geglaubte Lehre von der Selbstentstehung der Insekten und andrer Lebewesen experimentell widerlegte, Versuche, die Spallanzani (1729–99) später vervollständigte. Die physikalische Forschung hatte bereits in Leonardo da Vinci, der die Prinzipien des Stereoskops, des Fallschirms und vieler andrer späterer Entdeckungen kannte, einen bedeutenden Vertreter; ähnlich vielseitig, aber viel phantastischer war Porta (1538–1615), dem man die Entdeckung der Camera obscura und die frühesten Anregungen der Tier- und Pflanzengeographie verdankt. Er wirkte viel durch seine stark gelesenen Schriften, ähnlich wie später der ebenso ungründliche Athanasius Kircher (1601–80) in[109] Rom. Die Physik mußte sich früh vor der Eifersucht der Kurie in Akademien flüchten, die als Geheimgesellschaften für Forschung entstanden, und von denen der Academia dei Lincei zu Rom (1603) als der ältesten Akademie im neuern Sinne die Akademie des Experiments (del Cimento) 1657 zu Florenz folgte. Die Entdeckung der Fallgesetze durch Galilei, des Barometers durch Torricelli sind glänzende Leistungen dieser Schulen, die in Galilei auch auf astronomischem Gebiete die größten Erfolge feierte und trotz aller Anfeindungen der Kirche eine Tradition schuf, die durch Grimaldi (gest. 1663), den Entdecker der Lichtbrechung, Domenico Cassini (gest. 1712) u. a. bis auf unsre Tage fortwirkt. Denn auf astronomischem Gebiet hat die italienische Naturforschung in Schiaparelli und Secchi noch in jüngster Zeit bedeutende Vertreter und Erfolge aufzuweisen gehabt. Die Biologie, die auf botanischem Gebiet in Delpino, dem erfolgreichen Erforscher der Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Tieren, auf zoologischem in Emery und Grassi, dem verdienstvollen Erforscher der Malariaparasiten, hervorragende Vertreter besitzt, hat einen neuen Mittelpunkt in dem Zoologischen Institut von Neapel empfangen, an dessen Arbeiten sich Italiener lebhaft beteiligen. Reiche naturwissenschaftliche Ausbeute lieferte die Forschungsreise des Vettor Pisani sowie die zum Zweck biologischer und geographischer Forschung unternommenen Meerfahrten des Fürsten Albert von Monaco, der in Monaco unlängst ein eignes Museum für Meereskunde begründete. Auch Prähistorie, Anthropologien. Ethnologie haben mannigfache treffliche Vertreter in Italien gefunden; die im Auslande meist genannten derselben, wie z. B. der fruchtbare Mantegazza, gehören indessen mehr der Romanschriftstellerei als der Forschung an.

Literatur.

Vgl. zu weitern ältern Schriften das unten angeführte »Avviamento« Mazzonis; Emiliani-Giudici, Storia delle belle lettere in Italia (5. Aufl., Flor. 1865, 2 Bde.); von neuern Darstellungen sind zu erwähnen: De Sanctis, Storia della letteratura italiana (9. Ausg., Neap. 1898, 2 Bde.); Settembrini, Lezioni di letteratura italiana (7. Aufl., das. 1881); A. Bartoli, Storia della letteratura italiana (das. 1878–89, 7 Bde., bis Petrarca reichend); die »Storia letteraria d'Italia« (Mail. 1878 bis 1880, 6 Bde.), bearbeitet von Tamagni und d'Ovidio (»Letteratura romana«), Bartoli (»I primi due secoli della letteratura italiana«), Invernizzi (»Il risorgimento«), Canello (»Il cinquecento«), Morsolin (»Il seicento«), Zanella (»Storia della letteratura italiana dalla metà del settecento ai giorni nostri«); die ebendort erschienene »Storia letteraria d'Italia scritta da una società di professori« (1898–1904, 9 Bde.), bearbeitet von Giussani (»Letteratura romana«). Novati (»Le origini«), Volpi (»Il trecento«), Zingarelli (»Dante«), Rossi (»Il quattrocento«), Flamin i (»Il cinquecento«), Belloni (»Il seicento«), Concari (»Il settecento«), Mazzoni (»L ' ottocento«); D'Ancona, La poesia popolare italiana (Livorno 1873); Rubieri, Storia della poesia popolare italiana (Flor. 1877); Roux, Histoire de la littérature contemporaineen Italie (1800–1896, Par. 1870–96, 4 Bde.). Von deutschen Werken: Ruth, Geschichte der italienischen Poesie (Leipz. 1844–47, 2 Bde.; unvollendet, bis Tasso); Gaspary, Geschichte der italienischen Literatur (Berl. 1884–88, 2 Bde., ebenfalls unvollendet, reicht nur bis ins 16. Jahrh.; ital. Übersetzung mit Zusätzen vom Verfasser, Tur. 1887–91; Bd. 2 in 2. Aufl., 1900–01); Wiese und Pèrcopo, Geschichte der italienischen Literatur (Leipz. 1899; ital. Übersetzung, Tur. 1904). Unter den Fachzeitschriften sind hier zu nennen: die »Nuova Antologia« (seit 1866); »Il Propugnatore« (1868–93); das »Giornale storico della letteratura italiana« (seit 1883); die »Rivista di filologia romanza« (1872–76), der das »Giornale di filologia romanza«, dann die »Studj di filologia romanza« und zuletzt die »Studj romanzi« folgten. Über die neuesten Erscheinungen berichten die »Bibliografia italiana« (Mail. 1835–1847, 14 Bde., und seit 1867 halbmonatlich), das amtliche, halbmonatliche »Bollettino delle pubblicazioni italiane« etc. (Flor. 1886 ff.) und die kritischen Blätter »Rassegna bibliografica della letteratura italiana« (Pisa 1893 ff.) und »Rassegna critica della letteratura italiana« (Neap. 1896 ff.). Spezialwerke über einzelne Perioden und Gattungen etc. sind verzeichnet in Mazzonis »Avviamento allo studio critico delle lettere italiane« (Verona-Padua 1892); eine vorzügliche allgemeine Bibliographie lieferten Ottino und Fumagalli: »Bibliotheca bibliographica italica« (Rom 1889–95, 2 Bde.).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 98-110. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000683230X


Brockhaus 1911

[882] Italienische Literatur.

