Chinesische Literatur
Meyers 1906
Die chinesische Literatur.
Unsre Kenntnisse der chinesischen Literatur befinden sich noch immer in den Anfängen, und doch handelt es sich um ein Feld von fast unermeßlichem Umfang, schon wenn man die Bändezahl, und von vielversprechender Fruchtbarkeit, schon wenn man die Vielseitigkeit dieser Literatur betrachtet. In beidem steht sie unstreitig in der ersten Reihe der Weltliteratur. Ist sie doch auch seit etwa vier Jahrtausenden von dem zahlreichsten Kulturvolk der Erde und unter den günstigsten Umständen gepflegt und gemehrt worden. Literarische Bildung wurde fast immer von oben gefördert, vom Volke bewundert und erstrebt; seit dem 10. Jahrh. werden die Bücher durch Druck, oft zu Spottpreisen, der Menge zugänglich gemacht.
Der Chinese ist seiner Anlage nach konservativ, und das äußert sich auch in seiner Literatur. Die Alten werden immer mit gleichem Eifer gelesen, immer aufs neue herausgegeben, kommentiert und nachgeahmt. Da hat denn freilich das Neue, Originelle einen schweren Stand. Allgemeines Mißtrauen, oft selbstgenügsame Gleichgültigkeit steht ihm entgegen, die zu überwinden nur besonderm Verdienst oder Glück gelingt. Dennoch sind Volk und Literatur des Mittelreichs keineswegs so langweilig uniform, so ganz der Originale bar, wie man gemeinhin glaubt. Bahnbrechende Genies haben auch hier dem Geschmack neue Richtungen gegeben, dem Denken neue Gebiete erschlossen, und gerade uns Europäern werden die leichte Anmut, die Lebensfrische und Lebenswahrheit mancher Erzeugnisse der neuern Belletristik mehr zusagen als manches hochgefeierte Werk der alten Weisen.
Die Chinesen stellen unter ihren Büchern die fünf King (die »kanonischen«) obenan. Sie sind eine Sammlung derjenigen alten Schriften, die man als ewig normgebende anerkannt hat. Für das erste unter ihnen wieder wird das Yihking oder »Buch der Wandlungen« gehalten, ein seltsames Werk, denn es besteht aus den 64 sogen. Hexagrammen, d. h. sechsstelligen Kombinationen der ganzen und gebrochenen geraden Linie, als »Text« und mehreren Kommentaren, deren ältester aus dem 12. Jahrh. v. Chr. stammt. Es wird von alters her als der Inbegriff aller Weisheit mit großer Ehrfurcht betrachtet, wenn auch nicht verstanden, und ebenso seit alters auch zum Wahrsagen benutzt. Seine Bedeutung ist noch nicht einwandfrei erklärt; einige Wahrscheinlichkeit hat die Hypothese, daß die Hexagramme alte Schriftzeichen seien und es selber ein Handbuch der Staatsmoral in Stichworten. Das Schiking, meisterhaft übersetzt von V. v. Strauß (Heidelb. 1880), ist eine von Confucius veranstaltete Sammlung lyrischer Gedichte, deren älteste aus dem 18. Jahrh. v. Chr. herrühren. Das Buch enthält teils Volkslieder, nach ihren Heimatsprovinzen geordnet, teils Gelegenheits- und Festgedichte aus den höhern und höchsten Kreisen, teils Lobgesänge auf große Tote. Tiefe Innigkeit, zuweilen beißender Witz, oft hoher poetischer Schwung sind diesen Erzeugnissen eigen, dazu rührende Naivität und sinniges Verbinden der Natureindrücke mit den innern Stimmungen: das alles verleiht ihnen einen ästhetischen Reiz, der das ihnen gebührende wissenschaftliche Interesse noch überbietet. Das leider nicht mehr vollständig erhaltene Schu (»Buch«) oder Schuking, ein von Confucius gefertigter Auszug aus amtlichen Urkunden, ist das älteste uns erhaltene geschichtliche Werk der Chinesen. Es umfaßt die Zeit vom 24. bis zum 8. Jahrh. v. Chr., enthält aber weniger geschichtliche Daten als amtliche Erlasse, Ratschläge etc. der Fürsten, die ein Bild alter Staatsweisheit liefern. Das Tschhünthsieu, eine überaus trockne Chronik des kleinen Staates Lu, aus dem Confucius stammte, wurde bisher für ein Werk, und zwar das einzige authentische des Meisters selber gehalten; nach der sehr plausibeln neuesten Hypothese (von Grube) stammt von diesem aber vielmehr der großartige Kommentar dazu, das Tsotschuen, her. Unter dem Ausdruck Lì fassen die Chinesen etwa das zusammen, was sich gebührt: gute Sitte, Zeremoniell, Etikette, aber, dem polizeistaatlichen Wesen der Nation entsprechend, auch sonst das Ordonnanz- und Reglementsmäßige. Das hierauf Bezügliche ist in drei Büchern gesammelt: dem von Biot übersetzten Tscheuli (angeblich aus dem 12. Jahrh. v. Chr., doch mindestens mit viel spätern Zusätzen), dem von de Harlez übersetzten Ngili, etwa aus dem 8. Jahrh. v. Chr., beides wahre Fundgruben für die Kenntnis der damaligen Kultur, und endlich dem Liki, einem lose gefügten Sammelwerk aus ältern Quellen, das noch heute in praktischem Ansehen steht und den King angereiht zu werden pflegt.
Den King als klassische Schriften zunächst stehen die Sseschu, worunter man vier kurz nach Confucius'[61] Zeit entstandene philosophische Bücher seiner Schule versteht: das kurze Tahioh (»die große Lehre«), ein Abriß der sittlichen und politischen Grundlehren; Tschungyung (etwa »das Beharren in der Mitte«), eine schön geschriebene Abhandlung über das Einhalten der rechten Mittelstraße als Norm des sittlichen Verhaltens; Lüniü (»Gespräche«), eine Auszeichnung von Aussprüchen des Confucius, meist in Form kurzer Zwiegespräche, bei aller Trockenheit doch reich an trefflichen Kernsprüchen des Weisen über sittliche und Lebenswahrheiten. Von verwandtem Inhalt, aber von belebterm Stil ist das vierte, das Buch des Mengtse (s.d.), der nach heutiger Ansicht der hervorragendste Jünger des großen Meisters war. Das Buch, das einzelne seiner Unterredungen wiedergibt, ist dank der Anmut und der verhältnismäßigen Leichtigkeit seines Stiles wie kaum ein zweites geeignet, uns in das Studium der altchinesischen Literatur einzuführen. Beste Übersetzung der King und Sseschu von Legge (»The Chinese classics«, bisher 8 Bde., Lond. 1861ff.; 2. Aufl. 1893ff.).
Dem Jugendunterricht, der zunächst als Vorstufe zur weitern humanistischen Bildung, d. h. zum Verständnis der Sseschu und der King, dienen soll, dienen als wahre Elementarbücher vor allen das Santseking (»Drei-Wort-Kanon«) und das Thsientsewen (»Tausend-Wort-Lehre«), gereimte Büchlein, die, auswendig gelernt und nachgeschrieben, den Schüler in die Lese- und Schreibekunst einführen. Das Siaohio (»Kleine Lehre«) enthält Verhaltungsregeln, das Hiaoking (»Pietätskanon«) die Lehre von den kindlichen Pflichten. Für den Unterricht der Mädchen sind analoge Werkchen im Gebrauch.
Das Zeitalter, das Confucius und seine Religion oder richtiger Moralphilosophie hervorbrachte, erzeugte noch eine Anzahl andrer Philosophen. So vor allem Laotse (s.d.), der, ein etwas älterer Zeitgenosse des Confucius, im Gegensatze zu diesem, dem nüchternpraktischen Staatsmann, ein Theosoph von der tiefsinnigsten Mystik war. Sein wohl mit Unrecht von einigen für eine spätere Kompilation gehaltenes Taoteking, der Kanon vom Tao und der Tugend, dessen Worte von Stanislas Julien, dessen Geist von Viktor v. Strauß gedeutet worden, steht innerhalb der chinesischen Literatur fast vereinzelt da. Selbstbefreiung, der Weltvernunft ähnlich werden, ist das Ziel des menschlichen Lebens und Strebens. Von den übrigen, die sich teils eng an ihre großen Vorbilder anschmiegen, teils deren Lehren weiterzubilden, mitunter zu verbessern suchen, verdienen hervorgehoben zu werden der geistvolle Tschuangtse, ein Anhänger Laotses, und Sün King, der in direktem Gegensatze zu seinem Meister Confucius die menschliche Natur für ursprünglich böse hält. Dennoch wird auch er noch zu den orthodoxen zehn Philosophen gerechnet. Dagegen werden zwei selbständige Denker schlechthin als Irrlehrer gebrandmarkt und von Mengtse erbittert bekämpft: Mihtih, der Apostel der allgemeinen Menschenliebe, und, mit mehr Recht, der Verfechter des nacktesten Egoismus, Yang Tschu. Übersetzung des Tschuangtse u. a. von Legge, Band 39 und 40 der »Sacred Books of the East«. Vgl. M. v. Brandt, Die chinesische Philosophie und der Staats-Confucianismus (Stuttg. 1898).
