Georgische Sprache und Literatur
Pierer 1859
[209] Georgische Sprache u. Literatur. Die Sprache der Georgier od. Grusinier, früher wohl auch Iberische Sprache genannt, wird von den Nachkommen der alten Kolchier, Albaner u. Iberier am südlichen u. südwestlichen Kaukasus in den Thälern des obern u. mittleren Kur, des Rion u. des Tschoruk von etwa 600,000 Personen gesprochen. Obgleich die Georgier nach ihren Volkssagen mit den Armeniern verwandt sind, haben sie doch eine eigenthümliche Sprache, welche weder mit dem Armenischen verwandt ist, noch überhaupt trotz einzelner Übereinstimmungen zum Indogermanischen Sprachstamme gehört, sondern einen Sprachstamm für sich bildet. (Vgl. dagegen Voß, Die kaukasischen Glieder des indoeuropäischen Sprachstammes, Berl. 1847). Man unterscheidet das Altgeorgische od. die Kirchensprache u. das Neugeorgische od. die heutige Umgangssprache. Letztere wird in fünf Hauptmundarten gesprochen, der Kakhetischen, Imerethischen, Mingrelischen, Gurischen u. dem des mittleren Karthli. Dazu kommen als etwas ferner stehend die Sprachen der Suanen u. der Lazen. Ein nach Afterabad in Persien 1622 weggeführter Theil des Volks soll einen von der heutigen Vulgärsprache wenig verschiedenen Dialekt bewahrt haben. Die Georgier haben ein eigenes Alphabet von 40 Buchstaben, Mkhedruli genannt; außer dieser mehr cursiven Schrift bedienen sie sich, jedoch meist nur in kirchlichen Schriften, eines andern Alphabets, Khutzuri genannt, welches aus eckigen, von jenen zum Theil ganz abweichenden Zeichen besteht. Die G. S. hat keinen Artikel, aber die sonst gewöhnlichen Redetheile. Das Substantivum hat kein Genus, aber acht Casus: Nominativ, Genitiv (auf isa), Dativ (auf sa), Accusativ (wie Nom.), Vocativ (auf o), Instrumentalis (auf itha), Modalis (auf d) u. Locativ (auf mde), wozu in der Vulgärsprache noch ein Ablativ (auf ida, idam) kommt. Der Plural hat die Endung ebi, an welche die Casusendungen angefügt werden; außerdem gibt es aber noch einen Plural Nom. auf ni, Gen. u. Dat. tha, Vocativ no. Beispiel der Declination: Nom., Acc. khili die Frucht, Gen. khilisa, Dat. khilsa, Voc. khilo, Instr. khilitha, Mod. khilad, Loc. khilamde, Plur. Nom., Acc. khilebi, khilni, Gen. khilebisa, khiltha, Dat. khilebsa, khiltha, Voc. khilebo, khilno, Instr. khilebitha, Mod. khilebad, Loc. khilebisamde, khilthamde. Das Adjectivum wird, wenn es allein steht, ebenso declinirt, wie das Substantivum, mit diesem verbunden ist es indeclinabel. Der Comparativ wird durch die Partikel u, welche vorgesetzt, u. si, welche angehängt wird, gebildet, doch haben noch einige Adjective eigenthümliche Comparationsformen, z.B. khargi gut, ukhethesi besser, awi schlecht, naresi schlechter. Die Personalpronomina sind me ich, tschwen, schen du, Plur. thkwen, welche unregelmäßig declinirt werden; die Possesiva tschemi mein, schen dein etc. gelten als Adjectiva. Die Zahlwörter sind 1 erthi, 2 ori, 3 sami, 4 othkhi, 5 khuthi, 6 ekûsi, 7 schwidi, 8 rwa, 9 tskhra, 10 athi. Ordinalia werden durch das Präfix me gebildet. Die Conjugation ist der schwierigste Theil der georgischen Grammatik. Man nimmt acht verschiedene Conjugationen an, deren jede wieder mehrere Unterabtheilungen hat, so daß sich fast jedes Verbum auf besondere Art bildet.