1. Periode bis Ende des 14. Jahrh.

Das Erwachen der Poesie in Italien erfolgte durch den Einfluß der Provenzalen, in deren Form und Sprache die ersten ital. Dichter dichteten. Seit Anfang des 13. Jahrh. dichtete man in einheimischer Sprache, zuerst in Sizilien am Hofe Friedrichs II. (ältestes Gedicht das Liebesgespräch von Ciullo d'Alcamo), dann in Toskana wo Giudo Cavalcanti (gest. 1300) und Jacopone da Todi (gest. 1306) auftraten. Alle überragt weit Dante Alighieri, der Schöpfer der poet. Sprache der Italiener und der wissenschaftlichen Prosa; neben ihm glänzt Petrarca, der die rein lyrische Dichtung auf ihren Gipfelpunkt erhob; sein Vorgänger ist Cino da Pistoja (gest. 1336); unter seinen Nachfolgern ist nur Pucci als Begründer der burlesken Poesie nennenswert. Der dritte große Schriftsteller dieser Zeit (sog. Trecentisten) ist Boccaccio, der zuerst die Prosa in seiner Novellensammlung »Decamerone« künstlerisch behandelte; seine Nachfolger sind Sacchetti und Ser Giovanni (»Pecorone«). Der franz. Ritterroman ward nachgeahmt in den »Reali di Francia« von A. dei Magnabotti u.a. Bedeutendstes Geschichtswerk dieser Periode ist das des Giovanni Villani (gest. 1348), fortgesetzt von seinem Bruder und dessen Sohn.

2. Periode. Das 15. Jahrh.

Infolge des erwachenden Eifers für die klassischen Studien ward die Muttersprache vernachlässigt; eine Hebung der nationalen Poesie geschah erste Ende des 15. Jahrh. von Florenz aus; Poliziano (gest. 1494) dichtete zierliche Stanzen, auch das erste unabhängige dramat. Werk (»Favola d'Orfeo«), während bisher nur die sog. Mysterien und Nachahmungen der Stücke des Plautus und Terenz üblich waren. Die romantischen Ritter-Epopäen nach franz. Muster wurden weiter ausgebildet durch Luigi Pulci (»Morgante maggiore«) und Bojardo (»Orlando innamorato«), den Vorläufer Ariosts. Durch Reinheit des Sinns und wahrhafte Frömmigkeit zeichnen sich in dieser frivolen Zeit die Gedichte (»Rime spirituali«) des Benivieni (gest. 1542), des Schülers Savonarolas, aus. Zahlreiche Lyriker: Bellincioni, Cammelli, Francesco Cei, Gasparo Visconti, Serafino Aquilano u.a.; die ital. Prosa nur vertreten durch Novellendichter (Masuccio Salernitano) und Historiker (Collenuccio, Corio etc.), auch zwei Künstler (Battista Alberti und Leonardo da Vinci).

