Serbische Literatur

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Brockhaus 1911

[692] Serbische Literatur. Mit der Einführung des Christentums aus Byzanz wurden die altslaw. Kirchenbücher, Homilien, Legenden, apokryphen Erzählungen eingeführt, nahmen aber beim Abschreiben und bei Anfertigung neuer solcher Erzeugnisse, wie auch von Lebensbeschreibungen (von König Stephan, Sava, Domentijan, Daniel, Zamblak, Konstantin der Philosoph u.a.) serb. Nuancen an (slaweno-serb. Literatur); reiner tritt die Volkssprache auf in den Urkunden der Fürsten, dem »Gesetzbuch Duschans«. Mit der türk. Herrschaft hörte jede literar. Entwicklung auf. Eine Wiederbelebung beginnt im 18. Jahrh. unter den nach Ungarn ausgewanderten Serben durch Errichtung von Schulen mit russ. Lehrern; Rajić' »Geschichte der slaw. Völker« (1795) erweckte wieder nationale Erinnerungen; Obradović begann den Kampf für die reine Volkssprache, den Karadžić und Daničić siegreich zu Ende führten und dadurch zugleich Vereinigung mit der Literatur der Kroaten (s. Kroatische Literatur) anbahnten. Dichter: Milutinović, Njeguš, Subotić, Radičević, [692] Nenadović, Zmaj Iovanović u.a.; Novellisten: Ignjatović, Milićević. Die wissenschaftliche Literatur, bes. serb. Ethnographie (Volksliedersammlungen, zum Teil übersetzt von Talvj, Kapper u.a.), Philologie, Geschichte, Literaturkunde etc. pflegten Karadžić, Daničić, Novaković, Nikolajević, Ristić, u.a. – Vgl. Pypin und Spasović, »Geschichte der slaw. Literaturen«, Bd. 1 (1880).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 692-693. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001559451


Herders 1857

[190] Serbische Sprache und Literatur. Die serb. Sprache ist eine der 4 Hauptdialekte des slavischen Sprachstamms u. wird von ungefähr 7 Mill. (in Serbien, Bosnien, Herzegowina, Montenegro, Kroatien, Slavonien, Woiwodschaft Servien u. Temeser Banat) in 3 Mundarten: Herzegowisch, Razawisch u. Syrmisch gesprochen, von den Kroaten und Wenden mit den Buchstaben des latein., sonst aber mit den Buchstaben des cyrill. Alphabets geschrieben (Grammatik von Wuk Stephanowitsch, Wien 1814; Wörterbuch von demselben, 2. Aufl. Wien 1852). Nach der Einführung des Christenthums (im 9. Jahrh.) bedienten sich die Serben der altslavischen Kirchensprache in 2 Schreibweisen, dem Kirchenstyl u. Kanzleistyl; literar. Denkmäler aus jenen Zeiten sind einzelne Chroniken u. das Gesetzbuch des Stephan Duschan. In neuester Zeit ist ein reges literar. Leben zuerst auf österr. Boden, dann auch im eigentlichen Serbien erwacht u. man bemüht sich, die Volkssprache zur Schriftsprache auszubilden. Die bedeutendsten Namen für S. sind: der Prosaiker Obradowitsch, gest. 1811, der Dichter Milutinowitsch, Wuk Stephanowitsch, Karadschidsch, Muschicky etc.; in Deutschland haben die serbischen Volkslieder, die Karadschidsch herausgab, großen Anklang gefunden (Ristitz »Ueber die serb. Literatur« Berlin 1853).[190]

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 190-191. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003514889


Meyers 1909

[364] Serbokroatische Literatur. Die s. L. oder die Literatur der Serben und Kroaten (s. d.) umfaßt mehrere auf verschiedenem Boden und unter verschiedenen Bedingungen erwachsene Einzelliteraturen, die hier in folgender Reihenfolge behandelt werden: 1) die altserbische Literatur (vor der Türkenherrschaft), 2) die dalmatinische (ragusanische) Literatur, 3) die kajkavische Literatur, 4) die neue serbische Literatur, 5) die neue kroatische Literatur, 6) die serbische und kroatische Volkspoesie. (Zur Aussprache der Namen vgl. Serbokroatische Sprache.)

1) Die altserbische Literatur.

