Zedlitz
[542] Zedlitz, ein in Österreich, Sachsen u. Preußen blühendes uraltes Adelsgeschlecht, welches aus Franken stammt, schon 1190 aber in sächsischen Urkunden vorkommt u. ums Jahr 1200 mit Titze von Z. nach Schlesien gekommen sein soll. Die Familie desselben breitete sich weit aus, erwarb in Schlesien u. Böhmen viele Güter u. gründete verschiedene Linien. Von diesen blühen gegenwärtig:
I. Linie Z.-Rimmersatt, in Österreich, wurde 1608 in den Freiherrenstand erhoben u. folgt der Katholischen Confession; zu ihr gehörte: 1) Freiherr Joseph Christian, geb. 28. Febr./1. März 1790 zu Johannisberg im Österreichischen Schlesien, wo sein Vater Landeshauptmann war, trat 1806 in das österreichische Husarenregiment Erzherzog Ferdinand ein, wurde 1809 Lieutenant u. zeichnete sich als Ordonnanzoffizier beim Fürsten von Hohenzollern in den Schlachten bei Regensburg, Aspern u. Wagram aus. 1810 wurde er kaiserlicher Kammerherr u. verließ bald nachher den Militärdienst; 1837 wurde er zum außerordentlichen Dienst im Ministerium des Äußern berufen u. vertrat neben seiner Stellung seit 1845 Nassau u. später auch noch Sachsen, Weimar, Braunschweig, Oldenburg u. Reuß als Ministerresident u. Geschäftsträger am österreichischen Hofe. Er st. 16. März 1862 in Wien. Seit 1816 veröffentlichte er kleine lyrische Dichtungen (Frühlingsrosen) in mehren Zeitschriften u. im Taschenbuch Aglaja u. schr.: Todtenkränze (Gedichte in Canzonenform, in welchen er das Andenken Verstorbener feierte), zuerst 1828, sie befinden sich nebst der Ballade: Die nächtliche Heerschau, in der Sammlung der Lyrischen Gedichte, Stuttg. 1832, 4. Aufl. 1855; Dramatische Schriften, größtentheils Trauerspiele: Turturel u. Zwei Nächte zu Valladolid, Wien 1821 u. 1825; Liebe findet den Weg, ebd. 1827; Der Stern von Sevilla (Schauspiel), Stuttg. 1830; Kerker u. Krone, ebd. 1834; Der Königin Ehre, ebd. 1834; Herr u. Sklave, ebd. 1835; Cabinetsintriguen, ebd. 1836; die dramatischen Werke erschienen gesammelt Stuttg. 1831–36, 4 Bde.; Das Waldfräulein, Stuttg. 1843, 4. A. ebd. 1856; Soldatenbüchlein, Wien 1848, 2. A. 1850; Altnordische Bilder, Stuttg. 1850, 2 Bde.; u. übersetzte Byrons Childe Harold, 1836.
