Jahn, Friedrich Ludwig

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Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), bekannt als "Turnvater", weil er das Turnen als patriotische Übung förderte. In vielen Städten in Deutschland gibt es Denkmäler, nach ihm benannte Straßen, Sportstätten oder Schulen. Eine Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft in Freyburg (Unstrut) will sein Erbe bewahren und verbreiten. Ins Gespräch gekommen sind auch nationalistische und antisemitische Tendenzen in Leben und Werk.


Auf Friedrichs Gemälde ist der junge Jahn dargestellt (links).


Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn, bekannt als Turnvater Jahn (* 11. August 1778 in Lanz (Prignitz); † 15. Oktober 1852 in Freyburg (Unstrut)), war ein deutscher Pädagoge, nationalistischer Publizist und Politiker. Er initiierte die deutsche Turnbewegung, die mit der frühen Nationalbewegung verknüpft war, um die deutsche Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung vorzubereiten. Aus dem von ihm begründeten Turnen ging unter anderem die heutige Sportart Gerätturnen hervor. Zahlreiche Turngeräte wie beispielsweise das Reck und der Barren wurden von ihm eingeführt. 1848 wurde Jahn Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Er war einer der Ideengeber für die Gründung der Urburschenschaft. https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Ludwig_Jahn


Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn (11 August 1778 – 15 October 1852) was a German gymnastics educator and nationalist whose writing is credited with the founding of the German gymnastics (Turner) movement as well as influencing the German Campaign of 1813, during which a coalition of German states effectively ended the occupation by Napoleon's First French Empire. His admirers know him as "Turnvater Jahn", roughly meaning "Father of Gymnastics Jahn". Jahn invented the parallel bars, rings, high bar, the pommel horse and the vault horse. https://en.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Ludwig_Jahn