So reich es auch ist, was uns von dieser alten Literatur erhalten blieb, es sind doch nur große Trümmer. Denn um 200 v. Chr. hieß Kaiser Schihoangti bei Androhung harter Strafe alle vorhandenen Bücher, mit Ausnahme des Yihking und einiger andern, verbrennen; 460 Gelehrte starben damals den Märtyrer tod. Was dieser Verheerung entging, ist im Verhältnis zu dem Verlornen sehr wenig, und manches, das nachmals aus der Erinnerung alter Leute wieder auf gezeichnet wurde, ist entschieden lücken- und fehlerhaft auf uns gekommen. Der Textkritik und Interpretation ist damit ein Feld geöffnet, das seitdem von den chinesischen Kommentatoren mit namenlosem Fleiß, vielfach mit großer Umsicht bebaut worden ist. Unter den Meistern in diesem Fache gebührt dem Tschu Hi (gest. 1200 n. Chr.), dem »Fürsten der Literatur«, der erste Rang. Tschu Hi begnügte sich aber nicht mit der Kritik und Auslegung vorhandener Texte, sondern faßte auch das ganze Wissen und Glauben seiner Zeit zu einem großartigen System, dem Singli, zusammen, das nichts Geringeres bedeutet als eine Dogmatisierung des Confucianismus. Sein Werk, das er auch mit Erfolg popularisierte, ist mustergültig geblieben, und nicht zum wenigsten ihm ist jene starre konservative Richtung des spätern Chinesentums zuzuschreiben. An die Schule des Laotse hat sich unter dem Namen Taosse eine religiose Sekte angelehnt, deren Lehre mit jener ihres Meisters nur wenig mehr zu schaffen hat. Ihre Bücher, soweit wir von ihnen Kunde haben, sind teils moralischen, teils toll abergläubischen Inhalts. Die religiösen Schriften der Buddhisten sind für uns wertvoll, teils weil sie die Entwickelung dieses Glaubens in China abspiegeln, teils weil sie manches im indischen Urtext verloren gegangene Werk aufbewahrt haben. Näheres über sie gehört in die Geschichte des Buddhismus (s.d.). Das Studium der alten Schriftsteller erheischt das ihrer Sprache, die Richtigstellung und Erklärung der Texte setzt eine Philologie voraus. In dieser Wissenschaft haben die Chinesen Erhebliches geleistet. Die grammatische Bearbeitung ihrer Sprache tritt freilich mehr zurück, aber ihre Wörterbücher sind um so bedeutender, das größte davon umfaßt 237 Bände. Dazu kommen Werke über alte Schriftzeichen und Inschriften, über die Aussprachen der verschiedenen Dialekte, über auffallende Sprachgebräuche einzelner Schriftsteller, endlich Wörterbücher, ja sogar Grammatiken der mongolischen, mandschurischen und noch mancher andrer Sprachen. Bis zu einer vergleichenden Linguistik in unserm Sinne hat man es nicht gebracht. Die chinesische Geschichtschreibung kann, was Vollständigkeit und Zuverlässigkeit des Erzählten betrifft, mustergültig genannt werden, nicht aber hinsichtlich ihrer Darstellungsweise. Der trockne Annalenton des »Tschhünthsieu« (s. oben) klingt fast überall nach, allenfalls gewinnt das Erzählte durch tieferes Eingehen in Einzelheiten an Lebendigkeit; fast überall aber bleibt ein übersichtliches Bild der jeweiligen Zustände und ein klares Entwickeln der Ereignisse aus diesen zu vermissen. Seit der Dynastie Hia (2207–1767) besteht bis auf den heutigen Tag das Amt der Reichsgeschichtschreiber, und die Vasallenfürsten unterhielten für ihre Staaten ähnliche Ämter. Die damit betrauten Männer, jetzt das ganze Hanlin-Kollegium, scheinen stets eine Unabhängigkeit genossen zu haben, die Vertrauen in die Wahrheit ihrer Berichte erweckt. Durch den großen Bücherbrand ist natürlich, was sich bis dahin von jenen Quellen erhalten hatte, vollends zu Grunde gegangen. Das Sseki des Ssematsien aus dem 1. Jahrh. v. Chr. ist nächst dem Schuking und dem Tschhünthsieu das wichtigste Werk für Chinas ältere Geschichte. Der Verfasser hat mit unendlichem Fleiß die vorhandenen Urkunden, Denkmäler und Sagen durchforscht, um so ein Werk zu schaffen, das[62] die geschichtliche und z. T. auch die soziale Entwickelung von beinahe dritthalb Jahrtausenden, vom Kaiser Hoangti bis 122 v. Chr., darzustellen sucht. Seine Anordnung des Stoffes in fünf Teile gilt noch heute der offiziellen Geschichtschreibung als Muster. Das Sseki, von dem Chavannes eine vortreffliche kommentierte Übersetzung gibt (Par. 1895–1901, bis jetzt 4 Bde.), eröffnet die Reihe der sogen. »vierundzwanzig Geschichtswerke«, d. h. der Reichsannalen. Die nächstfolgenden Werke sind Privatarbeiten; seit dems. Jahrh. n. Chr. aber besteht die Einrichtung, daß jede Dynastie amtlich die Geschichte der vorhergehenden bearbeiten läßt. Neben diesen Werken gibt es dann noch die Geschichten einzelner Lehnsreiche und Provinzen und eine Menge z. T. sehr umfangreicher Privatarbeiten, unter denen das »Thungkien« des Ssema Kuang und seiner Nachfolger für das bedeutendste gilt.
