Fruchtbringende Gesellschaft

Aus Lyrikwiki

Version vom 18. Oktober 2021, 14:30 Uhr von Wikiop (Diskussion | Beiträge) (→‎Götzinger 1885)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)



Götzinger 1885

[245] Fruchtbringende Gesellschaft oder Palmenorden heisst die litterarische Gesellschaft, die bei Anlass eines fürstlichen Leichenbegängnisses im Jahr 1617 zu Weimar gestiftet wurde. Sie wurde nach dem Rate des vielgereisten geheimen Rates und Hofmarschalls Kaspar von Teutleben in Nachahmung italienischer Akademien errichtet, dessen Vorschlag dahin ging, »auch in Deutschland eine solche Gesellschaft zu erwecken, darin man gut rein Teutsch zu reden, zu schreiben sich befleissige und dasjenige thäte, was zur Erhebung der Muttersprache dienlich wäre.« Die Gesellschaft nannte sich die fruchtbringende, weil jedes Mitglied »überall Frucht zu schaffen geflissen sein sollte«. Ihre Devise war: »Alles zu Nutzen.« Jedes Mitglied hatte ausser seinem beziehungsreichen Namen sich auch eine emblematische Blume, eine Frucht, einen Baum oder ein Kraut zu wählen, das an den Wahlspruch »Alles zu Nutzen« erinnerte. Die Mitglieder der Gesellschaft sollten sich, »wes Standes oder welcher Religion sie auch wären, ehrbar, verständig und weise, tugendhaft und höflich, nützlich und ergötzlich, leutselig und mässig überall erweisen, rühmlich und ehrlich handeln, bei Zusammenkünften sich gütig, fröhlich und vertraulich, in Worten, Gebärden und Werken treulich erweisen, keiner dem andern ein widrig Wort übel aufnehmen, auch sich aller unziemenden Reden und groben Scherze enthalten.« »Dann aber sollte den Gesellschaftern vor allen Dingen obliegen, unsere hochgeehrte Muttersprache in ihrem gründlichen Wesen und rechten Verstande, ohne Einmischung fremder, ausländischer Flickwörter, sowohl im Reden, Schreiben, Gedichten aufs allerzierlichste und deutlichste zu erhalten und auszuüben, auch möglichst[245] zu verhüten, dass diesem in keinem Falle möge zuwider gehandelt, vielmehr gehorsamlich nachgelebt werden«. Die Gründer der Gesellschaft waren ausser Teutleben: der Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen und sein Sohn Ludwig der Jüngere; die Herzöge Johann Ernst, Friedrich und Wilhelm von Weimar und zwei anhaltische Edelleute Christoph und Bernhard von Krosigk. Die Ziele der Gesellschaft waren offenbar durchaus würdige; doch war sie vornehmlich eine Gesellschaft des Adels und war, wie die Bildung der Zeit überhaupt, mit Einseitigkeit schöner und löblicher Form zugethan; auch war wirklich die hässliche Sprachmengerei, welcher die Gesellschaft entgegentrat, am meisten in den vornehmen Kreisen zuhause. Daher stiftete auch eine Anna, Gräfin von Bentheim, noch in demselben Jahre 1617 zu Amberg in der Oberpfalz eine Académie des Loyales oder l'Ordre de la Palme d'or, bestimmt, die französiche Bildung unter den Frauen ihres Hauses zu verbreiten. Die Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft bemühten sich besonders, französische und italienische Gedichte ins Deutsche zu übersetzen und Ringelrennen und dergleichen Hoffeste mit ihren deutschen Produktionen zu zieren. Ein besonders fleissiger Dichter war in dieser Beziehung der im Jahr 1620 dem Orden beigetretene Dietrich von dem Werder, der Ariosts Rasenden Roland übersetzte. Als das zweihunderste Mitglied wurde Opitz unter dem Namen des »Gekrönten« und mit dem Emblem eines breitblätterigen Lorbeerbaumes aufgenommen. Nachdem im Jahr 1650 erfolgten Tode des Herzogs Ludwig von Anhalt-Köthen, der 30 Jahre lang die Seele der Gesellschaft gewesen war und es mit ihren Absichten wirklich ernst meinte, kam die Leitung der Gesellschaft nach Weimar, wo Herzog Wilhelm das neue Oberhaupt der Gesellschaft wurde; denn das Oberhaupt musste nach den Ordensgesetzen ein Fürst sein. Er starb 1662; sein Nachfolger wurde erst 1667 Herzog August von Sachsen; nach dessen im Jahr 1680 erfolgten Tode wurde kein Oberhaupt mehr gewählt. Döring in Ersch und Gruber. Barthold, Fruchtbringende Gesellschaft.