Meyers 1907

[147] Jahn, 1) Friedrich Ludwig, der sogen. Turnvater, geb. 11. Aug. 1778 zu Lanz bei Wittenberge in der Priegnitz, gest. 15. Okt. 1852 in Freyburg a. d. Unstrut, besuchte, von seinem Vater, einem Prediger, vorgebildet, auch schon frühzeitig in körperlichen Fertigkeiten[147] geübt, 1791–94 das Gymnasium in Salzwedel, darauf kurze Zeit das zum Grauen Kloster in Berlin. Nach längern Wanderungen durch Deutschland widmete er sich 1796–1800 in Halle (wo er zeitweise wegen seiner Verfeindung mit den Landsmannschaften in einer Höhle bei Giebichenstein lebte), darauf in Jena und 1802 in Greifswald, wo er Arndt kennen lernte, dem Studium und zwar nach seines Vaters Bestimmung der Theologie, betrieb aber bald zumeist sprachliche Studien. Eine Frucht derselben ist seine damals mit Anerkennung aufgenommene Schrift »Bereicherung des hochdeutschen Sprachschatzes, versucht im Gebiete der Sinnverwandtschaft« (Leipz. 1806). Vorher schon war von ihm unter dem Namen Höpffner eine Schrift: »Über die Beförderung des Patriotismus im Preußischen Reiche. Allen Preußen gewidmet« (Halle 1800), erschienen. Nachdem er einige Zeit als Hauslehrer in Neubrandenburg in Mecklenburg gelebt und schon hierbei die Gabe entfaltet hatte, Scharen von Knaben durch Veranstaltung von Spielen und Leibesübungen an sich zu fesseln, ging er 1805 nach Göttingen, brach 1806 nach Ausbruch des Krieges auf, um in das preußische Heer zu treten, erreichte es aber erst nach der Schlacht bei Jena und flüchtete mit versprengten Resten bis Lübeck, von dessen Einnahme er Zeuge war. Die nächsten Jahre verbrachte er teils unstet wandernd (unter anderm besuchte er Guts Muths in Schnepfenthal) und den Haß gegen den Feind schürend, teils im Vaterhaus, wo er an seinem »Deutschen Volkstum« (Lüb. 1810; wiederholt, Leipz. 1817; auch in »Meyers Volksbüchern«, das. 1896) arbeitete, das zwar reich ist an absonderlichen und unausführbaren Vorschlägen, aber doch eindringlich die Lehre vom einigen Deutschland predigt und in der Erweckung nationaler Erziehung und eines volkstümlichen Heer- und Staatswesens die Rettung aus der Not der Gegenwart sieht. J. ließ es aber nicht bei den Worten. Nachdem er Ende 1809 nach Berlin gekommen und nach vorübergehender Lehrtätigkeit am Grauen Kloster an der Plamannschen Erziehungsanstalt eine Stelle gefunden, begann er im Sommer 1810 mit Knabenscharen ins Freie zu ziehen und Leibesübungen zu treiben. Mit dem Stamme derselben wurde im Frühjahr 1811 der erste Turnplatz (»Turnen« hatte J. diese Gymnastik genannt, anknüpfend an den Namen der alten Turniere, den er für einen echt deutschen hielt) in der Hasenheide eröffnet, wo bei sich mehrendem Zulauf der Jugend und steigender Aufmerksamkeit seitens der Erwachsenen die Übungen geregeltere Gestalt und durch Einführung von Geräten an Umfang gewannen. Zuweilen traten auch anstrengende Wanderungen an ihre Stelle. Unter Jahns Gehilfen, mit denen er dann auch in den Wintermonaten die Sache weiter förderte, steht obenan K. F. Friesen (s. d. 1). Wohl durfte der eigentliche Zweck dieser Übungen, die Erziehung zur Wehrhaftigkeit, nicht laut werden; aber die jugendlichen Gemüter ahnten, wie J. sagt, verschwiegen, was sie zu erstreben berufen waren. Auch durch den 1810 von ihm und andern gegründeten geheimen Deutschen Bund suchte J. die Befreiung des deutschen Bodens vorzubereiten. 