3. Periode. Das 16. Jahrh. (Cinquecento).

Die Durchdringung der klassischen und nationalen Richtung zeitigte die höchste Blüte der I. L.; mit der darauf folgenden Alleinherrschaft der nationalen Richtung beginnt bereits der Verfall. Die Hinneigung zur Antike zeigt sich noch in der »Italia liberata dai Goti« des Trissino und dem »Avarchide« und »Girone il cortese« des Alamanni. Das erste nationale Epos schuf Ariosto mit seinem »Orlando furioso«, dem nur Torquato Tasso mit seiner »Gerusalemme liberata« die Palme streitig machte. Die Neigung der Zeit zu lockerm Scherz und zur Satire erzeugte zahlreiche burleske und satir. Dichtungen, wie den »Orlandino« des Folengo, des ersten Bearbeiters der maccaronischen Poesie, »La guerra de'mostri« von Grazzini, und die sog. Capitoli, bes. von Berni (daher auch poesia Bernesca), von dem berüchtigten Aretino und dem harmlosen Bentivoglio. Die didaktische Poesie, in welcher Virgil als Muster galt, pflegten Alamanni, G. Rucellai, Erasmo da Valvasone, Baldi, Tansillo. Auch die Tragödie (Trissino, Rucellai, Tasso, Aretino u.a.) und die Komödie (Bibbiena, Ariosto, Macchiavelli, Cecchi) entstand aus der gelehrten Nachahmung der Alten; der gelehrten Komödie (Commedia erudita) stand die Volkskomödie [882] (Commedia dell'arte) gegenüber, aus der sich die echt ital. Masken bildeten. Das Schäferdrama (Pastorale) erreichte seine Blüte in der »Aminta« des Tasso und dem »Pastor fido« des Guarini; aus dem Gesang der Chöre hierin ging die Oper hervor, die bald das Lieblingsdrama der Italiener ward. Als Lyriker ragen neben Ariosto, Tasso, Guarini hervor: Bembo, Molza, Guidiccioni, Angelo di Constanzo, Michelangelo etc., die Frauen: Colonna, Gambara, Stampa, Tullia d'Aragona. Die Novelle wird vertreten durch Bandello, Firenzuola, Straparola; in dialogischer Form durch Bembo, Tasso, Speroni, Gelli (»Capricci del bottajo«), Castiglione. Zahlreiche polit. Schriftsteller und Geschichtschreiber, vor allen Machiavelli (»Principe«, »Istorie florentine«), ferner Guicciardini, Nardi, Bembo u.a. Kunstschriftsteller: Vasari, Palladio, Cellini; Literarhistoriker: Barbieri und Doni. Die Philosophie wird in dieser Periode selbständig behandelt von Cardano, Giordano Bruno, Vanini. 4. Periode. Das 17. Jahrh. Dasselbe bezeichnet den durch die kirchliche Reaktion herbeigeführten, bis Mitte des 18. Jahrh. dauernden Verfall der klassischen Studien und der Poesie. Dagegen erwachten die Naturwissenschaften, insbes. die Astronomie, zu hoher Blüte; hochverdient um dieselben machten sich Galilei und seine Schüler Torricelli, Cassini (Vater, Sohn und Enkel); ferner Malpighi und der Arzt und Dichter Redi. Auch ausgezeichnete philos. Schriftsteller traten auf; Campanella (»Poesie filosofiche«), Vico etc. Geschichte schrieben: Davila, Bentivoglio, Giannone, Muratori, Maffei (letztere beiden mehr Sammler); Kirchengeschichte: Sarpi (»Das Tridentinische Konzil«); Kunstgeschichte: Baldinucci, Dati, Baglione; Literaturgeschichte: Rossi, Cinelli, Fontanini, Tiraboschi. Der verdorbene Geschmack in der Poesie gelangte durch die schlüpfrigen, antithesen-und gleichnisreichen, halb epischen, halb idyllischen Werke des Marini (bes. im Epos »Adone«) zur Herrschaft; er fand hierin wie auch als Lyriker mit seinen käuflichen Gelegenheitsgedichten viele schwülstige Nachahmer (Marinisten). Frei vom Marinismus hielten sich als Epiker Tassoni (»La secchia rapita«), als Lyriker Chiabrera und seine Schüler (Pindaristen), sowie Fulvio Testi. Eine neue, natürlichere Geschmacksrichtung in der Lyrik zeigte sich gegen Ende des Jahrhunderts, getragen vor allem durch die von Crescimbeni und Gravina 1690 gestiftete Akademie der Arkadier, am chrakarteristischsten hervortretend bei Frugoni, Manfredi, Zappi, Lemene. Außer dem komischen Epos »La secchia rapita« des Tassoni und dem »Ricciardetto« des Forteguerri haben kleinere solche Epen Bracciolini und Lippi gedichtet; von ernsten Heldengedichten ist nur »Il conquisto di Granata« des Graziani von Bedeutung. Die Novelle tritt zurück; das Drama, durch die Oper, welche durch Zeno und Metastasio dramatisch ausgebildet wurde, verdrängt, macht sich nur in geschmacklosen Nachahmungen erst span., später bes. franz. Stücke (Martelli, Maffei) geltend, dagegen blühte noch die Commedia dell'arte (Scala, Fiorello). 5. Periode. Von Mitte des 18. Jahrh. bis zur Gegenwart. Die allmähliche Umwälzung in der nationalen Literatur ward durch den Aufschwung des öffentlichen Lebens vorbereitet und begleitet; die Erneuerung der klassischen Studien, die Nacheiferung Dantes, der Einfluß der engl. und deutschen Literatur und der sich entwickelnde Journalismus übten eine bessernde Wirkung auf dem Geschmack aus. An der Spitze dieser Bewegung steht Gozzi (gest. 1786), neben ihm Baretti (gest. 1789). Von großer Bedeutung war die Übersetzung des Ossian von Cesarotti und die Dichtung »Il Giorno« von Parini für die didaktisch-epische, wie des letztern Oden für die lyrische Poesie. In letzterer zeichneten sich später bes. Pindemonte, Fantoni (Labindo) und Foscolo aus. Bertola, als Fabeldichter ausgezeichnet, führte die Idyllen Geßners in Italien ein; Spolverini, Imperiali, Lorenzo, Betti und Arici verfaßten eigentliche Lehrgedichte. Der Umschwung in der Literatur wurde aber erst durch die Befreiung der ital. Bühne von dem franz. Einfluß und das Aufblühen des Dramas vollendet. Reformator der Komödie wurde Goldoni, Schöpfer der nationalen Tragödie Alfieri, welchem Monti (gest. 1828), als Dramatiker und Lyriker bedeutend, folgte. Der mit dem 2. Jahrzehnt des 19. Jahrh. beginnende Kampf zwischen Klassizismus und Romantizismus schlug zugunsten des letztern aus, dessen Haupt Manzoni, auch als Lyriker und Dramatiker ausgezeichnet, durch seine »Promessi sposi« Schöpfer des ital. geschichtlichen Romans wurde, während Leopardi dem Weltschmerze klassische Gestaltung gab. Beider Zeitgenossen wirkten namentlich durch ihre patriotischen Tendenzdichtungen; so die Tragödiendichter Niccolini und Pellico, ferner Giacometti, Marenco, di Ventignano, Gualteri, Fortis, Revere (bes. Lyriker) und Dall'Ongaro. Den vaterländischen histor. Roman pflegten nach Manzoni bes. Grossi, Guerrazzi, Carcano, d'Azeglio (Verlasser der »I mei ricordi«). Polit. und satir. Gedichte schrieb bes. Giusti (gest. 1850); andere patriotische Lyriker waren: Berchet, Fusinato, Rossetti, Mameli, Poerio, Nievo. Als Dichter von Operntexten hatte Romani den meisten Erfolg. Als legitimer Nachfolger Goldonis galt Giraud. In der 2. Hälfte des 19. Jahrh. beherrschte das franz. Sittendrama und die franz. Posse die ital. Bühne, später führte man auch deutsche Lustspiele und im letzten Jahrzehnt Sudermann, Ibsen und Hauptmann mit großem Erfolg auf. Von den ital. Lustspieldichtern ist neben Nota nur del Testa, Ferrari, Suñer und Bersezio zu nennen. Dagegen erlangten mehrere moderne dramat. Dichter großen Ruf, so: Verga, Giacosa, Praga, Illica, Bracco, Rovetta, Gallina, auch Martini und Cavallotti (gest. 1898). Als kraftvoller Lyriker offenbarte sich Carducci, um ihn sammelten sich Stecchetti, Ferrari, Pascoli, Mazzoni, Rossi u.a. Als deren Gegner sind zu nenen: Aleardi, Prati, Revere, Zanella, ferner Rapisardi, Graf, Marradi und Vanni. Von den dichtenden Frauen der neuesten Zeit sind die hervorragendsten Ada Negri, Anna Vivanti und Vitt. Aganoor. Der eigenartigste unter den jüngern Lyrikern ist d'Annunzio, der auch unter den Romanschriftstellern der Gegenwart die erste Stelle einnimmt und auch einige Dramen schrieb. Neben ihm sind auf dem Gebiete des Romans am bedeutendsten: Verga, Donati, Fogazzaro, Farina, Barili, Matilde Serao, Neera, Ranieri, Rovetta, Colauti, Maruzzi, Ojetti, Capuana, Dalbalzo, Butti, de Roberto, Corradini, Novaro, Grazia Deledda; als Novellendichter: Giacosa, Mantovani und de Amicis. Dialektdichter sind: die Römer Belli und Pascarella, der Mailänder Porta, der Piemontese Brofferio, der Sizilianer Meli. Die wissenschaftliche Geschichtschreibung gelangte auch erst seit dem polit. Umschwunge zur Blüte; außer Denina, Carlo Botta und Colletta behandelten die Geschichte Italiens: Zeni, Cesare Balbo, Bocchi, Troya, Amari, Farini, Ranalli, Carutti, Villari, Tommasini, Tivaroni. Die erste Weltgeschichte schrieb Cantù; kriegsgeschichtliche Werke: Ricotti und d'Ayala. Die Kirchengeschichte behandelten Tosti, Balzani, Pais, Chiala; die nationale Kunst: Graf, Fumi, Venturi, Cavalcaselle; die Literatur: Settembrini, de Sanctis, Imbriani, Bartoli, d'Ancona, de Gubernatis, Morandi u.a. Auf histor.-polit. Gebiete waren d'Azeglio, Balbo, Gioberti, Mazzini von Einfluß; von ältern und neuern Philosophen sind zu nennen: Romagnosi, Rosmini, Ferrari, Gioberti, Mamiani, Ardigo, Barzellotti, Ferri, Mariano, Morselli, Tocco, Conti, die Hegelianer Vera, Spaventa und der Materialist Trezza. Ebenso ist Italien auf den übrigen Gebieten der Wissenschaft seit der Emanzipation vom kirchlichen Einfluß rasch vorwärts geschritten. – Vgl. Ebert (1864), Gaspary (1885-88), Wiese und Pèrcopo (1898), Rossi (ital., 1900), Ferrari (1901).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 882-883. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001219634


Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon 1838

[473] Italienische Kunst, Literatur und Wissenschaft. Das älteste gebildete Volk Italiens waren die Etrusker (s. Hetrurien), und schon in sehr frühen Zeiten ließen sich Griechen in Unteritalien, welches daher Großgriechenland genannt wurde, nieder (vergl. Griechenland) und brachten aus ihrer Heimat Gesetze, Wissenschaft und Kunst mit. Der Reichthum, welchen sich die Griechen in diesen Pflanzstädten erwarben, verweichlichte sie jedoch, sodaß sie den mächtig um sich greifenden Römern (vergl. Rom) keinen erfolgreichen Widerstand zu leisten vermochten, und allmälig kam sowol Hetrurien als Großgriechenland unter die Botmäßigkeit der Römer. Das harte röm. Joch erdrückte die Keime der Bildung bei den Völkern, weniger durch directe Verfolgungen, als durch die fortwährenden Kriegsdienste, zu denen die gedemüthigten Völker unter dem Namen von Bundesgenossen gezwungen wurden. Erst als Rom selbst allmälig zur Bildung erwuchs, welches besonders nach der Besiegung Griechenlands der Fall war, konnte auch das übrige Italien wieder geistig emporkommen, doch zog sich Alles, was auf Bildung Anspruch machte, mehr oder weniger nach Rom oder wol auch nach dem griech. Athen, der allberühmten Pflegerin der Künste und Wissenschaften. Alexandrien (s.d.) in Ägypten trat allmälig an die Stelle Athens. Die griech. Bildung, welche so herrlich emporgeblüht war, fand jedoch in Italien nur ein verkümmertes Dasein und konnte in der allgemeinen Entsittlichung nicht zu größerer Vollkommenheit gedeihen. Die geistigen Schätze, welche man mit Griechenland erobert hatte, wurden kaum aufbewahrt und von Niemand wahrhaft verstanden. Die Barbaren, welche über Italien herfielen, vernichteten endlich mit der Römerherrschaft die letzten Spuren alterthümlicher Bildung im ital. Volke.

Die ital. Sprache ist offenbar aus der römischen (lateinischen) hervorgegangen und die Abweichungen, welche ihr eigenthümlich sind, mögen zum Theil echt ital. Ursprungs sein, sofern nämlich von jeher sehr verschiedene Dialekte gesprochen wurden, während das Lateinische als Schriftsprache galt. Aber sehr großen Einfluß auf die Ausbildung des Italienischen haben auch ohne Zweifel die Barbaren gehabt, welche Italien überschwemmten, zum Theil sich festsetzten und mit den Eingeborenen vermischten. Noch im Mittelalter war das Lateinische die Sprache, in welcher vorzugsweise geschrieben wurde und die alle Gebildeten in Italien verstanden. Erst die großen Dichter Dante, Petrarca und Boccaccio brachten die ital. Sprache zu Ehren, indem sie ihre Meisterwerke in ihr schrieben und für ihre Ausbildung sorgten. Das Italienische hieß zum Unterschiede von dem Lateinischen die lingua volgare, d.h. die gemeine oder Volkssprache. Im Italienischen hat sich nun allmälig selbst wieder eine Schriftsprache neben den vielen verschiedenen Dialekten, welche in den verschiedenen Gegenden gesprochen werden, ausgebildet, doch sind auch in diesen einzelne Werke geschrieben worden.

Bis zu Anfange des 13. Jahrh. geschah in Italien wenig zur Förderung der Wissenschaften und Künste. Das Wichtigste, was wir aus früherer Zeit besitzen, sind Geschichtswerke, z.B. von Paul Warnefried. Einzelne Päpste zeichneten sich durch theologische Gelehrsamkeit aus und an sie schlossen sich andere gelehrte Theologen an, welche zum Theil unter den Scholastikern (s.d.) berühmte Namen haben. Zu Salerno erblühten gegen Ende des 10. Jahrh. die medicinischen Wissenschaften und es erschienen nicht unbedeutende medicinische Werke. Auch die Rechtswissenschaften erblühten mit den Freiheiten der Städte, namentlich wurden in dem gelehrten Bologna durch Irnerius die röm. Gesetze erklärt. Gratian begründete das kanonische Recht. Eine eigenthümliche Poesie gab es vor dem 13. Jahrh. in Italien nicht, wol aber fanden Provenzalen und Troubadours wohlwollende Aufnahme. Die Hohenstaufen waren Freunde und Beschützer der Poesie, die sie selbst zum Theil übten, [473] und unter ihrem Schutze bildeten sich in Sicilien Sänger nach dem Muster der Provenzalen.

