Fähranstalten in Pommern

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[424] Fähranstalten (Trajektanstalten) (ferrys; service de bacs; tragitti) dienen zur Überführung von Eisenbahnfahrzeugen über Flüsse, Landseen und Meerengen, wenn Brücken und Unterwassertunnel aus wirtschaftlichen, örtlichen oder sonstigen Rücksichten nicht in Frage kommen.

Die Entwicklung der F. ging von England aus. Hier wurde bereits 1851 die erste F. über den 8∙8 km breiten Firth of Forth und ein Jahr darauf die F. über den 1∙4 km breiten Firth of Tay eröffnet.

Bald darauf wurden solche Anstalten in Holland, an der Elbe, am Rhein und später – 1868 – auf dem Bodensee, auf verschiedenen Schweizer Seen, auf der Donau und namentlich an der westlichen Ostsee hergestellt, wo die geographischen Verhältnisse und wirtschaftlichen Vorbedingungen für die Errichtung von F. besonders günstig sind.

Im Jahre 1872 wurde die erste dänische 2∙3 km lange Fährverbindung Friedericia-Strib und 1882 die gleich lange Fährverbindung Stralsund-Altefähr eröffnet.

Zur höchsten Blüte hat sich das Eisenbahnfährwesen in Nordamerika entwickelt, wo Hunderte von Fähren auf den großen Binnenseen und auf den Meeresbuchten bei San Francisco, New York und Philadelphia im Betriebe sind. Die amerikanischen Fähren sind vielfach dreigleisig, einige auch viergleisig.

Die größte ist die bei San Francisco betriebene Fähre Solano, die gleichzeitig 48 Eisenbahnwagen mit Lokomotive aufnehmen kann.

Die größte Längenausdehnung weist eine Fährlinie auf dem Michigansee mit 380 km Länge auf.

Die F. bestehen aus den Landevorrichtungen (Landungsbrücken, Fährkammern, Fährhäfen) zur Überführung der Eisenbahnwagen auf die Fährschiffe und aus den Fährschiffen (Fähren, Fährbooten) zur Beförderung der Eisenbahnwagen von Ufer zu Ufer.

Schiffe wie Landungsvorrichtungen sind in Bauart, Anordnung, Einrichtung und Abmessungen außerordentlich verschieden, je nachdem es sich darum handelt, einige schmalspurige Kleinbahnwagen über ruhige, wenig breite Gewässer mit geringem Wasserstandswechsel oder ganze D-Züge über weite, offene, den Stürmen ausgesetzte Meeresstrecken im regelmäßigen Weltverkehr pünktlich und sicher zu befördern.

Nachstehend soll an zwei kleineren und zwei größeren in der Neuzeit ausgeführten Anlagen das Wesentliche der F. erläutert werden.

1. Die Wittower F. bietet ein Beispiel für F. kleinster Bauart. Sie vermittelt seit dem Ende des Jahres 1896 den nur geringen Verkehr auf der Rügenschen Kleinbahnstrecke Bergen-Altenkrichen über den nur 630 m breiten Zugang zum Breetzer Bodden. Die Spurweite der Kleinbahn beträgt 0∙75 m, der größte Raddruck der Eisenbahnfahrzeuge 3 t. Der höchste Wasserstand liegt 1 m über, der niedrigste 0∙6 m unter dem normalen Wasserspiegel. Es verkehren täglich nur 3–4 Zugpaare. Seit einigen Jahren dient die F. gleichzeitig dem Straßen verkehre. Sie kann nur 3 Kleinbahnwagen oder eine Lokomotive und 2 Wagen aufnehmen.

Von einer Straßenfähre unterscheidet sie sich nur durch die auf Deck eingebauten Schienen.

Die 11 m lange Landungsbrücke dreht sich an dem landseitigen Widerlager um wagerechte Bolzen und ist an dem wasserseitigen Widerlager an Schraubenspindeln aufgehängt, die – je nach dem Wasserstande – ein Heben und Senken der Brückentafel nur in senkrechter Richtung ermöglichen.

Die Brücke kann sonach den Bewegungen des Fährbootes nicht folgen, was im Betriebe als ein Übelstand beim Übersetzen der Wagen empfunden wird.

Die Fährboote sind an beiden Enden gleichartig gebaut und an jedem Ende mit Steuer und Schraube versehen, um in der schmalen, starken Winden und Strömungen ausgesetzten Fahrrinne ein Wenden zu vermeiden. Ursprünglich wurden die Boote mit einer Dampfmaschine von 45 PS. betrieben.

