Edda

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Brockhaus 1911

[479] Edda (d.h. Poetik), Name zweier Werke der isländ. Literatur. Die jüngere oder Snorra-E. (zusammengestellt von Snorre Sturluson zwischen 1220 und 1230) ist ein Lehrbuch für junge Skalden, enthält eine Darstellung der nordischen Mythologie, eine Aufzählung der Umschreibungen und poet. Ausdrücke (Skaldskaparmál) und ein Gedicht Snorre Sturlusons auf zwei norweg. Fürsten (das Háttatal, »Aufzählung der Versarten«). Gesamtausg. 1848-87 fg. (3 Bde.). – Die sog. ältere oder Sœmundar-E., schlechthin Eddalieder genannt, fälschlich dem Sœmund zugeschrieben und irrtümlich für die Quelle der jüngern E. gehalten, ist eine zwischen 1240 und 1250 entstandene Sammlung von etwa 30 Liedern aus dem 9. bis 12. Jahrh., deren Inhalt teils der nordischen Mythologie, teils der Heldensage angehört. – Ausgabe von Detter und Heinzel (1903), deutsch von Gering (1892).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 479. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001067060


Meyers 1906

[363] Edda, Bezeichnung für zwei verschiedene Denkmäler der altnordischen Literatur, genannt die ältere und die jüngere E. Der Name (»Das Buch von Oddi«, s. Snorri Sturluson) kommt übrigens nur dem letztern Werke von Rechts wegen zu; auf das erste ist es erst spät infolge eines gelehrten Mißverständnisses übertragen.

Die ältere E., auch Sämundar E. genannt, weil man irrtümlicherweise den gelehrten isländischen Priester Sämundr Sigfússon (1056–1131) für den Sammler oder gar Verfasser hielt, enthält Lieder, die Stoffe der germanischen Götter- und Heldensage behandeln. Über Heimat und Alter dieser Gedichte ist vielfach gestritten worden, doch hat sich gegenwärtig die Überzeugung Bahn gebrochen, daß in der ältern E. Produkte aus verschiedenen Zeiten (9.–12. Jahrh.) vereinigt seien, daß nur für einen kleinen Teil der Gedichte norwegischer Ursprung angenommen werden könne, während die Hauptmasse erst in Island (z. T. auch in der isländischen Kolonie Grönland und auf den nordschottischen Inseln) entstanden sei.

Ihren Hauptwert haben die Lieder der ältern E. als Quelle für die germanische Mythologie, über die uns aus Deutschland und England nur höchst ungenügende und fragmentarische Nachrichten erhalten sind, und für die ältere Gestalt der deutschen Heldensage. Dieser Wert würde allerdings in hohem Grade geschmälert sein, wenn die Behauptungen Sophus Bugges sich als wahr erweisen ließen, der neuerdings den Nachweis zu führen versuchte, daß ein großer Teil der in der ältern E. behandelten Götter- und Heldensagen nicht in autochthoner Volksüberlieferung wurzele, sondern seine wesentlichsten Züge altklassischen Mythen und christlichen Legenden verdanke, mit denen die Nordgermanen während der Wikingerzeit auf den britischen Inseln bekannt geworden seien (»Studier over de nordiske Gude- og Heltesagns Oprindelse«, Christiania 1881–89; deutsch von O. Brenner, Münch. 1889; »Helgedigtene i den ældre E.«, Kopenh. 1896; »The home of the Eddic poems«, Lond. 1899). Indessen wird man so lange an der Nichtigkeit dieser Behauptungen, die z. T. durch höchst gewagte Etymologien gestützt werden, zu zweifeln befugt sein, bis es Bugge gelingt, die keltischen Mittelglieder, die den Skandinaviern die Kenntnis der antiken und christlichen Literatur zugeführt haben sollen, als wirklich existierend nachzuweisen. Die Lieder der ältern E., die zuerst unzweifelhaft nur mündlich überliefert sind, wurden im 13. Jahrh. auf Island gesammelt und niedergeschrieben. Leider ist uns der Archetypus nicht erhalten, auch keine unmittelbaren Abschriften. Die wichtigste und umfangreichste Handschrift, der Codex regius (um 1640 von dem Skalholter Bischof Brynjolfr Sveinsson aufgefunden, jetzt auf der königlichen Bibliothek in Kopenhagen), aus dem Ende des 13. Jahrh., bietet jetzt noch auf 45 Quartblättern 29 Lieder und Liedbruchstücke (Faksimileausgabe von L. Wimmer und Finnur Jonsson, Kopenh. 1891); der Codex Arnamagnaeanus (auf der Universitätsbibliothek in Kopenhagen) bringt auf sechs Blättern größtenteils schon im Codex regius Enthaltenes, nur ein neues Lied kommt noch hinzu (Faksimileausgabe von Finnur Jonsson, Kopenh. 1896). Einige Lieder liegen zerstreut in andern Handschriften vor, so im Regius und Wormianus der prosaischen E., in der Hauksbók und Flateyjarbók (die jüngern Papierhandschriften sind meist völlig wertlos).

Die Gesamtzahl der erhaltenen Gedichte beträgt 34; nur in der Hälfte und zwar meist in den sagenhistorischen Liedern finden sich eingeschobene Prosastücke des Sammlers, die teils dunkle Stellen erläutern, teils Lücken der poetischen Darstellung ergänzen, teils den sachlichen Zusammenhang mehrerer Lieder geben sollen. Zwei Prosastücke (Sinfjotlalok, »Tod des Sinfiotli«, und Dráp Niflunga, »Untergang der Nibelungen«) stehen selbständig. Die Lieder sind sämtlich in alliterierenden Versen und Strophen, teils im fornyrdhislag und málaháttr, teils im ljódhaháttr (s. Nordische Verskunst) abgefaßt. Ihrem Inhalt nach behandeln sie die nordische Mythologie und germanische (zum großen Teil deutsche) Heldensage und zwar in episch-erzählender oder dramatisch-didaktischer Darstellung. Die mythischen Lieder sind folgende: Voluspá (»Offenbarung der Seherin«) gibt eine Übersicht der heidnischen Weltanschauung; Hávamál (»Sprüche des Hohen«, d.h. Odins), ein Gedicht von wesentlich gnomisch-didaktischem Inhalt, in dem sich aber auch Anspielungen auf verschiedene, z. T. sonst unbekannte Mythen finden; Vafthrúdhnismál erzählt die Reise Odins unter Gangrads Gestalt zu dem Riesen Vafthrudnir und den Wettstreit beider in der Religionsweisheit; Grimnismál erzählt, wie Odin als Grimnir bei dem König Geirodd den Zustand der Welt und sein eignes Wesen offenbart; Skirnis for (»Skirners Fahrt«), wie Skirnir, Freys Diener, für seinen Gebieter um die Riesentochter Gerd freit; Hárbardsljódh (»Harbards Lied«), wie Thor auf seiner Reise mit Harbard, dem Fährmann, in Streit gerät; Hýmiskvidha erzählt die Sage vom Riesen Hymir, dem Thor und Tyr den Kessel abgewinnen, in dem von Ägir das Bier für die Götter gebraut wurde; Lokasenna (»Lokis Streit«), wie Loki an einem Gastmahl bei Ägir die Asen lästerte; Thrymskvidha oder Hamarsheimt (»Die Wiedererlangung des Hammers«), wie Thor und Loki dem Riesen Thrym den Hammer Thors wieder nehmen; Baldrs Draumar (»Balders Träume«), wie Odin als Vegtam in der Unterwelt die Zauberin nötigt, ihm Baldrs Tod zu weissagen; Alvíssmál (»Des Allwissenden Lied«) handelt von Synonymen der himmlischen, irdischen und unterirdischen Wesen in der Dichtersprache; Rígsthula oder Rígsmál erzählt die Erschaffung der drei sozialen Stände durch Heimdall, der unter dem Namen Rig die Welt durchwandert; Hyndluljódh, mit dem in der Tradition die Voluspá in skamma (die kürzere Woluspa) zusammengewachsen ist, berichtet, wie die Zauberin Hyndla, um den Erbschaftsstreit zwischen Angantyr und Ottar zu schlichten, die Abstammung des letztern von den Göttern beweist. Außer diesen zwölf hat man früher allgemein auch einige nur in Papierhandschriften überlieferte Lieder mythischen Inhalts zur E. gerechnet, doch scheint nur eins von ihnen, die Svipdagsmál, wirklich alt und echt zu sein: es erzählt, wie Swipdag, von[363] seiner aus dem Todesschlaf erwachten Mutter Groa durch kräftige Zaubersprüche geschützt, den Weg zu der Burg der ihm verlobten Braut Menglod findet und dort mit der Geliebten sich vereinigt. Dagegen sind die Forspjallsljódh (auch Hrafnagardr Odhins genannt) ein Kunstprodukt des 17. Jahrh., und ebensowenig dürfen die Sólarljódh zur E. gerechnet werden, die aus christlicher Zeit herrühren und die christliche Glaubenslehre mit altheidnischen Bildern ausschmücken.