Im 13. Jahrh. machte Italien ungemeine Fortschritte. Man begann zuerst die lingua volgare zur Schriftsprache zu erheben. In Toscana erwuchs vaterländische Poesie. Guido Guinicelli aus Bologna, Guittone d'Arezzo, Guido Cavalcanti, Ugolino Ubaldini und Andere sind als Dichter zu nennen. Sie Alle überstrahlte aber der große Florentiner Dante Alighieri (s.d.), welcher nicht nur als Dichter, sondern auch um die ital. Sprache unsterbliche Verdienste sich erwarb. In Bologna, Pisa und Florenz wurden Professoren als Erklärer der Divina commedia angestellt. Giovanni Visconti, Erzbischof von Mailand, übertrug sogar die Auslegung des herrlichen Gedichts zwei Theologen, zwei Philosophen und zwei geschichtskundigen Florentinern. Während in dem frühern Jahrhundert die Kreuzzüge das Aufkommen der Wissenschaften zurückgehalten hatten, fingen sie nun an, für dieselben förderlich zu werden, indem durch sie der Geist allseitig aufgeregt worden war und sich mannichfaltige Kenntnisse ausgebreitet hatten. Auch um die Wissenschaften hatten sich die Hohenstaufen große Verdienste erworben. Viele Schulen wurden von ihnen gestiftet und ihr Hof war nicht nur für Künstler aller Art, sondern auch für Gelehrte eine Freistätte. Die großen Gegner der Hohenstaufen, die Päpste, namentlich Innocenz III. und IV. und Urban IV., waren ebenfalls hochgebildete Männer, und die Universität Bologna stand in so hohem Flor, daß sie zu Anfange des 13. Jahrh. 10,000 Studirende zählte. Padua, Arezzo, Vicenza, Neapel standen Bologna nicht viel nach. Theologie, Philosophie, Mathematik, Astronomie, Medicin und besonders die Rechtswissenschaften wurden eifrig betrieben. Von mehren der wichtigern Städte wurden Gesetzsammlungen veranstaltet. Auch für Geschichtschreibung wurde gesorgt und gelehrte Männer beschäftigten sich mit dem Alterthume und dessen Schriftwerken. Marco Polo, ein Venetianer, machte am Ende des 13. Jahrh. seine berühmten Reisen, durch welche Europa zuerst nähere Kunde von dem Innern Asiens erhielt. In diesem Jahrhundert lebte auch der Florentiner Cimabue, welcher die später so herrlich sich entwickelnde ital. Malerei begründete.

Nicht geringern Ruhm als Dante erlangte im 14. Jahrh. Petrarca (s.d.), dessen Poesie zwar minder tiefsinnig war, aber nur um so allgemeinere Theilnahme erregte. Auch er erwarb sich große Verdienste um Ausbildung der ital. Sprache. Er fand zahllose Nachahmer, ebenso wie Boccaccio (s.d.), welcher für alle Zeiten Muster reiner und schöner Schreibart in ital. Prosa wurde. Italien war immer mehr zerstückelt worden und die Fürsten und vornehmen Familien, welche in den angesehenen und reichen Städten zur Herrschaft gelangten, setzten ihren schönsten Ruhm darein, als Beschützer und Beförderer der Wissenschaften und Künste gepriesen zu werden. König Robert von Neapel, die della Scala zu Verona, die Gonzaga zu Mantua, das Haus Este zu Ferrara und andere waren auf diese Weise in edlem Wetteifer thätig. Neben Bologna erhoben sich die Universitäten zu Padua, Neapel, Pisa, Pavia. Nachdem man das Papier erfunden, wurden die Meisterwerke alter und neuer Zeit vervielfältigt. Die Gottesgelahrtheit hatte ausgezeichnete Bearbeiter und ebenso die übrigen Wissenschaften. Petrarca und Boccaccio glänzten auch als Gelehrte, besonders auf dem Gebiete der Geschichtsforschung, und Petrarca erwarb sich, wie früher auch Dante, als Philosoph hohen Ruhm. Das Studium der alten Sprachen, besonders der Griechen, wurde durch die genannten beiden großen Männer neu belebt.

Durch die Eroberung Konstantinopels durch die Türken kamen im 15. Jahrh. viele gelehrte Griechen nach Italien welche hier die Kenntniß des griech. Alterthums noch weiter ausbreiteten und beförderten. In Toscana blühte das Haus der Medici, welches an Eifer für Künste und Wissenschaften es allen übrigen Fürsten zuvorthat, obschon es an den Visconti, Este, Sforza, den Herzogen von Urbino, den Markgrafen von Mantua, den Königen von Neapel, an den Päpsten und andern Fürsten eifrige Nebenbuhler hatte. Der mächtigste Hebel zur geistigen Förderung wurde jedoch die Buchdruckerkunst, welche sich schnell ausbreitete und besonders in Italien willkommene Aufnahme fand. Cosmo von Medici hatte zu Florenz eine Platonische Akademie gestiftet, zu welcher Ficinus, der berühmte Übersetzer der Platonischen Schriften in das Lateinische, gehörte. Auch die Musik begann man wissenschaftlich zu betreiben, seitdem Lodovico Sforza zu Mailand eine öffentliche Schule für dieselbe ein. gerichtet hatte. Der Geschichtschreibekunst wendete man besondere Sorgfalt zu, und unter den vielen Geschichtschreibern dieser Zeit zeichnete sich Äneas Sylvius, der nachmals als Papst Pius II. hieß, aus. Daneben machte die Erdbeschreibung rüstige Fortschritte, indem es nicht an Männern fehlte, welche weite und gefahrvolle Reisen unternahmen. Allen ihren Entdeckungen setzte des Genuesen Colombo Auffindung Amerikas die Krone auf. Wenn auch das 15. Jahrh. keinen Dichter, wie Dante, aufzuzeigen hatte, so war es doch reich an Poesie. Lorenzo von Medici, Angelo Ambrogini, die drei Brüder Pulci, Bojardo sind vorzugsweise zu nennen. Auch von ital. Frauen ward die Dichtkunst mit Glück geübt.