Da der Dampfbetrieb bei nur 2–3stündiger Arbeitsleistung und 14–16stündiger Dienstbereitschaft sich verhältnismäßig teuer gestaltete, so ist seit 1912 ein neues Fährboot mit einem Ölmotor von 60 PS. in Dienst gestellt, wodurch die Ausgaben für Brennstoffe sich um mehr als die Hälfte ermäßigten. Die Eisenbahnwagen werden bei unruhiger See zur Sicherung gegen Ablaufen mit Flaschenzügen an Deck befestigt und an den Enden des Bootes durch aufklappbare Buffer festgehalten.[424]

(...)

Die Dauer einer einfachen Fahrt beträgt 5 Minuten. In, dem vorliegenden ähnlichen Fällen verdient der Ölmotor zweifellos den Vorzug vor der Dampfmaschine.

2. Die F. über den Köhlbrand in Hamburg (Abb. 348 u. 349) soll dem Eisenbahn- und Personenverkehr zwischen den neuen Hafenanlagen der Elbinsel Waltershof und den durch den Köhlbrand getrennten Hafenanlagen auf Roß-Neuhof dienen. Die Landungsstellen liegen etwa 400 m weit voneinander entfernt. Der Wasserstandswechsel beträgt bei Sturmflut mehr als 7 m. (...)

3. Die Fährverbindung Warnemünde-Gjedser bietet ein Beispiel für moderne Seefähren. Sie vermittelt seit 1903 den sehr regen Eisenbahnverkehr auf der Linie Berlin-Kopenhagen [426] über die hier 42 km breite, oft stürmische und dem Eisgang ausgesetzte Ostsee in zweistündiger Seefahrt. (...)

4. Die Fährverbindung Saßnitz-Trelleborg (Taf. IX), 1909 eröffnet, stellt eine unmittelbare Eisenbahnverbindung zwischen Berlin und Stockholm einerseits und zwischen Berlin und Göteborg-Kristiania anderseits her. Die Seestrecke zwischen Saßnitz und Trelleborg ist 107 km lang. Die Seefahrt dauert 4 Stunden. Für Seereisen von so langer Dauer konnten nur sehr große und sehr schnelle Fährschiffe in Frage kommen, die in einen erfolgreichen Wettbewerb mit den vorhandenen Dampferlinien eintreten konnten. Die großen Abmessungen der Fährschiffe wirkten auf die Abmessungen und den Ausbau der Hafen-, Landungs- und Bahnhofsanlagen ein, so daß eine Fährverbindung entstanden[427] ist, die in ihrer Art als die zurzeit großartigste betrachtet werden kann.

