Christina von Schweden

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Brockhaus 1809

[262] Christine, Königin von Schweden, Tochter des ruhmwürdigen Gustav Adolphs, war am 3 Dec. 1626 geb. und bei ihres Vaters Heldentode auf dem Schlachtfelde bei Lützen (d. 6. Nov. 1632) erst sechs Jahr alt. Im Jahr 1644 übernahm sie die Regierung selbst, die bisher von den obersten Reichsbeamten, vorzüglich von dem Staatsklugen Canzler Axel von Oxenstirna, als Vormündern geführt worden war, und schloß nach vielen von ihren Truppen unter Torstensons, Banners und Wrangels Fahnen erfochtenen Siegen, den Westphälischen Frieden 1648 zu Osnabrück, durch welchen sie viele Provinzen des nördlichen Deutschlands erhielt und ihr Reich auf den höchsten Gipfel des Ruhms brachte. Für das Wohl ihrer Unterthanen sorgte sie zwar mit rühmlichem Eifer, zog aber doch den Regierungsgeschäften die Wissenschaften vor, und beförderte dieselben mit ungeheurem Aufwande. Sie selbst war eine der gelehrtesten Frauenzimmer, die je auf einem Throne saßen, veranlaßte 1640 während ihrer Minderjährigkeit die Stiftung der Universität zu Abo, zog die größten Gelehrten, unter andern den Hugo Grotius, Descartes, Saumaise und Conring, an ihren Hof, und wählte sie zu ihren täglichen Gesellschaftern. Endlich gewann die Liebe zu den Wissenschaften und zu einer ungezwungenen Lebensart bei ihr so sehr die Oberhand, daß sie 1654 in einem Alter von kaum 28 Jahren die Regierung ihrem Vetter, Carl Gustav, Pfalzgraf von Zweidrücken, feierlich übergab, und das Reich verließ. Sie, die schon längst der Römischkatholischen Lehre geneigt war, nahm dieselbe 1654 zu Brüssel insgeheim und 1655 zu Inspruk öffentlich an, wandte sich nach Rom, that verschiedene Reisen, gerieth jedoch endlich in Dürftigkeit und Verachtung, und widmete sich bis an ihren Tod, welcher erst 1689 d. 19. Apr. in Rom erfolgte, gelehrten Beschäftigungen. Sie war edel, gelehrt, talentvoll und einzig in ihrer Art, fiel aber bei ihren litterarischen Arbeiten bisweilen auf thörigte Abwege, z. B. in Rom auf Betreibung [262] der Alchymie, verschwendete, als sie noch regierte, die besten Schätze des Reichs zur Ankaufung wissenschaftlicher Denkmähler, ließ sich nicht selten von Günstlingen leiten, und verfiel durch ihr freies und sorgloses Betragen oft ins Unanständige.


Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 262-263.

Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000746983


Brockhaus 1839

[425] Christina, Königin von Schweden, geb. 1626, die einzige Tochter Gustav Adolf's, der ihr eine ungewöhnliche, fast männliche Erziehung geben und vor seinem Heereszuge nach Deutschland als Thronerbin von den Ständen huldigen ließ. Nach seinem 1632 erfolgten Tode ward C. auch einstimmig als Königin anerkannt, den fünf höchsten Reichsbeamten die Regierung bis zu ihrer Mündigkeit übertragen, ihre Erziehung aber im bisherigen Geiste fortgesetzt. Von Natur mit seltenen Fähigkeiten und mit einem unverdrossenen Eifer zu deren Ausbildung begabt, der sie auch in spätern Jahren nicht verließ, erwarb sie sich solche Kenntnisse in ältern und neuern Sprachen, in Wissenschaften und Künsten, daß sie in vielem Betracht für eine Gelehrte gelten konnte, äußerte aber auch frühzeitig schon einen Hang zum Sonderbaren und die Neigung, Aufsehen zu erregen. So trug sie mit Vorliebe männliche Kleidung, ritt viel, theilte die Gefahren der Jagd und unternahm selbst Fußreisen. Die Reise des Verstandes, welche sie frühzeitig an den Tag legte, veranlaßte die Reichsstände, ihr schon 1642 die Übernahme der Selbstregierung anzutragen, die sie jedoch wegen ihrer großen Jugend noch ablehnte und erst 1644 antrat. Sie bezeichnete den Anfang derselben durch einen vortheilhaften Friedensschluß mit Dänemark, beschleunigte den Frieden mit dem deutschen Kaiser, schien nur bedacht, in ihrem Reiche Handel und Gewerbe, Künste und Wissenschaft emporzubringen, und besaß auch das Vertrauen des Volkes in hohem Grade. Unerhört ließ sie jedoch den allgemeinen Wunsch, die Thronfolge durch ihre Vermählung zu sichern, indem sie gegen das ihre Unabhängigkeit bedrohende Band der Ehe eine entschiedene Abneigung hegte; doch war ihr das Gefühl der Liebe nicht fremd, nur wechselte sie häufig mit ihren Günstlingen. Endlich veranlaßte sie[425] 1649 die Reichsstände, ihren Vetter Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken, der auch um ihre Hand geworben, zum Thronfolger zu erwählen und ließ sich nun mit großem Pomp krönen. Mehr als vorher singen jetzt ihre weiblichen Schwächen und ihren großen Beruf beeinträchtigende Liebhabereien an, nachtheilig auf die Staatsangelegenheiten zu wirken, für die sie kaum noch Zeit zu haben schien. Unverhältnißmäßig große Summen wurden für ihre Sammlungen, als Pensionen an die berühmtesten auswärtigen Gelehrten, die sie an ihren Hof zog, und zur Bereicherung ihrer Günstlinge ausgegeben, und als die Unzufriedenheit darüber laut ward, wollte sie sogar die Krone niederlegen, was jedoch die dringenden Vorstellungen ihrer Räthe verhinderten und sie zugleich bewogen, sich wieder eine Zeit lang den Geschäften mit ungetheilter Aufmerksamkeit zu widmen. Von Neuem erwarb sie die Bewunderung Europas, allein Rückfälle in die frühern Fehler blieben nicht aus und hatten dieselben Folgen; daher und weil C. im Geheim beschlossen hatte, zur röm. Kirche überzutreten, entsagte sie 1654 vor den zu Upsala versammelten Reichsständen der Krone, sicherte sich ein ansehnliches Einkommen und die unbeschränkte Gewalt über die zu ihrem Gefolge gehörenden Personen und übergab dem Prinzen Karl Gustav die Regierung. Unverweilt begab sie sich dann nach Brüssel, wo sie im Geheim, bald nachher aber zu Innsbruck öffentlich zur katholischen Religion sich bekannte und dann nach Rom ging, wo sie mit den größten Ehrenbezeigungen empfangen wurde. Indessen wollte sie den politischen Angelegenheiten keineswegs fremd bleiben und reiste zweimal nach Frankreich, um zwischen diesem Lande und Spanien die Vermittlerin zu machen, fand jedoch keine entsprechende Aufnahme. Ihre letzte Anwesenheit im Jahre 1657, wo sie das kön. Schloß Fontainebleau bewohnte, ist berüchtigt durch die daselbst auf ihren Befehl und gleichsam vor ihren Augen von einem Hauptmann und zwei Soldaten ihrer Leibwache geschehene Ermordung ihres Oberstallmeisters Marquis Monaldeschi, eines schönen Italieners, den sie nur durch Vorzeigung seiner Briefe gewissermaßen von einer an ihr begangenen Verrätherei überführte, allein keine Zeit zu seiner Rechtfertigung gestattete. Nach Rom zurückgekehrt, gerieth sie durch Ausbleiben ihrer schwed. Gelder in Verlegenheit, erhielt aber vom Papste ein Jahrgeld von 12,000 Scudi. Da 1660 Karl Gustav starb, begab sie sich nach Schweden, angeblich um ihre Angelegenheiten zu ordnen, eigentlich aber mit der Hoffnung, wieder auf den Thron zu gelangen, mußte aber ihre Pläne gänzlich scheitern sehen. Dasselbe war der Fall, als sie 1666 zurückkehrte, um wenigstens Vormünderin des minderjährigen Königs zu werden, und ohne Stockholm betreten zu haben, wendete sie sich daher über Deutschland wieder nach Rom, wo sie eine Akademie stiftete, fortan den Künsten und Wissenschaften, der Vermehrung ihrer Sammlungen von Handschriften, Alterthümern und Gemälden lebte, auch mit Astrologie und Alchymie sich beschäftigte und nach ihrem 1689 erfolgten Tode in der Peterskirche bestattet ward, wo ihr auch der Papst ein Denkmal setzen ließ.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 425-426. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000818496