Seinen glänzendsten Höhepunkt erreichte der Geist Italiens im 16. Jahrh. bis zur Mitte des 17., dem Zeitalter des Ariosto (s.d.) und Torquato Tasso (s.d.). Auch Sannazar, Berni, Aretino, Bernardo Tasso (der Vater des Torquato), Guarini (der berühmte Verfasser des »Treuen Schäfers«) und Andere sind talentvolle Dichter aus dieser Zeit. Universitäten, Akademien und Bibliotheken mehrten sich; neben Fürsten und Städten begünstigten namentlich die Päpste Julius II., Leo X., Clemens VII., Paul III., Gregor XIII. (der Verbesserer des Kalenders), Sixtus X. und Urban VIII. die Wissenschaften und Künste. Nur die Theologie und Philosophie in Italien wurde durch die in Deutschland ausgebrochene Reformation in ihrer freien Ausbildung gehemmt, indem man, um der von Deutschland ausgehenden Richtung entgegenzuwirken, sich bemühte, starr am Alten festzuhalten. Unter den Vertheidigern der päpstlichen Rechte zeichneten sich Cesare Baronio, unter deren Gegnern Paolo Sarpi vortheilhaft aus. Die Philosophie suchte sich zum Theil von dem Kirchenglauben gänzlich loszumachen; Jordanus Bruno und Cäsar Vanini, die ausgezeichnetsten Philosophen dieser Zeit, mußten aber als Ketzer mit dem Leben büßen, während eine sehr ausgebreitete unwissenschaftliche Freidenkerei sich ungehemmt unter den Gebildeten ausbreitete. Mathematik und Naturwissenschaft machten in dieser Zeit glänzende Fortschritte, indem Männer, wie Bern. Telesius, Jord. Bruno, Th Campanella, Hieron Cardanus und verschiedene [474] Andere, vor Allen Galilei (s.d.), Grimaldi und Torricelli (s.d.) durch ihre geistreichen Forschungen zu unsterblichen Wahrheiten und ewig dankenswerthen Erfindungen gelangten. Auch für die verschiedenen Zweige der Naturgeschichte geschah sehr viel, wie denn 1615 der erste Lehrstuhl für Chemie zu Pisa errichtet wurde. Natürlich machte auch die verwandte Wissenschaft, die Medicin, großartige Fortschritte. Die Rechtsgelehrsamkeit dagegen begann zu sinken. Neben Bentivoglio, Bembo und Andern trat Macchiavelli (s.d.) als ausgezeichneter Historiker auf. Die Staatswissenschaften, das Studium der morgenländischen Sprachen und vorzüglich auch der lat. und griech. Sprache, wurden mit Glück und Eifer angebaut. Man wendete großen. Fleiß auf Aufsuchung und Erklärung röm. Alterthümer, an denen Italien so reich ist.

Um eine Vorstellung von dem regen Leben in Kunst und Wissenschaft, welche sich im 15. und 16. Jahrh. in Italien ausgebildet hatte, zu fassen, muß man sich vor Allen der großen Maler, Bildner und Baumeister erinnern, welche in dieser Zeit lebten. Wir nennen unter den Malern nur Dosso Dossi (1479–1560); Michel Angelo (s.d.) Buonarotti (1474–1564), der auch als Bildhauer und Baumeister ausgezeichnet war; Rafael (s.d.) Sanzio von Urbino (1483–1520); Giulio Romano (1492–1546); Barbarelli (1477–1511); Tiziano (s.d.) Vercelli (1477–576); Caldara, genannt Caravaggio (1495–1543); Robusti, genannt Tintoretto (1512–94); Paul Veronese (1532–88); Antonio Allegri, genannt Correggio (s. d., 1494–1534); Lodovico Carracci (1555–1619), und seine Neffen Agostino (1558–1601) und Annibale (1560–1609); Guido Reni (1575–1642); Albani (1578–1660); Domenico Zampieri, genannt Domenichino (1581–1641), und viele andere könnten noch angeführt werden, die nicht minder unsterblichen Nachruhms genießen. (Vgl. Malerei.) Als Bildhauer sind Donatello, Lorenzo Ghiberti, Michel Angelo (vgl. Bildhauerkunst), als Baumeister vor Allen Bramante (1444–1514), dem Brunelleschi (1377–1444) und Michellozzi vorangegangen war, ferner Peruzzi, Rafael Sanzio, Giulio Romano, Sansovino, Michel Angelo, später Andrea Palladio, zu erwähnen. (Vgl. Baukunst.) Als Bildhauer und Goldarbeiter glänzte im 16. Jahrh. Benvenuto Cellini (s.d.). Auch an ausgezeichneten Componisten und Sängern fehlte es diesem Jahrhundert nicht. Palestrina lieferte großartig schöne Kirchengesänge und 1600 wurde zu Florenz die erste opera buffa aufgeführt.

Nach 1650 hörte Italien auf, ein glänzendes Vorbild für das übrige Europa zu sein. Einerseits glaubte man, um die Kirche in ihrem alten Ansehen zu erhalten, die Regungen des freien Geistes immer mehr unterdrücken zu müssen und andererseits griff eine Sittenverderbniß um sich, welche eine Folge des heimlich sich ausbreitenden Unglaubens war und durch welche der Geist erschlafft und zu großartigen Schöpfungen unfähig wurde. Die kleinen ital. Staaten wurden, wie sie an innerer Kraft verloren, immer mehr ein Spielball der Politik fremder Mächte, und nicht wenig trug zu dieser Schwächung der Umstand bei, daß sich seit der Entdeckung Amerikas und des Seewegs nach Ostindien, der Handel, welcher einst unermeßliche Reichthümer nach Italien führte, immer mehr nach andern Richtungen fortzog. Schon mit Giambattista Marino (1569–1625) und noch mehr durch seine Nachahmer stieg die ital. Poesie von ihrer Höhe herab. Denn obschon Marino selbst noch zu den ausgezeichnetern Dichtern gehörte, so litten doch seine Werke schon an jenen Überladungen, welche stets den Übergang wahrer Poesie in falsche andeuten. Alessandro Tassoni, welcher ein komisches Heldengedicht schrieb, fand nicht eben glückliche Nachahmer. Der Maler Salvator Rosa trat als derber Satiriker auf. Durch franz. Muster gebildet war Francesco Algarotti; der feinfühlende Giuseppe Parini, der fromme Onofrio Menzoni, der witzige Giambattista Casti und Alfieri (s.d.) gehören zu den erfreulichsten Erscheinungen der spätern Zeit. Der Letztgenannte zeichnete sich besonders durch seine Trauerspiele aus und in neuerer Zeit haben Manzoni, Niccolini und Pellico auf diesem Gebiete der Poesie Ruhm erworben. Als der wichtigste. Dichter des 18. Jahrh. ist Metastasio zu nennen, dessen wohlklingende Verse die Tiefe des Gefühls und die Höhe echter Poesie ersetzten. Die aus Frankreich auch über Italien sich ausbreitenden Freiheitsideen regten mehre Dichter auf, welche jedoch nur eines vorübergehenden Erfolges sich erfreuten. Der ausgezeichnetste unter denselben war Monti (1754–1828), der jedoch allen Parteien schmeichelte, welche nacheinander in Italien zu Gewalt gelangten. In neuester Zeit haben die Italiener der Literatur des Auslandes viele Theilnahme geschenkt und besonders fand Walter Scott viele Bewunderer. Manzoni, Rosini, Azeglio lieferten ausgezeichnete Romane; Manzoni und mehre Andere haben auch mit Erfolg die religiöse Poesie wieder aufgenommen.