1813 war J. der erste, der Berlin verließ und sich, noch vor des Königs Ausruf an sein Volk, in Breslau als Freiwilliger stellte, und von seinen Turnern zog mit ins Feld, wem es nur irgend Alter und Kräfte erlaubten (s. Eiselen 2). J. wurde einer der Werber der Lützowschen Freischar, bei der er dann als Volontäroffizier und (wie im Gefecht von Mölln) Kommandeur des 3. Bataillons stand; doch war auch während des Krieges seine Tätigkeit mehr eine agitatorische. Nachdem er 1814 noch für einige Zeit der Generalkommission der deutschen Bewaffnungsangelegenheiten zugeteilt worden war, nahm er die Tätigkeit auf dem Berliner Turnplatz wieder auf. Als 1815 Napoleons Rückkehr die wehrhaften Turner wieder ins Feld gerufen hatte, wurde J. von Hardenberg, der ihn schon im Frühjahr nach Wien hatte kommen lassen, nach Paris beschieden, wo er besonders durch eine Rede, mit der er die Herabnahme des aus Venedig entführten Siegesgespanns begleitete, Aufsehen machte. Die folgenden Jahre waren neben seiner Beteiligung an der von ihm mit gegründeten »Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache« und Vorträgen über deutsches Volkstum hauptsächlich wieder der Pflege der Turnkunst gewidmet, und es erschien 1816 die von J. und seinem Schüler Eiselen gemeinsam herausgegebene »Deutsche Turnkunst«, die den Bericht über die Entstehung der Sache, die bis dahin in den Gebrauch gekommenen Übungen und ihre Betriebsweise enthält (vgl. Turnkunst). Bei dem unbeschränkten Einfluß, den J. auf die sich ihm ergebende Jugend hatte, und bei der Rücksichtslosigkeit und Ungebundenheit seines Auftretens war es kein Wunder, daß die eintretende Reaktion ihren Verdacht auf J. und seine Sache in erster Linie lenkte. Im März 1819 wurde Jahns Turnplatz von der Regierung gesperrt und er selbst im Juli als des Demagogentums verdächtig verhaftet und von Festung zu Festung, zuletzt nach Kolberg geführt. Wenn auch das Breslauer, ihn auf einige unvorsichtige Äußerungen hin zu zweijähriger Festungsstrafe verurteilende Erkenntnis durch das Oberlandesgericht zu Frankfurt a. O. 1825 aufgehoben wurde (vgl. seine »Selbstverteidigung«, Leipz. 1863) und man ihm seinen 1814 bewilligten Gehalt beließ, so beschränkte doch die Regierung sein Aufenthaltsrecht und stellte ihn unter polizeiliche Aussicht. Er lebte von 1825–1828 in Freyburg a. d. Unstrut, später in Kölleda. Von schriftstellerischen Arbeiten erschienen von ihm noch unter andern. »Runenblätter« (Frankf. 1814), »Neue Runenblätter« (Naumb. 1828) und »Merke zum deutschen Volkstum« (Hildburgh. 1833), worin einzelne Abschnitte des »Volkstums« weiter ausgeführt wurden; dazu die Mitteilungen aus seinem Leben bis 1815 enthaltenden »Denknisse eines Deutschen, oder Fahrten des Alten im Bart« (Schleusing. 1835) und »Leuwagen für Fr. Heinrich Leo« (Leipz. 1837). Nach Friedrich Wilhelms IV. Regierungsantritt wurde J., der schon 1836 wieder nach Freyburg gezogen war, von der polizeilichen Aussicht befreit, erhielt auch das ihm bis dahin vorenthaltene Eiserne Kreuz. Vorarbeiten zu einer Geschichte des Dreißigjährigen Krieges wie auch zu einer von ihm beabsichtigten Geschichte der Lützower Schar vernichtete eine 1838 bei ihm ausgebrochene Feuersbrunst, die seine Wohnung und Bibliothek in Asche legte. Den erlittenen Verlust deckte eine öffentliche Sammlung, die ihm auch er möglichte, sich nun ein eignes Haus zu bauen. Trotzdem wußte er bald darauf eine neue Sammlung für sich ins Werk zu setzen. Doch war auch sein Haus eine allezeit gastliche Stätte für turnerische und patriotische Freunde. 1848 wurde er von dem Wahlkreis seines Wohnortes in das deutsche Parlament gewählt; aber so sehr sich die Einheitsträume seiner besten Zeit jetzt verwirklichen zu können schienen, so wenig wußte er sich in die neue Zeit zu finden und gehörte nach stark radikalen Anwandlungen schließlich zu den konservativsten Elementen der Versammlung, in der er nur selten, z. B. zur[148] Befürwortung des erblichen Kaisertums mit preußischer Spitze, das Wort ergriff. Innerlich gebrochen und um einen guten Teil seiner Popularität, auch in turnerischen Kreisen, gebracht, kehrte er nach Freyburg zurück. Wenn