Kategorie:Lemberg
Lemberg, Polnisch Lwów, Ukrainisch Lwiw, Russisch Lwow, Stadt in der Ukraine
Meyers 1908
[397] Lemberg (poln. Lwów), Hauptstadt des österreich. Kronlandes Galizien, liegt unter 49°50´ nördl. Br. und 24° östl. L., 278 m ü. M., in einem von bewaldeten Hügeln umgebenen, gegen N. geöffneten Talkessel, am Peltew (Nebenfluß des Bug) und an den Staatsbahnlinien Krakau-L.-Podwoloczyska,[397] L.-Czernowitz, L.-Stryj-Lawoczne, L.-Sambor, L.-Jaworów und L.-Belzec, ist in fünf Bezirke eingeteilt, und zwar die mit Promenaden (an Stelle der ehemaligen Wälle) umgebene innere Stadt mit großem Ringplatz (mit 4 Monumentalbrunnen), die Haliczer, Krakauer, Zolkiewer und Lyczakower Vorstadt.
Die Stadt besitzt mehrere öffentliche Anlagen, darunter den Stadtpark, den Kilinski-, Wisnlowski- und Kosciuskopark und den Schloßberg. Unter den öffentlichen Gebäuden sind die hervorragendsten: die römisch-katholische Kathedrale (im gotischen Stil 1350–1479 erbaut), mit Fresken; die Dominikanerkirche (mit dem Grabdenkmal der Gräfin Dunin-Borkowska von Thorwaldsen); die griechisch-unierte Kathedrale im Basilikenstil, die armenische Kathedrale im armenisch-byzantinischen Stil (15. Jahrh.) und die neue Synagoge. Von weltlichen Gebäuden sind zu erwähnen: das Landtagsgebäude, die Technische Hochschule (1877), das Statthaltereigebäude, das neue Gerichtsgebäude, das Rathaus (1828–37 erbaut), mit 80 m hohem Turm, das viertürmige Invalidenhaus, das Ossolinskische Institut, das neue städtische und zwei andre Theater, das Museums- und Ausstellungsgebäude, der neue Zentralbahnhof u.a. Auf der südlich von L. gelegenen Anhöhe erhebt sich die Zitadelle. L. besitzt Denkmäler des Königs Johann Sobieski, der Dichter Mickiewicz, Ujejski, Fredro u.a.
Die Stadt zählt (1900) mit dem Militär (10,326 Mann) 159,877 Einw., darunter 82,597 Römisch-Katholische, 29,327 Griechisch-Unierte, 44,258 Juden; der Umgangssprache nach 120,634 Polen, 20,409 Deutsche und 15,159 Ruthenen. Als der bedeutendste Gewerbe- und Handelsplatz des Landes hat L. alle Gattungen Gewerbe; namentlich besitzt es eine Eisenbahnwerkstätte, Fabriken für Maschinen, Kessel, Wagen, Eisengußwaren, Ziegel, Öfen, Zementwaren, Kerzen und Seife, kosmetische Artikel, Tapeten, Konserven, geräucherte Fleischwaren, Zuckerwaren, Spirituosen, ferner eine Naphtharaffinerie, eine Dampfmühle und Bierbrauereien. Anstalten zur Förderung von Handel und Verkehr sind: die Handels- und Gewerbekammer, 5 Kreditaktiengesellschaften (1903 mit 18,8 Mill. Kr. Aktienkapital und 462 Mill. Kr. Pfandbriefumlauf), eine Sparkasse (1903 mit 75,1 Mill. Kr. Einlagen), eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, mehrere Vorschußvereine und ein Lagerhaus. L. hat elektrische Beleuchtung und Straßenbahn, Gasanstalt und ein Schlachthaus. Wohltätigkeitsanstalten sind: ein Taubstummen- und ein Blindeninstitut, 2 Waisenanstalten, ein allgemeines Krankenhaus, eine Gebäranstalt etc. An Bildungsanstalten besitzt die Stadt: eine Universität (1784 gegründet, seit 1871 mit polnischer Unterrichtssprache) mit vier Fakultäten (1901: 2060 Hörer), einer Bibliothek von 125,000 Bänden, einem botanischen Garten mit Gärtnerschule, naturhistorischen Sammlungen etc; eine Technische Hochschule (1901: 760 Studierende), 6 Obergymnasien (4 mit polnischer, je eins mit deutscher und ruthenischer Unterrichtssprache), 2 Oberrealschulen, eine Lehrer- und eine Lehrerinnenbildungsanstalt, ein Mädchengymnasium, eine Staatsgewerbeschule, Handelsakademie, forstwirtschaftliche Landeslehranstalt, Gartenbauschule, Tierarzneischule, Kadettenschule, keramische Versuchsanstalt, ein Musikkonservatorium, das Ossolinskische Institut (180,390 Bände, 3000 Handschriften, ferner Zeichnungen, Münzen u.a.), das Dzieduszyckische Museum für galizische Landeskunde und ein städtisches Gewerbemuseum. L. ist Stadt mit eignem Statut und Sitz des Landtags und Landesausschusses, der Statthalterei, der Polizeidirektion, einer Bezirkshauptmannschaft (L.