Was wir von den Leistungen der Chinesen auf den Gebieten der Lände r- und Völkerkunde, der Naturgeschichte und Medizin und andrer Erfahrungswissenschaften kennen, ist wohl durchweg mehr beschreibend als systematisch gehalten. Der Wert der einschlägigen, z. T. sehr umfangreichen Werke beruht in der Art, wie die Tatsachen beobachtet und erzählt, nicht wie sie erklärt werden. Die Berichte chinesischer Reisenden über benachbarte Länder aber versprechen eine wahrhaftunschätzbare Ausbeute, desgl. die Schriften über Ackerbau und Gewerbe. Den uns nur wenig bekannten Werken der Gesetzgebung und Rechtswissenschaft wird Übersichtlichkeit und logische Konsequenz nachgerühmt. Überaus beliebt sind die Enzyklopädien, und wissenschaftliche Köpfe ersten Ranges haben es sich angelegen sein lassen, solche Universalwerke zu verfassen. Obenan unter diesen Enzyklopädisten steht Ma Tuanlin (1245–1322), ein Mann von umfassendem Wissen und seltener Arbeitskraft, mit seinem »Wenhienthungkhao«, einem Riesenwerk von 348 (chinesischen) Bänden. Es ist durch zwei über 300 Hefte haltende spätere Nachträge bis ins 18. Jahrh. weitergeführt. Teile davon hat d'Hervey-Saint-Denys übersetzt (Par. 1875 u. 1883, 2 Bde.). Mit zahlreichen Abbildungen versehen, aber kaum ein Sechstel so groß ist das »Santsaithuhoei«, wahrscheinlich in Japan mehr verbreitet als in seinem Vaterlande. Die wegen der enormen Kosten nie gedruckte größte Enzyklopädie Chinas (und der Welt), das von über 2000 Gelehrten im 15. Jahrh. kompilierte riesenhafte »Yunglotatien« in 22,870 Bänden ist jüngst in Peking mit verbrannt. Poetische Werke gehören nach chinesischer Auffassung nur dann zur höhern Literatur, wenn sie in gebundener Rede verfaßt sind. Was die Chinesen in dieser Gattung geschaffen haben, mag unzählbar sein: rechnen sie doch Versemachen zu den notwendigen Künsten des Mannes von Bildung. Was wir davon außer dem »Schiking« kennen, ist jedenfalls verschwindend wenig. Ihren höchsten Aufschwung nahm die Kunst der Lyrik unter der Dynastie Thang (618–906); damals blühten neben vielen andern nicht unbedeutenden Dichtern die beiden berühmtesten Meister, Tu Fu und Li Thaipeh (s.d.). Die Chinesen sind Naturfreunde, und so lieben sie es auch, die Natur bis zu ihren kleinsten Erscheinungen dichterisch zu behandeln, oft den Gegenstand des Liedes sinnig zu eignen Schicksalen und Seelenzuständen in Beziehung setzend. Sie dichten in Reimen, und ihre Versmaße sind nicht nun der mannigfaltig als die unsrigen. Die herrschende Vorliebe für allerlei uns fremde Anspielungen macht das Studium ihrer Dichtungen zu einem äußerst schwierigen. Von manchen Erzeugnissen der Lyrik haben wir Übersetzungen (z. B. Forke, Blüten chinesischer Dichtung, Magdeb. 1899; Imbault-Huart, Par. 1886 u. 1892). Wenig entwickelt ist nach unsern Begriffen die wohl aus Indien importierte dramatische Kunst. In den Bühnenstücken, deren einige uns in Übersetzungen und Bearbeitungen vorliegen, zeigt sich öfters Geschick in der Entwickelung spannender Situationen. Vgl. R. v. Gottschall, Theater und Drama der Chinesen (Bresl. 1887). Letzteres gilt auch von manchen Romanen. Die Bücher dieser Art sind sämtlich in Prosa geschrieben. Wir kennen deren drei Hauptarten: den märchenhaften Roman, in dem die Ereignisse von Dämonen und Feen geleitet werden, den historischen und den bürgerlichen oder Familienroman. Einzelne Werke der letztern Gattung haben auch in Europa Beifall gefunden und das mit Recht, denn nirgends wird man so lebenswarme Schilderungen des chinesischen Treibens und Denkens finden wie hier. Wir erinnern z. B. an das Jükiaoli (»Geschichte der beiden Cousinen«), die Rémusat und Julien, und an das Haokieutschuan (»Die glückliche Vereinigung«), die Davis u. a. übertragen haben. Daß Liebe und Heirat in den Lustspielen und Romanen der Chinesen nicht die Alleinherrschaft ausüben, die man ihnen bei uns gönnt, darf nicht wundernehmen; eher, daß wir auch hier nicht selten einer wahrhaft reinen Liebe begegnen. Die endliche Beförderung eines lange verkannten oder unterdrückten Talents zu einer höhern Stelle befriedigt freilich den Sinn des chinesischen Lesers ebensosehr wie uns eine schwer erkämpfte Ehe.
Die Chinesen bedienen sich zum Druck ihrer Bücher des Holzschnittes. Sie bedrucken nur eine Seite ihres dünnen Papiers. Die Blätter werden in der Mitte zusammengefalzt, und der Falz, auf dem Titel, Heft- und Blattzahl, oft auch die Überschrift des Kapitels oder Buches stehen, bildet die äußere Seite des Blattes. An der entgegengesetzten Seite ist das Buch geheftet. Die innere Einrichtung ist der unsern fast gleich. Minder sorgfältige Drucke entbehren der Interpunktionen. Vgl. außer den oben bereits angeführten Werken: Abel Rémusat, Essai sur la langue et la littérature chinoises (Par. 1811); Davis, The poetry of the Chinese (2. Aufl., Lond. 1870); Bridgman, Chinese chrestomathy (Macao 1841); Schott, Entwurf einer Beschreibung der chinesischen Literatur (Berl. 1854); Derselbe, Verskunst (das. 1857); A. Wylie, Notes on Chinese literature (Schanghai 1867); H. Giles, History of Chinese literature (Lond. 1901); Conrady, Sprache, Schrift und Literatur der Chinesen (in Kürschners »China«, Leipz. 1902); Derselbe, Chinas Kultur und Literatur (das. 1903); endlich vor allen Grube, Geschichte der chinesischen Literatur (das. 1902).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 59-63. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006419801
Brockhaus 1911
[336] Chinesische Sprache, Schrift und Literatur. (Anfang siehe unter Chinesisch)
[336] Grundlage der ungeheuren chines. Literatur sind die fünf King oder heiligen Bücher des Konfuzianismus: 1) Jihkīng, Buch der Wandlungen (lat. von Mohl, 1834 fg.; engl. von Legge in Bd. 2 der »Sacred books of China«); 2) Schū-kīng, Buch der Annalen (engl. von Legge, 1879); 3) Schī-kīng, Buch der Lieder (deutsch von V. von Strauß, 1880); 4) Tschhǖn-tshiēn, Chronik der Prov. Lu, von Konfuzius; 5) Lì-kí, Buch der Riten (engl. von Legge). Hieran schließen sich die »Vier Bücher« (die Schriften der Schüler des Konfuzius und des Tzeng-tze, Tse-sze und Meng-tze), das Werk des Philosophen Lao-tze (um 600 v. Chr.), deutsch von V. von Strauß (1870), des Tschu-hi (13. Jahrh.), die Übersetzungen buddhist. Werke aus dem Sanskrit.
Die Geschichtschreibung beruht auf dem Schu-king und der Reichschronik des Sze-ma-tschien (2637-122 v. Chr., mit den Fortsetzungen ca. 800 Bde.; franz. von Chavannes, 1895 fg.). Großartige Pflege fanden auch die Geographie, Astrologie, niedere Mathematik und Naturkunde. Der Philologie dienen große Lexika, wie das des Kaisers Khang-hi (130 Bde., 1710-16; verkürzt von Chalmers, 1881), dem allgemeinen Wissen Enzyklopädien aus dem 13. bis 14. und dem 17. Jahrh. Poesie: Älteste Liedersammlung das Schī-kīng; als Lyriker glänzten Thu-fu und Li-tai-peh (8. Jahrh. n. Chr.), in Auswahl übersetzt von d'Hervey de St.-Denys (1862), Forke (1899); außerdem bes. Drama, Roman und Novelle gepflegt. – Vgl. Schott (1854), Grube (1902).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 336-337. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001010867
Pierer 1857