Die Denkmäler der altserbischen Literatur sind in der slawischen Kirchensprache (s. Kirchenslawisch) abgefaßt. Sie bestehen aus den Evangelien und andern Teilen der Bibel, Legenden, Homilien, Kirchenbüchern etc., meist Abschriften altbulgarischer Originale, und einigen Lebensbeschreibungen serbischer Könige und Erzbischöfe, die indessen auch durchaus kirchlich panegyrischer Natur sind. Zu letztern gehören die Biographien des Königs Stephan Nemanja (sein späterer Mönchsname ist Simeon) von dessen Söhnen, dem heil. Sava (gest. 1237) und König Stephan dem Erstgekrönten (hrsg. von Šafařik: »Život sv. Simeuna«, Prag 1851, 2. Aufl. 1873); die Biographien des heil. Sava (1241) und des Stephan Nemanja (1264) von dem Mönch Domentijan (hrsg. von Daničić: »Život sv. Simeuna i sv. Save«, Belgr. 1865) und das auf dem Berg Athos in Handschrift befindliche »Geschlechtsregister« (»Rodoslov«) vom Erzbischof Daniel, der als Zeitgenosse die Lebensgeschichte der serbischen Könige von 1272–1325 erzählt (hrsg. von Daničić: »Životi kraljeva i archiepiskopa srpskih«, Agram 1866). Die ersten Versuche annalistischer Aufzeichnungen beginnen erst Ende des 14. Jahrh. In die erste Hälfte des 15. Jahrh. fällt die von Konstantin dem Philosophen geschriebene Geschichte des Fürsten Stephan Lazarević. Als ein wichtiges Denkmal nicht mönchischen Ursprungs ist das »Gesetzbuch« (»Zakonik«) des serbischen Zaren Stephan Duschan (1336–56) zu nennen, das zugleich als Beitrag zur Sittengeschichte große Beachtung verdient (neuere Ausgaben von Novaković, Belgr. 1870; von Zigel, Petersb. 1872; von Florinskij, Kiew 1888). Im Volk selbst waren daneben apokryphische und populär-religiöse Schriften, die mit den Irrlehren der Bogomilen (s. d.) in Verbindung standen, weit verbreitet, und auch Werke der byzantinischen Sagenliteratur, wie der »Alexanderroman«, der »Trojanische Krieg«, »Stephanit und Ichnilat« etc., waren vorhanden. Dagegen sind Spuren einer nationalen Poesie im Schriftschatz jener frühen Literaturperiode nicht zu finden. Proben aus den Werken der letztern enthalten: Karadžić, Primjeri srpsko-slavenskoga jezika (Wien 1857); Jagić, Prilozi k historii književnosti (Agram 1868), und Novaković, Primjeri književnosti etc. (Belgr. 1878).

2) Die dalmatinische Literatur.