-Umgebung), des Oberlandesgerichts und Landesgerichts, der Finanzlandesdirektion und Finanzprokuratur, der Forst- und Domänendirektion, einer Staatsbahndirektion, der Post- und Telegraphendirektion, eines katholischen, eines griechisch-unierten und eines armenisch-unierten Erzbischofs, des 11. Korpskommandos sowie eines deutschen Berufskonsuls. Nördlich liegt das Dorf Dublany mit landwirtschaftlicher Akademie, Ackerbau- und Brennereischule und (1900) 1244 Einw., östlich der Marktflecken Winniki mit Bezirksgericht, ärarischer Tabakfabrik und 3881 Einw., südöstlich das Dorf Kulparków mit Landesirrenanstalt und 1823 Einwohnern.
Geschichte. Die Stadt wurde ursprünglich vom ruthenischen König Daniel für dessen Sohn Leo, Fürsten von Halicz, um 1259 gegründet, 1261 von den Tataren zerstört, dann um 1270 an der heutigen Stelle wieder aufgebaut und zur Residenz erwählt. Kasimir d. Gr. eroberte L. 1340, verbrannte das alte fürstliche Schloß daselbst, ließ dafür zwei neue ausführen und erweiterte die Stadt durch Anlegung neuer Stadtteile; auch führte er deutsche Kolonisten in L. ein und verlieh der Stadt das Magdeburger Recht. Nach Kasimirs Tod (1370) folgte ihm sein Schwestersohn Ludwig, König von Ungarn, der L. samt Russien 1372 seinem Verwandten Wladislaw, Fürsten von Oppeln, zur Verwaltung übertrug. Als Wladislaw 1387 auf die Verwaltung Russiens verzichtete, wurde es von den Ungarn besetzt, doch bald durch Hedwig, die jüngere Tochter Ludwigs und Gemahlin Wladislaw Jagiellos, mit Polen vereinigt. Den von Ludwig d. Gr. und Hedwig erteilten und von den folgenden polnischen Königen bestätigten Handelsprivilegien verdankt L. seinen Wohlstand in den folgenden Jahrhunderten. 1412 wurde das 1375 in Halicz errichtete römisch-katholische Erzbistum nach L. verlegt. L. blieb während der ganzen polnischen Periode die Hauptstadt der Provinz Reussen (»terrae Russiae«) und galt als ein wichtiges Emporium für den orientalischen Handel. In neuerer Zeit hatte es 1648 und 1655 Belagerungen durch den Kosakenhetman Chmelnizký und 1672 durch die Türken zu erdulden; 1704 wurde es vom schwedischen König Karl XII. eingenommen. Bei der ersten Teilung Polens (1772) fiel L. an Österreich. In den Unruhen von 1848 erlitt die Stadt durch das Bombardement vom 2. Nov. bedeutenden Schaden.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 397-398. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000699170X
Brockhaus 1838
[729] Lemberg, die wichtigste Stadt des Königreichs Galizien, am Bache Peltew gelegen, in einem engen von Sandbergen umgebenen Thale, ist eine gefällig gebaute Stadt mit 54,000 Einw., unter denen an 26,000 Juden. Sie hat vier schöne Vorstädte, zwei Schlösser, eine Domkirche und eine 1784 gestiftete, 1827 wiederhergestellte Universität. Außerdem findet man hier eine ständische Akademie mit einem landwirthschaftlichen Musterhose, zwei Gymnasien, ein röm. und ein griech. Seminar, eine Realschule, ein Theater, wehre Armen- und Krankenhäuser u.s.w. L. ist der Sitz des Guberniums, des Generalcommandos, des Appellationsgerichts, eines kath. und griech.-unirten und eines armen. Erzbischofs, eines evang. Superintendenten und eines Oberlandesrabbiners. Der Handel ist nicht unbedeutend, namentlich ist die heil. Dreikönigsmesse besucht. Die Fabrikation bezieht sich auf Leder, Tuch, Seidenwaaren, Leinwand, Bier und Branntwein.
Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 729. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000840505
Damen Conversations Lexikon 1836
[327] Lemberg, Hauptst. des Königreichs Galizien am Peltew, auf einer freundlichen Anhöhe mit entzückenden Umgebungen, deren Hintergrund erhabene Gebirge umschließen, hat schöne Vorstädte und einen prachtvollen Dom. Von seinen 55,000 Ew. sind 20,000 Juden. Lemberg vereinigt alle Vorzüge einer Haupt- und Universitätsstadt und ist zugleich große Handels- und Fabrikstadt. Die gräfl. Fries'sche Kattunfabrik, welche die feinsten baumwollenen Zeuge, Nankings und Tischzeuge liefert, und eine Schönfärberei für echte türkische Garne hat, beschäftigt täglich über 400 Menschen. Die vorzüglichen Wohlthätigkeitsanstalten, ein Theater, die großen Geldgeschäfte und ein glänzender Zusammenfluß des galizischen Adels macht L. zu einer der lebhaftesten und wichtigsten Städte des Landes. Hier finden sich auch die schönsten und liebenswürdigsten Frauen des Landes. Sie sind schlank und dabei von reizender Fülle, haben feurige Augen, zarte kleine Füße und einen herrlichen Teint. Leider kommt die sie so trefflich kleidende polnische Tracht immer mehr ab. Noch verdient der in Lemberg vorherrschende Sinn für Kunst und Literatur ehrenvolle Erwähnung.
Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 327. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001745832
Herders 1858
[740] Lemberg, polnisch Lwow, Hauptstadt von Galizien am Peltew, hat 81400 E., ist Sitz der Centralbehörden. eines kathol., griechisch-unirten u. armenischen Erzbischofs, hat 23 Kirchen, darunter die alte Kathedrale mit vielen Monumenten, die schöne griech.-kathol. Metropolitankirche, die Dominicanerkirche, Jesuitenkirche etc.; mehre Klöster; 1784 gestiftete Universität, das Ossolinskische Institut, 2 Gymnasien, Realschule, Taubstummeninstitut, Vereine für Wissenschaft und Kunst, wohlthätige Anstalten. L. ist eine wohlgebaute, reinliche Stadt, hat sich in neuerer Zeit sehr gehoben; 1/4 der E. sind Juden, in deren Händen der größte Theil des Handels ist. – Erbaut wurde L. 1259 von Lew Danielowicz, Fürsten von Halicz, u. theilte die Schicksale Galiziens.
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 740. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003412792
Pierer
[263] Lemberg (polnisch Lwow), 1) (Ostgalizien), seit 1854 eines der beiden Verwaltungsgebiete des österreichischen Königreichs Galizien, 1004, 59 QM; grenzt im Norden an Polen u. Rußland, im Osten an Rußland, im Südosten an die Moldau, im Süden an die Bukowina u. Ungarn, im Westen an das galizische Verwaltungsgebiet Krakau; es zerfällt in die 12 Kreise: Lemberg, Przemysl, Sanok, Sambor, Stry, Brzezan, Zolkiew, Stanislowow, Kolomea, Zloczow, Tarnopol u. Czortkow, welche wiederum in 110 Bezirksämter getheilt werden; Gesammtbevölkerung (im Jahre 1857): 3,921,900 Ew.; 2) Kreis darin, 38,03 QM., 196,600 Ew. in 4 Städten, 2 Marktflecken u. 173 Dörfern; 3) Haupt- u. Kreisstadt darin, am Peltew; Sitz der Provinzial-, Regierungs- u. Bezirksbehörden, eines katholischen u. eines unirten griechischen Bischofs, armenischen Erzbischofs, eines lutherischen Generalsuperintendenten, eines reformirten Seniorats, eines Landrabbiners, des Militärobercommandos, des Oberlandgerichts für Galizien u. die Bukowina, Handelsgerichts, Oberpost- u. Bücherrevisionsamts; die sonstigen Festungswerke sind geebnet u. in Promenaden verwandelt. L. hat Kathedrale (von Kasimir dem Großen 1370 erbaut), 2 Domkirchen (der unirten Griechen u. der Armenier), 18 andere Kirchen (in der Dominicanerkirche, welche nach dem Muster der Peterskirche in