Jetziger Chef: 2) Freiherr Ludwig, Großneffe des Vor. u. Sohn des 1827 verstorbenen Freiherrn Karl, geb. 1834 in Kaschau; ist Statthaltereiconcipist in Ofen. II. Linie Z. u. Neukirch, bekennt sich schon seit 1518 zur Lutherischen Confession, wurde 1610 in den Freiherrenstand erhoben u. zerfällt in zwei
Speciallinien: A) Speciallinie Neukirch, besitzt die Herrschaft Neukirch u. die Güter Hermannswaldau, Rosenau, Tiefhartmannsdorf, Niederkauffung u. Kyau im schlesischen Regierungsbezirk Liegnitz; jetziger Chef: 3) Freiherr Wilhelm, ältester Sohn des 1862 verstorbenen Freiherrn Wilhelm, geb. 1811, ist preußischer Major a. D., Mitglied des preußischen Herrenhauses auf Lebenszeit u. Landesältester der Fürstenthümer Schweidnitz u. Jauer; sein ältester Sohn Sigismund ist 1838 geboren. 4) Constantin, Bruder des Vor., geb. 31. März 1813, Erbherr auf Birgwitz u. preußischer Hauptmann a. D., war früher Polizeipräsident in Berlin u. wurde 1864 preußischer Civilcommissär in Schleswig. B) Speciallinie Hohenliebenthal, besitzt die Herrschaft Hohenliebenthal in Schlesien; Chef: 5) Freiherr Konrad, älterer Sohn des 1842 verstorbenen Freiherrn Kaspar Konrad Gottlieb, geb. 1789, ist preußischer Generalmajor a. D.; sein älterer Sohn Konrad ist 1830 geboren. III. Z. u. Leipa, stammt zunächst von Lorenz von Z. (geb. 1608 u. st. 1667) ab, ist evangelisch u. zerfällt in eine gräfliche u. freiherrliche Linie: A) Gräfliche Linie, wurde 1741 in der Person des David Sigismund, Urenkel von Lorenz, geb. 1718 u. st. 1760, in den Grafenstand erhoben u. besitzt Kratzkau, Frauenheim etc. in Schlesien, ist aber seit 1847 mit dem Grafen Wilhelm, Enkel des Stifters, im Mannsstamm erloschen; übrig ist blos noch aus dieser Linie Luise, Nichte Wilhelms u. Tochter des 1812 verstorbenen Grafen Gottlob, sie ist geb. 10. Oct. 1797 u. seit 1858 Wittwe von Karl von Mutius. B) Freiherrliche Linie, wurde 1735 in den böhmischen Freiherrenstand erhoben, besitzt Kapsdorf, Zülzendorf, Teichenau, Känichen, Priesnig, Boguslawitz etc. in Niederschlesien u. blüht jetzt in zwei Speciallinien, welche von Sigismund, dem Sohne Lorenzens, geb. 1659 u. st. 1726, abstammen. a) Erste Speciallinie, stammt von Sigismunds ältestem Sohne Georg Gottlieb, geb. 1694, st. 1746; Chef: 6) Freiherr Otto, Urenkel des Gründers u. Sohn des 1819 verstorbenen Freiherrn Friedrich Ferdinand, geb. 1800, ist preußischer Landrath a. D. u. hat nur Töchter. b) Zweite Speciallinie, stammt von Sigismunds jüngstem Sohne Friedrich, Chef: 7) Freiherr August, Enkel des Stifters u. Sohn des 1831 verstorbenen Freiherrn Otto, geb. 1789, sein ältester Sohn Gustav ist 1824 geboren. Zu der freiherrlichen Linie Z.-Leipa gehört auch 8) Freiherr Karl Adam, der Sohn von Sigismunds zweitem Sohne, Karl Sigismund, geb. 4. Juni 1731 zu Schwarzwald in Schlesien, wurde 1755 Referendarius der Rechnungskammer in Berlin, 1759 Regierungsrath in Breslau u. 1764 Präsident des höchsten Gerichtshofes in Schlesien u. des Pupillencollegiums in Brieg, 1770 Justizminister u. Präsident des Kammergerichtes, so wie ihm auch der König die specielle Aufsicht über die Justizpflege in den Westfälischen Provinzen anvertraute. Er verbesserte bes. die Gefängnisse u. im Arnoldschen Proceß weigerte er sich auf das Bestimmteste den ungerechten Urtheilsspruch des Königs zu contrasigniren. Seit 1771 war er auch Minister des Cultus, sorgte für Anlegung u. Verbesserung der Volksschulen. schuf neue Lehrstühle auf den Universitäten u. hob den Preßzwang auf. Nach Friedrichs II. Tode wurde auf seinen Betrieb das Departement der geistlichen Angelegenheiten von dem der Schulverwaltung getrennt, u. Z. blieb Chef des letzteren, aber 1788 verdrängte ihn Wöllner, u. Z. behielt blos die Aufsicht über die Justizverwaltung in Pommern, Magdeburg u. Halberstadt. Er nahm hierauf seinen Abschied u. st. 8. Novbr. 