Durch die Türkenherrschaft in Serbien, die 1389 mit der Schlacht auf dem Amselfeld begann und durch die völlige Eroberung des Landes 1459 endgültig entschieden ward, war auf lange Zeit jede weitere Entwickelung des geistigen Lebens zum Stillstand gebracht, und nur in dem Freistaat Ragusa und dem dalmatinischen Küstengebiet blühte das serbokroatische Schrifttum fort. Diese dalmatinische Literaturperiode, die sich anfangs der kroatischen Sprache, allmählich aber immer entschiedener der südserbischen Mundart bediente, reicht etwa von der Mitte des 15. bis zum Ausgang des 17. Jahrh. und stand ganz unter dem Einfluß der Italiener; ein national-slawischer Charakter geht ihr ab; eine eigentliche Prosaliteratur fehlt. Der erste bedeutende, diese Periode eröffnende Dichter ist Marko Marulić aus Spalato (1450–1524), der eine »Geschichte der heil. Judith« (1521) und andre biblische Poesien verfaßte und auch in Italien in großem Rufe stand. Als Stammvater der eigentlich ragusanischen Dichter gilt der Lyriker S. Menčetić (Sigismundo Menze, 1457–1501), neben ihm wirkten Georg Držić (gest. 1507), Hannibal Lučić (1480 bis 1540), auch Verfasser eines Dramas: »Robinja« (»Die Sklavin«), dessen Stoff den Türkenkriegen entnommen ist, Nikola Betranić (als Mönch Mavro genannt, 1482–1576), von dem besonders treffliche Mysterien (»Das Opfer Abrahams«) und die Gedichte: »Remeta« (»Der Einsiedler«), »Putnik« (»Der Wanderer«) und »Italija« hervorzuheben sind, und Peter Hektorović (1486–1572), der Verfasser des beschreibend-erzählenden Gedichts »Ribanje« (»Der Fischfang«). Eine neue Reihe dalmatinischer Dichter beginnt mit Andrija Cubranović (gest. um 1550), der besonders durch sein Gedicht »Jedjupka« (»Die Zigeunerin«) berühmt ward. In diese Reihe gehören auch die Komödien- und Schäferspieldichter[364] Nik. Nalješković (1510–87) und Marin Držić (gest. 1580); ferner Dinko Ranjina (1536–1607), der Liebeslieder, Episteln, didaktische und idyllische Gedichte schrieb, und Dinko Zlatarić (1556–1610), vorzugsweise Didaktiker. Den Höhepunkt erreichte aber die ragusanische Poesie in Ivan Gundulić (1588–1638, s. d.), dem Verfasser des berühmten Epos »Osman«, neben dem nur noch Junius Palmotić (Giugno Palmotta, 1606–57), der Verfasser zahlreicher Dramen, einer »Christiade« (nach dem gleichnamigen Gedichte des Hieron. Vida) und lyrischer Gedichte, meist geistlichen Inhalts, Erwähnung verdient. Nach der Zerstörung Ragusas durch das Erdbeben vom 7. April 1667 geriet mit dem Wohlstande der Stadt sehr schnell auch die Literatur in Verfall, so daß sie während des 18. Jahrh. nur noch ein äußerst kümmerliches Dasein fristet. Aus dieser spätern Zeit verdienen noch Jakob Palmotić (gest. 1680), ein ragusanischer Patrizier, der das Epos »Dubrovnik ponovljen« (»Das erneuerte Ragusa«) aus Anlaß jenes Erdbebens dichtete, Ignaz Gjorgjić (1676–1737), ein vorwiegend didaktischer und religiöser Dichter, und der Lyriker Andreas Kašić-Miočić (1690–1760), der gleichsam das Bindeglied der alten dalmatinischen Dichtung und der neuen serbischen Literatur bildet, Erwähnung. Eine Ausgabe der Werke der dalmatinischen Dichter besorgt die Südslawische Akademie in Agram (»Stari pisci hrvatski«, Bd. 1–21, Agram 1869–99).

3) Die kajkavische Literatur.

Die Literatur der eigentlichen Kroaten (besser Sloweno-Kroaten), d. h. der Bewohner Provinzialkroatiens (Kajkavci; vgl. Slowenische Sprache), beginnt etwa um die Mitte des 16. Jahrh. mit dem Auftreten der Reformation daselbst und reicht bis in die 30er Jahre des 19. Jahrh. Sie behandelt, von einigen chronikenartigen Aufzeichnungen und Gedichten abgesehen, vorzugsweise populär-kirchliche und erbauliche Stoffe und ist ohne weitere Bedeutung.

4) Die neue serbische Literatur.

