Angelus Silesius: Unterschied zwischen den Versionen

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Angelus Silesius (lateinisch Schlesischer Engel, Bote, eigentlich Johannes Scheffler; * 25. Dezember 1624 in Breslau; † 9. Juli 1677 ebenda), deutscher Dichter, Theologe und Arzt. Besonders bekannt für seine mystischen Epigramme (Cherubinischer Wandersmann).


Meyers 1909

[721] Scheffler, 1) Johann, unter dem Namen Angelus Silesius bekannter Mystiker und geistlicher Liederdichter, geb. 1624 in Breslau von protestantischen Eltern, gest. daselbst 9. Juli 1677 im Matthiasstift, studierte seit 1643 die Heilkunde in Straßburg, dann in Leiden und Padua, war 1649–52 Leibarzt des Herzogs von Öls, trat 1653 in Breslau zur katholischen Kirche über und wurde 1654 zum kaiserlichen Hofmedikus ernannt. 1661 trat er in den Minoritenorden, empfing die Priesterweihe und wurde 1664 Geistlicher Rat des Fürstbischofs in Breslau. Schefflers ursprüngliche Anlage zur Beschaulichkeit war durch das Studium der ältern mystischen Schriftsteller (von Tauler bis auf Jak. Böhme) sowie durch den Umgang mit dem Mystiker Abraham von Frankenberg mächtig gefördert und entwickelt worden. Die Mystik führte ihn zum Pantheismus, dieser zum Katholizismus. Sein erstes Hauptwerk, die »Geistreichen Sinn- und Schlußreime« (Wien 1657), in der folgenden Ausgabe betitelt »Cherubinischer Wandersmann« (Glatz 1675 u. ö.; Neudruck von Ellinger, Halle 1895, hrsg. von W. Bölsche, Jena 1905; Auswahl von O. E. Hartleben, 2. Aufl., Berl. 1904), enthält eine Sammlung meist zweizeiliger Sprüche in Alexandrinern, die einen tiefsinnigen mystischen Pantheismus atmen, daneben aber bereits eifrige Huldigungen für das katholische Dogma darbieten, die sich schwer mit dem übrigen Inhalt des Buches vereinigen lassen. In seinen geistlichen Liedern, gesammelt in »Heilige Seelenlust, oder geistliche Hirtenlieder der in ihren Jesum verliebten Psyche« (Bresl. 1657; Neudruck von Ellinger, Halle 1901), bildet die unaussprechliche Sehnsucht nach dem Heiland und Gott den Grundzug. Mehrere davon (z. B. »Mir nach, spricht Christus, unser Held«, »Liebe, die du mich zum Bilde«) sind in protestantische Gesangbücher übergegangen. Andre sind durch jenen spielenden, tändelnden Ton entstellt, zu denen das Vorbild der italienischen Lyrik viele deutsche Dichter des 17. Jahrh. verleitete. Beide Gedichtsammlungen haben sich bis auf die Gegenwart lebendig erhalten (wertvolle Vertonungen von Peter Cornelius); dagegen sind die zahlreichen Streitschriften des Dichters mit Recht vergessen. Eine Gesamtausgabe der poetischen Werke Schefflers lieferte Rosenthal (Regensb. 1862, 2 Bde.). Vgl. W. Schra- der, Angelus Silesius und seine Mystik (Halle 1853); Kahlert, Angelus Silesius (Bresl. 1853); F. Kern, Joh. Schefflers Cherubinischer Wandersmann (Leipz. 1866); Lindemann, Angelus Silesius, Bild eines Konvertiten, Dichters und Streittheologen (Freiburg 1876); Seltmann, Angelus Silesius und seine Mystik (Bresl. 1896); Kralik, Angelus Silesius und die christliche Mystik (Frankf. a. M. 1902).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 721. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007415230


