Königinhofer Handschrift

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Meyers 1907

[385] Königinhofer Handschrift (Rukopis Kralodvorský oder Královédvorský), am 16. Sept. 1817 von Hanka (s. d.) im Gewölbe des Kirchturms zu Königinhof aufgefunden, jetzt im königlichen Museum zu Prag befindlich, besteht aus zwölf zierlich mit kleiner Schrift beschriebenen Blättern und zwei Bruchstücken, die zusammen 14 Gedichte und Gedichtfragmente epischer und lyrischer Form enthalten, angeblich aus dem 13. Jahrh. Die erste Ausgabe (der Urtext mit Übersetzung in neuböhmischer Sprache von Hanka und deutscher Übertragung von Swoboda, Prag 1819) erregte alsbald allgemeines Aufsehen; Goethe, Grimm, Chateaubriand, Cantù u. a. bekundeten freudiges Erstaunen. Es erschienen in der Folge zahlreiche neue Ausgaben der K. H. Eine deutsche Ausgabe besorgte Graf M. Thun (»Gedichte aus Böhmens Vorzeit«, mit Einleitung von Schafarik und Anmerkungen von Fr. Palacký, Prag 1845). 1852 gab Hanka die K. H. und die Grünberger Handschrift (s. d.) mit Übersetzungen derselben in fast alle europäischen Sprachen u. d. T. »Polyglotta kralodvorského rukopisu« heraus; 1862 erschien ein photographisches Faksimile mit einer gründlichen Abhandlung von Vrt'atko, 1873 eine illustrierte Ausgabe von Kořinek, 1879 eine neue Ausgabe von J. Jireček und Vymazal. Die Echtheit der K. H. ist ebenso eifrig angefochten wie verteidigt worden. Unter den slawischen Linguisten äußerte Kopitar schon 1824 vielfache Bedenken; später erhoben Feifalik (»Die K. H.«, Wien 1860), Büdinger (in Sybels »Historischer Zeitschrift«, 1859, und »Die K. H. und ihre neuesten Verteidiger«, Leipz. 1859), Wattenbach (in genannter Zeitschrift, 1863), Vašek (1879), Šembera (Wien 1882 u. 1886) sowie die Professoren der böhmischen Universität Gebauer, Masaryk und Goll (in der Prager Zeitschrift »Ateneum«) gegen ihre Echtheit gewichtige und begründete Anklagen. Umständliche Verteidigungen lieferten außer Palacký (s. oben) Nebeský (»Rukopis Kralodvorský«, Prag 1853), die Gebrüder Jireček (1862 u. 1878), Hattala (1871), Brandl (1879, 1880) u. a. Der Streit, der durch Gebauers Artikel K. H. in Ersch' und Grubers »Allgemeine Enzyklopädie« aufs neue angeregt wurde, muß nunmehr als entschieden betrachtet werden infolge von Gebauers überzeugenden Abhandlungen »Unechtheit der Königinhofer und Grüneberger Handschrift« (»Archiv für slawische Philologie«, Bd. 10 u. 11,1887 u. 1888) und »Poučení o padělaných rukopisích Královédvorském a Zelenohorském« (Prag 1889). Beide Handschriften sind dadurch als Fälschungen erwiesen. Vgl. auch Knieschek, Der Streit um die Königinhofer und Grüneberger Handschrift (Prag 1888) und »Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft«, 1889 u. 1890.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 385. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006921582


Brockhaus 1911

[997] Königinhofer Handschrift, in tschech. Sprache, angeblich 1817 von Hanka in Königinhof aufgefunden, enthält epische und lyrische Gedichte, die vom Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrh. stammen sollten. Sie wie die etwas später gefundene Grünberger Handschrift (Ausgabe beider 1819 u.ö., auch deutsch) sind bes. durch Gebauer als Fälschungen erwiesen. – Vgl. Knieschek (1888).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 997. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001264613