Den Hauptteil der E. machen die sagenhistorischen Lieder aus, von denen jedoch nur vier ihren Stoff der heimisch-nordischen Sage entnehmen: drei Lieder von Helgi (s. d.) und der Grottasongr (die Frieden mahlenden Riesenmägde prophezeien dem Frodi nahen Untergang). Die Völundarkvidha zeigt die nordische Gestaltung der gemeingermanischen Sage vom Schmied Wieland. Sämtliche übrigen Lieder behandeln die deutsche Siegfried- (nord. Sigurdhr) und Nibelungensage, die in früher Zeit (etwa im 6. Jahrh.) im Norden bekannt wurde und sich hier in sehr altertümlicher Gestalt erhielt, während sie im deutschen Stammland in lebhafter Entwickelung blieb. Man unterscheidet zunächst drei Sigurdlieder (Sigurdar kvidhur Fáfnisbana). Im ersten läßt sich Sigurd von seinem Oheim Gripir sein Schicksal vorhersagen (daher besser Grípisspá, »Gripirs Prophezeiung«). Im zweiten wird dem Sigurd vom Zwerg Regin der Ursprung des Hortes erzählt und er angestachelt, den Horthüter Fafnir zu töten; doch rächt Sigurd erst den Tod seines Vaters (besser Reginsmál). Darauf berichten die Fáfnismál erst von der Tötung Fafnirs und Regins und der Erbeutung des Schatzes durch Sigurd, die Sigrdrífumál Sigurds Zusammentreffen, Unterhaltung und Verlobung mit Brynhild (Sigrdrifa als Walküre), bis das eigentliche (dritte) Sigurdlied uns erzählt, wie Sigurd an Giukis (deutsch Gibich) Hof kommt, sich mit Gudrun vermählt und Gunnar und Brynhild zusammenbringt, wie dann Brynhild sich durch Ermordung Sigurds rächt, aber ihm freiwillig in den Tod folgt. Die Mordgeschichte nebst den nähern Umständen danach liegt noch in einem Liedfragment vor, dem sogen. Brot af Sigurdharkvidhu (auch Brynhildarkvidhu). Die Helreidh Brynhildar beschreibt Brynhilds Fahrt in die Unterwelt. Drei Gudhrunarkvidhur schildern den gewaltigen Schmerz und die Klage Gudruns um Sigurd, wie sie dazu gebracht wird, sich mit Am zu vermählen, und wie sie, der Untreue beschuldigt, sich durch den Kesselfang vom Verdacht reinigt. Die beiden Atlilieder (Atlakvidha und Atlamál in grœnlenzku) zeigen schon durch ihre Form relativ späte Entstehung; sie erzählen (das zweite ausführlicher) Einladung, Fahrt und Tod der Nibelungen bei Am (Etzel) und Gudruns Rache. Zwei andre Lieder führen uns in die Sage von Ermenrich (altnord. Jörmunrekr). Dieser hat seine Frau Swanhild (Gudruns Tochter) töten lassen; Gudrun mahnt ihre Söhne zur Rache und zählt dabei alles erfahrene Leid auf (Gudhrúnarhvot). Die Brüder erschlagen auf dem Wege zu Jormunrek ihren Stiefbruder und vollführen die Rache, aber auch sie selbst fallen in rühmlichem Kampf (Hamdhismál). Noch ist ein Lied übrig, der Oddrúnargrátr: Oddrun, Atlis Schwester, war Gunnars Geliebte; doch vor Brynhild muß sie zurücktreten. Auch nach deren Tod widersetzt sich Am der Verbindung, die Liebende muß Gunnar im Schlangenturm sterben lassen. Früher rechnete man noch ein nur in Papierhandschrift des 18. Jahrh. enthaltenes Lied zu diesem Teil der E., den Gunnarsslagr (wie der gefesselte Gunnar im Schlangenturm durch Harfenspiel die Schlangen einschläfert); doch ist dies jetzt als Produkt des 18. Jahrhunderts erwiesen (vgl. Pfeiffers »Germania«, Bd. 13, S. 72,284).

Authentisch haftet der Name E. an jenem berühmten Lehrbuch altnordischer Kunstpoesie, an der jüngern oder prosaischen oder Snorra-E., die 1628 Arngrim Jonson ebenfalls nach jahrhundertelanger Vergessenheit wieder auffand; die unterscheidenden Epitheta finden sich jedoch erst, seit jene Volkslieder auch E. genannt wurden. Sie wurde von dem Isländer Snorri Sturluson (s. d.) um 1230 verfaßt, bez. zusammengestellt; doch ist in der Folge diesem ursprünglichen Buch manches hinzugefügt worden. Sie liegt uns su vier Haupthandschriften vor, von denen der Codex Upsalensis von ca. 1300 den unzweifelhaft von Snorri selbst gewählten Namen E. sich beilegt. Es sind zu unterscheiden: a) Die Gylfaginning, eine euhemeristische Darstellung der nordgermanischen Mythologie in einem Wechselgespräch zwischen dem mythischen Schwedenkönig Gylfi und den drei Asen Har, Jafnhar und Thridi. Daran schließen sich in geringerm Umfang die Bragarœdhur, worin der Dichtergott Bragi manches von den Taten und Schicksalen der Götter erzählt. b) Die Skaldskaparmál, welche die formale Seite der Dichtkunst zum Gegenstand haben, also eine Poetik für die Skalden. Da sind zunächst die kenningar oder poetischen Umschreibungen aufgezählt, dann die ókend heiti oder die in der gewöhnlichen Sprache veralteten Ausdrücke, endlich die fornöfn oder Ersatznamen, Umschreibungen für Eigennamen. Alle Regeln sind mit Beispielen aus der ältern Skaldenpoesie belegt und dabei ca. 70 Skalden genannt. c) Háttatal (auch Hattalykill), ein Lobgedicht des Snorri auf König Hakon von Norwegen (gest. 1263) und den Jarl Skuli, das aus 102 Strophen besteht, deren jede eine besondere Versart vertritt. Das ganze Gedicht wird durch einen weitläufigen Kommentar erläutert, der somit eine Art von skaldischer Metrik bildet (Ausgabe von Th. Möbius, Halle 1879–81). Der zweite und dritte Teil der Snorra-E. werden auch unter dem Namen Skálda zusammengefaßt.