[35] Chinesische Literatur. Sie ist eine alte u. in Verhältniß zu anderen asiatischen Literaturen eine reiche. Ein großer Theil der Ch-n L. ging in der 215 v. Ch. vom Kaiser Schihoang-ti befohlenen allgemeinen Bücherverbrennung unter, s. China (Gesch.) II. D) b). Von weniger Belang war die Verbrennung der Religionsschriften der Tao-tze durch Kublai (s. ebd.). Beförderer der Literatur waren mehrere Kaiser der Han, bes. Wan-ti, Siuan-ti, Yuan-ti, u. der Sung, bes. Wen-ti, der Liang, bes. Wu-ti, der Tang, bes. Tai-tsung. Die Bücher werden gedruckt; der Druck ist xylographisch u. seit 950 v. Chr. schon gewöhnlich. Das Material zu den Büchern ist dünnes, gelbliches, meist Baumwollenpapier, dessen Blätter zu großer Octavform zusammengebrochen u. an den offenen Seiten mit Seidenfäden zusammengeheftet werden. Daher sind die Blätter der chinesischen Bücher, weil der Bogenbruch an der vorderen Buchseite ist, nur auf einer Seite bedruckt. Die höchstens aus einigen hundert Seiten bestehenden Bücher haben Titel, Register, auch auf dem (hier uneigentlich sogenannten) Schnitt Anmallgaben des Inhalts u. sind foliirt. Zuweilen werden mehrere Hefte zusammen in einen Deckel von Pappe eingeschlagen. Die Bücher werden nicht aufgestellt, sondern über einander gelegt, u. zwar mit dem Schnitt nach vorn. Bibliotheken haben alle vornehme u. gebildete Chinesen; größere gibt es in den Tempeln u. Klöstern, die größte ist die kaiserliche[35] in Peking, die über 400,000 Bände enthält. Die Druckkosten trägt der Verfasser selbst, zuweilen werden sie auch durch Subscription gedeckt; der eigentliche Büchermarkt ist in Su-tscheu-su, wo die meisten Bücher gedruckt werden. Es gibt in China auch Bücherkataloge mit beigesetzten Preisen. Die erste Stelle unter den chinesischen Büchern nehmen nach landesthümlichen Ansichten die klassischen (canonischen, heiligen) Bücher ein, sie enthalten die Lyrische Poesie, Geschichte, Moral u. Politik aus der ältesten Zeit des Volkes. Unter ihnen haben A) den ersten Rang die 5 Kings; die Verfasser sind unbekannt, doch soll Kong-su-tse einen Theil derselben aus alten Urkunden excerpirt u. so in die jetzige Gestalt gebracht haben. Diese Kings sind: a) Y-king (Buch der Verwandelungen), wahrscheinlich das älteste, enthält die 8 Kua mit ihren 64 Erweiterungen, s. China (Geogr.), u. soll von dem ersten der 5 Kaiser Fo-hi, s. China (Gesch.), herrühren; an sie schließen sich die Erklärungen des Wen-wang, des Tschen-kung u. des Kong-su-tse, die jedoch eben so dunkel sind, als der Text u. zu vielfachen neueren Erklärungen Veranlassungen gegeben haben (übersetzt von Regis u. herausgeg. von Mohl, Stuttg. 1834, 2 Bde.); b) Schu-king (Geschichtscanon) enthält die Urkunden zur Geschichte der Kaiser Yao u. Schün u. der Dynastien Hia, Schang u. Tscheu (französisch von Gaubil, Par. 1770, chinesisch u. engl. von Medhurst, 1846); c) Schi-king (Liedercanon), enthält Lieder zum Lobe edler u. Tadel böser Menschen; von Kongsu-tse aus der Menge alter Lieder ausgewählt (nach der lateinischen Übersetzung de la Charme's, herausg. von Mohl, Stuttg. 1830, deutsch von Rückert, Alt. 1833); d) Tschün-tsieu (Sommer u. Herbst), Chronik der kleineren, zum Chinesischen Reiche gehörigen Provinzen, bes. des Landes Lu, von Kongsu-tse (öfter gedruckt, z.B. 1790), Ergänzungen u. Erklärungen dazu: die Nei-uai-tschuen von Tso-kieu-ming, einem Zeitgenossen Kong-futse's; e) Li-king (Li-ki, Li, Ritualcanon), Anweisung zum Benehmen für alle Klassen an allen Orten u. bei allen Gelegenheiten u. in allen Erfahrungen des Lebens (übersetzt von Stanisl. Julien); ein sechstes, Yo-king, über die Musik, ist verloren gegangen. B) Zu den klassischen Büchern zweiten Ranges gehören: a) die vier Bücher (Sse-schu), von Kong-su-tse u. seinen nächsten Schülern verfaßt; sie sind: aa) der Ta-hio (große Lehre) von Kong-su-tse, Anforderung an Regenten u. hohe Staatsbeamte zur Selbstüberwindung, um mit Glück die Untergebenen regieren zu können (herausgeg. von Marshman, Seramp. 1814, von Pauthier, Par. 1837); bb) Tschung-yung (unveränderliche Mitte), von Kong-fu-tse Enkel, Tse-tze, lehrt, daß wahre Sittlichkeit nicht in gänzlicher. Unterdrückung, sondern in pflichtmäßiger Beherrschung der Leidenschaften bestehe (von A. Remusat im 10. Bde. der Notices et extraits des manuscr., lateinisch u. französisch herausgeg.); cc) Lün-yü (Reden u. Antworten), enthält Sentenzen u. Denkwürdigkeiten aus dem Leben u. Unterredungen des Kong-fu-tse mit seinen Schülern; soll von 2 Schülern desselben nach seinem Tode geschrieben worden sein (herausgeg. von Marshman, Seramp. 1810, übersetzt von Schott, Halle 1826); dd) Meng-tse, von dem gleichnamigen Verfasser, einem Schüler des Kong-fu-tse, den die Chinesen im Range gleich nach Kong-fu-tse stellen, enthält die Unterredung des Verfassers mit einem Fürsten Liang-wang, ñber die beste Art zu regieren (herausgeg. von Stanisl. Julien, Par. 1824–29, 3 Bde.). Die Sse-schu, lateinisch von Intercetta (Par. 1687), von Noel, Prag 1711, englisch von Collie, Malakka 1828, französisch von Pauthier, Par. 1841; auch in Confucius Sinarum philos., Par. 1687, Fol. Auch die Sse-schu sind vielfach commentirt u. paraphrasirt worden, z.B. von Tschu-hi od. Tschu-yuan-mei, einem Anhänger des Kong-fu-tse, lebte im 12. Jahrh. n. Chr.; eine Paraphrase wurde von dem Hanli Anfangs des 18. Jahrh. für den jungen Kaiser Sching-tsu bearbeitet u. ist als Yi-kiang (Lectüre für jeden Tag) noch bekannt u. 1821 wieder gedruckt worden. Zu den klassischen Büchern zweiten Ranges zählt man noch b) den Hiao-king (Buch vom kindlichen Gehorsam), eine Unterredung des Kong-fu-tse mit seinen Schülern über den kindlichen Gehorsam; c) Siao-ho (kleine Lehre) von Tschu-schi, über Erziehung u. Schulunterricht, beide übersetzt von Noel (s. oben) u. französisch von Cibot im 4. Bd. der Mémoires conc. les Chinois. C) Die übrigen zur Philosophie, Religion u. Moral gehörigen Schriften sind theils Erklärungen der Schriften des Kong-fu-tse durch dessen Schüler od. Anhänger, z.B. des genannten Tschu-hi, dessen Zeitgenoß Lo-kieu-yuan (welcher in Briefen philosophirte), des Kuan-tse u. Siun-tse (im 3. Jahrh. v. Chr., welcher Letztere auch einen Commentar zu den canonischen Büchern geliefert hat), des Hoang-tung-sa (lebte im 10. Jahrh.), gilt mit als bester der alten Erklärer der Ch. L.; schrieb tägliche Lucubrationen des Hoangschi; Werke gedruckt 1337); theils Philosopheme u. Lehren zur Taolehre u. zum Buddhismus, vgl. China (Geogr.); die Schriften des Lin-tsu od. Liu-tung-pin (lebte im 9. Jahrh. u. schr. in Prosa u. in Versen); zum Buddhismus gehörige Schriften sind sämmtlich aus dem Sanskrit übersetzt, auch sie führen den Namen King (welches dem sanskritischen Sutra entspricht), z.B. das Kinkuang-king (d. i. Gold-glanz-buch, Buddha's letzte Belehrung an seine Schüler über sich, über Buße, Pflicht u. Ende). Die Bekanntschaft mit dem Christenthum hat theils Einfluß auf die Darstellung neuerer Philosophen gewonnen, z.B. in den Sing-li-tschin-tsiuan (wahrhafte Erklärung der Naturgesetze), erschienen 1753 von Sün-te-tschao, einem Privatgelehrten (worin Rückkehr zur alten Lehre gerathen wird); theils auch Gegenschriften hervorgerufen, z.B. in dem Sching-yukuang-hiun (Anweisung zur Verbreitung der heiligen Lehre), vom Kaiser Yung-tsching, worin Warnung an die Chinesen vor Abfall zum Christenthum (russisch von Leontiew, Petersb. 