[209] Folgende allgemeine Regeln lassen sich indeß aufstellen: die Personen werden außer durch Endungen auch noch durch Pronominalpräfixe bezeichnet (erste Person w, zweite u. dritte Person h), andere Präfixe drücken die Beziehung auf das Object aus. Vor diese Präfixe treten bei vielen Verbis noch untrennbare Präpositionen, wie agh aufwärts, da nieder u.a. Es gibt drei einfache Tempora, Präsens, Präteritum u. Futurum. Das Präsens zeigt entweder die reine Wurzelform, od. hat die Endung am, ab, aw; für das Präteritum u. Futurum gibt es sehr verschiedene Formen. Außer dem Indicativ gibt es nur noch einen Imperativ u. ein Participium; der Infinitiv wird durch ein Nomen verbale ausgedrückt. Neben Präpositionen gibt es auch Postpositionen, die verschiedene Casus regieren. Die Construction gestattet manche Freiheiten. Der Anfang des Vaterunsers lautet: Mamao tschweno, romeli char tzata schina, tzminda ichawn sacheli scheni, d.h. Vater unser, welcher bist Himmel in, heilig sei Name dein. Die Georgier haben ihre Sprache schon seit Jahrh. selbst fleißig bearbeitet (s. Georgische Literatur), für Ausländer berechnet sind u.a. die Grammatiken von Maggio (Syntagma linguarum orientalium quae in Georgiae regionibus audiuntur, Rom 1670), Firalof (russisch u. georgisch, Petersb. 1820), Brosset (Elements de la grammaire géorgienne, Par. 1837) u. Tschubinow (russisch, Tiflis 1857), sowie die Wörterbücher von Paolini (georgisch u. italienisch, Rom 1629), Klaproth (Vocabulaire et grammaire de la langue Géorgienne, 1. Bd., Paris 1827) u. Tschubinow (Dictionnaire Georgien-russe-français., Petersburg 1840).
Die Georgische Literatur ist zwar ziemlich reich, entwickelte sich aber vorzugsweise unter den Einflüssen des byzantinischen Griechenthums, dann auch der Armenischen u. Persischen, sowie in neuester Zeit der Abendländischen Literaturen. Wissenschaft u. Dichtkunst wurden in Georgien sehr geehrt, u. wie am byzantinischen Hofe, so war es auch an den Höfen der georgischen Fürsten ehrenvoll, sich mit Literatur zu beschäftigen, u. viele Könige, Prinzen u. Prinzessinnen sind als Schriftsteller bekannt. Zwar wurde das jetzige Alphabet schon im 3. Jahrh. unter König Pharnawas erfunden, doch beginnt die Reihe der noch vorhandenen Schriften erst im 10. Jahrh., wo bes. viele aus Griechenland, dem Bildungslande der Georgier, zurückkehrende Gelehrte Übersetzungen veranstalteten. Mehr noch gewann die G. L. im 11. Jahrh. unter König Bagrat IV., zu dessen Zeit Joan Patritsi u. Giorgi Aphoni lebten u. schrieben, von denen sich namentlich der Letztere um die Reinheit der georgischen Schriftsprache sehr verdient machte. Auch die letzten Bagratidenfürsten von Kakheti u. die von der Seitenlinie der Mukranischen Fürsten, welche zu Ende des 17. Jahrh. den Thron von Georgien bestiegen, zeichneten sich durch ihre Liebe zu den Wissenschaften aus. Wakhtang VI. zeichnete sich durch eine Gesetzsammlung aus u. legte in Tiflis eine georgische Druckerei an, in welcher Gebetbücher, Theile der Bibel u. Anderes gedruckt wurde.
Unter den verschiedenen Gattungen der Poesie ist von den Georgiern bes. die romantische Erzählung angebaut worden, welche bald im Geschmack der Märchen in Tausend u. eine Nacht, bald auch in der Art moderner Novellen gehalten sind. Der erste Rang unter denselben gebührt dem Tariel od. dem Roman von dem Manne mit dem Tigerfelle (gedruckt in Tiflis 1793), der von Schotta, nach seiner Vaterstadt gewöhnlich Rustwel genannt, welcher Finanzminister bei der Königin Thamar war, gedichtet wurde u. bei dem georgischen Volke solche Berühmtheit erlangte, daß König Wakhtang IV. einen Commentar u. Fürst Theimuraz ein eigenes Wörterbuch zu demselben schrieben. Gleichzeitig mit Rustwel am Hofe der Königin Thamar lebte Moses von Choni, welcher in altgeorgischer Sprache den prosaischen Roman Daredschamiani schrieb, der in 12 Abtheilungen die Thaten des Amiran, des Sohnes von Daredschan, eines berühmten Heerführers aus Bagdad, beschreibt. Secretär bei derselben Königin war Schawtel, der als Mönch des Klosters Genathlia in Imirethi starb u. unter Anderem die poetische Geschichte des Abdulmessia verfaßte, die als das vollkommenste Werk dieser Gattung in der georgischen Poesie gerühmt wird, aber verloren gegangen zu sein scheint. Letzteres Schicksal hatte auch Dilariani (die Geschichte