Von allem bisher Genannten galt Snorri schon um 1300 als Verfasser, doch ist sicher schon Vor- und Nachwort des ersten Teiles nicht von ihm. Wieviel ihm sonst zuzuschreiben, ist Streitfrage. In dem Codex Wormianus aus dem 14. Jahrh. sind noch ein paar grammatische Traktate angehängt, die aber durchaus nicht in die E. gehören. Das Verhältnis der jüngern zur altern E. ist folgendes: Die Sammlung der Lieder nebst der ergänzenden Prosa kannte Snorri noch nicht, und doch gibt er in Gylfaginning eine Paraphrase fast aller mythischen Lieder mit wörtlicher Anführung vieler Strophen und in den Skaldskaparmál eine Übersicht der Sigurd- und Nibelungensage (um zu erklären, wie der umschreibende Ausdruck otrgjold [»Otterbuße«] Bezeichnung für Gold wurde). Es haben ihm also wahrscheinlich schon Einzelabschriften der meisten Lieder vorgelegen.

[Ausgaben und Übersetzungen.] Die ältere E. wurde zuerst vollständig herausgegeben von der arnamagnäischen Kommission mit lateinischer Übersetzung, Kommentar, Glossaren und Finn Magnusens »Mythologischem Lexikon« (Kopenh. 1787–1828, 3 Bde.), von Rask (Stockh. 1818), von Munch (Christ. 1847); nächstdem sind die deutschen Ausgaben von Lüning (Zür. 1859, mit Glossar, Grammatik, Mythologie,[364] Anmerkungen) und Möbius (Leipz. 1860) zu erwähnen. Einen zuverlässigen Text brachte jedoch erst die Ausgabe von Sophus Bugge (»Norræn Fornkvædi«, Christ. 1867). Auf Bugge beruhen Grundtvigs Handausgabe (Kopenh. 1868, 2. Aufl. 1874) und die kritische Ausgabe von K. Hildebrand (Paderb. 1876; Glossar dazu von H. Gering, das. 1887, 2. Aufl. 1896) sowie die kleine Textausgabe von Finnur Jónsson (Halle 1888–90). Von der großen kommentierten Ausgabe von B. Sijmons und H. Gering erschienen der Text (Halle 1888–1902) und das Wörterbuch (das. 1901–1902). Sämtliche Lieder der E. haben auch Aufnahme gefunden in Vigfussons »Corpus poeticum boreale« (Oxf. 1883, 2 Bde.). Von den deutschen Übersetzungen der ältern E. sind erwähnenswert die prosaische der Brüder Grimm (nur die Heldenlieder umfassend, Berl. 1815; neue Ausg., das. 1885) und die metrischen von K. Simrock (Stuttg. 1851, 9. Aufl. 1889) und H. Gering (Leipz. 1892). – Vollständige Ausgaben der jüngern E. besitzen wir von Resenius (Kopenh. 1665), Rask (Stockh. 1818), Sveinbjörn Egilsson (Reykjavik 1848–49), Thorleifr Jonsson (Kopenh. 1875), Finnur Jónsson (das. 1900); die vollständigste ist die von der arnamagnäischen Kommission veranstaltete (das. 1848–87, 3 Bde.). Die für die Sagengeschichte wichtigsten Teile sind mit der Volsungasaga u. dem Nornagests tháttr herausgegeben von E. Wilken (Paderb. 1877), deutsch übersetzt von Rühs (Berl. 1812), Majer (Leipz. 1818), Simrock und Gering. Die sehr umfangreiche Literatur über die beiden Eddas verzeichnet E. Mogk, Norwegisch-isländische Literatur (in Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 363-365. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006528422


Götzinger 1885

[134] Edda ist der Name zweier aus dem altnordischen Altertum erhaltenen Lieder- und Sagensammlungen, gewöhnlich ältere und jüngere Edda geheissen.

I. Die ältere Edda.

Den Namen Edda = Ältermutter, fem. von Aetti = Vater, erhielt die ältere Sammlung erst durch den Bischof Brynjulf Swendsen zu Skaltholt, welcher im Jahre 1643 die älteste Handschrift, den codex regius, auffand und einer Kopie derselben den Titel Edda Saemundar hinns froda, Edda Sämund des Gelehrten, vorsetzte; dieser Sämund ist Sämund Sigufson, von seiner Gelehrsamkeit zubenannt, 1055–1133, der Stifter[134] einer der ältesten isländischen Schulen. Beweise dafür, dass Sämund der Sammler der Edda gewesen sei, hat man keine. Jedenfalls sind die Lieder auf dem Festlande gedichtet und von den Isländern mit nach der Insel gebracht und so gerettet worden. Die ältesten Lieder werden dem 6. Jahrh. zugeschrieben. Alle haben den Stabreim. Man unterscheidet, obgleich nicht gleichmässig, mythologische Lieder und Heldenlieder. Zu den mythologischen gehört:

1. Völuspâ oder die Weissagung, das Gesicht der Wala, die Seherin Wala enthüllt die ganze Geschichte des Weltalls in mythischer Fassung.

2. Grimmismâl d.i. Gesang Grimmirs, eines Namens, unter dem sich Odhin verbirgt; dieser, von seinem Pflegesohn als Zauberer gequält, beklagt seine Lage und schildert im Gegensatze die zwölf Wohnungen der Götter und die Herrlichkeit Walhallas.

3. Vafthrudnismâl, d.i. Gesang Wafthrudnirs. Odhin lässt sich mit dem Riesen Wafthrudnir in einen Wettkampf der Weisheit ein über Fragen kosmogonischen und mythologischen Inhaltes; der Riese verliert Wette und Haupt.

4. Hrafnagaldr Odhins, Odhins Rabenzauber, das dunkelste aller Eddalieder. Nach Simrock lässt sich der allgemeinste Sinn des Liedes dahin angeben, dass die Götter in dem Eintritt der Winterzeit ein Sinnbild des nahenden Weltunterganges erblicken, da sie beim Abfall des Laubes von trüben Ahnungen ergriffen werden.

5. Vegtamsquidha, das Lied vom Wanderer: Odhin, der Wanderer, reitet nach Niflhel und befrägt hier eine Wala um das Schicksal Balders, über dessen Tod kündende Träume alle Götter in Angst sind.

6. Thrymsquidha oder Hamars heimt, Hammers Heimholung. Thor, in Freya verkleidet, geht unter Lokis Begleitung als Braut nach Jötunheim; mit dem ihm als Brautgabe übergebenen Hammer tötet er das Riesengeschlecht; u.a. von Chamisso übersetzt.

7. Hârbardhsliódh, das Lied vom Haarbärtigen. Odhin als Fährmann Harbardh soll, dem jenseits, des Flusses stehenden Thor die Überfahrt gewähren; Thor zieht im Gespräche überall den Kürzern und wird nicht übergefahren, sondern heim zu seiner Mutter gewiesen.