1778, englisch von W. Milne, Lond. 1817). Eine Vermischung biblischer u. chinesischer Glaubens- u. Sittenlehren hat die neueste Secte der Gottesverehrer versucht, s. China Gesch.) VI. D). Die moralischen Schriften, entweder Erzählungen od. Sentenzen enthaltend, gehören meist der Tao-secte an, z.B. das King-sin-lo (Buch des ehrerbietigen Glaubens), angeblich gesammelt von Tscheu-ting-tschin, 1. Ausg. 1749. D) Wörterbücher u. Sprachkunde. Ungerechnet mehrere Wörterbücher, welche von europäischen Missionären u. Gelehrten herrühren (s. Chinesische Sprache), haben die Chinesen auch selbst Wörterbücher, in denen die grammatischen [36] Gegenstände abgehandelt sind; geordnet sind sie gewöhnlich nach der Reihe der 214 Schlüssel (s. Chinesische Sprache) od. Wurzelzeichen. Zuerst steht hier das Wurzelbild, dann die Aussprache durch Umschreibung angegeben, dann die Bedeutungen, die mit Citaten belegt u. durch Synonyme, Definition od. Paraphrase erklärt werden. Solche Wörterbücher sind: der Tse-wei, ein kleines, in China gewöhnlich gebrauchtes Wörterbuch von Mei-yingseng, zuerst 1615, es liegt allen folgenden zu Grunde; der Tsching-tse-thung, von Tschang-örl-kung (es gibt auch ein gleichnamiges Wörterbuch von einem gewissen Wang-wu-tsao, herausgeg. 1719), nach des Verfassers Tode gab es 1670 Liao-wen-ing, der es gekauft hatte, unter seinem Namen heraus. Ein sehr vollständiges Wörterbuch ist der Kang-hitse-tian, od. das kaiserliche Wörterbuch, auf Befehl des Kaisers Kang-hi von 32 Gelehrten, meist Mitgliedern des Hanli, von 1710–16 verfaßt u. von dem Kaiser mit einer Vorrede versehen; alle öffentlichen Schriften, die vor dem Kaiser erscheinen, müssen nach der Schreibart dieses Wörterbuchs abgefaßt sein. Es gibt aber auch tonische Wörterbücher, wo die Charaktere nach den Endlauten der entsprechenden Wörter (Reime) u. dem Accent geordnet sind, so der San-yün-i-tschi, der Thung-wen-to, der Yün-su, welcher 1711 erschien u. wozu der Schi-yi (Sammlung der Vergessenheit) ein Supplement ist. Auch über die älteren Schriftarten gibt es besondere Wörterbücher, so das Schue-wen, das Wörterbuch der Tschuanschrift u.a. Eins der ältesten ist das Örl-ya. E) Lyrische Poesie. Die ältesten poetischen Producte der Chinesen finden sich in den klassischen Büchern (s. oben A); doch dichteten Chinesen auch nach jener Zeit. Ihre Poesien sind gewöhnlich in Anthologien gesammelt. Zu den größeren Gedichten gehört das Lob der Stadt Mukden od. Sching-king, vom Kaiser Kian-lung, das in 32 verschiedenen Schriftarten gedruckt (Proben davon in Hagers Monument di Yu, 1802, Fol.) u. übersetzt worden ist von Amiot, Par. 1770. Namhafte Sammlungen sind: der Tsiuan-thengschi, eine Sammlung der Gedichte von mehr als 1000 Lyrikern, die unter der Dynastie Thang (618 bis 906) blühten, unter ihnen von Thu-su u. Lithai-pe; sie wurde 1707 auf Befehl des Kaisers Kang-hi gedruckt. Die Dichter dieser Sammlung gelten als Maßstab zur Beurtheilung späterer Poesien; auf desselben Kaisers Befehl wurde auch 1707 die Sammlung Yung-we-schi veranstaltet, welche Lyrische Poesien von Dichtern aller Zeit enthält, die nach den Gegenständen, die sie besingen, geordnet sind. Eine große Sammlung ist auch das Ku-wenyuan-kian; die Sammlung Yu-ngeu enthält Volkslieder der Bewohner des Districts Canton (sonst Yun genannt). Pe-mei-schi-yung ist eine Sammlung Gedichte von Frauen. Ein poetisches Hülfsmittel ist der Schi-hio (erschien 1697), worin poetische Phrasen, nach Materien geordnet, enthalten sind. F) Romantische Poesien, die Mythen u. Sagen der alten Geschichte enthaltend, daher zugleich historische Quellen. Sie sind theils in Prosa, theils in Versen geschrieben, einige in dialogischer Form. So Khai-pi-tschuan, von Tschung-pe-king, erzählt die chinesische Vorzeit, von Erschaffung der Welt bis 1122 v. Chr.; Lie-kue-tschi erzählt die Geschichte der einzelnen gegen den Kaiser oft rebellirenden Provinzen von 1148 v. Chr. bis 258 n. Chr.; Sui-thang-yan-yi, von Lin-han, Präsident des Li-pu, erzählt Begebenheiten aus der chinesischen Geschichte von 581–906 n. Chr.; Thang-yantschuan, von Ku-ju-lian, erzählt die Geschichte der Dynastie Thang; den Untergang dieser Dynastie u. von der folgenden Dynastie (907–959) singt das Thang-u-tai-tschuan. Mehr G) Historische Romane sind das San-kue-tschi (Geschichte der drei Reiche [Schu, Wei, Wu]), von Tschui-scheu; Schui-hu-tschuan (Geschichte der Küsten), von Tschen-scheu verfaßt, von Lo-kuon-tschung überarbeitet, enthält die Geschichte der Räuber u. Aufrührer, welche China seit 1058 beunruhigten; der Hauptheld ist Sung-kiang; Si-yeu-ki (Beschreibung der westlichen Länder); Kin-ping-mei (Biographie des Si-men-king); diese vier zusammen werden Sse-ta-i-schu, die vier großen merkwürdigen Bücher, auch Sse-thsai-tse, die vier Schöngeister, genannt. Ling-nan-tze (Geschichte der Provinz Canton), der Schauplatz ist Canton, der Gegenstand Darstellung der unruhigen Zeit zu Ende des 16. Jahrh. H) Bürgerliche Romane sind: Yükiao-li (franz. Les deux cousines, von Remusat, Par. 1826, 4 Bde., englisch Lond. 1827, deutsch: Die beiden Cousinen, Stuttg. 1827, 4 Bde.); Hoa-thsian (englisch: Chinese courtship. von Thoms, Macao 1824, deutsch von Kurz, St. Gall. 1836); Hao-khien-tschuan (übersetzt von Davis, Lond. 1829); ferner Ping-schan-leng-yan (Geschichte zweier junger Gelehrten u. zweier junger Mädchen); Ping-kuei-tschuan (Besiegung der bösen Geister); Pe-kuei-tschi, Hoa-thu-yuan, Kinping-mei, Schui-hiu-tschuan u.a. Der glückliche Ausgang der Geschichte pflegt in diesen Romanen zu sein, daß der Held, überhaupt ein Ausbund von allen nur erdenkbaren Tugenden u. Höflichkeiten, die Reichsexamina glücklich besteht, vom Kaiser ein Belobungsschreiben erhält u. das Herz zweier Damen erobert. Übersetzt findet man mehrere in Cheinese noveles, von Davis, Lond. 1822, u. in Contes chinois, von Remusat, Par. 1827, 3 Bde, deutsch Lpz. 1827. Die erste deutsche Übersetzung eines chinesischen Romans war Hao Kjö Tschwen (Die angenehme Geschichte des Hao Kjö), Lpz. 1766, aus dem Englischen übersetzt von C. G. von Murr. I) Dramatische Poesie ist sehr reich; die Stücke sind dialogisirte Lebensbeschreibungen (daher auch Ki, eigentlich Memoiren, genannt) von Helden, mit Liedern untermischt, mythologische Darstellungen, Schnurren etc., ohne dramatische Kunst u. der Gang durch große Digressionen unterbrochen, doch sind sie echt national u. aus der poetischen Anschauungsweise des Volks selbst hervorgegangen. Die eingelegten lyrischen Stellen werden mit Musikbegleitung gesungen. Die Dramen zerfallen in zwei Hauptabtheilungen u. in eine größere od. kleinere Anzahl Scenen. Die Pariser Bibliothek besitzt eine Sammlung von 100 solcher Dramen, die aus der Zeit von 1279–1368 n. Chr. von anonymen Dichtern verfaßt sind; von diesen ist eine Übersetzung von Premare, durch welchen die Dramatische Poesie der Chinesen in Europa bekannt wurde, im 3. Bd. von Duhalde's Description de la Chine, S. 339; Si-siang-ki (Geschichte des westlichen Pavillons) in 20 Acten; Pi-pa-ki (Geschichte der Guitarre); Tschao-mei-hiang (französisch von Bazin); Lao-feng-örl (der Greis, der einen Sohn bekommt, englisch von Davis, Lond. 1817,[37] französisch von M. de Sorsum, Par. 1818); Hankung-thsien (das Unglück des Hauses Han, englisch von Davis); Hoei-lan-ki (der Kreidecirkel, französisch von St. Julien, Lond. 1832) u.a. Übrigens über das chinesische Theater s. China (Geogr.). Von K) Geographie u. Ethnographie haben die Chinesen, wenn sie sich über ihr Reich hinaus erstreckt, die sonderbarsten Vorstellungen. Das älteste kosmographische Werk ist das Schan-hai-king (Buch der Berge u. Meere), in 18 Büchern, voll fabelhafter Nachrichten. Der Kuang-yu-thu-ki von Lu-ingyang, mit Karten, beschreibt in 22 Büchern die 15 chinesischen Provinzen, in einem die (nördliche) Grenze des Reichs u. zuletzt Korea; Thai-Thingi-thung-tschi ist eine große Reichsgeographie in 422 Büchern, unter Kien-lung verfaßt, herausgeg. 