Rom erbaut ist, befindet sich im Hochaltar ein nach der Sage vom heiligen Lucas gemaltes Marienbild), 1 lutherisches Bethaus, walachische Kirche, 9 Klöster (darunter ein armenisches Frauenkloster), 3 Synagogen, neues Rathhaus, 2 Schlösser, Kranken- u. Irren-, Siech-, Armen-, Correctionshaus, Militärhospital, Krankenanstalt der Barmherzigen Schwestern, Universität (Alma Franciscea), 1784 gestiftet, 1817 erneuert, mit 1 Rector, 5 Directoren, 4 Senioren, 26 Professoren, gegen 1000 Studenten, Bibliothek, Technische Akademie, 2 Gymnasien, Ökonomisch-praktische Schule, Real- u. Normalhauptschule, große Kasernen, Militärschwimmschule, Taubstummeninstitut, Literarisches Nationalinstitut mit theologisch-philosophischer Lehranstalt für den Regularclerus, adelige Erziehungsanstalt; öffentliche (vom Grafen Ossolinsky gestiftete) Bibliothek (58,000 Bände, größtentheils slawische Geschichte u. Literatur betreffend, 1200 Handschriften), Münzsammlung (150,000 Münzen u. Medaillen) u. Sammlungen von Gemälden, Kupferstichen, Alterthümern etc., mehre andere katholische, griechische u. protestantische Schulen u. 2 geistliche Seminarien, Galizischer Musikverein mit Musikschule; viele Wohlthätigkeitsanstalten, worunter sich bes. die gräflich Skarbeksche Anstalt, für 400 Arme u. 500 Waisen, u. 4 Spitäler auszeichnen; Theater, vom Grafen Skarbek auf seine Kosten erbaut. L. hat Tuch- u. Leinwebereien, man fertigt Rosoglio, Porter, Band, Tischlerwaaren, musikalische Instrumente. Von Buchdruckereien finden sich hier 2 deutsche, 1 russische, 1 jüdische. L. ist nach Brody der Haupthandelsplatz Galiziens; hier ist zur Zeit der Contracte, vom Januar bis Fastnacht, Hauptzusammenfluß des galizischen Adels (Dreikönigsmesse); 75,006 Ew., darunter mehr als 20,000 Juden. L. ist durch die Galizische Eisenbahn mit Krakau verbunden. In der Nähe der Sandberg mit Trümmern der alten Löwenburg; ferner die Mineralquelle det Eisenbründel mit Bad, das Sophienwäldchen; nördlich von L. liegt die Ebene von Quiesienie, wo König Johann III. über die Türken siegte; westlich die Schwefelquellen Szklo u. Lubien mit Bad – L. wurde von dem Großfürsten Leo von Galizien um 1280 gegründet auf den Trümmern eines von seinem Vater bereits gegründeten Städtchens, welches dieser aber auf Befehl des Tatarenkhans Burondai hatte schleifen müssen. 1340 wurde L. von Kasimir II. eingenommen; von den Ungarn, denen es König Ludwig gegeben, kam es durch dessen Tochter Hedwig 1390 wieder an Polen. Nach dem Anfang des 15. Jahrh. wurde das Erzstift gegründet (nach And. schon von Kasimir II.); 1648 wurde L. von den Russen unter Chilneck 21/2(Monate belagert, 1704 von den Schweden eingenommen; es kam 1773 mit Galizien an Österreich; 1784 wurde die Universität gestiftet; den 30. Aug 1805 wurde die Stadt von den Russen unter Kutusow, den 24. Mai 1809 wieder von den Polen besetzt, im Frieden von Wien erhielt sie Österreich. Am 1. Nov. 1848 blutige Reibungen zwischen der Nationalgarde u. Militär.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 263. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010331794
Brockhaus 1911
[41] Lemberg (poln. Lwów), Hauptstadt des österr. Kronlandes Galizien [Karte: Österreichisch-Ungarische Monarchie I, 6], am Peltew, (1900) 159.618 E. (44.258 Juden), kath., griech. und armenischer Erzbischof, evang. Superintendent, Universität (1784 gestiftet), Polytechnikum, poln.-literarisches Nationalinstitut, von Graf Ossolinski gegründet, Messe (»Dreikönigsmesse«).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 41. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001300172
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