Eisenbahn- und Hafenanlagen wurden sowohl in Saßnitz als auch in Trelleborg unter Aufwendung sehr großer Mittel im Interesse des Fährverkehrs großzügig ausgebaut. Die Molen wurden verlängert und erweitert. Das Fährwasser für die 4∙9 m tief gehenden Fährschiffe ist im Hafen auf 6∙5 m und vor dem Hafen auf 7∙5 m vertieft; die Leuchtfeuer sind verbessert. Nicht nur Fährkammern und Landungsbrücken mußten gebaut werden, es mußte auch für Zollschuppen, Kohlenlager- und Kohlenverladevorrichtungen, Werkstätten, Telefunkenstationen, Wagenaufstellungsgleise gesorgt werden. Sogar eine neue große Quarantäneanlage im Saßnitzhafen kann als eine Folge der F. angesehen werden. Die Fährbetten weichen in ihrer Grundrißanordnung von denen der Linie Warnemünde-Gjedser insofern ab, als hier kurze Mittelzungen und lange Seitenbacken, dort lange Mittelzungen und kurze Seitenbacken gewählt sind (vgl. Abb. 350 u. 351). Letzteres ist vorzuziehen, damit bei heftigen Seitenwinden die ein- oder ausfahrenden Fährschiffe mit den im Fährbett liegenden Schiffen nicht so leicht kollidieren können. Die Fährbettwandungen sind in Saßnitz aus Pfahlwerk, in Trelleborg aus Beton erbaut. Zur Schonung der Schiffswandungen und Scheuerleisten sind auch bei massiven Fährbettwandungen Leitwerkpfähle vor den massiven Wandungen und zwischen beiden Puffer nicht zu entbehren. Je größer die Elastizität der Fährbettwandungen, um so größer ist ihre Haltbarkeit, um so geringer sind die Unterhaltungskosten für Schiff und Fährbett, und um so schneller wird das Fährschiff aus der Krängung (seitliche Neigung) in die normale Lage zurückgehen. Die Landungsbrücken (Abb. 352–353) haben eine Gesamtlänge von 50 m erhalten, um alle Eisenbahnfahrzeuge bei jedem Wasserstande überführen zu können. Der bisher beobachtete größte Wasserstandswechsel beträgt für Saßnitz 3∙4 m. Um den Auflagerdruck auf das Schiff beim Übersetzen von Wagen und damit die Handhabung der Brücke so leicht als möglich zu gestalten, sind zwei getrennte Brückentafeln von je 25 m Länge hintereinander angeordnet worden. Die eisernen Überbauten bestehen aus Fachwerksträgern mit untenliegender Fahrbahn, so daß Eisstauungen in den Brückenkammern keine nachteiligen Einwirkungen auf die Brückenkonstruktion ausüben können. Am Stoße der beiden Überbauten ist ein Mittelportal als Hubrahmen angeordnet, an dem beide Überbauten in Schraubenspindeln aufgehängt sind und je nach dem Wasserstande gehoben und gesenkt werden können. Dies wird nur in seltenen Fällen nötig, da der gewöhnlich vorkommende Wasserstandswechsel allein mit Hilfe der wasserseitigen Brückentafel ausgeglichen werden kann. Das landseitige Brückenende dreht sich um ein fest verankertes Zapfenkipplager. Das Ende der wasserseitigen Brückentafel ist an einem[428] Endportal aufgehängt, das gleichzeitig zur Aufnahme der Gegengewichte dient, die ein Ausgleichen der Brückenlast, d.h. ein fast vollständiges Aufheben des Eigengewichtes der wasserseitigen Überbauten bezwecken, so daß auf das Schiff selbst nur die Verkehrslast drückt. Um beim Einfahren des Fährschiffes in das Fährbett einen Zusammenstoß zwischen Brücke und Schiff zu vermeiden, ist das wasserseitige Ende der Brücke stets in der Höchststellung zu erhalten. Nach Einfahrt des Schiffes in das Fährbett wird die Brücke auf das Schiff herabgelassen und durch einen starken Kupplungsbolzen mit ihm verbunden. Die wasserseitige Brückentafel ist derart gelenkig eingerichtet, daß sie allen Schwankungen des Schiffes folgen kann. Bei voller einseitiger Belastung des Schiffes tritt eine seitliche Neigung (»der Krängung«) bis zu 5 Grad ein. Eine Herabminderung der Krängung kann künstlich dadurch erreicht werden, daß das Schiff durch Aufnahme einseitigen Wasserballastes in eine entsprechende Gegenneigung gebracht wird. Abweichend von allen anderen Landungsbrücken für zweigleisige Fähren ist die Weiche nicht auf dem Schiffe selbst, sondern auf der Brücke angeordnet. Hierdurch wird der Vorteil einer besseren Gleisanordnung auf dem Lande und dem Schiffe und damit eine zweckmäßigere Raumausnutzung erreicht. Es wurden für den Dienst der von Preußen und Schweden gemeinsam betriebenen Linie 4 Fährschiffe – 2 preußische und 2 schwedische mit einem Gesamtaufwande von rund 9 Millionen Mark beschafft. Der Fährbetrieb ist derart geregelt, daß je 2 Schiffe abwechselnd 6 Wochen in Dienst gestellt sind und 6 Wochen in Reserve liegen.[429] Die 4 Fährschiffe zeigen im wesentlichen die gleiche Bauart und sind mit 16 Knoten Geschwindigkeit in der Stunde die schnellsten ihrer Art. Zur Erhöhung der Sicherheit haben die Schiffe einen über die ganze Länge des Schiffes sich erstreckenden Doppelboden erhalten, und sind durch 9 bis zum Wagendeck reichende Querschotte in 10 wasserdichte Abteilungen geteilt, mit Unterwasserschall-Hörapparaten sowie mit Einrichtungen für drahtlose Telegraphie, Scheinwerfern, Rettungsbooten u.s.w. ausgerüstet. Zur Erhöhung der Seetüchtigkeit ist das Vorschiff mit scharfem Steven ausgebildet und der Bug gegen Eisdruck besonders verstärkt. Eine Folge dieser Bauart ist, daß die Wagen nur vom Heck aus auf Deck geschoben werden können und die Schiffe nach rückwärts in die Fährbetten einfahren müssen. Zur Erhöhung der Steuerfähigkeit beim Rückwärtseinfahren ist außer dem Heckruder in den Vordersteven noch ein kleines Bugruder eingebaut. Auf eine zweckmäßige Anordnung und gute Ausstattung der Räume ist großer Wert gelegt. Im hinteren Zwischendeck sind vornehm eingerichtete Kammern für 70 Reisende 1. und 2. Klasse und 24 Bedienstete, im vorderen Zwischendeck 2 große Schlafräume nebst großem Speisesaal für Reisende 3. Klasse sowie Räume für die Besatzung und die Bedienung vorgesehen. Auf dem Hauptdeck (Wagendeck) sind Doppelgleise von je 80 m Nutzlänge zur Aufnahme von 8 D-Zugwagen oder 18 Güterwagen eingebaut. Sämtliche Wagen stehen in einem vollständig geschützten Räume. In umfassender Weise ist für die Befestigung der Wagen bei hohem Seegange gesorgt (vgl. Abb. 354).