8. Alvîsmâl, des Allweisen Lied, eine schwache Nachahmung von Nr. 3. Ein Fragespiel Thors mit dem Zwerg Alvîs, bei dem es um eine Braut gilt, giebt Veranlassung, eine Reihe poetischer Synonyme vorzuführen.

9. Hymisquida, die Sage von Hymir, Thors Fischfang mit dem Riesen Hymir.

10. Oegisdrecka, Ögirs Trinkgelag. Die Götter sind bei Ögir versammelt, Loki aber wird einer Gewaltthat halber weggejagt. Er kommt jedoch zurück und wirft nun allen Göttern und Göttinnen Schandthaten und Verbrechen vor, bis endlich Thor durch sein Erscheinen Loki bewegt, das Feld zu räumen.

11. Skirnis för, Skirnes Fahrt. Skirnir, Freys Diener, wirbt für seinen Herrn um die schöne Gerdur, die Tochter des Riesen Hymir.

12. Hyndluliodh, das Hyndlalied. Freya begiebt sich mit ihrem Schützling Ottar zur Riesin Hyndla und lässt diese seine Abstammung kund thun, bei welchem Anlasse auch die Stammbäume anderer Heldengeschlechter angegeben werden. 13. Hâva mâl, die Rede des Hohen, d.i. Odhin, enthält Lebensregeln und Vorschriften für den Gast und Reisenden, für Haushaltung und häusliches Leben, für die Landwirthschaft, sodann eingeschoben die Erwerbung des Dichter-Mets durch Odhin, dann Lehren des Vaters an seinen Sohn und die Lehre von den Runen.[135]

14. Sôlarliódh, Sonnenlied, ein christliches, aber mit altheidnischen, mythologischen Bildern und Vorstellungen ausgeschmücktes Lied.

15. Gróugaldr, Groas Erweckung, eine Nachahmung von Odhins Runenlied im Havamal.

16. Rigsmâl, mythische Erzählung vom Ursprung der drei Stände: des Adligen, des Freien und des Knechtes.

17. Fiölsvínnsmâl, des Vielwissers Lied, ein durchaus dunkles Rätsellied.

Der Heldensage gehören folgende Lieder an:

1. Helgaquidha Hjörvardhssonar, das Lied von Helgi, dem Sohne Hiörwards. Helgi rächt mit Hilfe der Walküre Swâwa den Vater seiner Mutter an deren erstem abgewiesenen Freier, fällt aber im Kampfe.

2. Helgaquidha Hundingsbana fyrri. Nachdem Helga, Sigmunds Sohn und der Borghild, den Hunding getötet, geht er daran, die Walküre Sigrûn ihrem ersten Versprochenen abzugewinnen, was Helgi gelingt.

3. Helgaquidha Hundingsbana hin önnur, das andere Lied von Helgi, dem Hundingstöter. Nachdem Helgi seinem Vater Sigmund im Kampf gegen Hunding geholfen und Sigrûn von ihrem Verlobten Hödbrodd befreit, vermählt er sich mit Sigrûn; ihr Bruder aber, dessen Vater und Bruder von Helgi getötet worden, durchsticht diesen. Als Geist kehrt der Getötete zu seiner Gattin zurück und unterredet sich mit ihr; da er aber die zweite Nacht vergebens erwartet wird, stirbt jene vor Harm und Leid.

4. Sinfiötlalok, Sinfiötlis Ende, ein prosaischer Zwischenbericht, der das, was in den Helgiliedern von Sinfiötli, dem ältesten Sonn Sigmunds, erzählt war, durch die Erzählung von seinem Tode ergänzt und das Verwandtschaftsverhältnis von Sinfiötli und Helgi zu Sigurd erläutert.

5. Grîpis spâ. Gripirs Weissagung, oder Sigurdharquidha Fafnisbana hin fyrsta, das erste Lied von Sigurd dem Fafnirstöter. Sigurd (Siegfried) reitet vor Beginn seiner Heldenlauf bahn zu Grîpir, dem Bruder seiner Mutter Hiördis, damit dieser ihm alle seine Geschicke bis zu seinem Tode voraussage. Er erhält die gewünschte Auskunft und reitet hinweg.

6. Sigurdharquidha Fâfnisbana hin önnur, das andere Lied von Sigurd dem Fafnirstöter und

7. Fâfnismâl, das Lied von Fafnir. Regin begiebt sich an den Hof Hialprets, wo der junge Sigurd lebt, erzählt ihm von dem Horte, welchen einst die drei Götter Odhin, Hymir und Loki seinem Vater Hreiumâr als Busse für die Tötung Oturs, seines Sohnes, durch Loki gaben, und auf welchem nun der dritte Bruder Fafnir, um des Hortes alleiniger Herr zu bleiben, in Drachengestalt als Hüter liegt. Er reizt ihn zur Bekämpfung Fafnirs und schmiedet ihm zu diesem Zwecke das Schwert Gram. Sigurd zieht nun mit Schiffsvolk aus zur Rache an Hundings Söhnen, die seinen Vater Sigmund erschlugen, besiegt sie und reitet dann auf die Giukaheide, wo er Fafnir tötet. Da offenbart ihm Regin, wen er erschlagen habe, er trinkt von Fafnirs Blut und befiehlt Sigurd, das Herz am Feuer zu braten. Dadurch dass der Saft des Herzens diesem die Zunge netzt, erlangt er Fähigkeit, die Sprache der Vögel zu verstehen, worauf er durch die Unterredung eines Adlerpaars sofort erfährt, dass Regin ihn zu verderben sinne. Er isst Fafnirs Herz, tötet den schlafenden Regin, belastet sein Ross mit dem Golde und reitet zu Giukis Burg.

8. Brynhildarquidha Budla dôttur hin fyrsta oder Sigrdrîfumâl, das erste Lied von Brynhild, Budlis Tochter, oder Sigrdrifas Rede. Auf dem Wege zu Giukis Burg erblickt[136] Sigurd einen Berg, dessen Gipfel Lohen umgeben. Er reitet hinauf, dringt durch die Glut, tritt in einen Saal und findet da einen in voller Rüstung schlafenden Mann. Als er mit dem Schwerte die Brünne zerschnitten und abgezogen, ist es eine Jungfrau, die nun erwacht und erzählt, dass Odhin sie in diesen Schlaf gebracht habe. Sie reicht ihm den Minnetrank und nennt sich Sigrdrîfa. Nachdem sie ihm die näheren Vorgänge erzählt und ihn durch Runen- und Sittensprüche belehrt, bricht das Lied plötzlich ab.

9. Brot af Brynhildharquidha, Bruchstück eines Brynhildenliedes. Der verlorene Anfang hatte ohne Zweifel die Gewinnung der Brynhild durch Sigurd für Gunnar und ihre unglückliche Ehe mit Gunnar zum Gegenstande. Das Bruchstück beginnt nun mit der von Brynhild an Gunnar gerichteten Aufforderung, den treulosen Sigurd zu töten, erzählt die Ausführung des Mordes, Brynhilds Freude und Hohnlachen, als sie die That erfährt, Gudruns Verwünschung des Mörders, Brynhilds Geständnis, dass Sigurd unschuldig gewesen, und ihre Verkündigung des bevorstehenden Unterganges der Nibelunge.

