Enweri

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Ewhadeddin Enweri, Anvari

persischer Dichter

Goethe, West-Östlicher Divan

Enweri

[195] Stirbt 1152

Er studiert zu Tus, einer wegen bedeutender Lehranstalten berühmten, ja sogar wegen Überbildung verdächtigen Stadt; und als er, an der Türe des Kollegiums sitzend, einen mit Gefolge und Prunk vorbeireitenden Großen erblickt, zu seiner großen Verwunderung aber hört, daß es ein Hofdichter sei, entschließt er sich, zu gleicher Höhe des Glücks zu gelangen. Ein über Nacht geschriebenes Gedicht, wodurch er sich die Gunst des Fürsten erwirbt, ist uns übriggeblieben.

Aus diesem und aus mehreren Poesien, die uns mitgeteilt worden, blickt ein heiterer Geist hervor, begabt mit unendlicher Umsicht und scharfem, glücklichem Durchschauen. Er beherrscht einen unübersehbaren Stoff. Er lebt in der Gegenwart, und wie er vom Schüler sogleich zum Hofmann übergeht, wird er ein freier Enkomiast und findet, daß kein besser Handwerk sei, als mitlebende Menschen durch Lob zu ergetzen. Fürsten, Wesire, edle und schöne Frauen, Dichter[195] und Musiker schmückt er mit seinem Preis und weiß auf einen jeden etwas Zierliches aus dem breiten Weltvorrate anzuwenden.

Wir können daher nicht billig finden, daß man ihm die Verhältnisse, in denen er gelebt und sein Talent genutzt, nach so viel hundert Jahren zum Verbrechen macht. Was sollt aus dem Dichter werden, wenn es nicht hohe, mächtige, kluge, tätige, schöne und geschickte Menschen gäbe, an deren Vorzügen er sich auferbauen kann? An ihnen, wie die Rebe am Ulmenbaum, wie Efeu an der Mauer, rankt er sich hinauf, Auge und Sinn zu erquicken. Sollte man einen Juwelier schelten, der, die Edelgesteine beider Indien zum herrlichen Schmuck trefflicher Menschen zu verwenden, sein Leben zubringt? Sollte man von ihm verlangen, daß er das freilich sehr nützliche Geschäft eines Straßenpflasterers übernähme?

So gut aber unser Dichter mit der Erde stand, ward ihm der Himmel verderblich. Eine bedeutende, das Volk aufregende Weissagung: als werde an einem gewissen Tage ein ungeheurer Sturm das Land verwüsten, traf nicht ein, und der Schah selbst konnte gegen den allgemeinen Unwillen des Hofes und der Stadt seinen Liebling nicht retten. Dieser floh. Auch in entfernter Provinz schützte ihn nur der entschiedene Charakter eines freundlichen Statthalters.

Die Ehre der Astrologie kann jedoch gerettet werden, wenn man annimmt, daß die Zusammenkunft so vieler Planeten in einem Zeichen auf die Zukunft von Dschengis Khan hindeute, welcher in Persien mehr Verwüstung anrichtete, als irgendein Sturmwind hätte bewirken können.

Quelle: Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 3, Berlin 1960 ff, S. 195-196. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004848985


Pierer 1857/1858

[784] Enweri, so v.w. Anuari.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 784. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009865748

[584] Anuāri, persischer Dichter, aus dem Dorfe Bedeneh in Khorasan, kam an den Hof des Sultans Sangiar nach Merou, trieb hier bes. Astronomie u. Astrologie, zog sich aber bald, wegen einer nicht eingetroffenen Prophezeihung geschmäht, nach Balkh zurück, wo er der Astronomie entsagte u. um 1200 n. Chr. st.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 584. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009381929