Die Anfänge eines Wiederauflebens der Literatur bei den Serben stehen mit den kriegerischen Erfolgen Österreichs gegen die Türken seit Ende des 17. Jahrh. in Zusammenhang. Der Friede von Poscharewatz (1718) brachte einen bedeutenden Teil Serbiens, wenn auch nur zeitweilig, unter österreichische Herrschaft und dadurch mit der westeuropäischen Kultur in Berührung. Man begann Schulen zu gründen, an denen zum Teil russische Lehrer angestellt wurden, und bald entwickelte sich wieder ein serbisches Schrifttum, das indessen den nationalen Bedürfnissen des Volkes noch wenig entsprach. Als bedeutendster Vertreter dieser slawisch-serbischen Literatur (so genannt, weil sie in einem Gemisch von noch dazu russischem Kirchenslawisch und Serbisch geschrieben war) ist Jovan Rajić (1726–1801) zu nennen, dem namentlich seine »Geschichte der slawischen Volker, besonders der Bulgaren, Kroaten und Serben« einen weitverbreiteten Ruf verschafft hat. Die eigentliche moderne Ära der serbischen Literatur datiert erst von der Erhebung der serbischen Volkssprache zur Literatursprache, die nach langen Kämpfen endlich siegreich durchgesetzt ward. Der erste, der für diesen Zweck seine Kraft einsetzte, war Dimitrije Obradović (1739–1811, s. d.); durchschlagenden Erfolg hatten aber erst Dimitrije Davidović (1789–1838), der 1814–22 eine serbische Zeitung in Wien und einen serbischen Almanach herausgab, und der ungemein verdienstvolle Vuk Stef. Karadžić (1787–1864, s. d.). Dieser schuf die jetzige Schriftsprache, sammelte, von den Brüdern Grimm angeregt und gefördert, die Volkspoesie und begründete so die neuere s. L. Es traten auf: Lucian Mušicki (1777–1837), Sänger nationaler Oden in pseudoklassischen Formen; die Legendendichter Vićentije Rakić (1750–1818) und Gavr. Kovačević, welch letzterer auch den serbischen Aufstand unter Karadjordje und die Schlacht auf dem Amselfeld besang; die Romanschreiber Athan. Stojković und Milovan Vidaković (1779–1841), der vielseitige Sima Milutinović (1791–1847, s. d.), Dichter des Liederzyklus »Srbijanka«, einer Verherrlichung des serbischen Freiheitskampfes; Jovan Sterije Popović (1806–56), als Lyriker wie als Dramatiker fruchtbar; Lazar Lazarević (1805–46), der eins der besten Dramen, »Wladimir und Kosara« (1829), schrieb; Jovan Subotić (1817–86), der Verfasser von »Stefan Dečanski«, worin viele Züge der Volkspoesie geschickt reproduziert sind; endlich als die bedeutendsten Lyriker, deren Dichtungen echt nationales Leben innewohnt: Branko Radičević (1824–1853, s. d.) und Peter II. Petrović-Njegoš, Wladika von Montenegro (1813–51), Verfasser der berühmten Dichtung »Gorski vijenac« (s. Njegosch), sowie in der neuesten Zeit vor allem Jovan Jovanović (s. d., Pseudonym Zmaj, 1833–1904); ferner Gjura Jaksić (1832–78), Jovan Ilić (1823–76) und Vojislav Ilijć (1862–94), Ljuba Nenadović, Lazar Kostić, Vojislav Kaćanski, Milorad J. Mitrović (1867–1907), Jovan Dučić, moderner Stimmungslyriker, Sv. Stefanović (s. d.), gedankenvoller Lyriker und Shakespeare Übersetzer, u. a. Als Erzähler werden in der neuern Zeit besonders geschätzt Stjepan Mitrov Ljubiša (gest. 1878), Laza(r) Lazarević (1851–90, s. d.), M. Gjuro Miličević, Ilija Vukićević (1866–99), Janko Veselinović (gest. 1904), Stevan Sremac (gest. 1906), Simo Matavulj, Marko Car, Milorad Popović Šapčanin (1841–95), Sv. Corović u. a., als Dramatiker Kosta Trisković (1843–75), Milos Cvetić (1845–1906), Branislav Nušić (geb. 1864), vor allem L. Kostić (geb. 1841, »Maksim Crnojević«, »Pera Segedinac«, »Gordana«, Shakespeare-Übersetzungen) u. a. Vgl. O. Hanser, Die serbische Lyrik von 1847–1905 (Leipz. 1908).

