Gryphius, Andreas

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Brockhaus 1838

[293] Gryphius (Andr.), eigentlich Greif, ist einer der ausgezeichnetern ältern deutschen Dichter, welcher 1616 zu Großglogau [293] in Schlesien geboren wurde. Er hatte sich den Rechtsstudien gewidmet und wurde 1636 Lehrer im Hause des kais. Pfalzgrafen Georg von Schönborn, durch den er zum Dichter gekrönt und mit einem Adelsdiplom beschenkt wurde. Von dem letztern machten er und seine Nachkommen jedoch keinen Gebrauch. G. mußte nach dem Tode seines Gönners, wegen Glaubenssachen verketzert und der Regierung verdächtigt, sein Vaterland verlassen. Er war zehn Jahre lang auf Reisen, namentlich in Holland, kehrte dann zurück, ließ sich in Fraustadt nieder und nahm 1650 nach Ablehnung mehrer Auffoderungen, ein Universitätslehramt zu übernehmen, das Amt eines Landsyndicus im Fürstenthum Glogau an, welches er mit Eifer und Fleiß bis 1664 verwaltete, wo er in der Mitte der versammelten Landstände, vom Schlage getroffen, starb. G. ist der Schöpfer des neuen deutschen Schauspiels. Er hat mehre Trauerspiele und Lustspiele geschrieben, die durch würdevolle Sprache und dramatische Durchführung sich auszeichnen. Unter seinen übrigen Gedichten zeichnen sich vortheilhaft seine Sonette aus. Es spricht sich in seinen Liedern ein mildes, inniges, etwas zur Schwermuth hinneigendes Gemüth aus.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 293-294. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000083128X


Herder 1855

[177] Gryphius, Andreas, eigentl. Greif, geb. 1616 zu Glogau, durch trübe Schicksale und lange Reisen gebildet, 1650 Syndikus bei den Ständen des Fürstenthums Glogau, st. 1664 mitten in der Ständeversammlung. Er war der vielseitigste und kräftigste Geist der schles. Dichter, wurde bei Lebzeiten schon der »Unsterbliche« genannt und steht jedenfalls eben so hoch über Opitz als tief unter Shakespeare. Das Lustspiel »Herr Peter Squenz« voll übersprudelnden Witzes nach deutschem Maßstab mahnt an Shakespeares Sommernachtstraum, sein »Horribilicribrifax« ist eine ergötzliche Nachahmung von Plautus miles gloriosus. Unter seinen Trauerspielen ist »Karolus Stuardus oder die ermordete Majestät« das früheste histor. Trauerspiel, die hochtrabenden Alexandriner von Leo Arminius, Cardenio u. Celinde, Papinian u.s.f. verlieren sich oft ins Gräßliche u. Unnatürliche, wobei übrigens [177] die Charakteristik im Ganzen lobenswerth und der Zusammenhang der Begebenheiten zum erstenmal durchsichtig ist. Durch G.s geistliche Lieder und Sonette zieht ein melancholischer Grundton. Vollständigste Ausg. Bresl. 1698. Auswahl in W. Müllerʼs Bibliothek deutscher Dichter des 17. Jahrh., B. 2, Leipzig 1822. – G., Christian, ältester Sohn des Vorigen, geb. 1649 zu Fraustadt, gest. 1706 als Prof. zu Breslau, gehörte ganz der ersten schles. Dichterschule an u. schrieb auch gelehrte Werke.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 177-178. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003359409