durch die Schwächen, die in den letzten Jahrzehnten seines Lebens mehr und mehr hervortraten, wie durch die ungefügen, oft an das Rohe und Renommistische streifenden Seiten seines Wesens überhaupt die Erinnerung an seine Persönlichkeit bei seinen Zeitgenossen sicher getrübt worden ist, so gilt es, einmal zu bedenken, daß man ihn in der besten Zeit seines Schaffens von dem eigentlichen Boden desselben losgerissen und zu einem Leben verurteilt hat, das für einen Mann seines Schlages nur Müßiggang und selbstgefälliges Zehren vom altem Ruhm bedeuten konnte, und ferner, daß ihn eine Zeit gereist hat, in der es not tat, in bewußtem Gegensatz zu Überfeinerung und Verweichlichung ein gesundes, wehrhaftes Geschlecht heranzuziehen. Jahns großes patriotisches Verdienst kennzeichnet am besten der Ausspruch in einem Bericht der Bundestagskommission, daß er es sei, »der die höchst gefährliche Lehre von der Einheit Deutschlands aufgebracht habe«. Sein »Deutsches Volkstum« und seine ganze Tätigkeit bis zu seiner Verhaftung gaben ihm allerdings das Recht, sich hieran ein wesentliches Verdienst zuzuschreiben, und wenn sein Deutschtum in einem stark entwickelten preußischen Patriotismus und dazu in entschiedenem Franzosenhaß seinen stärksten Rückhalt fand, so entspricht das doch nur dem Verlauf unsrer Einheitsbewegung. J. ist auch der eigentliche geistige Urheber der Burschenschaft. Auch seine Bemühungen um unsre Sprache sichern ihm, wenn ihnen auch die feste wissenschaftliche Grundlage fehlt, das Verdienst, die Ergiebigkeit der Mundarten für die Bereicherung der Schriftsprache erkannt und durch zahlreiche lebensfähige Wortschöpfungen, besonders auf dem Gebiete der Turnkunst, gezeigt zu haben. Auch erhebt sich seine Sprache trotz unverkennbarer selbstgefälliger Künstelei doch nicht selten, wie z. B. in den bekannten Worten auf K. F. Friesen, zu wahrhaft klassischer Schönheit. Die nachhaltigste Erinnerung sichert ihm die Turnkunst. Nicht nur, daß er durch Einführung von Geräten die Entwickelung einer großen Übungsmannigfaltigkeit anbahnte, er hat durch den engen Zusammenhang, den er seinen turnerisch-erzieherischen Bestrebungen mit dem nationalen Gedanken und Bedürfnis zu wahren wußte, und durch die begeisternde Gewalt seiner Persönlichkeit dem Turnen erst seine bleibende Stätte in Deutschland gesichert. Mit Recht nennt man ihn so den »Turnvater« und hat ihm als solchem 1872 auf dem Turnplatz in der Hasenheide ein Erzstandbild von Enckes Hand auf einem Steinhügel errichtet, zu dem Deutsche aus allen Gauen und selbst aus überseeischen Erdteilen Steinblöcke gesandt haben. Ein Grabdenkmal (Bronzebüste von Schilling) war ihm bereits 1859 in Freyburg gesetzt worden, wo 1894 über seinem Grab auch eine stattliche Erinnerungsturnhalle und 1903 das Jahn-Museum von der deutschen Turnerschaft erbaut worden sind (s. Freyburg). Jahn-Gedenksteine und andre Denkmäler sind ihm auch noch an andern Orten errichtet. Die 1863 gegründete und in Leipzig verwaltete Pensionskasse für Turnlehrer und deren Hinterbliebene nennt sich Jahn-Stiftung (vgl. »Turnzeitung«, 1866, Nr. 8). Jahns Werke wurden zum erstenmal gesammelt und mit Anmerkungen herausgegeben von Euler (Hof 1883–87, 2 Bde.), in Auswahl von Hoffmeister (Berl. 1890). Sein Leben beschrieben Pröhle (Berl. 1855) und Euler (Stuttg. 1881, nur die Hauptzeit seines Wirkens bis 1819 eingehend behandelnd, ergänzt durch Aufsätze in der »Deutschen Turnzeitung«), in kürzerer Fassung Angerstein (das. 1861), Diesterweg (Frankf. 1864), Schultheiß (Berl. 1894) und Wolfg. Meyer (das. 1904). Vgl. auch J. Friedrich, J. als Erzieher (Münch. 1895).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 147-150. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006835287


