Türkische Metrik (Nationales Versmaß): Unterschied zwischen den Versionen
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Die türkische Literatur stand lange Zeit unter der Vorherrschaft der klassischen arabischen und persischen Muster. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts beginnen nach der Erfahrung der napoleonischen Ägyptenexpedition Reformbemühungen auf militärischem und politischem Gebiet. 1876 erzwingen die [http://de.wikipedia.org/wiki/Jungtürken "Jungtürken"] nach Studentenprotesten die Einführung einer Verfassung. In diesem Rahmen wird auch an einer Modernisierung und "Nationalisierung" der türkischen Literatur gearbeitet. Die Frontlinien verliefen auch durch die Metrik. In seinem Buch "Die Grundlagen des Türkismus" (Türkçülüğün Esasları, Ankara 1339 / 1923) beschreibt der Schriftsteller und Soziologe [http://de.wikipedia.org/wiki/Ziya_Gökalp Ziya Gökalp] den Kampf um das "nationale Versmaß" unter Bezug auf die Kultur und Dichtung der "frühen Türken" in Mittelasien. Ihre Statuen und Bauwerke brauchten den Vergleich mit Griechenland und dem Westen nicht zu scheuen. Später sei die türkische Kultur hinter der der europäischen Länder zurückgeblieben und bedürfe der "Veredelung". Über die Metrik schreibt er: |
Die türkische Literatur stand lange Zeit unter der Vorherrschaft der klassischen arabischen und persischen Muster. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts beginnen nach der Erfahrung der napoleonischen Ägyptenexpedition Reformbemühungen auf militärischem und politischem Gebiet. 1876 erzwingen die [http://de.wikipedia.org/wiki/Jungtürken "Jungtürken"] nach Studentenprotesten die Einführung einer Verfassung. In diesem Rahmen wird auch an einer Modernisierung und "Nationalisierung" der türkischen Literatur gearbeitet. Die Frontlinien verliefen auch durch die Metrik. In seinem Buch "Die Grundlagen des Türkismus" (Türkçülüğün Esasları, Ankara 1339 / 1923) beschreibt der Schriftsteller und Soziologe [http://de.wikipedia.org/wiki/Ziya_Gökalp Ziya Gökalp] den Kampf um das "nationale Versmaß" unter Bezug auf die Kultur und Dichtung der "frühen Türken" in Mittelasien. Ihre Statuen und Bauwerke brauchten den Vergleich mit Griechenland und dem Westen nicht zu scheuen. Später sei die türkische Kultur hinter der der europäischen Länder zurückgeblieben und bedürfe der "Veredelung". Über die Metrik schreibt er: |
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* Das Versmaß der frühen Türken war silbenzählend. (...) Die tschagataiischen* und osmanischen** Dichter hingegen kopierten das Metrum der Perser. In Turkestan hat Nawai und in Anatolien Ahmet Paşa das quantitierende Versmaß eingeführt. In den Palästen maß man diesem einen hohen Wert bei, doch das Volk konnte mit diesem Versmaß nichts anfangen. Deshalb fuhren die Volksdichter fort, in der alten silbenzählenden Weise zu dichten. Dichter, die den mystischen Orden nahestanden, wie Ahmet Yesevi, Yunus Emre und Kayguzus oder Wanderbarden wie Aşık Ömer, Dertli oder Karacaoğlan behielten die silbenzählende Dichtung bei. Zu der Zeit, da sich die nationaltürkische Bewegung zu entwickeln begann, existierten beide metrischen Formen nebeneinander. Vermeintlich war die erste die Form der Gebildeten, die zweite die des gemeinen Volkes. Da das Türkentum der Zweigleisigkeit der Sprache ein Ende bereitet hat, kann man dieser Dualität in der Dichtung nicht mehr gleichgültig gegenüberstehen. Besonders weil die persischen grammatikalischen Strukturen und das metrische Versmaß untrennbar miteinander verbunden sind, musste man über diese beiden osmanischen Traditionen gleichermaßen entscheiden. Deshalb entschieden sich die Vertreter der national-türkischen Bewegung dazu, sowohl die persischen Strukturen als auch das quantitierende Versmaß aus unserer nationalen Literatur zu verbannen. Die unverfälschte türkische Sprache eignet sich nicht recht für das quantitierende Versmaß. |
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Aus: Mark Kirchner (Hrsg.): Geschichte der türkischen Literatur in Dokumenten. Hintergründe und Materialien zur Türkischen Bibliothek. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2008, S. 40 |
Aus: Mark Kirchner (Hrsg.): Geschichte der türkischen Literatur in Dokumenten. Hintergründe und Materialien zur Türkischen Bibliothek. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2008, S. 40 |
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Version vom 13. September 2011, 21:50 Uhr
Türkische Metrik (Nationales Versmaß)