Unter den Wissenschaften blühten in Italien seit 1650 vorzugsweise diejenigen, welche sich mit dem Alterthume beschäftigen. Alessandro Albani unterstützte dieselben kräftig, obgleich er selbst nicht Schriftsteller war, und Volpi, Facciolati, Forcellini, Morelli, Fabroni, Maffei, Fea, Rosini, Mai und Andere erwarben sich große Verdienste. Bis in die neueste Zeit suchte man besonders auch durch Nachgrabungen Alterthümer zu erlangen und beschäftigte sich mit deren Erklärung. Die Leistungen für Geschichte konnten unter dem Drucke der Zeitverhältnisse nicht bedeutend sein. Sehr erfreuliche Fortschritte haben auch durch Italiener fernerhin die Naturwissenschaften gemacht. Spallanzani, Malpighi, Manfredi, Morgagni und Andere waren für Physiologie thätig, während durch Borelli, Guglielmini, Michelotti und Andere die Arzneiwissenschaft gefördert wurde. Unter den Physikern zeichneten sich durch großartige Entdeckungen Volta (s.d.), Fontana, Berthollet, Cavallo, Galvani (s.d.) und Andere aus, an welche sich in neuester Zeit Amici, Antinori, Nobili und Andere angeschlossen haben. Vorzügliche Mathematiker und Astronomen sind außer einigen der eben genannten Naturforscher Viviani, Cassini, Manfredi, Piazzi, Inghirami und Andere. Zur Aufmunterung und Verbreitung wissenschaftlicher Bildung wirkte die franz. Herrschaft.

Mit großer Vorliebe kehrte man zu den Meisterwerken der Blütezeit ital. Literatur in neuester Zeit zurück und machte die ital. Sprache selbst zum Gegenstande wissenschaftlicher Forschung. Welt-, Literatur- und Kunstgeschichte haben in Italien tüchtige Bearbeiter gefunden. Die Geographie wurde durch Entdeckungsreisen in noch unbekannte Gegenden und treffliche Werke bereichert; vor Allen leuchten Adrian Baldi's [475] Verdienste hervor. Noch mehr als die Wissenschaften haben seit länger als einem Jahrhundert die Künste in Italien daniedergelegen. Unter den gegenwärtig noch lebenden Malern sind die ausgezeichnetsten Camuccini in Rom, Benvenuti in Florenz und Andere. Nur die Musik hat in Italien an allgemeiner Theilnahme und lebhafter Pflege gegen früher nicht verloren. Seit 1600 wurde die Oper mit ungemeinem Eifer ausgebildet. Es fehlte weder an ausgezeichneten Componisten, noch an gefeierten Sängern und Musikern. (S. Musik.) Wir erwähnen hier nur der neuern Componisten: Cimarosa, Niccolini, Salieri, Spontini, Rossini, Generali, Mercadante, Bellini, Donizetti, Righini, Cherubini; der Sängerinnen: Catalani, Pasta, Malibran, Palazzesi; des großen Violinspielers Paganini u.s.w. Man rühmt an der ital. Musik Melodienreichthum, Pracht, Wohllaut, und tadelt an ihr Vernachlässigung der Harmonie, Mangel an Tiefe, Vernachlässigung der Instrumentalmusik, Weichlichkeit, Üppigkeit u.s.w. Die ital. Baukunst war seit dem 17. Jahrh. von ihrer frühern Größe tief herabgesunken und kehrte erst in neuerer Zeit zu einem durch die Muster der Alten gebildeten bessern Geschmack zurück. Die Bildhauerkunst theilte das Schicksal der Baukunst und wurde nur erst durch Canova (s.d.) zu der ihr eigenthümlichen Würde zurückgeführt.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 473-476. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000835455