Eine wissenschaftliche Literatur der Serben ist erst im Entstehen begriffen; doch hat man auf einigen Gebieten, wie auf dem der Geschichte, der Geographie und Ethnographie sowie der Philologie, schon Werke von bedeutendem Wert aufzuweisen. Unter den Historikern sind außer den oben erwähnten ältern, Rajić (»Geschichte der slawischen Nationen«, 1794) und Milutinović (»Geschichte der Crnagora«, 1835, und »Geschichte Serbiens 1813–1815«, 2. Aufl. 1888), hervorzuheben Pavle Jovanović (»Geschichte der wichtigen Ereignisse in Serbien von 1459–1813«, 1847), A. Stojačković (»Geschichte des ostslawischen Gottesdienstes«, 1847, und »Skizzen aus dem serbischen Volksleben in Ungarn«, 1849), Milorad Medaković (»Geschichte Montenegros«, 1850), Daniel Medaković (»Geschichte des serbischen Volkes«, 1851 bis 1853), N. Krstić (» Geschichte des serbischen Volkes«, Belgr. 1863–64), C. Mijatović (»Gj. Branković«, das. 1880, 2 Bde.), Panta Srećković (»Geschichte des serbischen Volkes«, das. 1884–88, 2 Bde.), Stojan Novaković (»Die Serben und Türken des 14. und 15. Jahrhunderts«, das. 1893), Jovan Ristić (»Diplomatische Geschichte Serbiens 1875–1878«, das. 1896 bis 1898, 2 Bde.), I. u. D. Ruvarac, Ljuba Kovačević,[365] Ljuba Jovanović u. a. Die ethnographischen Studien, als deren Begründer Vuk Karadžić zu nennen ist, wurden in der neuern Zeit besonders gefördert durch V. Bogišić, der sich speziell mit Erforschung des slawischen und namentlich des südslawischen Gewohnheitsrechts beschäftigt (»Die Rechtsgebräuche bei den Slawen«, 1867, und »Sammlung der jetzigen Rechtsgebräuche bei den Südslawen«, 1874), wie auch durch die Geographen Toma Kovačević (»Beschreibung Bosniens und der Herzegowina«, 1865), M. Gj. Miličević (»Das Fürstentum Serbien«,1876, und dessen Fortsetzung: »Das Königreich Serbien. Das neue Gebiet«, 1884), V. Karić (»Serbien«, 1888), Jovan Cvijić (»Übersicht über die geographische Literatur über die Balkanhalbinsel«, 1898, 3 Bde.) u. a. Als ein Philolog ersten Ranges verdient Gjuro Daničić (gest. 1882, s. d.) Erwähnung. Die Geschichte der serbischen Literatur bearbeitete am eifrigsten der vorhin erwähnte Stojan Novaković (»Istorija srbske književnosti«, 2. Aufl. 1871; »Die Anfänge der slawischen Literatur bei den Balkanslawen«, 1893), der unter anderm auch eine »Serbische Bibliographie« über die Jahre 1741–1867 herausgab. Die gelehrte Tätigkeit konzentrierte sich bis 1891 vorwiegend in der Zeitschrift »Glasnik«, dem Organ der 1842 gegründeten »Gesellschaft serbischer Gelehrten« (2 Abtlgn., 75 u. 15 Bde.), seitdem im »Glas« (1887 ff., bis 1902: 62 Bde.), im »Spomenik« (1888 ff., bis 1902: 38 Bde.) der königlich serbischen Akademie der Wissenschaften und im »Srpski književni glasnik« (1901 ff.). Von den übrigen periodisch erscheinenden Schriften, die Arbeiten aus allen Zweigen der Wissenswelt bringen, ist der von der Matica Srpska, einer 1825 gegründeten literarischen Gesellschaft, in Neusatz herausgegebene, noch jetzt erscheinende »Letopis« namhaft zu machen (bis 1902: 210 Bde.), ferner die »Otadžbina« (Belgr. 1875–92, 129 Bde.), Nik. Čupić' »Godišnjica« (1877–1902: 21 Bde.) u. a. Von Journalen ist das älteste Blatt die serbische amtliche Zeitung »Srpske novine«, die seit 1834 ununterbrochen erscheint; als die beste politische Zeitung gilt die von Miletić gegründete »Zastava« (»Fahne«), deren 40jähriges Bestehen im Oktober 1906 in Neusatz festlich begangen wurde.

5) Die neue kroatische Literatur.