des Königs Dilar), von einem Zeitgenossen der genannten Dichter, dem Sargis von Thmogwi, verfaßt. Erhalten hat sich aber aus derselben Zeit der Roman Wisramiani, von der Liebe der Prinzessin Wis zu dem Prinzen Ramin. Die romantische Erzählung Baramiani wurde nach einem persischen Vorbilde von Onana, einem kakhetischen Minister, 1769 in 43 Capiteln u. 4052 Versen bearbeitet. Ebenfalls persischen Ursprungs scheint Miriani, die Geschichte der chinesischen Prinzessin Miri, von einem unbekannten Verfasser zu sein. Wahrscheinlich nach der Geschichte von Joseph u. Suleika gearbeitet ist der Roman Usup-schali-schaniani. Eine Art Fortsetzung zum Tariel bildet der Roman Omaïn eines Anonymus. Bischof Joseb von Tiflis schrieb in Versen Did-Mourawiani, die Geschichte des Mouraw Giorgi Saakadze, einer berühmten Persönlichkeit des 17. Jahrh. (herausgeg. von Josélian, Tiflis 1850). Lyrische Gedichte aus dem Griechischen übersetzte schon Giorgi Aphoni im 11. Jahrh. Sonst hat man lyrische u. didaktische Dichtungen von Theimuraz, König von Karthli u. Kakheti (Lob des Frühlings) u. von dem Philosophen Patritsi; in ganz Georgien beliebt ist das scherzhafte Buch der Klugheit u. List. Das nicht unwichtige Tsgobil-Siguaoba des Katholikos Antoni I., eines Sohnes des Königs Tassikan von Karthli, besteht in einer Sammlung historischer Oden. Als Dichter werden auch Jakob, Metropolit von Chémokmed in Gurien, König Wakhtang VI. u. And. gerühmt. Eine nationale dramatische Literatur besitzen die Georgier nicht; erst in neuester Zeit sind unter europäischem Einfluß Schauspieldichter aufgetreten. Die Tragödie Alzire wurde bereits von Tschitschawadze übersetzt. In neuester Zeit wurde in Tiflis neben dem russischen Theater u. einer italienischen Oper auch eine grusische Schaubühne errichtet, auf welcher vornehmlich die Stücke des Fürsten Eristow, eines der vorzüglichsten Förderer der G-n L., gegeben werden.
Die philosophische Literatur besteht meist aus Übersetzungen griechischer Philosophen; so übersetzte Joan Patritsi Stücke aus Plato u. Aristoteles. Außerdem haben die Georgier noch einzelne moralische, pädagogische u. aus dem Arabischen[210] übersetzte Bücher über Astronomie. Die Fürstin Makrina schrieb zu Anfang des 18. Jahrh. ein größeres Werk über die Monatsnamen. In der theologischen Literatur steht die Bibelübersetzung oben an, die in ihren einzelnen Theilen schon im 10. Jahrh. begonnen, im 18. Jahrh. unter persönlicher Mitwirkung der Fürsten Artschil III., Wakhtang VI. u. dessen Sohn Bakor VII. revidirt u. 1743 auf das Prächtigste in Moskau gedruckt wurde. Einzelne Theile wurden seit dem letzten Drittel des 18. Jahrh. in Tiflis, das N. T. u.a. auch 1816 in Moskau u. 1818 in Petersburg gedruckt. Außerdem besitzen die Georgier Liturgien, Katechismen, Synaxarien, Gebetbücher, Heiligengeschichten, Erklärungen biblischer Schriften etc., meist im 12. Jahrh. u. später entstanden, zum Theil auch blos aus dem Griechischen übersetzt. Das wichtigste rechtswissenschaftliche Werk ist das Gesetzbuch des Königs Wakhtang V. aus dem 18. Jahrh.; es enthält eine Übersetzung der Gesetze des griechischen Kaisers Leo des Tapferen, dazu kamen mehrere Gesetze armenischer Könige, u. Wakhtang selbst machte mehrere Zusätze. Es wurde geltendes Gesetzbuch für ganz Georgien; erweitert wurde es von dem Prinzen David, letztem Sohne des Königs Georg XIII., u. noch jetzt gilt es in Georgien neben den russischen Ukasen u. wird bes. von den Gebirgsvölkern als heiliges Buch geschätzt u. nach ihm die Streitigkeiten geschlichtet. Bekannt ist noch des Königs Irakli Übersetzung der Grundsätze der Polizeiwissenschaft von Joseph von Sonnenfels, die jedoch nach der persischen Übersetzung gemacht ist, herausgeg. Tiflis 1782. Einzelne andere wissenschaftliche Werke in Georgischer