Schlegel, Friedrich

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Meyers 1909

Schlegel 5) Friedrich von, hervorragender Ästhetiker der romantischen Schule, Bruder des vorigen, geb. 10. März 1772 in Hannover, gest. 12. Jan. 1829 in Dresden, war ursprünglich zum Kaufmann bestimmt, begann als solcher seine Lehrzeit in Leipzig, entschied sich aber dann für das Studium, dem er in Göttingen in Gemeinschaft mit seinem Bruder und seit 1791 in Leipzig oblag. Die Rechtswissenschaft, der er sich hatte widmen sollen, gab er 1793 auf, um ausschließlich der Literatur und Kunst zu leben. Vor allem wendete er sich dem Studium des griechischen Altertums zu, sein Ideal war damals, der »Winckelmann der griechischen Literatur« zu werden, doch kam er nicht über vielversprechende Ansätze hinaus. 1794 siedelte er nach Dresden über und veröffentlichte seinen gedankenreichen Essay »Von den Schulen der griechischen Poesie«, dem andre, verwandte Arbeiten folgten. 1796 ging er zu seinem Bruder nach Jena und beschäftigte sich nun auch eifrig mit neuerer Literatur und Philosophie. Mit Schiller verfeindete er sich durch den verletzenden Ton seiner Rezensionen, dagegen war er ein begeisterter Verehrer Fichtes und Goethes. Im Juli 1797 zog er nach Berlin und gab mit seinem Bruder das »Athenäum« (s. oben) heraus, in dem er seine »Fragmente« veröffentlichte. Hier suchte er die Theorie einer neuen »romantischen« Poesie darzulegen, »die allein unendlich ist, wie sie allein frei ist und das als erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide«. In Berlin lernte er Moses Mendelssohns Tochter Dorothea, die Gattin des jüdischen Kaufmanns Simon Veit, kennen, die sich um seinetwillen 1798 von ihrem Gatten scheiden ließ und von da an mit S. vereinigt lebte. Der halb lüsterne, halb kalt reflektierte (unvollendete) Roman »Lucinde« (1. Teil, Berl. 1799; mit Schleiermachers [s. d.] »Vertrauten Briefen über Schlegels Lucinde« hrsg. von Frank, Leipz. 1907) spiegelt die persönlichen Liebeserfahrungen des Verfassers wider (vgl. Rouge, Erläuterungen zu F. Schlegels, Lucinde', Halle 1905). Im August 1800 habilitierte er sich in Jena als Privatdozent, ging 1802 nach Dresden und begab sich von hier zum Studium der Kunstsammlungen nach Paris. Vorher noch hatte er sich auf dem Gebiete der Tragödie versucht, doch wurde sein »Alarkos« (Berl. 1802) bei der Ausführung in Weimar trotz der wohlwollenden Haltung Goethes abgelehnt. In Paris vertiefte er sich in das Studium des Persischen und Indischen und von dort aus begründete er die Zeitschrift »Europa«. Im April 1804 ließ er sich mit Dorothea trauen, die kurz vorher zum Protestantismus übergetreten war, und siedelte dann nach Köln über, wohin ihn die Brüder Boisserée eingeladen hatten, und wo er philosophische Vorlesungen hielt. Hier entwickelte sich aus seiner romantischen Grundstimmung immer entschiedener eine Neigung zum Katholizismus. Im April 1808 nahm er mit Dorothea den katholischen Glauben an. In demselben Jahr erschien als reifste Frucht seiner orientalischen Studien das Buch über die »Sprache und Weisheit der Inder«, das auch der vergleichenden Sprachwissenschaft fruchtbare Anregungen gab. Bald darauf reiste er nach Wien und ward dort 1809 als Sekretär und literarischer Hilfsarbeiter bei der Hof- und Staatskanzlei mit dem Titel eines Hofrats an gestellt. Die schwungvollen Proklamationen, die 1809 die Erhebung Österreichs verkündeten, stammten aus[835] seiner Feder; im Hauptquartier