Die kroatische Literatur nahm wieder einen Aufschwung in den 30er Jahren des 19. Jahrh. mit dem Wiedererwachen des serbischen und kroatischen Nationalgefühls, das sich in dem Bestreben nach einer geistigen Vereinigung beider so nahe verwandten Völker äußerte. Die kroatischen Schriftsteller, unter denen in erster Linie Ljudewit Gaj (s. d.) wirkte, nahmen als Literatursprache den südserbischen Dialekt an, in dem sich die alte dalmatinische Literatur entwickelt hatte, und der zunächst mit dem neutralen Namen »Illyrisch« bezeichnet wurde (wie man die ganze Bewegung die »illyrische« nannte), während man jetzt allgemeiner »Serbokroatisch« sagt. Die kroatische Literatur ist infolgedessen von der serbischen kaum mehr zu trennen. Das Zentrum der neuern Literaturbewegung war Agram, Dalmatien nahm an ihr bedeutenden Anteil. Als Dichter sind außer L. Gaj (1809–72) hervorzuheben: der Lyriker Stanko Vraz (1810–51; »Gjulabije«, »Gusle i tambura« etc.), der feurige und patriotische Dragutin Rakovac (1813–1854), Ljudevit Bukotinović (1813–93; »Pěsme i pripovědke«, »Ruže i trnje«); Mirko Bogović (1816–93), Verfasser von Liedern (»Ljubice«), politischen Poesien (»Domorodni glasi«) und Dramen (»Frankopan«, »Matiaš Gubec« etc.); ferner Dimitrije Demeter (1811–72) und Ivan v. T(a)rnski (geb. 1819), der als Lyriker, Dramatiker und Erzähler hervorragende Ivan Kukuljević (1816–89, s. d.), der Erzähler und Dramatiker Ivan Jurković (1827–89), besonders aber Ivan Mažuranić (1813–90, s. d.), der Ergänzer der verloren gegangenen Gesänge von Gundulic' »Osman« und Verfasser des berühmten Epos »Smrt Smail Age Čengića«, und Peter Preradović (1818–72, s. d.), vielleicht der bedeutendste kroatische Dichter auf lyrischem Gebiet. Dann wirkten als Dramatiker und Erzähler Ivan Dězman (1841–73), I. E. Tomić (geb. 1843), Fr. Marković (geb. 1845), Eugen Kumičić (geb. 1850), I. Kozarac (geb. 1858), als Lyriker und Romanschriftsteller Aug. Šenoa (St.-Gênois, 1838 bis 1881), Gjuro Arnold (geb. 1851). In neuerer Zeit traten auf der hervorragende Romanschriftsteller Ksaver Šandor Gjalski (Pseud. für Ljubomir Babić, geb. 1854), die Lyriker Silvije Kranjčepić (geb. 1865), Mihovil Nikolić (geb. 1878), M. Begović (Xeres de la Maraja, s. d.), A. Tresić-Pavičić (s. d.), letztere beiden auch hervorragende Dramatiker, Vl. Nazor, die Dramatiker St. v. Miletić (geb. 1868), Srgjan Tucić, Ivo Vojnović (s. d.), die Novellisten Janko Leskovar (geb. 1861), A. G. Matoš, Jos. Kosor u. a. – Die wissenschaftliche Literatur hat ihren Mittelpunkt in der zu Agram 1866 gegründeten südslawischen Akademie der Wissenschaften, deren Präsident lange Zeit der Gelehrte Franjo Raćki (1825–94) war, und ihrem Organ, dem »Rad jugoslovenske akademije«. Andre hervorragende Vertreter der Wissenschaft sind: Vatroslav Jagić (geb. 1838, s. d.), Herausgeber des deutschen »Archivs für slawische Philologie«, dessen Forschungen hauptsächlich auf Philologie, Altertumskunde und Literaturgeschichte gerichtet sind; der Historiker Šime Ljubić (1822–96). ferner Vjekoslav Klaić (»Geschichte der Kroaten«, Agram 1898 ff.), der Lexikograph Bogoslav Šulek (1816–95), der Literaturforscher Armin Pavić, Peter Matković, Ljudevit Vukotinović als Naturforscher, der Ethnograph und Sprachkenner Franjo Kurelac (1811–74) u. a. Auch in Dalmatien weckte die »illyrische« Bewegung das Nationalbewußtsein und schuf dort die hervorragenden patriotischen Dichter Graf Medo Pucić (1821–82, s. d.), Anton Kazali (1815–94), Jovan Sundečić (1825–1900) sowie den Dramatiker Matija Bau (1818–1903, s. d.). Einen Mittelpunkt der literarischen Bestrebungen in Dalmatien bildet die in Ragusa erscheinende Zeitschrift »Slovinac«.

6) Die serbische und kroatische Volkspoesie.