Sprache wurden in neuerer Zeit verfaßt, wie denn z.B. David, der letzte König von Georgien, ein Buch über Artillerie, eine Erdbeschreibung u. Anderes schrieb. An historischen Schriften, bes. über die Geschichte des eigenen Landes, ist die G. L. ziemlich reich. Eine allgemeine Geschichte nach europäischen Quellen schrieb Artschil III., der Sohn König Wakhtangs V. Das Hauptwerk über die vaterländische Geschichte ist Karthlis Tskhowreba (d.i. Lebensbeschreibung Karthlis), eine vollständige, auf Befehl König Wakhtangs V. im Anfang des 18. Jahrh. aus den Annalen u. den Klosterarchiven Mzchetha u. Gelathi gesammelte Chronik von Georgien. Dieselbe wurde mit mehreren anderen Chroniken, wie den Specialgeschichten Karthlis, Kakheils, des Samtzkhé u. Imirethis des Prinzen Wakhucht, der Chroniken von Sekhula Tschkheidze, von Papuna Orbelian, der Lebensbeschreibung des Königs Ercelé (Irakli) II. von Oman Kherkhéulidze, herausgeg. von Tschubinow in der Histoire de la Géorgie (Petersb. 1849–57, Bd. 1–2, franz. von Brosset, ebd. 1850–57). Eine andere kürzere Chronik von Georgien wurde 1831 in Paris von Brosset herausgeg. Sonst hat man noch Geschichten Georgiens von Artschil III., vom König David (Tiflis 1805, in russischer Bearbeitung, Petersb. 1805), von Wakuschti, dem Sohne Wakhtangs VI., vom Fürsten Thumanow etc. Theimuraz schrieb die Geschichte seines Bruders David; hierzu kommen verschiedene Chroniken einzelner Klöster u. Familien, wie die Geschichte des Klosters Largwis u. der Familie der Eristows von Ksan (gedruckt in Brosset, Hist. de la Géorgie, 1. Bd.) etc. Berühmte georgische Reisende sind Sulkhan-Saba, der 1713 Europa besuchte; Timoth. Gabachiwil (1755–56: Olymp, Athos, Heiliges Land; Beschreibung herausgeg. von Josélian, Tiflis 1852); Jona, Bischof von Ruïs (1789–96: Constantinopel, Athos, Kleinasien, Venedig, Ägypten, Österreich, Donaufürstenthümer, gest. 1821 in Moskau); ferner aus neuerer Zeit: Fürst Awalow (1822), N. Tschubinow, Platon Josélian; sein eigenes Vaterland, bes. in archäologischer Beziehung, durchforschte seit 1848 Dimitri Méghwineth-Khutsésow. Die Grammatik der eigenen Sprache wurde von den Georgiern schon frühzeitig behandelt. Die älteste Grammatik von Joan Patritsi ist in Georgien selbst nicht mehr bekannt. Das Hauptwerk bildet seitdem die des Patriarchen Antoni I. aus der Mitte des vorigen Jahrh.; es liegt den Grammatiken des Königs David (Petersb. 1829), der Geistlichen Gajos (Mosdok 1803), I. D. Tschubinow (Tiflis 1816), Dodäwi (ebd. 1830), der von Brosset publicirten Art libéral ou grammaire Géorgienne (Paris 1834), sowie die für Europäer bestimmten Grammatiken zu Grunde. Unter den Wörterbüchern besteht das noch ungedruckte des Fürsten Sulkhan aus dem 17. Jahrh.; aus demselben machte die Prinzessin Makrina, Tochter des Königs Ercelé u. Schwester des Königs Theimuraz II., einen Auszug. Um die Metrik machten sich Eugenius u. die Fürsten David u. Theimuraz verdient. Außerdem ist die G. L. reich an Übersetzungen, bes. auch abendländischer Werke, wie sich denn durch Vermittelung der russischen Herrschaft die ganze literarische Cultur Transkaukasiens dem Abendlande zuwendet. Viele Georgier, namentlich der höhere Adel, schreiben in Russischer Sprache u. sind tüchtige Gelehrte. Unter den jetzt lebenden georgischen Schriftstellern u. Gelehrten steht der Fürst G. Eristow u. Platon Josélian oben an. Eine grusinische Schriftstellerin ist Melanie Badridse, die 1856 in Tiflis den Roman Kato u. Ana herausgab. Organ der grusinischen Schriftstellerwelt ist die Zeitschrift Morgenröthe, die seit Anfang 1857 in Tiflis erscheint. Vgl. Alter, Über Georgische Literatur, Wien 1798; Brosset, Elements de la langue géorg., Par. 1837; die Mélanges Asiatiques, Petersb. 1849 ff.; die russische in Tiflis erscheinende Zeitung Kawkas.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 209-211. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009996915