Pierer 1859

[740] Gryphius (eigentlich Greif), 1) Andr., geb. 11. (2.) Oct. 1616 zu Großglogau in Schlesien, erhielt seine Vorbildung auf den Schulen zu Görlitz u. Fraustadt, war seit 1636 Informator bei dem kaiserlichen Pfalzgrafen Georg von Schönborn in Schlesien, wurde 1637 von diesem als Dichter gekrönt u. in den Adelsstand erhoben, wovon er aber keinen Gebrauch machte. 1638 bereiste er Holland u. hielt dort 1639–44 Vorlesungen über Philosophie u. Mathematik. Von seinen Reisen durch Frankreich, Italien u. Deutschland (seit 1644) kehrte er 1647 nach Fraustadt zurück u. wurde 1650 Syndikus des Fürstenthums Glogau, 1662 Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft unter dem Namen der Unsterbliche u. st. 16. Juli 1664 in Großglogau. Er schr.: Trauerspiele (Leo, Arminius, Katharina von Georgien, Cardenio u. Celinde, Der sterbende Papinian, Die ermordete Majestät), Luftspiele (Horribilicribrifax u. Hr. Peter Squenz, Der schwärmende Schäfer u.a.), das Gesangspiel: Das verliebte Gespenst; Freuden- u. Trauerspiele, auch Oden u. Sonette, Lpz. 1663; seine deutschen Gedichte, herausgeg. von dem Folgenden, Breslau 1698; auch eine Auswahl im 2. Bande von W. Müllers Bibliothek deutscher Dichter des 17. Jahrh., Lpz. 1822, gesammelt; Stosch, Historischer Lebenslauf A. Gryphii, 1665.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 740. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2001004955X