Brockhaus 1838

[480] Jahn (Friedr. Ludw.) ist ein Mann, der durch seine Begeisterung für deutsches Vaterland und deutsche Sprache, sowie durch sein Streben neben der geistigen Erziehung auch eine naturgemäße Pflege und Kräftigung des Körpers wieder einzuführen, um seine Zeitgenossen sich große Verdienste erworben hat, der aber in dem Eifer für seine Pläne vielfach zu weit gegangen ist, sodaß er sich Verfolgungen aussetzte, wegen welcher man den hochherzigen und biedern Mann nur bedauern kann. I. wurde 1778 als Sohn eines Landpredigers in Pommern geboren, studirte dann in Jena und Halle und besuchte noch verschiedene andere Universitäten, schon damals eifernd gegen die unpatriotische Gesinnung, nach welcher sich die Studirenden auf den Universitäten in sogenannte Landsmannschaften vereinigten, als ob nur die Provinz, aus der sie stammten, nicht das gesammte Deutschland ihr Vaterland wäre. Im J. 1809 wurde I. Lehrer der Gymnastik bei einem Institute in Berlin und bald arbeitete er seinen Plan aus, dem er durch seine 1811 errichtete öffentliche Turnanstalt zu verwirklichen dachte. Die Erniedrigung Deutschlands unter dem Schwerte eines übermüthigen Siegers, des franz. Kaisers, hatte in I. nämlich den Gedanken lebendig gemacht, daß eine bessere Zeit, eine Zeit vaterländischer Freiheit, von einer geistigen wie körperlichen Ermannung der deutschen Jugend zu erwarten sei. Nur durch die letztere konnte nach seiner Überzeugung die erstere gedeihen und zugleich durch ein Abthun alles Dessen, was dem Aufkommen vaterländischer Gesinnung im Wege stand, besonders der Nachahmungssucht des Auslandes in Kleidung, Sitten und Sprachen. Er hatte sehr richtig bemerkt, daß, wenn sich ein Volk erst seiner Eigenthümlichkeiten begibt, um dafür die eines andern anzunehmen, es dann diesem andern in Wahrheit schon unterthan ist, und daß es ihn bei der ersten äußern Veranlassung auch als Staat unterthan werden muß. Die Turnkunst sollte nun die Kraft des Volks üben und erneuen, und durch Reden und Schriften eiferte I. heftig gegen die Ausländerei und drang vornehmlich auf Wiederherstellung einer reindeutschen Sprache. Als 1813 der Kampf gegen Frankreich losbrach, hatte Mancher aus I.'s Umgang und Schriften eine auf Überzeugung gegründete Begeisterung geschöpft und I. selbst zog als Freiwilliger mit in den Freiheitskampf. Nach seiner Rückkehr aus dem Kriege wurde I. vom Staate als Turnlehrer besoldet und hielt seit 1817 zu Berlin Vorlesungen über deutsches Volksthum. Bekanntlich aber wurden schon 1819 die Turnplätze geschlossen und es begannen die Untersuchungen wegen staatsgefährlicher Verbindungen und Gesinnungen, in welche auch I. und seine Anhänger verflochten wurden. Gewiß ist es, daß die von I. bekannte Gesinnung, nach welcher offen das Streben nach möglichster Vereinigung Deutschlands bekannt wurde, leicht einen Charakter annehmen konnte, der dem einmal bestehenden und nicht so leicht, wie sich jugendliche und kampfesmuthige Begeisterung vorspiegeln mochte, zu ändernden Staatsverhältnissen entgegen und der gesetzmäßigen Ausbildung der einzelnen Staaten hinderlich war. I. wurde, als er eben im Begriff war, einem Rufe als Professor nach Greifswald zu folgen, im Jul. 1819 als demagogischer Umtriebe verdächtig gefangen genommen und erst nach Spandau, dann nach Küstrin gebracht und endlich in Berlin in Untersuchung gezogen. Da man keine thatsächlichen Beweise seiner Schuld aufbringen konnte, so schickte man ihn unter Belassung seines ihm bisher vom Staate ertheilten Gehalts 1820 als Festungsgefangenen nach Kolberg bis zu erfolgter Entscheidung. Nachdem ihm das Oberlandesgericht zu Breslau 1824 zweijährigen Festungsarrest zuerkannt hatte, sprach im folgenden Jahre das Oberlandesgericht zu Frankfurt a. d. O. das Urtheil aus: »Daß I. von der Anschuldigung durch freche Äußerungen über die bestehende Verfassung und Einrichtung des preuß. Staats Misvergnügen und Unzufriedenheit erregt zu haben, freizusprechen sei.« I. hielt sich nun nach seiner Freigebung erst zu Freiburg an der Unstrut, dann zu Kölleda in der preuß. Provinz Sachsen auf, und hat sich weder in seiner Gesinnung noch in seiner äußern Erscheinung geändert. Er trägt noch die Turnerkleidung und ist zuweilen, freilich die neuern Bestrebungen der Zeit von seinem bereits veralteten Standpunkte aus verkennend, noch in Schriften gegen solche Richtungen aufgetreten, in denen er eine Wiederannäherung an die gefährliche Ausländerei wahrnahm. Unter seinen Schriften sind auszuzeichnen: »Das deutsche Volksthum« (Lübeck 18102 Aufl., 1817); »Deutsche Turnkunst« (herausgegeben mit Eiselen, Berl. 1816); »Runenblätter« (Naumburg 1814); »Neue Runenblätter« (Naumb. 1828); »Werke zum deutschen Volksthum« (Hild. burghausen 1833).