Herders 1855

[453] Italienische Literatur. Die erste Bildung Italiens schloß sich unmittelbar an die Reste der röm. an, so zwar, daß die lat. Sprache noch viele Jahrh. ausschließliche Schriftsprache blieb und es bekanntlich bei der röm. Curia noch ist. Das kirchl. Leben entfaltete schon frühe eine reiche und sehr mannigfaltige Literatur: kirchl. Poesie, Gesetzgebung, Geschichte, Briefe, Theologie und Philosophie, canonisches und röm. Recht. Auch die Mathematik und Medicin wurden in ital. Schulen betrieben; in der Mechanik waren die Italiener lange Zeit andern Völkern so überlegen, daß ihre Ingenieurs überall hinberufen wurden. In Italien erhielten sich die geograph. Kenntnisse der Alten u. erweiterten sich durch den Welthandel der ital. Städte; Italiener unternahmen die ersten großen Reisen, wie z.B. Marco Polo von Venedig, der zuerst als Augenzeuge über die großen Städte Chinas berichtete. Die eigentliche i. L., d.h. die in der ital. Sprache schaffende u. lebende, entwickelte ihre ersten Keime in dem Boden der Poesie; unter Friedrich II., dem Hohenstaufen, dichtete man zuerst in ital. Dialecten Lieder in der Weise der frz. Troubadours, die eigentliche Bahn aber brach für Poesie und Prosa der große Dante (s. d.). Ihm folgte, wiewohl weniger selbständig, indem er auf den provençalischen Troubadours fußt. Petrarca, der durch Ausbildung der Form und des Wohllauts als Muster für die Lyriker aller Zeiten dasteht. Sein Zeitgenosse Boccaccio gab der Prosa ihre Vollendung, indem er zuerst in einer der neueren Sprachen die Schönheit des class. Periodenbaues wiederzugeben verstand. Um dieselbe Zeit machten Spinelli, Malespini, Dino Compagni den Uebergang von der Chronik zur eigentl. Geschichtschreibung, schrieb Villani seine berühmte Geschichte von Florenz, bei welcher der Einfluß des Livius sichtbar ist, Dandolo die Geschichte Venedigs (lat). In allen andern Wissenschaften: Physik, Astronomie, Mathematik, Physiologie, Medicin, Rechtswissenschaft behaupteten die Italiener fortwährend den ersten Rang, doch schrieben ihre Gelehrten durchgängig in latein. Sprache. Die Glanzzeit der i. n L. fällt in das 15., 16. und zum Theil noch in das 17. Jahrh., wo dieselbe an den Höfen der Fürsten und in den noch übrigen [453] Republiken mit Liebe gepflegt wurde; dazu wirkte die Wiederaufnahme der class. Studien, befördert durch geflüchtete Griechen und noch mehr durch die eben erfundene Buchdruckerkunst, wesentlich mit. Die Poesie beschränkte sich zuerst auf Nachahmungen des Petrarca (Conti, Benivieni, Cei, Accolti, Tebaldeo, Bembo etc.) und des Boccaccio (Bandello, Firenzuola, Parabosco, Masuccio etc.) u. verflachte sich zur Tändelei u. zu gedankenarmem Wortgeklingel. Dagegen bildete sich die romant. Poesie aus, welche sich an die Heldensage der Nordfranzosen anschloß, aber derselben durch Luigi Pulci (gest. 1487) die Ironie beimischte und dadurch für die Phantasie ein weites Feld gewann, um alle Lebensverhältnisse herbeizuziehen. Die Meisterschaft erreichte in dieser Gattung Lodovico Ariosto, während Torquato Tasso in seinem befreiten Jerusalem das Muster des ernsten romantischen Epos aufstellte. Nach ihnen erschienen nur mehr Leistungen von untergeordneter Bedeutung. In der Satire bildete sich mehr das Possenhafte aus (Burchiello, Berni, der schmutzige Aretino etc.); auch die Komödie. sowie das ernste Drama. blieben zurück; die Schäferspiele, z.B. des Tasso sind von sentimentaler Weichlichkeit, die des Guarini von schwächlicher. Um so ausgezeichneter steht die Geschichtschreibung da, in welcher Macchiavelli unübertreffl. Meisterwerke aufgestellt hat; nicht so hoch stehen, wiewohl sie noch immer Sterne erster Größe sind, Guicciardini (der so wenig unparteiisch ist. als der Geschichtschreiber des Concils von Trient, Paolo Sarpi), Davila, ferner die Verfasser vieler Specialgeschichten; bekannt ist die Kirchengeschichte des Baronius (s. d.) und hochgeschätzt die Kunstgeschichte des Baumeisters Vasari. Die Philologie und Alterthumskunde wurde in dieser Periode vortrefflich angebaut, wovon Namen wie Marsilius Ficinus, Petrus Victorius, Fulvius Ursinus, Angelus Politianus, Sigonius. Bembo, Ursinus, Muretus etc. Zeugniß geben, während die Propaganda zu Rom das Studium vieler Sprachen. besonders der orientalischen, nachdrücklich förderte. In der Mathematik, den Naturwissenschaften und der Medicin waren die Italiener unbestritten die ersten (Luca Pacioli, Cardanus, Bombelli, Cavalleri, Valerio, Castelli, Tartaglia, Maurolico, Fallopius etc.); diesen Rang behaupteten sie auch in der folgenden Zeit u. äußerten auf ganz Europa einen sehr nachhaltigen Einfluß, indem von ihnen die Verbindung der Mathematik mit den Naturwissenschaften und eine Reihe der wichtigsten Entdeckungen ausgingen (Galilei, Toricelli, Grimaldi, Riccioli, Spallanzani, Morgagni, Galvani, Volta). In andern Beziehungen waren die Leistungen der geistigen Thätigkeit vom 17. Jahrh. bis zu den Erschütterungen am Schlusse des 18. von untergeordneter Bedeutung. Der gefeiertste Dichter, Pietro Trapassi, bekannter als Metastasio, kann eigentlich nur auf weichen Wohllaut der Sprache, weniger auf poetisches Talent Anspruch machen, ein anderer, Marini, zeichnet sich durch seinen Schwulst aus; überhaupt schien es, als ob die ital. Poesie außer Operntexten nichts mehr zu schaffen im Stande sei. Nur das komische Epos fand in Tassoni u. Fortiguerra u. am Schlusse dieser Periode in Casti nicht unbedeutende Bearbeiter. Goldoni schuf zwar das eigentliche Lustspiel in Italien, dasselbe hat sich aber nicht weiter ausgebildet und bewegt sich in den gewöhnl. Intriguen- und Charakterstücken; am Schlusse der Periode erscheint erst der bedeutendste Tragiker, Alfieri. Auch die Prosa erhebt sich erst am Schlusse des 18. Jahrh. zur Reinheit u. Kraft durch Beccaria, Filangieri u.a.; die Geschichtschreibung ermangelt der Treue und nur in der historisch-antiquarischen Richtung und der Sammlung von Geschichtsquellen leisteten einzelne Italiener (Lanzi, Muratori etc.) Ausgezeichnetes; in der class. Philologie steht das lat. Lexikon des Facciolati u. Forcellini großartig, aber einsam da. Seit dem Anfange dieses Jahrh. ist die i. L. nach Sprache und Gehalt eine kräftigere geworden, die weichliche Reimerei hat sich fast gänzl. auf den Operntext beschränken müssen. doch hat der seichte u. sieche [454] Roman wie in Deutschland und Frankreich nur zu viele Schriftsteller u. Leser; ebenso ist der polit. Parteikampf und ungezügelte Oppositionsgeist nicht ohne vielfache störende Einwirkung auf die gesammte Literatur geblieben. Bedeutende dichterische Namen sind: Monti, Silvio Pellico, Foscolo, Grossi, Leopardi, Cagnoli, Prati, besonders Manzoni u. Niccolini. Die Geschichte findet viele und fleißige Bearbeiter; für die älteste Geschichte haben Micali und Inghirami Bedeutendes geleistet; die einzelnen Städte u. Staaten haben besonders für die Zeiten ihres Glanzes tüchtige Historiker gefunden. deren Namen bei den betreffenden Ländern und Städten genannt sind. Um die Philologie und Alterthumswissenschaft machten sich verdient: Cividone, Muzzi, Visconti, Rosselini, Angelo Mai etc.; um die Erdkunde: Belzoni und Drovetti, während die Mathematik u. die Naturwissenschaften wie früher gepflegt werden.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 453-455. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003388867