Cædmon
Pierer 1857
[787] St. Ceadmon, war Anfangs Kuhhirt, dann Priester im Nonnenkloster Streneshale in England; um 680 erhielt er durch eine nächtliche Erscheinung die Gabe des Gesanges, deshalb Cantor theodidactus (gottgelehrter Sänger) genannt; er wurde später canonisirt; Tag der 11. Februar. Die ihm zugeschriebene Paraphrase des 1. Buch Moses (Ceadmonische Paraphrase) aus dem 8. Jahrh. ist nicht von ihm, herausgeg. von Junius, Amst. 1655; Thorpe, Lond. 1832; Bouterweck, Elbf. 1847. Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 787. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009653910
[548] Cädmon (Litgesch), so v.w. Ceadmon. Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 548. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009619933
Götzinger 1885
[466] Kædmon wird von Beda in der Historia ecclesiastica gentis Anglorum lib. IV cap. 24 ein Mann genannt, der in der zweiten Hälfte des siebenten Jahrhunderts in der Nähe des Klosters Streomeshalh oder, mit dänischem Namen Whitby in Northumbrien lebte und als der erste angelsächsische Dichter, dessen Namen wir kennen, betrachtet werden kann. Beda erzählt von ihm, dass, als er im Viehstall, den er bewachen musste, übernachtete, im Traume eine himmlische Stimme ihn aufgefordert habe die Schöpfung der Welt zu besingen. Durch dieses Gesicht wurde der einfache Mann, dem früher die Gabe des Gesanges vollständig versagt war, so begeistert, dass er in die Worte ausbrach:
»Nun sollen wir preisen des Himmels Wächter, Des Schöpfers Macht und seine Herzensgedanken, Die Herrlichkeit Gottes, wie zu jedem der Wunder Der ewige Herr den Anfang legte. Er schuf zuerst den Kindern der Erde Den Himmel zum Dache, der heilige Schöpfer, Dann den Mittelkreis des Menschengeschlechtes Hüter. Der ewige Herr schuf nachher Für die Menschen, die Erde, der allmächtige Gebieter.«
So war Kædmon über Nacht ein Dichter geworden und die Äbtissin Hilda des Klosters Streomeshalh nahm ihn in das Kloster auf und liess ihn unterrichten in der biblischen Geschichte. Alles, was er da hörte und lernte, verarbeitete er nun im Gedichte. »So dass er sang,« wie Beda sagt, »von der Schöpfung der Welt und dem Ursprung des Menschengeschlechtes und die ganze Geschichte der Genesis; von dem Auszuge Israels aus Ägypten und dem Einzuge in das gelobte Land; von vielen anderen Geschichten der heiligen Schrift; von der Fleischwerdung des Herrn, dem Leiden, der Auferstehung und der Himmelfahrt; von der Ankunft des heiligen Geistes und der Predigt der Apostel: auch von dem Schrecken des künftigen Gerichtes, von dem Graus der Höllenstrafe und der Süssigkeit des himmlischen Reichs machte er viele Lieder, aber auch gar manche über die Gnade und Gerichte Gottes; in[466] allen aber trachtete er die Menschen von der Liebe zur Sünde abzuziehen und für die Tugend zu entflammen.« Obwohl dieser Darstellung nach Kædmon ein ausserordentlich fruchtbarer Dichter hätte sein müssen, so können wir doch ausser dem kurzen mitgeteilten Hymnus (welcher sich in lateinischer Übersetzung an der oben angeführten Stelle von Bedas Kirchengeschichte, dann im Original in northumbrischer Sprache am Ende einer alten Handschrift der Historia ecclesiastica und endlich in den westsächsischen Dialekt übertragen in Ælfreds Übersetzung der Kirchengeschichte sich findet) aus der ziemlich reichhaltigen geistlichen Litteratur der Angelsachsen kein Werk mit Sicherheit unserem Dichter zuweisen. Ein einziges will ten Brink in seiner englischen Literaturgeschichte Bd. I pag. 51 mit dem Namen Kædmon in Verbindung gebracht wissen und zwar die angelsächsische Genesis, von welcher ten Brink es durchaus denkbar hält, dass uns in ihr ein fragmentarisch und lückenhaft überliefertes, im einzelnen vielfach verderbtes, sprachlich erneuertes und modifiziertes Werk Kædmons vorliege. Das in Sprache und Darstellung uns entgegentretende hohe Alter der Dichtung, welche eine poetische Paraphrase der Genesis bis zum Opfer Abrahams ist, ebenso entsprechende Ausdrucksweisen und Wendungen wie im Hymnus lassen sich als Beweise für ten Brinks Annahme aufstellen.
Quelle: Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 466-467. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20002773627
Meyers 1907
[415] Kädmon (Caedmon), ältester mit Namen bekannter engl. Dichter, lebte um 660–680 im Kloster der Äbtissin Hilda zu Streaneshalh (heute Whitby). Beim Mahle, wenn die Harfe umging, entschlug er sich des weltlichen Sanges; dann aber, während er nachts sein Vieh hütete, sang er das Lob Gottes und der Schöpfung in einer Vision; nach dem Erwachen habe er dies alles im Gedächtnis behalten und Schreibkundigen diktiert: so berichtet Beda um 731 in der »Kirchengeschichte Altenglands«. Darauf sei er von Hilda regelrecht ins Kloster aufgenommen worden und habe viele biblische Gegenstände in Versen behandelt. Sicher haben wir von ihm seinen ersten, kurzen Hymnus auf Gott Vater, den allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde. Zugeschrieben hat man ihm außerdem mehrere der altenglischen Bibelepen, namentlich die ältere »Genesis« (die jüngere Genesis ist 1875 durch Sievers als eine bloße Übertragung aus dem Altsächsischen erwiesen worden, was die »Bruchstücke der altsächsischen Bibeldichtung aus der Bibliotheca palatina«, hrsg. von Zangemeister u. Braune, Heidelb. 1894, bestätigt haben). Der erwähnte Hymnus, sowie jene Bibelepen sind abgedruckt in Grein-Wülkers »Bibliothek der angelsächsischen Poesie«, Bd. 2 und 3 (Leipz. 1894).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 415. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000685317X
Brockhaus 1911
[299] Cädmon, nach Beda der älteste christl. Dichter der Angelsachsen, Höriger, später Mönch zu Whitby, gest. um 680; die poet. Bearbeitungen von Genesis, Exodus und Daniel, hg. von Hunt (1883) u.a., werden ihm wohl mit Unrecht zugeschrieben. – Vgl. Watson (1875).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 299. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000995029