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 480. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000835552


Herders 1855

[463] Jahn, Friedr. Ludwig, bekannt als der Turnvater und als ein aufrichtiger, wenn auch in Folge seiner protestant. Weltanschauung sehr einseitiger Patriot, geb. 1778 in der Priegnitz, studierte Theologie, wurde Hauslehrer, mit E. M. Arndt befreundet und nahm solchen Antheil an den damaligen traurigen Geschicken Deutschlands, daß die Schlacht bei Jena 1806 ihm in Einer Nacht graue Haare gebracht haben soll. In Berlin, wo J. sich seit 1809 aufhielt, reiste in ihm der Gedanke, durch Leibesübungen eine starke Jugend heranzuziehen und diese für Deutschlands Befreiung vorzubereiten. Fichtes Reden an die deutsche Nation begeisterten J. zu seinem »Deutschen Volksthum«, Lübeck 1810, 2. Aufl. 1817, französ. Paris 1825; 1811 errichtete J. eine Turnanstalt auf der Hasenhaide zu Berlin und schon 1813 ergriffen Tausende von Turnern die Waffen gegen die Franzosen. J. selbst trat in das Lützowʼsche Freicorps ein und war 1815 mit beim Einzug in Paris. Im Jahr 1817 hielt er körnige Vorlesungen über deutsches Volksthum zu Berlin, galt als ein Hauptvertreter der teutomanischen Bestrebungen der Burschenschaft (s. d.) und ärntete 1819 nach Schließung der Turnplätze Hast und Untersuchung, die bis 1825 hinausgeschleppt wurden. Trotz des freisprechenden Erkenntnisses hörten die Verfolgungen nicht auf und erst der jetzige König von Preußen gab dem alternden Manne sein freies Aufenthaltsrecht zurück. J. ließ sich zu Freiburg an der Unstrut nieder, mußte 1844 durch Sammlungen vor der Gefahr beschützt werden, daß man sein Haus versteigerte, u. saß 1848 im Frankfurter Parlament, wo er durch sein Aeußeres u. sein ganzes Gebahren kund that. daß er ganz und gar ein Burschenschafter veralteten Schlages geblieben sei. Er st. 1852 zu Freiburg a. d. U.; außer dem Volksthum schrieb er: »Die deutsche Turnkunst«. Berlin 1816; »Merke zum deutschen Volksthum«, Hildburghausen. 1833.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 463. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003389537