1749 in 116 Heften mit 496 Specialkarten; das Hoan-yü-ki (Beschreibung der ganzen Erde) von Lo-ße-teng, eines der besten älteren geographischen Werke, erschien zuerst 976–84 u. wurde 1736–96 zum zweiten u. 1803 zum dritten Mal unverändert herausgeg., u. hat noch die Eintheilung des Reichs in 13 Statthalterschaften, die in 172 Büchern beschrieben werden; von B. 172–200 erzählt es unter dem Titel Sse-yi von den damals den Chinesen noch unbekannten Ländern. Das Si-yü-wen-kian-lo, von Tschün-yuan, beschreibt die asiatischen Länder im NW. von China (russisch von Jakinth Bitschurin, Petersb. 1829); Wei-tsang-thu-schi u. Si-tsang-ki sind zwei Beschreibungen von Tibet. Geographische u. ethnographische Notizen findet man auch in anderen Werken, selbst denen, die zur Schönen Literatur gehören. Die Chinesen haben Landkarten in Rollen, auf denen jedoch China den bei Weitem größten Theil der ganzen Hemisphäre einnimmt; ebenfalls Pläne, bes. von Peking. L) Reisebeschreibungen, z.B. Fo-kue-ki, Reise einiger chinesischer Priester, 599–411 n. Chr. (französisch von Remusat 1833); die Beschreibung der chinesischen Gesandtschaft zu dem Khan der Turguthtataren, englisch von Staunton, Lond. 1821. M) Gesetzgebung. Tai-thsing-liu-li ist das Criminalgesetzbuch China's; seit 1646–1815 zu verschiedenen Malen revidirt u. erweitert; die Gesetze sind eingetheilt nach den 6 Reichscollegien (s. China [Geogr.]), englisch übersetzt von Staunton, Lond. 1810; es gibt auch eine chronologisch geordnete Sammlung von Gesetzen der jetzt regierenden Dynastie, geordnet nach der Jahreszeit, wo sie bekannt gemacht worden sind, daher Ki-tiao-li (Jahreszeitengesetze); Verordnungen, die Staatsgefängnisse betreffend (Ko-tschang-tiao-li), die alle 10 Jahre revidirt u. ergänzt werden. N) Von Statistischen Schriften ist bes. das Tai-thsing-hoei-tian, das große Staatshandbuch, zu nennen in dem die Functionen aller Hof- u. obersten Staatsbehörden angeführt sind; 1774 ließ der Kaiser auch einen gleichnamigen Auszug machen, der doch so groß ist, daß er 5 Bände füllt Über die hierher gehörige chinesische Hofzeitung (King-pao) s. u. Zeitungen. O) Geschichte. Abgesehen von den sagenhaften, romantisch-poetisch erzählten Geschichten der alten Zeit (s. oben F), hatten die Chinesen schon in ältester Zeit Sammlungen der Beschreibung der politischen Begebenheiten u. Staatsreden, von Kaisern u. hohen Staatsbeamten gehalten. Sie waren zu solcher Menge angewachsen, daß sie Kong-su-tse in einen Auszug brachte u. ordnete. Dieses Buch (Schu-king) wurde eins der klassischen (s. oben A) b). Durch den großen Bücherbrand (s. oben) gingen die historischen Bücher verloren, doch unter der Dynastie Han wurde wieder Vieles aufgezeichnet u. die Geschichte China's wurde um 100 v. Chr. wieder hergestellt. Die Verfasser waren Sse-ma-tan u. nach ihm sein Sohn Sse-ma-tsian. Dies Geschichtswerk (Sse-ki, Reichsannalen), von 2637 v. Chr. beginnend u. bis gegen Ende des 2. Jahrh. n. Chr. gehend, bleibt lückenhaft bis in das 9. Jahrh. v. Chr.; von da aber wird es zusammenhängender. Außer der Geschichte enthalten diese historiograpischen Werke auch Geographie, Statistik, Biographien, ethnographische Bemerkungen. Seit Sse-ma-tsian hat jede Dynastie die Geschichte fortsetzen lassen. Dies geschieht durch Gelehrte des inneren Collegiums (s. China [Geogr.]), u. damit die Geschichte um so unparteiischer sein kann, so erscheint die Geschichte einer Dynastie stets erst unter der Regierung der folgenden; doch steht es Privatgelehrten frei, Geschichtswerke über die regierende Dynastie zu veröffentlichen. Diese Sammlung (Nian-örl-ße, d. i. die 22 Geschichtswerke, auch Nian-ße-ße, d. i. die 24 Geschichtswerke), von 2637–1644 reichend, besteht gemeiniglich aus 416 Heften, in 61 Pappenumschlägen vertheilt. Aus dieser großen Sammlung machte Sse-ma-kuang auf kaiserlichen Befehl einen Auszug, den er 1084 vollendete u. welchem der Kaiser Schin-tsung den Namen Thung-kian (allumfassender Spiegel) gab. Über die hier im Detail erzählten Data stellte Tschu-hi (s. oben) summarische Übersichten, die er Kang-mu (Netz) nannte. Sa vereinigt wurden diese beiden Werke (Thung-kian-kang-mu) häufig commentirt u. fortgesetzt, so 1576 von einer Gesellschaft Gelehrter, meist Akademiker, französisch übersetzt von Mailla, Par. 1777–83, 12 Bde. Während diese die Thatsachen ganz chronologisch erzählten, bearbeitete Yuan-ki-tschung, ein Zeitgenoß des Tschu-hi, in seinem Thungkian-ki-ße, die Geschichte nach der Ordnung der Begebenheiten, so daß er nicht einzelne Ereignisse, sondern ganze Partien der Geschichte zusammenhängend bis zu Ende erzählt. Auf dieselbe Weise bearbeitete Ko-ying-thai, ein Mitglied des Kriegscollegiums, 1658 in seinem Ming-tschao-ki-ße die Geschichte der Dynastie Ming. Auch an Specialgeschichten fehlt es nicht; so schrieb Lo-yeu im 11. Jahrh. die Geschichte der südlichen Thang; Ngeu-yang-sieu., die Geschichte der 5 Dynastien unter dem Titel Wu-tai-ße; Tso-thieu-ming zog aus den alten Geschichtswerken die Geschichte der kleineren Vasallenreiche, die seit 722 v. Chr. mächtig wurden. Auch die Geschichten benachbarter Völker haben chinesische Historiographen geschrieben, so Schao-yuan-ping, die Geschichte der Mongolen unter dem Titel Su-hung-kian-lu; auch chronologische Abrisse der Dynastien u. einzelner Kaiser, u. Sammlungen von Biographien u. Anekdoten berühmter Leute, z.B. das Wan-sing-thung-pu u. Hio-thung, hat die Ch. L. Unter den chinesischen Historikern ist auch eine Dame, Panhony-pan, die Schwester des Historikers Panku, mit dem sie die Geschichte der Dynastie Han von 206 v. Chr. bis 24 n. Chr. schrieb. Chronologische Tabellen sind das Wan-nian-schu (Buch der 10,000 Jahre), Li-tai-ti-wang-nian-piao u.a. Von den historischen Hülfswissenschaften ist die Numismatik im Thsian-tschi-sin-pian behandelt.[38] Von P) Naturhistorischen Werken, deren es eine Anzahl, auch eines vom Kaiser Schinnung, gibt, ist berühmt Pen-tsao-kang-mu (allgemeine Übersicht der Naturgeschichte) von Li-schitschin, herausgeg. 