des Erzherzogs Karl redigierte er die »Österreichische Zeitung« (»Armeezeitung«). Nach dem verhängnisvollen Friedensschluß im Herbst 1809 versank er mit dem gesamten Metternich-Gentzschen Kreis in resignierten Pessimismus, schloß sich demnächst immer inniger und gegen Andersdenkende unduldsamer an die Kirche an, wie aus den vielbesuchten historischen und literarhistorischen Vorlesungen hervorgeht, die er in den Wintern 1810 und 1812 in Wien hielt. In seiner »Geschichte der alten und neuen Literatur« (Wien 1815) mußte er gar vieles von dem zurücknehmen, was er einst enthusiastisch verkündigt hatte, und statt Goethe wurden ihm Dante und Calderon die größten »romantischen« Dichter. 1814 wurde S. zum Ritter des päpstlichen Christusordens erhoben; 1815–18 war er als Legationsrat bei der österreichischen Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt tätig. 1819 reiste er mit Metternich nach Italien, widmete sich dann in Wien wieder ausschließlich literarischen Arbeiten und gab unter anderm die Zeitschrift »Concordia« (1820–23) heraus, deren Tendenz auf die Zurückführung aller Konfessionen in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche gerichtet war. Dabei gab er sich der »Philosophie des Lebens« in der wachsenden Luft an der Gourmandise hin. 1827 hielt er wieder in Wien Vorlesungen »zur Philosophie der Geschichte« und kam im Herbst 1828 nach Dresden, wo er Vorlesungen »über Philosophie der Sprache und des Wortes« zu halten begann, die durch seinen Tod unterbrochen wurden. Schlegels »Sämtliche Werke« (Wien 1822–25, 10 Bde.) erschienen noch bei Lebzeiten des Autors; noch in seinem Todesjahre (1829) erschienen in Wien die Vorlesungen über »Philosophie der Geschichte«, ihnen schlossen sich die »Philosophischen Vorlesungen aus den Jahren 1804–1806« (hrsg. von Windischmann, Bonn 1836, 2 Bde.) an. Eine neue, von Feuchtersleben veranstaltete Ausgabe der »Sämtlichen Werke« (Wien 1846, 15 Bde.) erfuhr mannigfache Vermehrungen. Seine »Prosaischen Jugendschriften« gab Minor heraus (Wien 1882, 2 Bde.). »Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm« (mit dem er in der ersten Hälfte seines Lebens getreulich zusammenwirkte, während später eine immer entschiedenere Entfremdung eintrat) veröffentlichte Walzel (Berl. 1890). Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Romantiker«. Vgl. Haym, Die romantische Schule (Berl. 1869, Neudruck 1902); »Aus Schleiermachers Leben« (hrsg. von Dilthey, das. 1858–63, 4 Bde.); Rouge, Frédéric S. et la genèse du romantisme allemand (Par. 1904); Lerch, F. Schlegels philosophische Anschauungen (Dissertation, Erlang. 1906); Glawe, Die Religion F. Schlegels (Berl. 1906); Scholl, F. S. und Goethe, 1790–1802 (Cambridge, Mass., 1906). – Seine Gattin Dorothea, geb. 24. Okt. 1763 in Berlin (s. oben), starb 3. Aug. 1839 in Frankfurt a. M. bei ihrem Sohn aus erster Ehe, dem Maler Philipp Veit. Ihre von S. unter seinem Namen herausgegebenen Schriften sind: »Florentin«, ein unvollendeter Roman (Leipz. 1801); »Sammlung romantischer Dichtungen des Mittelalters« (Bd. 1, das. 1804); eine Bearbeitung von »Loher und Maller« (Frankf. 1805) und die Übersetzung der »Corinne« der Frau v. Staël (Berl. 1808). Vgl. Raich, Dorothea von S. und deren Söhne Johannes und Philipp Veit. Briefwechsel (Mainz 1881); Deibel, Dorothea S. als Schriftstellerin (Berl. 1905).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 833-836. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000742583X