Meyers 1907

2) (Gryph, eigentlich Greif) Andreas, namhafter deutscher Dichter, geb. 11. Okt. 1616 zu Glogau in Schlesien, gest. daselbst 16. Juli 1664, verlor frühzeitig seinen Vater, der Prediger war, und verlebte durch die Schuld eines lieblosen Stiefvaters eine trübe Jugendzeit. Er erhielt seine erste Bildung auf den Schulen zu Görlitz, Glogau und Fraustadt und besuchte seit 1634 das Gymnasium zu Danzig. 1636 wurde er Hauslehrer bei dem kaiserlichen Pfalzgrafen Georg von Schönborn in Fraustadt, der ihn 1637 zum Dichter krönte. Nach dem Tode seines Mäcens, der ihn in seinem Testament bedacht hatte, war ihm die Möglichkeit geboten, im Ausland seine Bildung zu vervollkommnen. Er ging 1638 zuerst nach Amsterdam und von da nach Leiden, wo er erst Vorlesungen hörte und später selbst solche hielt; auch gab er dort bei Elzevier »Sonn- und Feiertags-Sonette« (1639; Neudruck von Welti, Halle 1883) heraus. Sodann bereiste er die Niederlande, Frankreich und Italien und ließ sich nach seiner Rückkehr ins Vaterland 1647 zu Fraustadt nieder. 1650 wurde er, nachdem er Berufungen als Professor nach Frankfurt a. O., Upsala und Heidelberg abgelehnt hatte, zum Landsyndikus des Fürstentums Glogau ernannt. Als Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft (seit 1662) hieß er der »Unsterbliche«. Die pessimistische Grundstimmung seines tief religiösen Gemüts spiegelt sich vor allem in seiner Lyrik: gehaltvollen Sonetten, satirischen Epigrammen und erhabenen Oden voll ergreifender Kraft. Sein lateinisch geschriebenes, religiöses Epos »Olivetum« (»Der Ölberg«, Flor. 1646) verrät in den allegorischen Zutaten weitläufige Beziehungen zu Dante und darf als Vorklang zu Klopstocks »Messias« angesehen werden. Seine dramatische Tätigkeit begann G. als Übersetzer der »Felicitas« des Jesuiten Causinus und von Joost van Vondels »De Gebroeders« (»Die sieben Brüder oder die Gibeoniter«); erst 1646 ließ er sein erstes Originalwerk folgen, die byzantinische Palasttragödie »Leo Armenius«, ein pathetisches Renaissancedrama mit Geistererscheinungen und Greueltaten; ihr folgten. das Märtyrerstück »Katharina von Georgien« (gedruckt 1657); »Cardenio und Celinde« (verfaßt nach 1647), eine moralisierende Spukgeschichte, das einzige »bürgerliche Trauerspiel« vor Lessings »Miß Sara Sampson«; »Ermordete Majestät, oder. Carolus Stuardus, König von Großbritannien« (zuerst 1657), bemerkenswert durch Behandlung eines Stoffes aus dem Leben der Zeit; endlich »Papinianus« (1659), worin der berühmte Jurist als Märtyrer seiner Rechtsüberzeugung dargestellt ist. Unter Berücksichtigung der drei Einheiten behandelt G. meist grauenvolle Stoffe in bilderreichem, oft etwas überladenem Stil, aber durch ausdrucksvolle Kürze anregend und in gehaltvollen Chorgesängen große Auffassung offenbarend. Seine Vorbilder sind Seneca und Vondel. Auch als Lustspieldichter leistete G. Bedeutendes. Auf die Übersetzung des Stückes »La balia« des Italieners Razzi (»Die Seugamme«, gedruckt zuerst 1663) ließ er das Schimpfspiel »Absurda comica, oder: Herr Peter Squentz« (zuerst o. J., dann 1663; Neudruck, Halle 1877; in Reclams Universal-Bibliothek u. ö.) folgen, worin er die Geschichte von Pyramus und Thisbe in einer von Shakespeares »Sommernachtstraum« abweichenden Version unter Anlehnung an ein verloren gegangenes Stück von Daniel Schwenter und das niederländische Stück von[472] Gramsbergen höchst drastisch darstellt (vgl. Burg in der »Zeitschrift für deutsches Altertum«, Bd. 25, 1881, und Borinski, das., Bd. 32, 1888). Daneben fesselt sein »Horribilicribrifax«, zwar in der Handlung verworren, aber ein gutes Bild der deutschen Zustände nach dem großen Kriege; im Mittelpunkt stehen hier zwei prahlerische Soldaten. Unbedeutender sind seine Singspiele: »Majuma« und »Das verliebte Gespenst« (1660), nach Quinaults »Fantôme amoureux«; doch vortrefflich ist das in dieses letztere Stück eingelegte, im schlesischen Dialekt geschriebene Scherzspiel »Die geliebte Dornrose«, das sich aber auch wieder an ein Werk Vondels (»De Leuwendalers«) anlehnt. Seinen Zeitgenossen galt G. als ein Wunder der Gelehrsamkeit, denn er verstand elf Sprachen, hielt über Logik, Anatomie, Geographie, Geschichte, Mathematik, Astronomie und römische Altertümer Vorlesungen und beschäftigte sich auch mit Chiromantik. Die besten und relatio vollständigsten Ausgaben seiner Werke sind die zu Breslau 1657 und 1663 erschienenen und die von seinem Sohne besorgte (Bresl. u. Leipz. 1698, 2 Tle.). In den »Publikationen des Literarischen Vereins in Stuttgart« erschienen die »Lustspiele« (Bd 138, 1879), die »Trauerspiele« (Bd. 162, 1883) und die »Lyrischen Gedichte« (Bd. 171, 1885), herausgegeben von Palm, der auch eine Auswahl der dramatischen Dichtungen nebst Gedichten (in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur«, Bd. 29, Stuttg. 1883) veröffentlichte; Tittmann gab eine Auswahl aus den dramatischen Dichtungen (Leipz. 1870) und die »Lyrischen Gedichte« (das. 1880) heraus. Vgl. Herrmann, Über Andreas G. (Leipz. 1851); Klopp, Andreas G. als Dramatiker (Osnabr. 1852); Th. Wissowa, Beiträge zur Kenntnis von A. G.' Leben und Schriften (Glog. 1876); Kollewijn, über den Einfluß des holländischen Dramas auf A. G. (Amersfoort u. Heilbr. 1880); Wysocki, Andreas G. et la tragédie allemande an XVII. siècle (Par. 1893); Manheimer, Die Lyrik des Andr. G. (Berl. 1904).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 472-473. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006718337


Brockhaus 1911

[731] Gryphĭus, Andr., Dichter, geb. 11. Okt. 1616 zu Großglogau, seit 1650 Syndikus des Fürstent. Glogau, gest. 16. Juli 1664; Vater des kunstmäßigen Trauerspiels in Deutschland (»Leo Armenius«, »Cardenio und Celinde« u.a.), bedeutender in seinen aus dem Leben geschöpften Lustspielen (»Peter Squenz«, »Horribilicribrifax« etc.), auch Lyriker. Neue Ausg. der Dramen und Gedichte von Palm (1878-80; Auswahl 1883). – Vgl. Klopp (1851).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 731. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001161989