Weitaus das bedeutendste poetische Erzeugnis des serbischen Volkes sind seine unschätzbaren Volkslieder, auf die sich denn auch bis in die neueste Zeit das Hauptinteresse der andern Völker an der serbischen Literatur mit Recht konzentriert. Einige dieser Lieder, die in ihrer rohen Kraft Naivität und Gemütlichkeit, orientalische Glut und griechische Plastik wunderbar vereinigen, reichen bis in die Zeit vor Ankunft der Türken in Europa und enthalten noch Überreste alter mythologischer Vorstellungen; andre gehören der Periode an, wo Adrianopel Residenz der türkischen Herrscher war, und schildern den Kampf des Christentums mit den Türken; noch andre stammen aus neuerer Zeit. Es sind teils Heldenlieder, die sich hauptsächlich um die Heldengestalt des Marko Kraljević (s. d.) und um die Schlacht auf dem Amselfeld und den Zaren Lazar gruppieren, teils Liebes- und Frauenlieder,[366] welch letztere, meist von Mädchen und Frauen gedichtet, von den jungen Leuten beim Volkstanz (kolo) gesungen werden. Das Versmaß der kleinen Lieder besteht meist aus Trochäen und Daktylen, während die Heldenlieder vorwiegend in zehnsilbigen Versen (nach O. Hauser mit der Spentamanyu-Zeile der Avesta nahe verwandt) abgefaßt sind, deren Charakteristikum die Zäsur nach der vierten Silbe ist, sonst ohne bestimmten Tonfall. Die erste Sammlung und Auszeichnung der serbischen Volkslieder geschah in musterhafter Weise durch Vuk Karadžić in seinem Werke »Srpske narodne pjesme« (2. erweiterte Ausg., Wien 1841–65, 5 Bde.), das in viele fremde Sprachen übersetzt (deutsch von Talvj, 2. Aufl., Leipz. 1853, 2 Bde., u. a.) und später noch durch einen Band: »Srpske narodne piesme iz Herzegovine« (Frauenlieder, Wien 1860), ergänzt wurde (neue Gesamtausg., Belgr. 1891–1902, 9 Bde.). Lieder des bosnischen Volkes veröffentlichten Bogoljub Petranović (drei Sammlungen, Belgr. 1867 u. 1870, Sarajevo 1867) und Ristić (Belgr. 1873), montenegrinische F. Radičević (das. 1872). Auch serbische Märchen wurden am frühesten und am besten von Karadžić herausgegeben (Wien 1870; neue Ausg., Belgr. 1897, dazu Bd. 2, Sprichwörter enthaltend, das. 1900). – Die epische Volkspoesie der Kroaten fällt dem Stoff nach mit der der Serben zusammen. Sie zeichnet sich durch ein besonderes Vers waß (aus 15 Silben bestehend, mit Zäsur nach der siebenten, oft auch mit einer Art Refrain) aus und war im 16.–17. Jahrh. ziemlich reich; jetzt ist sie im Verschwinden begriffen. Die handschriftlich erhaltenen epischen Volkslieder sind zum Teil in Miklosichs »Beiträgen zur Kenntnis der slawischen Volkspoesie« (Bd. 1: »Die Volksepik der Kroaten«, Wien 1870) mitgeteilt, eine vollständige Ausgabe besorgte Bogišić (»Narodne pjesme iz starijih zapisa«, Bd. 1, Belgr. 1878); auch die »Matica hrvatska« gab eine Sammlung heraus (Agram 1896 bis 1899, 4 Bde.). Kajkavische Volkslieder veröffentlichte Kukuljević in Bd. 4 seiner »Različita děla« (Agram 1847), Märchensammlungen M. Valjavec (Warasdin 1858, 2. Aufl. 1890 etc.), Lieder und Sagen Plohl-Herdvigov (das. 1868, 2 Bde.) und Kurelac (Agram 1871). Eine Übersetzung »Serbokroatischer Dichtungen« gab Manojlović heraus (3. Aufl., Wien 1888). Vgl. M. Curčin, Das serbische Volkslied in der deutschen Literatur (Leipz. 1905).

Vgl. P. J. Šafařik, Geschichte der südslawischen Literatur, Bd. 2: illyrische und kroatische, und Bd. 3: serbische (Prag 1865); V. Jagić, Historija književnosti naroda hrvatskoga ili srbskoga I (Agram 1867); St. Novaković, Istorija srpske kniževnosti (2. Aufl., Belgr. 1871); Pypin und Spasović, Geschichte der slawischen Literaturen, Bd. 1 (deutsch, Leipz. 1880); I. Grčić, Istorija srpske književnosti (Neusatz 1903).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 364-367. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007466714