Quelle: Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 245-246. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20002772051

Pierer 1858

[768] Fruchtbringende Gesellschaft (Palmenorden), am 24. Aug. 1617 von Kaspar von Teutleben (s.d.) in Weimar unter Betheiligung von 3 sächsischen Herzögen u. 2 anhaltinischen Fürsten gestiftete Gesellschaft, welche den Zweck hatte, daß ihre Mitglieder, im Gegensatz zu der an anderen Höfen überhandnehmenden Ausländerei, deutsch redeten, deutsch schrieben u. deutsch ehrbar u. sittsam mit einander verkehrten; sie hatte ihren Sitz zuerst in Weimar, dann in Köthen, zuletzt in Halle. Nach Teutlebens Tode war stets ein regierender Fürst ihr Präsident, 1628 Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen, 1650 Herzog Wilhelm von Weimar, 1662–1667 war ein Interregnum, dann Herzog August von Sachsen-Weißensels, u. unter vielen Fürsten waren auch der Große Kurfürst u. König Karl Gustav von Schweden Mitglieder. Sie war der Accademia della crusca nachgebildet. Das Symbol war der indianische Palmbaum (Cocospalme) mit der Devise: Alles zum Nutzen. Jedes Mitglied hatte einen besonderen Namen (z.B. der Mehlreiche, der Nährende, der Vielgekörnte, der Sprossende etc.), dessen es sich in der Gesellschaft bedienen mußte, u. wählte sich bei der Aufnahme ein besonderes Sinnbild u. einen Wahlspruch; so hieß Herzog Wilhelm von Weimar der Schmackhafte u. hatte zum Symbol eine von einer Wespe angestochene Birne u. zum Wahlspruch: Erkannte Güte In Spielereien verfiel die F. G. durch puristische Versuche u. in der hyperkritischen Verbesserung der deutschen Orthographie. Überhaupt leistete sie, da kein großer Gelehrter an ihr Theil nahm, wenig. Sie bestand bis zum Jahr 1680. Vgl. Neumark, Neusprossender deutscher Palmbaum, Nürnb. 1668; F. W. Barthold, Geschichte der F. G., Berl. 1848; G. Krause, Der F-n G. ältester Ertzschrein, Lpz. 1855.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 768. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009957219


Brockhaus 1809

[69] Die fruchtbringende Gesellschaft, oder der Palmenorden, wurde 1617 zu Weimar von Caspar von Teutleben, Hofmeister des Prinzen Johann Ernsts des jüngern, zur Erhaltung und Wiederherstellung der Reinheit unserer Muttersprache gestiftet, welche damahls noch sehr rauh war, und durch Einmischung fremder Wörter und Redensarten [69] überdieß alle Originalität zu verlieren schien. Die Gesellschaft stieg zu einem außerordentlichen Flor, und bekam selbst Reichsfürsten und sogar Carl Gustav, König von Schweden, zu Mitgliedern. Die Einrichtung derselben war großen Theils nach den Italiänischen Akademien geformt; man hatte z. B. um allen Rangstreit zu vermeiden und bürgerliche Mitglieder den höhern gleich zu machen, Jedem einen Namen beigelegt, dessen er sich in der Gesellschaft bedienen mußte. Jedoch verfiel man hierbei in viele Lächerlichkeiten; und noch sonderbarer sind die Gemählde, Wahlsprüche und Namen von Gewächsen gewählt, die neue Mitglieder zum Symbol und Unterscheidungszeichen erhielten. So hieß z. B. der zweite Director, Wilhelm, Herzog zu Weimar, der Schmackhafte; sein Sinnbild war eine Birne mit einem Wespenstich, und der so genannte Wahlspruch: erkannte Güte. Andere hießen der Saftige, der Nährende, der Bittersüße, der Steife u. s. w. Bei Verbesserung der Deutschen Sprache verbannte sie die ausländischen Wörter zu sehr, und erfand Statt derselben seltsame Deutsche; auch nahm sie in der Orthographie auffallende Aenderungen vor. Ueberhaupt ist zu bedauern, daß sich nicht die ganze Gesellschaft zur Herausgabe einiger Werke über die Deutsche Sprache vereinigte, und daß zu wenig große Gelehrte an ihr Theil nahmen; denn in beiden Fällen hätte ihr Nutzen ungleich beträchtlicher sein können als er war. Sie dauerte 63 Jahre, bis 1680, und hatte jedesmahl einen regierenden Herrn zum Oberhaupt.