Pierer

Joh., eigentlich Scheffler, nannte sich A. (nach Johann ab Angelis 1), Silesius (weil er ein Schlesier von Geburt war), geb. 1621 zu Breslau, studirte Medicin, ward Leibarzt beim Herzog Silvius Nimrod von Württemberg-Öls, trat 1653 aus Verdruß über die Streitigkeiten in der Lutherischen Kirche zum Katholicismus über u. wurde Leibarzt des Kaisers Ferdinand III.; schr. heftig gegen Luther, ward Geistlicher u. Rath des Bischofs von Breslau, ging zuletzt in das Jesuitenkloster in Breslau u. st. hier 1677. Er ist Urheber eines pantheist. Systems, welches darauf beruht, Gott müsse unaufhörlich u. in immer höherem Grade lieben, könne aber nichts Geringeres lieben, als sich selbst. Dasselbe müsse, um Gegenstand der Liebe werden zu können, aus ihm hervorgetreten sein, dies sei der Mensch. Er ist auch Verfasser mehrer lyrischer Gesänge: Cherubinischer Wandersmann, Glatz 1674[490] (u. ö., n. A. Münch. 1827); Geistl. Seelenlieder, Bresl. 1657,5. A. als: Geistl. Hirtenlieder, 1668, n. A. Stuttg. 1846; Betrübte Psyche, Bresl. 1664 etc. Die köstliche evangelische Perle zu vollkommener Ausschmückung der Braut Christi, Glatz 1667; Sinnliche Beschreibung der vier letzten Dinge, Schweidn. 1675; Auszüge: Perlenschnur nach A. Siles., Münch. 1831; auch von Haid (1815); Fr. Horn (1818), Varnhagen v. d. Ense (1820) u. A.; von seinen Liedern sind mehrere in evangelische Gesangbücher aufgenommen worden, z.B.: Mir nach spricht Christus unser Held. 6) A. Bargäus, s. Angeli da Barga.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 490-491. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009366334


Herders 1854

[189] Angelus Silesius, eigentlich Joh. Scheffler, geb. 1624 zu Breslau, studierte Medicin, wurde dann Leibarzt des Herzogs von Württemberg-Oels und trat 1653 zur kath. Kirche zurück. Hierauf wurde er Leibarzt Kaiser Ferdinands III., später Priester und starb im Kloster St. Mathias in Breslau im J. 1677. Er war ein reiches und tiefes Gemüth; davon zeugen seine Gedichte, die geistlichen Hirtenlieder, sein cherubinisches Wanderbuch, die betrübte Psyche. Er schrieb auch eine Anzahl Streitschriften gegen den Protestantismus.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 189. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003198936


Brockhaus 1911

[67] Angĕlus Silesĭus, eigentlich Joh. Scheffler, geistl. Dichter, geb. 1624 zu Breslau, ursprünglich Arzt, 1653 kath. Konvertit, gest. 9. Juli 1677 in Breslau als Rat des Fürstbischofs. Hauptwerk die mystischen Spruchgedichte »Cherubinischer Wandersmann« (1674; neue Ausg. 1905); außerdem geistl. Lieder (»Mir nach, spricht Christus, unser Held«, »Liebe, die du mich zum Bilde«). – Vgl. Treblin (1877), Seltmann (1896).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 67. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000905798


Eisler 1912

[679] Silesius, Angelus (Johann Scheffler), geb. 1624 in Breslau, fürstbischöflicher Rat, gest. 1677 in Breslau, der bekannte Dichter, ist Anhänger einer christlich-pantheisierenden (von Eckhart beeinflußten) Mystik, nach welcher Gott und Mensch einander bedingen, nicht ohne einander ihr Wesen und Sein haben. Aus seinem »Cherubinischen Wandersmann« sei angeführt:

Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nun kann leben;
 Werd' ich zu nicht, er muß vor Not den Geist aufgeben.

Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein;
 Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.
 Gott ist in mir das Feu'r, und ich in ihm der Schein:
 Sind wir einander nicht ganz inniglich gemein?

Ich selbst bin Ewigkeit, wenn ich die Zeit verlasse.
 Und mich in Gott und Gott in mich zusammenfasse.

Der ungewordene Gott wird mitten in der Zeit,  
Was er nie ist gewest in aller Ewigkeit.

Die Kreaturen sind des ew'gen Wortes Stimme,  
 Es singt und klingt sich selbst in Anmut und im Grimme.

SCHRIFTEN: Der cherubinische Wandersmann, hrsg. von Hartleben. – Vgl. F. KERN, J. Schefflers Cherub. Wand., 1866. – MAHN, Die Mystik: des A. Silesius, 1892. – SELTMANN, A. S. u. seine Mystik, 1896.

Quelle: Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 679. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001834126