Meyers 1907
[615] Georgische Sprache und Literatur. Die georgische oder grusinische (grusische) Sprache, nahe verwandt mit dem benachbarten Lasisch, gehört wie dieses zu der Gruppe der südkaukasischen Sprachen (s. Kaukasische Sprachen). Es ist eine Sprache mit zahlreichen Konsonantenhäufungen und vielen Zischlauten, aber reich an grammatischen Formen. Das mit dem armenischen verwandte Alphabet hat 40 Buchstaben und 2 Schriftformen: eine allgemein übliche, Mkhedruli, und eine altertümlichere Form, Khutsuri, die jetzt nur noch in der kirchlichen Literatur angewendet wird. Die georgische Sprache kommt schon in Handschriften aus dem 6. Jahrh. vor, hat sich aber seitdem sehr stark verändert. Eine französische Darstellung der georgischen Grammatik lieferte Brosset (»Éléments de la grammaire géorgienne«, Par. 1836), dem wir auch zahlreiche Arbeiten über die georgische Literatur verdanken; Wörterbücher Tschubinow[615] (georgisch-russisch-französisch, Petersb. 1840; georgisch-russisch, 1887; russisch-georgisch, 1886), eine Grammatik der modernen Sprache zum Selbstunterricht A. Dirr (Wien 1904); eine sprachvergleichende Darstellung der georgischen Sprache Fr. Müller (im »Grundriß der Sprachwissenschaft«, Bd. 3, Wien 1887); vgl. auch Schuchardt, Über das Georgische (das. 1895). – Die georgische Literatur beginnt schon mit Einführung des Christentums und erreicht im 12. Jahrh. ihre erste Blütezeit. Unter den Autoren sind verschiedene gekrönte Häupter. Besonders stark ist die kirchliche Literatur entwickelt, beginnend mit der georgischen Bibelübersetzung; noch jetzt bringt in Tiflis jedes Jahr neue Publikationen an Gebetbüchern, Heiligenleben und andern Erbauungsschriften. Aus der historischen Literatur ist eine auf Befehl König Wachthangs VI. zu Anfang des 18. Jahrh. zusammengestellte Chronik von Georgien (hrsg. von Tschubinow; franz. in Brossets »Histoire de la Géorgie«, Petersb. 1850–59) hervorzuheben. Der genannte König Wachthang erließ auch ein Gesetzbuch, das für rechtsvergleichende Studien sehr wertvoll ist (übersetzt bei v. Haxthausen, »Transkaukasia«, Leipz. 1856, 2 Tle.; hrsg. von Frenkel, Tiflis 1887). Aus dem Gebiete der Dichtung sind außer Volksliedern, darunter auch solche der mohammedanischen Georgier, namentlich zu nennen historische Epen und erzählende Dichtungen, bis in das 12. Jahrh. hinausreichend, lyrische Gedichte und Elegien, Dorfgeschichten und Dramen, z. B. die des Fürsten Cristow. Eine georgische Tragödie Awazaknis, »Die Räuber« (keine Übersetzung des Schillerschen Werkes), erschien in Tiflis 1891. Georgische Dichter und Rustawelis »Der Mann im Tigerfelle« (12. Jahrh.) übersetzte A. Leist (Leipz. 1888 u. Dresd. 1890). Außerdem ist die georgische Literatur reich an alten und neuen Übersetzungen, nicht nur aus den meisten modernen Sprachen, sondern auch aus dem Griechischen, Lateinischen, Arabischen und Persischen.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 615-616. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006671314
Brockhaus 1911
[666] Georgische Sprache, Grusinische Sprache, rauh, aber regelmäßig, agglutinierend, mit eigenem Alphabet, bildet mit den Sprachen der Mingrelier, Swanen und Lasen eine isolierte Familie der südkaukas. Sprachen. Nicht unbedeutende Literatur seit Einführung des Christentums, Blüte der Poesie und Chronik im 12. Jahrh., neuer Aufschwung unter der russ. Regierung. Gründlicher Kenner Brosset; Grammatik von ihm (1837), Tschubinow (1855), Tsagareli (1873); Wörterbücher von Tschubinow (1840, 1886, 1887).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 666. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001138073