Vom Wagendeck aus kann man über Treppen zu dem seitlich des Wagenraumes angebauten Galeriedeck und von da aus zu dem Promenadendeck gelangen. Hier sind am Vorderrande ein großer Speisesaal mit etwa 100 Sitzplätzen und Küchen sowie Anrichteräume vorgesehen. Von dem vor dem Speiseraume liegenden Vorräume aus erreicht man durch geschützte Wandelgänge die auf dem hinteren Promenadendeck gelegenen Gesellschaftsräume und die Fürstenzimmer. Von da aus führt eine bequeme Treppe direkt zu den Schlafkabinen im Zwischendeck. Sämtliche Räume sind gut beleuchtet und werden durch Dampf geheizt. Auch an Badeeinrichtungen fehlt es nicht an Bord. Über dem Speisesaal sind die Offiziersräume und die vordere Kommandobrücke, über den Fürstenzimmern die hintere Kommandobrücke angeordnet, die beim Rückwärtseinfahren in die Häfen benützt wird. (...)

Die Geschwindigkeit beträgt 165 Knoten in der Stunde.

Die schwedischen Fährschiffe weisen in den Hauptabmessungen und in der Raumeinteilung nur unwesentliche Abweichungen von den deutschen Schiffen auf.

Bei den Fähranlagen in Trelleborg und Saßnitz sind in manchen Einzelheiten bemerkenswerte Abweichungen vorhanden, die durch die Verschiedenartigkeit der örtlichen Verhältnisse begründet sind. Während der Hafen von Saßnitz durch die hochaufragende, ziemlich steil abfallende Küste vor Nord- und Westwinden gut geschützt, aber nicht ganz eisfrei ist, ist der an einer nahezu geradlinigen aber sehr flachen Küste belegene Hafen von Trelleborg von Staueisbildungen zwar verschont, den Winden jedoch von allen Seiten ausgesetzt.

Der Trelleborger Strand ist so flach, daß durch die sogenannte »Schaar« eine 1500 m lange Zufahrtsrinne gebaggert ist, deren Breite aus Anlaß des Fährbetriebes von 60 auf 80 m und deren Tiefe von 5 auf 7 bis 7∙5 m vergrößert worden ist. In neuerer Zeit hat sich[430] eine weitere Verbreiterung der Fahrrinne als wünschenswert herausgestellt.

Die Hafeneinfahrt zwischen den Molenköpfen ist auf 60 m erweitert und der Fährhafen auf 6∙5 m vertieft. In Saßnitz sind die Fährbetten und Landungsbrücken unter Anwendung von Pfahlrostgründungen in den Hafen hinaus-, in Trelleborg sind sie unter dem Schutz von Fangedämmen in das aufgeschüttete Kaigelände hineingebaut. Abgesehen von einzelnen bei stürmischen und nebeligem Wetter oder bei ungünstigen Eisverhältnissen nicht ganz zu vermeidenden Verspätungen konnte der Betrieb bisher regelmäßig und pünktlich durchgeführt werden. Preußen hat für die gesamte Fähranlage einschließlich der Fährschiffe und der Kosten für die nachträglich noch ausgeführte Verlängerung der Hauptmole – rund 10 Millionen Mark – Schweden einschließlich des Ankaufes der Privatbahn Malmö-Festlandbahn – rund 13 Millionen Mark – aufgewendet. (...)

Quelle: Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 4. Berlin, Wien 1913, S. 424-431. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011412038