1596 nach dessen Tode von seinem Sohne Li-kian-yuan u. mit Abbildungen von Lilian-tschung, einem andern seiner Söhne, versehen. Es wird hier gehandelt von den in allen Krankheiten üblichen Arzneimitteln, von den verschiedenen Arten des Wassers, des Feuers, der Erde, von Steinen, bes. von den Pflanzen u. Bäumen, von den Kleidungsstücken, von den Thieren, von dem Menschen. In einer anderen Ordnung in dem ebenfalls wichtigen Werke Ta-kuon-pen-tsao (Naturgeschichte der Jahre Ta-kuon [d. i. 1107–10, wo sie beendigt wurde]), von Than-schin-wei. Gewöhnlich werden naturhistorische Bücher, hauptsächlich mit Rücksicht auf Medicin, abgefaßt, so der Pen-tsao-kang-mu, auch Pen-tsao-pi-yao (das Nothwendigste aus der Naturgeschichte), von dem Arzt Wan-jin-ngan, Lui-kung-yo-fing-paotschi (Natur u. Zubereitung der Arzneimittel), vom Arzt Lui-hiao (im 5. Jahrh.). Q) In allen Zweigen der Medicin sind die Chinesen noch zurück; diese ist nicht Gegenstand eines gelehrten Studiums, sondern eine freie Kunst. Des Kaisers Leibärzte sind Verschnittene; übrigens hält sich fast jeder Mandarin seinen eigenen Arzt. Sie theilen den Körper in die rechte u. linke Seite u. in 3 Theile, vom Kopf bis zur Brust, von der Brust bis zum Nabel, von dem Nabel bis zur großen Zehe. Man hat darnach auch Abbildungen auf anatomischen Tafeln. Über bestimmte Glieder des Leibes nehmen sie eine Art Herrschaft des Feuers, des Wassers, der Luft u. der Metalle an. Natürliche Wärme u. Grund-feuchtigkeit sind hier die Lebensprincipien; ihren Sitz haben sie in Herz, Lungen, Leber, Milz, Nieren; ihre Trennung bewirkt den Tod animalischer Körper. Aus dem Gange des Pulses bestimmen sie Art u. Quelle der Krankheiten, daher sich die ganze ärztliche Geschicklichkeit um die Kenntniß des Pulses dreht. Davon handelt z.B. das Werk Me-liue, angeblich von dem Arzte Wang-schu-scho im 4. Jahrh. (auszugsweise lateinisch übersetzt von Andr. Cleyer in Specimen medicinae sinicae, Frankf. 1682) u. v. a. Größere medicinische Werke sind: Tschangschi-yi-thung (die ganze Heilkunde von Tschang-schi) von Tschang-lu-yü, dessen Sohne, 1705 herausg.; in ihm wird gehandelt über die Ursache (Erkältung, Erhitzung, Feuchtigkeit, Trockenheit, Feuer, Speise, Getränke etc.) u. über die Arten der Krankheiten (Luftkrankheiten, Geschwülste, Congestionen, Erbrechen, krankhaftes Blut, örtliche Leiden, Lähmungen u. Schlagflüsse, Gemüthskrankheiten, fehlerhafte Ausleerungen, Krankheiten der Sinnenorgane, Geschwüre u. Aussätze, weibliche u. Kinderkrankheiten); am Ende sind viele Recepte angegeben. So eingerichtet ist das Buch Tschi-schui-hiuan-tschu (blaue Perle im rothen Wasser), von Sün-tung-su, einem Arzte von der Taosecte, herausgeg. Ferner: Kin-nang-pi-lo-tsa-tsching (buntseidener Sack mit tiefsinniger Belehrung über die verschiedensten Krankheiten), von Fung-tse-tschan, von 1694, eine Art medicinische Encyklopädie; Ting-pu-kukin-i-kian (verbesserter u. vermehrter Spiegel der alten u. neuen Arzneiwissenschaft), von Kung-sin, herausgeg. 1589 von seinem Sohne. Thing-hian. Auch die medicinischen Werke fremder Ärzte brauchen die Chinesen, so das: Tung-yi-pao-kian (kostbarer Spiegel der Ärzte in Osten), von dem Koreaner Hiu-sun. Die eigentlichen klassischen Werke der Chinesen in der Medicin sind: das Nui-king, vom Kaiser Hoang-ti, über die Anwendung der Philosophie auf Medicin; Ling-tschu (Achse der Vernunft), medicinisch-chirurgischen Inhalts, von demselben Kaiser; Kia-i-king, eine Erklärung des Nui-king, von Hoang-su-mi; Yü-tsuan-i-tsung-kin-kian (goldener Spiegel der Arzneikunst); Wan-ping-tsui-tschün (der zurückkehrende Frühling aller Krankheiten); das oben angeführte Werk Mekine, über die Pulse (s. ob.); das Nanking (klassisches Buch von den Schwierigkeiten), von Pian-tsio, über 81 schwierige Punkte in der Arzneiwissenschaft; das Tschung-tsang-king, von einem Hoan, über das innere Leben. Alle diese klassischen u. noch viele andere medicinischen Werke befinden sich in der großen Sammlung: Y-thung-Tsching-me (Hauptadern des Reichs der Medicin), von Wang-keng-thang, 1601 herausgegeben. Es gibt auch Schriften über einzelne Krankheiten, z.B. Fung-tschu-tschan's Buch über die Behandlung der Pocken. Das Einimpfen der Pocken kennen die Chinesen schon seit 800 Jahren; auch ist die Kuhpockeninoculation zu Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt worden (s. China [Gesch.]). Sogar eine Art Lehrgedicht medicinischen Inhalts haben die Chinesen in dem Thang-theu-ko von Wan-ngan von 1694, worin von Speisen u. Mixturen für Kranke gesungen wird. R) Von der Mathematik ist ihnen nur die gemeine Arithmetik (Siu-am-sa) u. auch von dieser nur die 4 Species bekannt; man rechnet nach dem Decimalsystem u. bedient sich zur Erleichterung des Rechnens einer Maschine (s. Chinesisches Rechenbret). Die Null ist von den Jesuiten erst eingeführt, u. von diesen rührt auch eine Sammlung von Logarithmen (Supiao) in der Ch-n L. her. Die bekanntesten Werke sind das Suen-sa-tung-tsung u. das Tscheu-pei. S) Astronomie ist ebenfalls in der Kindheit; sie theilen den Thierkreis in 12 Zeichen u. 28 Sternbilder u. zählen 7 Planeten; sie haben auch Himmelskarten. Die Bewegung der Gestirne ist ihnen unbekannt; Sonnenfinsternisse erregen noch Schrecken. Kalender wurden sonst von den Muhammedanern, später von den Jesuiten, jetzt von dem Collegium der Sternwarte in Peking gemacht. Über die Jahresrechnung s. u. Jahr. Überhaupt zweckt alle Beobachtung des Himmels nur auf astrologische Deutung ab, worüber es auch mehrere Bücher gibt, z.B. Pao-king-thu (kostbarer Spiegel mit Bildern); Schan-pu (Anweisung zum Loosen), Tschang-schu (Buch von geheimnißvollen Dingen), von Tschin-ying 1684 herausgeg. u. v. a. Dazu wird auch Alchemie fleißig in China getrieben, so wie Chemie zu diesem, weniger zu medicinischem Zweck. T) Auch über Künste, Gewerbe u. dgl. haben die Chinesen Schriften, so über die Malerei, z.B. Hoa-tschuan (Malerschule), Pi-tschin-thu (bildliche Anweisung den Pinsel zu führen); über Ökonomie, z.B. Keng-tschi-thu (bildliche Darstellung des Acker- u. Seidenbaues), über das Hauswesen Kia-pao-tsiuen-tsi (Hausschatz), über die Kriegs-kunst, z.B. Hu-kiang-king (Kanon der Kriegskunst), Wu-king (Buch des Krieges). U) An Encyklopädien u. Sammelwerken, in denen alles Wissenschaftliche u. Wissenswerthe gesammelt u. abgehandelt ist, ist die Ch. L. reich; so das Ku-kin-ßewen-lui-tsiu,[39] von Tischu-ho-su 1246 in 4 Sammlungen, später mit einem Anhange von 3 Sammlungen versehen. Die erste Sammlung enthält die Erklärung der Artikel: Himmel, Meteore, Jahreszeiten, Erde, Meer, Berge, Seen, Flüsse, Kaiser u. kaiserliche Verwandte, Lehrer, Vertraute, Freunde, Handel u. Verkehr, Gastfreundschaft, Grade der Gelehrten, Beförderungen, Strafen, Einsiedler, Tao-ße, Buddhismus, Künstler, Jäger, Mediciner, Zauberer, Maler, Buhldirnen u. Schauspieler, Lebensalter, Krankheiten, Tempel u. Klöster, Geister, Beerdigungen, Grabmäler. Die Behandlung u. Ausführung dieser Artikel ist so: erst wird der Name definirt, Synonyme angeführt, auch wohl der Gegenstand kurz beschrieben; dann werden Begebenbeiten erzählt, wobei die bezüglichen Personen, Orte etc. in Rede kommen; zuletzt werden nun längere Schilderungen des Gegenstandes u. Reflexionen über