Die türkische Literatur stand lange Zeit unter der Vorherrschaft der klassischen arabischen und persischen Muster. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts beginnen nach der Erfahrung der napoleonischen Ägyptenexpedition Reformbemühungen auf militärischem und politischem Gebiet. 1876 erzwingen die "Jungtürken" nach Studentenprotesten die Einführung einer Verfassung. In diesem Rahmen wird auch an einer Modernisierung und "Nationalisierung" der türkischen Literatur gearbeitet. Die Frontlinien verliefen auch durch die Metrik. In seinem Buch "Die Grundlagen des Türkismus" (Türkçülüğün Esasları, Ankara 1339 / 1923) beschreibt der Schriftsteller und Soziologe Ziya Gökalp den Kampf um das "nationale Versmaß" unter Bezug auf die Kultur und Dichtung der "frühen Türken" in Mittelasien. Ihre Statuen und Bauwerke brauchten den Vergleich mit Griechenland und dem Westen nicht zu scheuen. Später sei die türkische Kultur hinter der der europäischen Länder zurückgeblieben und bedürfe der "Veredelung". Über die Metrik schreibt er:
- Das Versmaß der frühen Türken war silbenzählend. (...) Die tschagataiischen* und osmanischen** Dichter hingegen kopierten das Metrum der Perser. In Turkestan hat Nawai und in Anatolien Ahmet Paşa das quantitierende Versmaß eingeführt. In den Palästen maß man diesem einen hohen Wert bei, doch das Volk konnte mit diesem Versmaß nichts anfangen. Deshalb fuhren die Volksdichter fort, in der alten silbenzählenden Weise zu dichten. Dichter, die den mystischen Orden nahestanden, wie Ahmet Yesevi, Yunus Emre und Kayguzus oder Wanderbarden wie Aşık Ömer, Dertli oder Karacaoğlan behielten die silbenzählende Dichtung bei. Zu der Zeit, da sich die nationaltürkische Bewegung zu entwickeln begann, existierten beide metrischen Formen nebeneinander. Vermeintlich war die erste die Form der Gebildeten, die zweite die des gemeinen Volkes. Da das Türkentum der Zweigleisigkeit der Sprache ein Ende bereitet hat, kann man dieser Dualität in der Dichtung nicht mehr gleichgültig gegenüberstehen. Besonders weil die persischen grammatikalischen Strukturen und das metrische Versmaß untrennbar miteinander verbunden sind, musste man über diese beiden osmanischen Traditionen gleichermaßen entscheiden. Deshalb entschieden sich die Vertreter der national-türkischen Bewegung dazu, sowohl die persischen Strukturen als auch das quantitierende Versmaß aus unserer nationalen Literatur zu verbannen. Die unverfälschte türkische Sprache eignet sich nicht recht für das quantitierende Versmaß.
Aus: Mark Kirchner (Hrsg.): Geschichte der türkischen Literatur in Dokumenten. Hintergründe und Materialien zur Türkischen Bibliothek. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2008, S. 40
Anmerkungen
- ) Die tschagataische Sprache oder kurz Tschagataisch (Eigenbezeichnung جغتای Tschaghatāy oder ترکی Turkī) war eine osttürkische Literatursprache[1], die ca. vom Beginn des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts[2] im islamischen Zentralasien und darüber hinaus auch in weiteren Teilen Eurasiens verbreitet war[3]. Im engeren Sinne wird unter Tschagataisch das klassische Tschagataisch verstanden[4], das zwischen der Mitte des 15. Jahrhunderts und ca. 1600 im Reiche der Timuriden und seinen Nachfolgestaaten verwendet wurde und späteren Generationen als Vorbild diente[5]. (Wikipedia)
- ) Die osmanische Sprache war Amtssprache im Osmanischen Reich und in der Türkei bis zu Atatürks Schriftreform 1928, womit der Übergang in modernes Türkisch begann. Die osmanische Sprache wurde in arabischer Schrift geschrieben, das moderne Türkisch verwendet die lateinische Schrift.
Das osmanische Türkisch (auch Türkei-Türkisch, türk. Osmanlıca, Osmanlı Türkçesi, Eigenbezeichnung: تركچه / Türkçe und تركی / Türkî, ab der Tanzimat mit dem Aufkommen des Osmanismus لسان عثمانى / lisân-i Osmânî oder عثمانلیجه / Osmanlıca) war jene Ausprägung der türkischen Sprache, die für administrative und literarische Zwecke im Osmanischen Reich verwendet wurde. Osmanisch basiert auf dem Anatolischtürkischen (Oghusisch) und nahm gegen Ende des 15. Jahrhunderts in immer stärkerem Maß arabische und persische Elemente auf. Osmanisches Türkisch war Amts- und Literatursprache des Osmanischen Reichs und ist eine Varietät des Westoghusischen, die sich in Anatolien entwickelte, nachdem Anatolien ab dem 11. Jahrhundert von Türken (Oghusen) besiedelt war.
Praktisch betrachtet gab es (mindestens) drei Varianten der osmanischen Sprache:
▪ Fasih Türkçe (Eloquentes Türkisch): Sprache der Verwaltung und der Poesie,
▪ Orta Türkçe (Mittleres Türkisch): Sprache des Handels und der Oberschicht,
▪ Kaba Türkçe (Vulgäres Türkisch): Sprache der unteren Schichten.
Die jeweiligen Varianten wurden je nach sozialem Kontext ausgewählt: Ein Schreiber verwendete bei seiner Arbeit beispielsweise das arabische asel (عسل) für „Honig“; auf dem Markt fragte er aber mit dem türkischen bal (بال) danach.