Kalevala
Herders 1855
[529] Kalevala, d.h. Land des Kaleva, Finnland, finnisches Nationalepos, gesammelt und herausgegeben von Lönnrot (Helsingfors 1835), deutsch von Schiefner (Helsingfors 1852).
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 529. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000339378X
Pierer 1857
[237] Kalevāla, d.i. Land des Kaleva (Held), Finnland, ist der Name, welcher durch Elias Lönnrot das finnische Nationalepos erhalten hat. Dasselbe umfaßt eine größere Anzahl von Gesängen od. Runen, welche aus 2–500 achtsylbigen, durch zwei od. drei alliterirende Hebungen gebundenen Versen bestehen. Diese Runen waren bis auf neuere Zeit herab allein durch mündliche Überlieferung des Volkes u. seiner Sänger, namentlich in der Landschaft Karelien, aufbewahrt worden. Einzelne dieser Runen waren zwar schon im vorigen Jahrhundert aufgezeichnet u. durch den Druck bekannt gemacht worden, doch erregten sie erst im Laufe dieses Jahrhunderts größere Aufmerksamkeit. Auf die Runensammlung von Schröter (Ups. 1819, 2. Aufl 1834) folgte die des Z. Topelius (5 Bdchn., Abo 1822–1836); mit einer gewissen Vollständigkeit gesammelt u. zu einem in sich zusammenhängenden Ganzen geordnet, wurde sie zuerst von E. Lönnrot (Helsingf. 1835) unter dem Namen K. herausgegeben. Seit dieser Zeit ließen es sich nicht blos Lönnrot, sondern auch die finnische Literaturgesellschaft angelegen sein, die begonnene Sammlung aus allen Gegenden Finnlands zu vervollständigen. Diese Bemühungen waren von so gutem Erfolge begleitet, daß E. Lönnrot eine um die Hälfte vermehrte u. deshalb wenigstens theilweise auch neugeordnete zweite Auflage der K. (Helsingf. 1849) veranstalten konnte, welche in 50 Runen gegen 22, 800 Verse umfaßt. Der Inhalt des Epos beruht auf der Feindschaft zwischen den Völkern Kalevalas u. Pohjolas, Finnlands u. des Nordlands (Lapplands); die drei finnischen Nationalhelden Väinömolnen, Ilmarinen, Lemminkäinen, die Söhne Kaleras,[237] ziehen aus, um die schöne Tochter von Pohjola's Fürstin (Louhi) als Braut zu gewinnen; Letztere fordert die Herbeischaffung des heilbringenden Schatzes Sampo, den der kunstfertige Schmied Ilmarinen verfertigt hatte; der Sampo wird durch die Finnen wiedererobert u. endlich in das Meer versenkt. Hauptheld des Liedercyklus ist Väinömöinen, dessen feuriger Gesang zu der Kantele (od. finnischen Harfe) die belebte, wie die unbelebte Natur zu bändigen vermag. Unter dem Reichthum mannichfaltiger Episoden sind vorzüglich die schönen Runen vom Riesen Kullervo hervorzuheben. Im Auslande wurde das finnische Epos namentlich durch einen Aufsatz I. Grimms in Höfers Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache (Berl. 1846, Bd. 1) bekannt. Das Verständniß der finnischen Runen wurde durch Castren's schwedische Übersetzung der ersten Auflage der K. angebahnt (Helsingf. 1841, 2 Bde.), welcher eine französische von Leonzon Le-Duc (Par. 1845) folgte. Deutsch wurde die zweite vollständigere Sammlung von Schiefner (Helsingf. 1852) bearbeitet. Dieselben epischen Stoffe sind zum Theil auch noch in esthnischen Volksliedern erhalten; die schönsten derselben schließen sich an Kalew (finnisch Kaleva) an u. wurden von Kreutzwald unter dem Titel Kalewipoeg. d.i. Sohn des Kalew, zusammengereiht, von Reinthal übersetzt u. von der Esthnischen Gesellschaft zu Dorpat in deren Verhandlungen (Dorp. 1857, Bd. 4) herausgegeben. Vgl. Finnische Literatur.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 237-238. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010204008