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 69-70. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000751944


Herders 1854

[819] Fruchtbringende Gesellschaft oder Palmenorden nannte sich ein 1617 zu Weimar von Kaspar von Teutleben gestifteter Verein zur Erhaltung der Reinheit der deutschen Sprache zu einer Zeit, wo dieselbe durch Einmischung von Fremdwörtern sehr verdorben war. Die s. G. bestand nur aus Personen der höchsten Stände, dauerte bis 1680 und blieb von sehr geringem Einfluß.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 819. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003342298


Meyers 1907

[178] Fruchtbringende Gesellschaft, eine der deutschen Sprachgesellschaften des 17. Jahrh., von ihrem Sinnbild, einem Palmbaum, auch Palmenorden genannt, wurde auf Anregung des weimarischen Geheimrats und Hofmarschalls Kaspar v. Teutleben[178] unter besonderer Teilnahme des Fürsten Ludwig von Anhalt 1617 von den regierenden Herzogen Johann Ernst, Friedrich und Wilhelm von Weimar gegründet. Der Zweck derselben war, »unsre edle Muttersprache, welche durch fremdes Wortgepränge wässerig und versalzen worden, hinwieder in ihre uralte gewöhnliche und angeborne deutsche Reinigkeit, Zierde und Aufnahme einzuführen, einträchtig fortzusetzen und von dem fremd drückenden Sprachenjoch zu befreien«. Als Muster für die Einrichtung der Gesellschaft diente die italienische Accademia della Crusca. Jedes Mitglied erhielt einen bedeutungsvoll sein sollenden, mitunter höchst lächerlichen Namen, außerdem ein Sinnbild und einen Wahlspruch. Präsident der Gesellschaft war stets ein Fürst, wie sie überhaupt fast ausschließlich vornehme Personen zu ihren Mitgliedern zählte. Obgleich bedeutende Männer, wie der Große Kurfürst und König Karl Gustav von Schweden, auch Dichter, wie Opitz und Logau, zu ihr gehörten, so vertiefte sie sich doch zu sehr in ein müßiges Spiel mit Äußerlichkeiten, als daß sie ihren ursprünglichen Zweck mit Ernst und Ausdauer hätte verfolgen können, und durch ihre puristischen Versuche verfiel sie endlich gar der Lächerlichkeit, bis sie 1680 ganz erlosch. Vgl. Barthold, Geschichte der Fruchtbringenden Gesellschaft (Berl. 1848); G. Krause, Der Fruchtbringenden Gesellschaft ältester Ertzschrein (Leipz. 1855); H. Schultz, Die Bestrebungen der Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts für Reinigung der deutschen Sprache (Götting. 1888); H. Wolff, Der Purismus in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts (Straßb. 1888); Dissel, Die sprachreinigenden Bestrebungen im 17. Jahrhundert (Hamb. 1895).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 178-179. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000663902X


Brockhaus 1911

[629] Fruchtbringende Gesellschaft, Palmenorden, 24. Aug. 1617 zu Weimar von Fürst Ludwig von Anhalt, Kaspar von Teutleben u.a. gestifteter Verein zur Erhaltung der Reinheit der deutschen Sprache, mit dem Sitz erst in Cöthen, dann in Weimar, zuletzt in Halle; ging 1680 ein. – Vgl. Schultz (1888), Zöllner (1899).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 629. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001123025