10. Sigurdharquidha Fâfnisbana hin thridja, das dritte Lied von Sigurd. Sigurd ist mit Giukis Söhnen in Verbindung getreten, und hat ihre Schwester Gudrun geehelicht; darauf ziehen sie aus, die Brynhild für Gunnar zu werben. Sigurd erwirbt sie und überantwortet dem Gunnar die unberührte Braut. Aber diese fühlt sich unglücklich vermählt, beklagt ihr Geschick und reizt Gunnarn zu Sigurds Morde auf. Gunnar schwankt und fragt Högnin (Hagen), der den Verrat missbilligt. Da wird dem jüngsten Bruder, den keine Eide binden, dem Gudwurm, die Ausführung übertragen. Dieser stösst dem an Gudruns Seite schlafenden Helden den Stahl ins Herz, wird aber selbst von dem Schwerte, das der Todwunde ihm nachwirft, mitten entzwei gespalten. Der Sterbende nennt der erwachenden Gattin Brynhild als Anstifterin des Mordes. Gunnar schilt sie darum, aber ihn demütigend sagte sie, dass sie wisse, wie sie bei der Vermählung betrogen worden sei, sie gesteht ihre Liebe zu Sigurd und will mit ihm den Tod teilen. Sie sticht sich das Schwert ins Herz, weissagt Gunnar Versöhnung mit Gudrun, welche die Swanhild gebiert und dann mit Atli sich vermählt. Zuletzt bestellt Brynhild noch ihr und Sigurds Begräbnis.

11. Helreidh Brynhildar, Brynhilds Totenfahrt zu Hel, der sie ihr Schicksal erzählt.

12. Gûdhrûnarquidha hin fyrsta, das erste Gudrunlied. Schilderung des Schmerzes der Gudrun beim Anblick ihres toten Gemahls.

13. Drap Niflunga, Mord der Nibelunge, kurzer., prosaischer Zwischenbericht zur Überleitung auf die folgenden Lieder.

14. Gûdhrûnarquidha hin önnur, das andere Gudrunlied. Gudrun, mit Atl vermählt, klagt dem Thiodrek (Dietrich von Bern) ihr Schicksal, dass sie wider ihre Neigung Atli, dem Bruder der Brynhild, ihre Hand habe reichen müssen. Sie schliesst mit Angabe der Unheil verkündenden Träume Atlis und mit der Versicherung, dass sie suchen werde, dieselben in Erfüllung gehen zu lassen.

15. Gûdhrûnarquidha hin thridja, das dritte Gudrunlied. Eine Magd, Herjak (Helche), hat Gudrun Atli gegenüber der Untreue mit Thiodrek; geziehen, durch ein ihr günstiges Gottesurteil befreit sie sich von der Anklage. 16. Oddrûnar grâtr, Klage der Oddrun, ein späteres, unechtes Lied. Oddrun, Atlis Schwester, erzählt einer Freundin, wie sie gegen den Willen ihres Bruders ein Liebesverhältnis mit Gunnar gehabt habe,[137] um dessen willen Atli Gunnar und Högni getötet habe.

17. Gunnars slagr, Gunnars Harfenschlag, das Lied, mit welchem der von Atli in die Schlangenhöhle geworfene Gunnar die Schlangen bis auf eine, die ihn tötete und Atlis Mutter war, eingeschläfert haben soll. Vielleicht eine Fälschung.

18. Atlaquidha und

19. Atlamâl, Sage und Gesang von Atli. Beide Lieder schildern den heimtückischen Verrat Atlis an seinen Schwägern, den Giukungen Gunnar und Högni, und die deshalb von Gudrun, ihrer Schwester, an ihm ausgeübte Rache. Atli zürnt den beiden Fürsten, weil er sie für schuldig hält am Tode der Brynhild, und weil er als Gemahl der Gudrun auf den Hort Ansprüche macht, der ihr nach Sigurds Tode von den Brüdern gewaltsam entrissen wurde. Er ladet sie durch einen Boten zum Gastmahle ein, und sie, vergebens gewarnt, folgen der Einladung. Gleich bei ihrer Ankunft in Atlis Burg werden sie hinterlistig angegriffen, erliegen jedoch erst nach der tapfersten Gegenwehr. Atli fordert von den Gebundenen den Hort, Gunnar aber weigert sich, den Ort seiner Bewahrung zu entdecken, solange Högni lebe. Da lässt Atli einem Knechte das Herz aus dem Leibe schneiden und es blutig als Högnis Herz vor Gunnar tragen; der aber erkennt an dem Beben des Herzens, dass es nicht Högnis Herz sein könne, das nie gebebt habe. Nun wird Högni selbst getötet und seines Herzens beraubt, und Gunnar erkennt es als solches an, doch solle Atli den Ort des Schatzes niemals erfahren. Da wird Gunnar in die Schlangengrube geworfen, um seinen Trotz zu büssen. Nun wird Gudrun von der heissesten Rache aufgestachelt, sie tötet ihre mit Atli erzeugten Söhne, giebt dem Vater deren Herz zu essen und deren Blut mit Wein vermischt zu trinken, durchbohrt ihn dann selbst mit Hilfe von Högnis Sohne Niblung, als er trunken im Bette schläft, und steckt die Burg in Brand. Sie selbst will ihren Tod im Meere suchen, aber ihr Geschick ist noch nicht erfüllt.

20. Hamdismâl, das Lied von Hamdir, erzählt, wie Gudrun ihre nach Atlis Tode mit Jônakur erzeugten Söhne Hamdir und Sörli zur Rache an König Jörmunrek (Ermanrich) aufreizt, der ihre und Sigurds Tochter, die ihm verlobte Swanhild, auf des treulosen Bikkis (Sibich) Rat wegen fälschlich angeschuldigter Untreue von Rossen hatte zu Tode treten lassen. Jene reiten nach kurzer Weigerung ab und finden ihren Feind beim Zechgelage. Sie richten eine grosse Niederlage unter Jörmunreks Mannen an, berauben ihn selbst der Hände und Füsse und werden so lange vergebens bekämpft, bis Odhin selbst erscheint und den Rat erteilt, Steine auf sie zu werfen, denen sie endlich erliegen.

21. Gûdhrûnarhvöt, Gudruns Aufreizung oder Racheruf, an ihre Söhne wegen der Ermordung ihrer Schwester gerichtet, Wehklagen über ihr eigenes jammervolles Geschick und Aufforderung an ihren ersten Gemahl Sigurd, wie er versprochen habe, auf schwarzem Rosse herzureiten und sie aus dem Leben abzuholen. Sie befiehlt, den Brand zu rüsten, dass ihre Brust voll Leides nun brennen möge.