Pierer 1859

Jahn 2) Friedrich Ludwig, der Turnvater genannt, geb. 11. Aug. 1778 in Lanz in der Priegnitz, Sohn eines Predigers; studirte in Halle u. Göttingen Theologie, war dann Hauslehrer in Greifswald, ging 1805 nach Jena, um preußischer Soldat zu werden, u. floh nach der Schlacht mit nach Lübeck; 1809 kam er nach Berlin, wurde 1810 Lehrer am Kölnschen Gymnasium u. gründete hier 1811 eine Turnanstalt, um die Jugend durch Entwickelung der physischen Kräfte u. Abhärtung von der weichlichen Erziehung abzuleiten; 1813 sprach er kräftig für die Erhebung des preußischen Volks, trat mit den meisten seiner Turner in das Lützowsche Korps, wurde hier Offizier u. führte temporär das dritte Bataillon. Nach dem Frieden nach Berlin zurückgekehrt, richtete er sogleich seine Turnanstalt wieder ein, wurde 1817 als Turnlehrer angestellt u. hatte großen Zulauf. Da aber über der Sorge für körperliche Gewandheit u. Stärke nicht nur der Sinn für gute Sitte u. Anstand vernachlässigt, sondern auch die Jugend in die Politik gezogen wurde, so entstand, nachdem schon Eltern u. Vormünder der Pfleglinge der Turnanstalt sich mißbilligend über die dortige Erziehung ausgesprochen hatten (vgl. Wadzeck), auch von Staatswegen Argwohn gegen die Jahnsche Art, u. 1819 wurden nicht nur die Turnanstalt in Berlin u. dem ganzen Preußischen Staate geschlossen, sondern auch J. selbst, der eben einen Ruf als Professor nach Greifswald annehmen wollte, demagogischer Umtriebe verdächtig, verhaftet, zur Untersuchung gezogen u. nach Spandau, dann nach Küstrin u. zuletzt 1820 auf ministeriellen Befehl nach Kolberg gebracht; er wurde zwar 1824 durch das Oberlandsgericht in Breslau zu zweijähriger Festungsstrafe verurtheilt, durch das zu Frankfurt a. d. O aber 1825 freigesprochen u. lebte, mit Beibehaltung seines Gehalts, zu Freiburg an der Unstrut, dann auf polizeilichen Befehl seit 1829 zu Kölleda; doch erhielt er hernach Erlaubniß wieder nach Freiburg zurückzukehren, wo 1838 seine Wohnung abbrannte. 1848 wurde er vom Freiburger Wahlbezirk in die Deutsche Nationalversammlung gewählt, wo er zur äußersten Rechten gehörte u. in den Septembertagen kaum thätlichen Mißhandlungen entging. Er st. 15. Oct. 1852 in Freiburg u. schr.: Deutsches Volksthum, Lübeck 1810, 2. Ausg. Berl. 1816; Runenblätter, ebd. 1816; Die deutsche Turnkunst, ebd. 1816; Neue Runenblätter, Naumburg 1828 u.a.m.; Lebensbeschreibung von Pröhle, Berl. 1855.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 713-714. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010155813


Brockhaus 1911

[887] Jahn, Friedr. Ludw., der sog. Turnvater, geb. 11. Aug. 1778 zu Lanz in der Priegnitz, 1810 Lehrer am Gymnasium zum Grauen Kloster zu Berlin, eröffnete 1811 eine Turnanstalt in der Hasenheide, nahm im Lützowschen Korps an den Feldzügen 1813 und 1814 teil, 1819 als Demagog verhaftet, 1824 zu zweijähr. Festungsstrafe verurteilt, 1825 freigesprochen, lebte, in seinem Aufenthaltsrecht beschränkt, zu Freyburg a. U., 1829-36 zu Cölleda; 1848 in die Deutsche Nationalversammlung gewählt, hielt er sich zur äußersten Rechten, gest. 15. Okt. 1852 zu Freyburg; schrieb: »Runenblätter« (1814), »Merke zum deutschen Volkstum« (1833), »Die deutsche Turnkunst« (mit Eiselen, 1816), »Werke« (3 Bde., 1884-87), Auswahl (1890). Bronzestandbild 1872 in der Hasenheide zu Berlin; Erinnerungsturnhalle und Jahnmuseum 1894 in Freyburg [887] errichtet. – Vgl. Pröhle (2. Aufl. 1872), Euler (1881), Schultheiß (1894), Friedrich (1895). – Jahnstiftung, seit 1863, Pensionskasse für Hinterlassene von Turnlehrern.

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 887-888. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001221213