ASA-Manifest 1973

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ASA-Manifest 1973:

1. Ein Gedicht ist an und für sich ein Ding. 
2. Ein Gedicht soll eine Betonung aufs Poetische legen. 
3. Ein Gedicht soll eine Betonung aufs Design legen. 
4. Ein Gedicht soll auf Schöpfung der spracheigenen Schönheit gerichtet sein. 
5. Poesie soll übernational sein. 
6. Poesie soll auf eine organische Beziehung zwischen Struktur und Funktion der Sprache gerichtet sein. 
7. Ein Gedicht soll ein visuell-akustisch-semantisches Wesen sein. 
8. Ein Gedicht soll durch Wörter oder Wort-Elemente einen Kern visueller oder akustischer Energie enthalten. 
9. Ein Gedicht wird von Phonemen oder Wortklängen gemacht. 
10. Ein Gedicht ist eine Kommunikationsweise des augenblicklichen Verstehens. 
11. Ein Gedicht soll der Natur einer ideographischen oder hieroglyphischen Schrift entsprechen. 
12. Poesie ist keine hybride Kunst. 
13. Poesie ist als Mittel der Umweltgestaltung produziert worden. 
14. Das Weltbild, das jedes Gedicht erzeugt, wird von der Sprache, die wir benutzen, kontrolliert. 
15. Poesie muß sich unserer universalen Existenz im Weltraumzeitalter bewußt werden.

Vor diesen Manifest hatte Niikuni schon 1965 "Das dritte Manifest des Spatialismus / Für eine übernationale Poesie" mit Pierre Garnier zusammen und 1968 das "TOKYO-Manifest für den Spatialismus" allein verfaßt. Mit dem zitierten Manifest 73, das von ihr entworfen wurde und durch Briefwechsel mit mir zur endgültigen Fassung kam, wollte Niikuni die konkrete Poesie, deren Tod schon 1970 in und nach einer großen internationalen Ausstellung in Amsterdam öffentlich ausgesprochen worden war, wiedererwecken. Eben darum erkennt man an dem Manifest einige theoretische Stichworte von Vorgängern wie Pierre Garnier, Eugen Gomringer, Max Bense und der Noigandres-Gruppe.

Das Manifest bedeutete für ihn eine theoretische Zusammenfassung der vergangenen Resultate und zugleich ein Grundprinzip für die Weiterentwicklung. Bei Niikuni war Sprache kein Ausdrucksmittel eines Gedankens oder Gefühls mehr, sondern als Materie war Sprache an sich ein Gegenstand. Aufgrund dieses Prinzips produzierte er seine Texte, derer Struktur zugleich Inhalt ist und die als ganzes ideogrammatisch sind. Deshalb sind sie gleich nach dem Sehen zu verstehen. Er wollte einen Text zur ästhetischen Realität machen, aber nie zur hybriden Kunst. Seine Texte blieben darum - folgerichtig - sprachintern.

Aus: Hiroo Kamimura: Japanische konkrete und visuelle Poesie im internationalen Kontext hier

[Nachwort zu: Aktuelle konkrete und visuelle Poesie aus Japan. Zusammengestellt und mit einem Nachwort von Hiroo Kamimura. Experimentelle Texte, Nr. 6. Siegen 1986. Das Nachwort wurde berücksichtigt für die Essayfolge "Stuttgart - Japan und zurück oder Ein japanisch-deutscher Literatur- und Schriftwechsel " (1995) von Reinhard Döhl und Hiroo Kamimura]