22. Völundarquidha, das Lied von Völund, dem Schmied Wieland. Dieser, ein finnischer Königssohn, hat mit seinen Brüdern Egill und Slagfidhr die Heimat verlassen und in Wolfthalen im Reiche des Niarenkönigs Nidhudhr Wohnsitz genommen. Einst überraschten die drei Brüder drei Schwanjungfrauen (Walküren) am Seestrande, fingen sie und vermählten sich mit ihnen. Wie jedoch die drei Brüder einmal auf der Jagd sind, bemächtigen jene sich ihrer Schwanhemden und fliegen[138] fort, Kampf aufzusuchen. Die heimgekommenen Brüder finden ihr Haus leer, Egill und Slagfidhr machen sich auf, ihre Frauen zu suchen, Wieland aber bleibt daheim, schmiedet Goldringe und reiht sie an den Lindenbast Da vernimmt Nidhudhr, dass Wieland in Wolfthalen sitze und zieht mit seinen Mannen bei Nacht aus, sich seiner zu bemächtigen. Er ist aber nicht zu Hause; da verbergen sie sich, nachdem sie einen der Ringe weggenommen. Ermüdet von der Jagd kommt Wieland heim, zählt die Ringe und vermutet, da einer fehlt, seine Frau Alwitr sei zurückgekehrt. Eingeschlafen, wird er von Nidhudhr an Händen und Füssen schwer gefesselt und hinweggeführt. Daheim giebt der König den Ring seiner Tochter Bödhwild, Wielands Schwert aber behält er für sich. Auf den Rat seiner Gemahlin, die Wielands Rache fürchtet, lässt er ihm die Sehnen an den Füssen durchschneiden und setzt den Gelähmten nach Sävarstadh, wo dieser ihm allerhand Kleinode schmieden muss. Aber zur Rache tötet Wieland Nidhudhrs junge Söhne, wirft die Gebeine unter den Löschtrog, schweift ihre Hirnschalen in Silber und giebt sie dem König, ihrem Vater. Aus ihren Augen macht er Jarknasteine, Augensteine, und sendet sie Nidhudhrs Weibe, aus ihren Zähnen Brustringlein, die er der Bödhwild schickt. Einst spielt diese mit Wielands Ring, und er zerbricht. Der Schmied, zu dem sie geht, verspricht ihr, ihn ganz zu machen, schläfert sie aber ein und bewältigt sie. Darauf nimmt er sein von ihm gefertigtes Federgewand hervor und hebt sich lachend in die Lüfte. Aus dem Wolken giebt er dem ihn befragenden König Kunde über das Schicksal seiner Söhne und seiner Tochter und entfliegt.

II. Die jüngere Edda oder Snorra-edda,

weil sie, aber mit Unrecht, dem Snorri Sturlason, 1178 bis 1241, dem Verfasser der Heimskringla, eines grossen nordischen Geschichtswerkes, zugeschrieben wird. Die jüngere Edda ist ein Handbuch für junge Skalden, die sich mit der Götterlehre, der Heldensage, den Gesetzen der Dichtkunst und Beredsamkeit bekannt machen wollen, und zerfällt in folgende Teile:

1. Gylfaginning, Gylfis Verblendung, schliesst sich in seiner Einkleidung an das dritte mythologische Lied der älteren Edda an, an Wafthrudnismâl. Wie dort Odhin unter dem Namen Gangradr einen mächtigen und weisen Riesen besucht, um sein Wissen auf die Probe zu stellen, und so ein Wettstreit beginnt, bei dem das Haupt des Unterliegenden zu Pfande steht, so wird umgekehrt hier die Weisheit der Götter auf die Probe gestellt. Gylfi, ein mythischer König von Schweden, begiebt sich nach Asgard, um zu erfahren, woher dem Asenvolke seine Macht komme; sein Name ist Gangleri, der Wanderer. Die Götter machen ihm aber ein Blendwerk oder Gaukelspiel vor, und zeigen sich ihm nicht in ihrer wahren Gestalt, sondern beantworten seine Fragen von einem dreifachen Hochsitze aus unter den Namen Hars, Jafahars und Tridis, d.i. der Hohe, Gleichhohe und der Dritte. Die vorgelegten Fragen geben Veranlassung, die Hauptlehren des nordischen Götterglaubens darzulegen.

2. Bragarödur, Bragis Gespräche, der Ögisdrecka, dem zehnten mythologischen Liede. der älteren Edda, nachgebildet. Ögir, ein zauberkundiger, auf Hlefey wohnender Mann besucht die Asen und wird von ihnen mit Gaukelspiel empfangen. Bei Tische sitzt Ögir neben Bragi, welcher ihm die vorgelegten Fragen durch mythische Erzählungen beantwortet. Deren letzte bezieht sich auf den Ursprung der Dichtkunst, worüber Bragi, der Skalde der Götter, schicklich Auskunft giebt.[139]

3. Skaldskaparmâl, hat die Skaldenkunst zum Gegenstand und zerfällt in a) Kennîngar, Umschreibungen, b) Okend heiti, einfache Benennungen, wie diejenigen, die in Alwismâl, dem achten mythologischen Lied der alten Edda, aufgezeichnet sind. c) Fornöfn, in der Skaldenkunst gebräuchliche Namen der Männer, Frauen, Schwerter, Schiffe u. dgl., die aufgezählt und nach ihren mythologischen Beziehungen gedeutet werden. Einigemal findet sich Veranlassung, grössere Stücke aus der Götter- und Heldensage einzuflechten. Die Einkleidung ist dieselbe wie in Bragurödur. Köppen, litterarische Einleitung in die nordische Mythologie. Simrock, die Edda, übersetzt und mit Erläuterungen begleitet. Ettmüller, Litteraturgeschichte.

Quelle: Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 134-140. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20002771195


Brockhaus 1809

[304] Edda ist der Name eines Lehrbuchs der Nordischen Mythologie und die Quelle aller poetischen Fictionen und Anspielungen in derselben. Es giebt zwei Sammlungen dieser Art, nemlich: 1) die ältere, welche ein Isländer, Samund Sigfussohn, aus den alten poetischen Kunden sammlete, und die aus drei Theilen besteht, Voluspa (Wahrsagungen), Havamaal (erhabenes Gespräch) und dem runischen Kapitel (worin Odin sich seiner Stärke in Zauberliedern rühmt); 2) die jüngere Edda, welche ungefähr 120 Jahr später von Snorro Sturleson gesammlet wurde, und deren erster Theil dogmatisch, der zweite erzählend ist, und der dritte, mit dem Namen Skalda, in einem alphabetischen Auszuge die poetischen Redensarten enthält, die in den ersten Theilen vorkommen.

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 304. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000789747


Damen Conversations Lexikon 1835

[261] Edda (Mythologie). Das Haupt- und Quellenwerk über skandinavisches Mythenthum, von Manchen überschätzt, von Andern nicht genug gewürdigt, lange unbekannt geblieben, endlich erst im siebzehnten Jahrhundert in alten Handschriften aufgefunden und durch eifrige Forschung und Sichtung der gelehrten Welt überliefert. Es gibt eine ältere Edda, welche poetisch, in nordischen Stabreimen, und eine jüngere, welche in Prosa abgefaßt ist. Ihr Inhalt besteht 1) aus der Voluspa, Vauluspä, dichterischen Weissagungen der Vole (Prophetin) vom Anbeginn bis zum Ende der Welt; 2) aus der Havam al, der Sittenlehre Odin's, und 3) aus vielen Dämosagen, welche eben die Mythen der Nordlandsgötter enthalten. Dunkel ist die Voluspa, sinnreich sind die Spruchlehren der Hava-mal, und reich an Poesie die Dämosagen, überhaupt aber sind die Bücher der Edda ein Schatz für Mythologie und Dichtkunst, da uns aus ihr eine ausgebildete Götterwelt entgegen tritt, die an schönen und erhabenen Gestalten so reich ist, und an sittlicher Hoheit die griechischen Götterfabeln weit überragt. –ch–

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 261. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001726013