denselben beigefügt. Die Werke, woraus geschöpft ist, werden stets citirt. Nach einer natürlicheren Ordnung, wiewohl weniger vollständig, ist das Sse-lui-su, von Uschu, 992, welches durch das Kuang-ße-lui-su durch die Brüder Hoa-hi-hung u. Hoa-hi-min 1699 sehr vervollständigt wurde; das umfänglichste Werk dieser Art ist das auf Befehl des Kaisers Kang-hi herausgegebene Ku-kin-thuschu in 32 Abtheilungen u. 10,000 Capiteln, die 6109 Bände bilden. Auch Encyklopädien für die Jugend gibt es, z.B. Yeu-hio-ku-ße-kiung-lin (Rubinenhain für das Alterthum liebende Jugend). Hierher gehört gewissermaßen auch das Tse-su-yuan-kuei, von Wang-yu-tschi u. Yang-yi, 1013, in welchen die Verfasser nach kaiserlichem Befehl den Inhalt der klassischen Bücher in gewisse Rubriken brachten, daß die Thaten u. Tugenden der Kaiser, Feldherren u. hohen Staatsmänner desto deutlicher überblickt werden könnten. Hier wird dann von den Kaisern, deren Genealogie, Ort u. Zeit ihrer Geburt, Begebenheiten, die sich bei ihrer Geburt zugetragen, Namen derselben, Thronfolge, Empörungen unter ihnen, ihre zahllosen Tugenden u. andere zahlreiche Dinge in eben so vielen Rubriken erzählt. Hinsichtlich der Anordnungs- u. Behandlungsweise gehören hierher auch Werke, wie das Kuang-ki (umfassende Denkwürdigkeiten), welches der Mandarin Li-sang mit einer Anzahl Gelehrten 978 herausgab, welches gesammelte Biographien, Anekdoten etc., unter gewisse Rubriken (als Anachoreten, Tao-ße, Zauberer etc., auch Steine, Meteore etc., wenn sie in Anekdoten eine Rolle spielen) gebracht, enthält. V) Zur Literaturgeschichte gehört Wen-hian-thung-kao (genaue Untersuchung der alten Schriftmonumente) von Ma-tuan-liu, welches, 100 Bände stark, Resumés des Vorzüglichsten gibt, was die Chinesen bis zu des Verfassers Zeit in den einzelnen Fächern der Literatur geleistet hatten. Einen Auszug daraus in 1 Band machte Yen-ße-ngan, welcher von dessen Enkel 1764 herausgegeben wurde. Ähnliche Werke sind: Ye-hoepian, von Tschin-te-su, 1606, der hierin eine Sammlung von Merkwürdigkeiten aus allen Gebieten des Wissens theils als Lesefrüchte, theils als selbst erfahren gibt; Han-wei-tsung-schu, Sammlung älterer Werke in 60 Bänden; Tschi-pu-tsu-tsung-schu (Büchersammlung des unerschöpflichen Wissens); Tsu-hio-ki (Encyklopädie für Studirende); Wanpao-tsiuan-schu (Buch der 10,000 kostbaren Dinge), von Tian-schang-pu 1758, eine wahre Bibliothek auch für das gesellige u. geschäftliche Leben u. s. v. Auch W) Chrestomathien, ausgewählte Stücke, aus den besten Schriften aller Zeit, hat die Ch. L.; so das Ku-wen-kuang-tsi 1703, von den Privatgelehrten Ko-scheng-heu u. Hoang-tsi-seu (Auszug aus Historikern, Philosophen, Dichtern); King-yü-pischu, von Hiao-lui-lin (meist aus den klassischen Büchern), Kiün-schu-pi-kao, Ku-wen-tsche-i in 16 Bänden, Ku-wen-hu-tschu in 10 Bänden u. m. a. X) Die Jugendschriften sind meist rhythmisch abgefaßt, so das Tsian-tse-king (Buch der 1000 Charaktere), wo 1000 unter sich verschiedene Wörter zu verschiedenen rhythmischen Sätzen von je 4 Wörtern zusammengestellt sind; alles reimt sich auf –ang; das San-tse-king (Dreiwörterbuch), eine Kinderencyklopädie in. 4zeiligen Versen, jeder zu 3 Wörtern (mit russischer Übersetzung von Jakinth Bitschurin, Petersb. 1829, mit deutscher Übersetzung von Neumann, München 1836); Yeu-hio-schi (Versbuch der Kinder); Kuei-men-pi-to (nothwendige Lectüre für Jungfrauen), Niu-örl-king (Kanon für junge Mädchen) u. v. a. Vgl. Abel Remusat, Mélanges asiat., Par. 1826, 2 Bde.; Fourmont, Catal. librorum biblioth. reg. sinicorum in der Grammatica sinica, u. in den Meditationes sinicae, Par. 1737, Fol. Die Verzeichnisse der chinesischen etc. Bücher u. Handschriften auf der königlichen Bibliothek in Berlin, von Klaproth, Par. 1822, Fol., u. Schott, Berl. 1840; Morrison, Chinese miscellany, Lond. 1825.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 35-40. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009674829
Herder 1854
[92] Chinesische Sprache, Schrift und Literatur.[92] Die chinesische Sprache ist einsilbig, jedes Wort schließt entweder mit einem Vocal oder Diphthong oder Nasenlaut; ein und dasselbe Wort hat bei verändertem Accent eine andere Bedeutung, so daß die Aussprache für den Fremden fast unmöglich wird. Die Declination und Conjugation bewegt sich ausschließlich in vorgesetzten oder angehängten Partikeln. Die Construction ist streng nach Regeln geordnet; von der Stellung des Wortes im Satze hängt dessen grammatische Bedeutung ab. Die neueste Grammatik der chines. Sprache ist von Medhurst, Batavia 1842. – Die chines. Schrift ist eine Wortschrift, insofern jedes Wort sein eigenes Zeichen hat; solcher Zeichen gibt es bei 40000 und daraus wird es begreiflich, daß selbst ein gelehrter Chinese auf Worte stoßen kann, die ihm unlesbar sind; die gewöhnlich vorkommenden Zeichen beschränken sich jedoch auf etwa 2500. Die chines. Literatur ist außerordentlich reich, den Europäern aber noch zum größten Theile unbekannt. Die berühmtesten Werke sind die King, die canonischen Bücher der Chinesen, von Confucius im 6. Jahrh. zusammengetragen oder verfaßt; sie sind: 1) Yking, das Buch der Verwandlungen, herausgegeben von Mohl, Stuttgart 1834. 2) Schu-king, die Annalen, herausgegeben von Medway, 1846. 3) Schi-king, das Buch der Lieder, herausgeg. v. Mohl, Stuttgart 1830. 4) Tschün-tsieu, die Geschichte der Königreiche im 8. und 7. Jahrhundert. 5) Li-ki, der Sittenspiegel. Den Kings zunächst stehen die Sse-schu, die Confucius und seinen Schülern zugeschrieben werden, 4 Bücher, von denen das von Meng-tse, dem bedeutendsten Schüler des Confucius, benannt ist und von den Pflichten des Regenten handelt. – Es ist begreiflich, daß in einem so ausgebildeten Staate wie der chinesische, Bücher statistischen, politischen und geograph. Inhalts genug vorhanden sind, deßgleichen Sammlungen von Gesetzen, ceremoniellen Vorschriften u. dergl. Auch an Werken über Medicin, Naturgeschichte, Astronomie, Ackerbau, Kriegskunst, Geometrie etc. ist die chines. Literatur außerordentlich reich, das meiste ist uns aber unbekannt; interessant ist die Beschreibung seines großen Reichs von Kaiser Kang-hi, dem Freunde der Jesuiten. Daß der langjährige Einfluß dieser Väter auf die chin. Lit. bemerkbar ist, versteht sich von selbst, er zeigt sich namentlich in den polemischen Schriften chin. Gelehrter, die auf Wiederherstellung der alten Lehre dringen; Kang-his Nachfolger, der christenfeindliche Yung-tsching, schrieb selbst eine Warnungsschrift vor dem Abfalle zum Christenthume. Am wichtigsten für uns sind die historischen und geographischen Werke, welche über die Völker Centralasiens, deren Wanderungen und Kriege Aufschlüsse geben und besonders über die Geschichte der großen Völkerwanderung, welche Europa vom 3.–5. Jahrh. umgestaltete, ungeahntes Licht verbreitet haben. – Die chines. Poesie ist in ihrer Art sehr ausgebildet in der lyrischen, epischen und dramatischen Gattung, für unsern Geschmack indessen kaum genießbarer als die chines. Musik.
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 92-93. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003269531