1793. IV. Z.-Trützschler, stammt vom Freiherrn Friedrich [542] Nicolaus von Z.-Wilkau, wurde 1764 in den Grafenstand erhoben, folgt der Evangelischen Confession u. besitzt die Fideicommißherrschaft Schwentnig, die Herrschaft Pomsdorf u. die Güter Frauenhain, Rungendorf, Petrikau u. Romberg in Schlesien. Da Friedrich Nicolaus keine Erben hatte, so adoptirte er den Sohn seiner Schwester, einer verehelichten von Trützschler, Gottlieb Julius, welcher den Namen Z. annahm; Chef: 9) Graf Eduard, Sohn des 1838 verstorbenen Grafen Gottlieb Julius, geb. 26. März 1800, ist Chefpräsident der Regierung in Liegnitz u. Curator der Ritterakademie in Liegnitz, vermählt in zweiter Ehe mit Francisca geb. von Wentzky; sein noch lebender älterer Sohn aus erster Ehe (mit Karoline Ulrike geb. Freiin von Vernezober), Constantin, ist 1833 geboren; seine Tochter, Elisabeth, geb. 4. Aug. 1826, ist seit 1856 Pröpstin des Freiadlichen Magdalenenstifts zu Altenburg.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 542-543. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011328320
Meyers 1908
Zedlitz 2) Joseph Christian, Freiherr von, Dichter, geb. 28. Febr. 1790 zu Johannisberg in Österreichisch-Schlesien, gest. 16. März 1862 in Wien, besuchte das. Gymnasium in Breslau, trat 1806 in das österreichische Husarenregiment Erzherzog Ferdinand und nahm als Oberleutnant und Ordonnanzoffizier des Fürsten Hohenzollern an dem Feldzuge von 1809, namentlich. an den Schlachten von Regensburg, Aspern und Wagram und dem Treffen bei Hausen, rühmlichen Anteil, nahm dann aber seinen Abschied, um die Bewirtschaftung seiner Güter in Ungarn zu übernehmen. 1837 wurde er als Publizist des Fürsten Metternich ins Ministerium des Auswärtigen berufen; später vertrat er Sachsen-Weimar, Nassau, Braunschweig, Oldenburg und Reuß als Geschäftsträger am österreichischen Hofe. Von seinen »Dramatischen Werken« (Stuttg. 1830–36, 4 Bde.; neue Ausgabe 1860) fanden die Trauerspiele: »Zwei Nächte zu Valladolid« (Wien 1825), »Der Stern von Sevilla« (Stuttg. 1830) und das Schauspiel »Kerker und Krone« (das. 1834), dessen Gegenstand Tassos letzte Lebenstage bilden. Beifall. Eine höhere Stelle nimmt Z. als lyrischreflektierender und erzählender Dichter ein. Unter seinen »Gedichten« (Stuttg. 1832, 5. Aufl. 1855, auch in Reclams Universal-Bibliothek) befinden sich die früher schon einzeln erschienenen vorzüglichen »Totenkränze« (das. 1827; 2. Aufl., Wien 1831; neuer Abdruck 1841), in denen Z. zuerst den Versuch machte,[861] die italienische Kanzone mit Erweiterung ihrer ursprünglichen Schranken in einer umfangreichern Dichtung anzuwenden, sowie ferner die berühmte Ballade »Die nächtliche Heerschau«, die an Neukomm einen originellen Tonsetzer gefunden hat. Seine einst berühmte poetische Erzählung »Waldfräulein« (Stuttg. 1843, 4. Aufl. 1856, auch bei Reclam) ist jetzt verblaßt; unter seinen spätern Werken dieser Art zeichnen sich die »Altnordischen Bilder« (das. 1850) aus. Großen Erfolg hatte in Österreich sein »Soldatenbüchlein« (Wien 1848; 3. Aufl., Stuttg. 1852), eine Art poetischer Katechismus für die reaktionär gesinnte, bigott katholische Soldateska des Kaiserstaats. Außerdem hat Z. Byrons »Childe Harold« (Stuttg. 1836) übersetzt und eine Anzahl politischer Flugschriften veröffentlicht. Vgl. Castle, Der Dichter des »Soldatenbüchleins« (im »Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft«, Bd. 8, Wien 1898).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 861-862. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007716966