Brockhaus 1837

[617] Edda heißen zwei Sammlungen altnord. Dichtungen, Heldensagen und Erzählungen, in isländ. Sprache, welche die Hauptquellen der nord. Götterlehre und Heldengeschichte sind. Die ältere davon, darum auch die ältere Edda, nach ihrem Urheber aber, dem gelehrten isländ. Geistlichen Sämund Sigfusson, der von 1056–1133 lebte, auch Sämund's Edda genannt, blieb volle fünf Jahrh. nach dessen Tode verborgen und nur die Sage davon hatte sich auf Island erhalten, bis 1640 die pergamentene Handschrift derselben von dem Bischofe Brynjolf Svensen zu Skalholt wieder aufgefunden wurde. Seitdem sind auch mehrfache deutsche Bearbeitungen, eine Übersetzung von G. Th. Legis »Edda, die Stammmutter der Poesie und der Weisheit des Nordens u.s.w.« (3 Bde., Lpz. 1829), und anziehende Untersuchungen über den Zusammenhang der deutschen Nibelungen und des Heldenbuches (s.d.) mit der Edda veranstaltet worden, aus der namentlich Fr. H. v. d. Hagen [617] die in den Fabelkreis des letztern gehörenden Lieder und Sagen (Berl. 1812) deutsch herausgegeben hat. Die jüngere Edda ist ein prosaischer Auszug der ältern und wird dem als Dichter, Geschichtsschreiber und Staatsmann ausgezeichneten Snorro Sturleson zugeschrieben, welcher als Lagman (die höchste Würde auf Island) 1241 ermordet wurde, weil er der Begünstigung der Absichten der norweg. Könige verdächtig war. Das Werk ist später noch erweitert und verändert worden und mag seine jetzige Gestalt, die es als ein Lehrbuch der altnord. Poesie erscheinen läßt, im 17. Jahrh. erhalten haben. Die erste Handschrift der jüngern Edda wurde 1628 aufgefunden und weil die erste Ausgabe derselben von 1665–73 vom Professor Resenius in Kopenhagen besorgt worden ist, erhält sie auch den Namen der Resenischen Edda.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 617-618. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000823562


Herders 1854

[494] Edda (d.h. Urgroßmutter), Sammlung altnord. Lieder u. Sagen, das bedeutendste Ueberbleibsel altgermanischen Lebens und Dichtens, aus Island stammend. Die ältere E. (Sämundische, nach Sämund Sigfusson, gest. 1133), enthält mit geringer Ausnahme nur poet. Stücke, Götter- und Heldensagen aus [494] dem 6, 7. und 8. Jahrh., in ihren Urbestandtheilen aus unbestimmbarer Vorzeit, in der ältesten nord. Sprache und alliterirend. Die älteste Handschrift wurde 1643 aufgefunden, seitdem ist sie öfters herausgegeben und commentirt worden (von der Aerna-Magnäanischen Commission, Kopenhagen 1787–1828; von Munch, Christiania 1847), übersetzt von Simrock, Stuttg. 1851. Die jüngere E., von Snorre Sturleson, gest. 1241, gesammelt, besteht aus prosaischen Stücken. mytholog. Erzählungen, Erklärungen, Metrik etc.; herausgegeben von Rask, Stockholm 1818; Sveinbjörn Egilssohn, Reykjavik 1848 und 1849; den mytholog. Theil hat Simrock übersetzt und seiner poet. E.übersetzung beigegeben.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 494-495. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003311562


Pierer 1858

[469] Edda (altnord., d.i. Urgroßmutter), Sammlung von Religions-, mythologischen u. heldensagischen Schriften Skandinaviens. Es gibt eine doppelte:

I. Ältere (Poetische, Lieder-) E.,

auch Sämundr-E., nach dem isländischen Priester Sämundr hinn Frodi (Sämund d. Weisen, 1056–1133), der sie gesammelt haben soll, genannt, Die einzelnen Stücke sind alltterirende lieder u. nur[469] wenige prosaische Bruchstücke darunter. Dem Inhalt zerfallen sie nach Einigen in 2, nämlich einen mythologischen u. epischen, nach Andern in folgende 3 Theile:

A) Erster Theil: Göttergeschichten

en (Asenlehre) erzählen folgende 13, in den Handschriften verschieden geordnete Lieder: a) Vasfthrudnis-Mâl, erzählt die Reise Odins unter Gangreds Gestalt zu dem Riesen Vafthrudnir, der für den Weisesten gehalten wurde, u. Beider Wettstreit in der Religionsweisheit; b) Grimnis-Mâl, erzählt wie Odin als Grimnir bei dem König Geiröddr den Zustand des Himmels, der Erde u. sein eigenes Wesen offenbart; c) För Skirnis (Skirners Fahrt), erzählt wie Skirner, Freys Diener, für seinen Gebieter um Gardr freit; d) Harbarz-Lioth (Harbards Lied), erzählt wie Thor auf seiner Reise aus Osten zu einem Überfahrtsplatz kommend, sich mit dem Fährmann Harbard streitet, der ihn doch nicht übersetzt; e) Hymis-Quida, enthält die Sage vom Riesen Hymir, welchem Thor u. Tyr den Kessel abgewannen, worin Äger das Bier für die Götter braute; f) Ägis-Drecka (der Trunk bei Äger), od. Loka-Senna (Lokes Streit), od. Loka-Glepha (Lokas Biß), erzählt wie Loke bei Ager über Tisch die Asen lästerte (s. Ägir u. Loke); g) Thrms-Quida od. Hamarsheimt (die Wiedererlangung des Hammers), erzählt wie Thor u. Loke dem Riesen Hymir den Hammer Thors, welchen dieser entwendet hatte, wieder nehmen; h) Hrafngaldr Odins (Rabenruf Odins) od. Forspialls-Mâl (d.i. Einleitungslied, weil es einen Götterrath einleitet), enthält die Ahnungen der Asen von Baldurs Tode; nach Einigen Einleitung zur Völuspa, nach Anderen zur i) Vegtams-Quida (Wanderers Lied), worin erzählt wird, wie Odin als Vegtamr in der Unterwelt die Wole zur Weihsage von Baldurs Tod nöthigt (übersetzt in Gräters Bragur); k) Alvis-Mâl (des Allwissenden Lied), handelt von Synonymen der himmlischen, irdischen u. unterirdischen Wesen in der Dichtersprache, deren Erklärung einem um Thors Tochter freienden Zwerg in den Mund gelegt wird, die dieser, von Thor examinirt, gibt, aber unter der Prüfung ist es Tag geworden u. der Zwerg muß unverrichteter Sache fliehen; l) Fiölsviuns-Mâl(Vielwissers Lied), erzählt wie Svipdagr vor seiner Vermählung mit Menglöth auf Abenteuer auszieht u. nach seiner Rückkehr, um Gesinnung u. Treue der Braut zu erforschen, sich verstellend mit Fiölsvithr, dem Wächter der Burg Mengloths, eine lange Unterredung hält u. demselben viele Räthselfragen vorlegt, welche dieser schnell beantwortet; dann gibt sich Svipdagr zu erkennen u. wird freudig von Menglöth aufgenommen; m) Hyndlu-Lioth od. Völu-spa hinn skamma (die kürzere Völuspa), erzählt wie die Riesin u. Zauberin Hyndla, um den Erbschaftsstreit zwischen Agantyr u. Ottar zu schlichten, die Abstammung der Helden von den Göttern erzählt; als Anhang steht noch hier: n) Solar-Lioth (Sonnenlied), worin ein gestorbener Vater seinem Sohn im Traum erscheint u. denselben von dem Zustand nach dem Tode unterrichtet u. ihn des Todes stets zu gedenken heißt; den Namen hat es daher, weil in demselben nach Sonnen, statt nach Tagen, gezählt wird; es ist von einem christlichen Dichter.

B) Zweiter Theil: Heldenlieder,

deren Inhalt dem des deutschen Heldengedichts gleicht, u. bes. Sigurds Ahnen, Thaten u. Tod, so wie den Untergang der Helden besingt; es sind folgende 22: a) Völundr-Quida, die Sage von Völundr, s.d.; b)–d) Quida-Heege, 1 von Helge dem Haddinger Helden u. 2 von Helge dem Hundingstödter, s.u. Helge; e) Sinfiötla-Lok (Sinfiötlis Ende), ein prosaisches Fragment, erzählt Sinfiötlis Ende; f)-h) Quida Sigurdar Fafnisbana, 2 Lieder, handeln von Sigurd dem Fafnistödter; i) Quida Brynhildar Budladollar I., erstes Lied von Brynhildur (s.d.), der Tochter Budlis; k) Quida Sigurdar Fafnisbana, das 3. Lied von Sigurd, s. ob. f); l) Quida Brynhildar II., 2. Lied von Brynhildur, nur Fragment; in den Brynhildliedern wechseln prosaische u. poetische Stellen; m) Brynhildar Helreid (Brynhildurs Ritt nach Hel), enthält das Gespräch Brynhilds mit einem Riesenweibe auf ihrem Ritte nach der Unterwelt, worin sie ihre Lebensgeschichte kurz berührt; u) Quida Godrunar Ginkadottar I., 1. Lied von Gudrun, der Tochter Giukis; o) Drap Niflunga, der Nibelungen Tod, ein prosaisches Bruchstück, erzählt den Untergang der Nibelungen; p) u. q) das 2. u. 3. Lied von Gudrun; r) Oddrunargratr, Oddruns Wehklage, s.u. Oddrun; s) u. t) Atlamal u. Atlaquida i grönlensk, grönländisches Lied u. grönländischer Gesang von Atli, s.d.; u) Hamdis-Mâl, erzählt wie Hamdir (s.d.) u. Saurli ihren Bruder Erpr erschlagen; v) Gudrunar-Hvöt, Gudruns (s.d.) Wehklage um die Ermordung der Ihrigen; w) Grougaldr, Groas Weihsage, wo der Sohn der Zauberin Groa seine Mutter aus dem Grabe ruft, daß sie ihn lehre, wie er allen Gefahren entgehe; x) Gunars-Slagr (Gunnars Harfenschlag), in welchem erzählt wird, wie die gebundene Gunnar (s.d.) die Harfe mit den Füßen spielend, die Schlangen von sich gescheucht.

C) Dritter Theil:

enthält eigentliche Glaubens- u. Mysterienlehre: a) Völu-spa (Vaulu-spa), d.i. Weihsage der Wole, enthält die Grundzüge der ganzen altnordischen Religion von der Schöpfung bis zum Untergange (herausgeg. von Rosen, Kopenh. 1665; von Bartholin, ebd. 1667; von Ettmüller mit Übersetzung, Lpz. 1830); b) Hava-Mâl, d.i. die Sprüche Havis (des Erhabenen, Beiname Odins) od. Hohes Lied, Odins Sittenlehre in Sittensprüchen u. Sagen; Fortsetzungen dazu sind das Lothfasins-Mâl, Klugheitslehren für angehende Jünger u. eine Runen- od. Zauberlehre; c) Rigs-Mâl, worin erzählt wird, wie der Ase Rigr (od. Heimdall als Rigr), Vater der 3 Stände, der Knechte, Freien u. Edeln, wird; Einige halten es für unecht, Andere rechnen es wenigstens nicht zu den eigentlichen Eddaliedern, sondern nehmen es als Beilage od. Anhang zu denselben (deutsch von Gräter, Lyrische Gedichte 1809). Die ganze ältere E. wurde aufgefunden in Island vom Bischof Bryngolf Sveinsson 1643, herausg. als Edda Sämundar hinns froda, Kopenh. 1787–1828, 3 Thle., von Rask, Stockh. 1818, von Munch, Christ. 1847, schwedisch von Afzelius, ebd. 1818; dänisch von Finn Magnusen, Kopenh. 1821–23, 4 Bde.; deutsch von Schimmelmann, Stett. 1777, von Studach, Nürnb. 1829, von Simrock, Stuttg. 1851, 2. Aufl. 1855. Einzelne in Herders Volksliedern, von W.[470] u. I. Grimm, Berl. 1815; die von den Nibelungen, von von der Hagen, Bresl. 1814.

II. Die Jüngere od. Prosaische Edda, auch Snorrische Edda,

nach ihrem Verfasser Snorre Sturleson (1178–1241) genannt, welche eine Erzählung der Göttersagen der älteren E., aus welcher auch Strophen eingeflochten sind, u. Erklärungen der Bilder u. Versarten der alten Dichtersprache enthält; bestimmt war sie für den Unterricht junger Skalden, u. man sieht aus ihr, daß die Dichtkunst von den Skandinaviern zuletzt als gelehrte Kunst geübt wurde; der Umfang dieser E. ist verschieden; Rask hat folgende Theile u. Ordnung angenommen: A) die eigentliche Snorrische Edda; besteht aus: a) dem Formâli, dem Vorworte; b) Gylfaginniug (Gylfes Täuschungen), s.u. Gylfe, u. c) Bragarädur (Brages Erzählungen), welche in 78 Dämisagen (Beispielsreden) den mythologischen u. epischen Theil der älteren Edda enthalten; d) Eptirmâli, Nachwort. B) Die Skalda od. Skaldskaparmâl(Dichtkunst, Poetik), zerfällt in: a) Kenningar, poetische Umschreibungen, Metaphern, enthalten Beispiele aus der älteren E.; b) Okend heiti (unbekannte Namen der Dichtkunst); c) Fornöfn (vormenschliche Namen), welche ein Verzeichniß dichterischer Namen von Göttern u. Gegenständen aller Art enthalten; d) Bragarhättir, eine Poetik. C) Malslistarrit, skaldische Buchstabenlehre u. Vergleich mit der lateinischen, ein Elementarbuch für angehende Dichter, besteht aus: a) Latinu Stafrofid, lateinische Buchstabenlehre; b) Malslistarrinar grundvöllr, Grundsätze der Wohlredenheit, nordische Laut- u. Sprachlehre; c) Figurur i räduni, Redefiguren, Erklärung grammatischer u. rhetorischer Kunstwörter. Die jüngere E. ist ebenfalls in Island aufgefunden worden u. zwar 1628 von Arngrim Jonsson. Ausgaben von Resenius, Kopenh. 1665, von Rask, Stockh. 1818, Kopenh. 1848, Sveinbjörn Egilsson, Reikjavik 1848 f., dänisch von Nyerup, Kopenh. 1808, deutsch von Rühs, Berl. 1812, von Majer, Leipz. 1818. Nicht zu verwechseln mit den Eddaliedern sind die Sagas, z.B. Blomsturvala-Saga, Nials-Saga etc., s.u. Saga.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 469-471. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009832742