Wenden: Unterschied zwischen den Versionen

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== Meyers 1909 ==

[529] Wenden, ursprünglich die deutsche Bezeichnung der Slawen im allgemeinen (s. Slawen), während man heutigestags unter W. nur die in den beiden Lausitzen seßhaften Slawen zu verstehen pflegt, die sich selber Serbjo nennen und danach auch Sorben genannt werden. Das Gebiet der Sorben, in der ältesten historischen Zeit westlich bis an die Saale. östlich bis an den Bober, nördlich bis an die Havel und südlich bis an das Erzgebirge sich erstreckend, ist im Laufe der Zeit auf etwa 3500 qkm zusammengeschmolzen und umfaßt der Hauptsache nach nur noch die Kreise Kottbus, Spremberg und einen Teil des Kreises Kalau in der Niederlausitz, den Kreis Hoyerswerda und die Westhälfte des Kreises Rothenburg in der preußischen und fast den ganzen mittlern Teil der Kreish. Bautzen in der sächsischen Oberlausitz. In den Kreisen Guben, Lübben, Sorau und Görlitz ist die Zahl der W. nur noch sehr klein. Die Zahl der W. beträgt in der sächsischen Oberlausitz etwa 47,000, in der preußischen Oberlausitz gegen 28.000, in der preußischen Niederlausitz über 40,000 Seelen. Als Gesamtzahl der W., abgesehen von den in Deutschland zerstreut oder im Auslande lebenden, ergab sich bei der Volkszählung von 1900: 116,821. (Wendisch hatten als ihre Muttersprache angegeben in Preußen 64225, in Sachsen 28,727, Wendisch und Deutsch dagegen in Preußen 5487, in Sachsen 18,282.) Etwa 9/10 der W. sind evangelisch-lutherisch und 1/10 (fast ausschließlich sächsische W.) römisch-katholisch. Vgl. Giesebrecht, Wendische Geschichten aus den Jahren 780–1182 (Berl. 1841–43, 3 Bde.); R. Andree, Das Sprachgebiet der Lausitzer W. (Prag 1873) und Wendische Wanderstudien (Stuttg. 1874); Boguslawski und Hórnik, Historija serbskeho naroda (Bautz. 1884); Muka, Statistika lužiskih Serbow (das. 1884–86); E. Müller, Das Wendentum in der Niederlausitz (Kottbus 1894); Fr. Tetzner. Die Slawen in Deutschland (Braunschw. 1902). S. auch die Artikel »Deutschland«, S. 774, und »Wendische Sprache u. Literatur«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 529.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20007687230


== Brockhaus 1911 ==

[970] Wenden, bei den Deutschen in älterer Zeit allgemeine Bezeichnung ihrer slaw. Grenznachbarn, jetzt der Slawen in der Ober- und Niederlausitz (Sorben, s.d. und Karte: Deutschtum I), etwa 120.000 Seelen, meist evang., 12.000 kath. Die wendische oder sorbische Sprache gehört zur westl. Abteilung der slaw. Sprachen und zerfällt in einen obersorbischen (Grammatik von Pfuhl, Kral; Wörterbuch von Pfuhl, 1866) und niedersorbischen (Grammatik von Mucke, Schwela; Wörterbuch von Zwahr, 1847) Dialekt. Ein Schrifttum, bis 1840 fast nur religiös, besteht seit der Reformation in jedem der beiden Dialekte und wird gefördert durch Vereine, Zeitungen u.a. Volksüberlieferungen gesammelt von Schmaler (2 Bde., 1843-44), Schulenburg (1880 u. 1882), Mucke u.a. – Vgl. Pypin (deutsch 1884); Tetzner, »Die Slawen in Deutschland« (1902).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 970.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20001677276


== Brockhaus 1809 ==

[397] Die Wenden (Venedi beim Tacitus genannt) sind eines von denjenigen mächtigen Völkern, welche sich mit unter dem Namen der Slaven bei den großen Wanderungen der Völker ebenfalls über einen großen Theil von Germanien verbreiteten. Ein Theil davon trennte sich (gleich nach Christi Geburt), nahm Pohlen, Schlesien, Böhmen, die Lausitz ein, breitete sich theils nach Pommern, Preußen, Litthauen etc. hinaus, theils auch nach dem südlichen Deutschland bis an die Grenzen Italiens. Jedoch machten sie da freilich nicht mehr eine kleine Nation aus, sondern sie bestanden aus sehr vielen, theils größeren, theils kleineren, Völkerschaften. Von den Wenden im nördlichen Deutschland gab es besonders zwei Hauptstämme, nehmlich die Wilzen und Obotriten. Nach vielen Unruhen, die sie auch den Sächsischen Herzogen verursachten, stiftete Gottschalk 1047 das Wendische Reich, das, aus 18 Provinzen bestehend, nun unter den Sächsischen Herzogen und den Deutschen Königen stand. Er vertilgte das Heidenthum, zog sich [397] aber dadurch Unzufriedenheit und einen meuchelmörderischen Tod (1066) zu. Ein allgemeiner Aufstand aller Wendischen Nationen drohte zwar, unter Ermordung der Priester und Bischöfe, eine gänzliche Wiedereinführung des Heidenthums: allein Gottschalks Sohn, Heinrich, stellte in Verbindung mit einigen Dänischen und Wendischen Seeräubern 1105 jenes christliche Reich wieder her; und auch die östlichen Wenden unterwarfen sich nun bald. Nach mehreren Empörungen der Wendischen Stämme gab der Deutsche Kaiser Lothar II. das Wendische Königreich 1126 dem Herzoge von Schleswig, Kund, zu Lehen, der aber (1131) von dem Dänischen Prinzen Magnus, so wie auch dieser (1134) ermordet wurde. Das Wendische Reich zerfiel jetzt in kleinere Staaten; und auf den Trümmern des Wendisch-Hevellischen oder Wilzischen Reichs errichteten mehrere Deutsche Reichsfürsten neue Staaten: so legte auch der Nordsächsische Markgraf Albrecht der Bär durch seine Eroberungen in den Wendischen Landen den ersten Grund zur Macht des Brandenburgischen Hauses. – Der nördliche oder Obotritische Theil, unter Wendischen Beherrschern, von Deutschland und Sächsischen Herzogen abhängig, wurde von Heinrich dem Löwen, der es besiegte, unter seine Kriegsmänner vertheilt, durch Deutsche und Flanderer bevölkert, auch von ihm die Grafschaft Schwerin errichtet; jedoch wurde nach Heinrichs Fall ein Theil des Wendischen Landes nachher von der Sächsischen Hoheit befreit. In der Folge kam der größte Theil an Dännemark.

Die alten Wenden nun, ein großes, nervigtes Volk, führten kein solches Nomaden-Leben, wie die andern, sondern sie bauten sich Häuser, nach und nach Dörfer und Flecken, hatten nicht bloße Thierfelle, sondern gewisser Maßen leinene und wollene Zeuge zu Kleidern: sie trieben Ackerbau und Viehzucht, und waren auch in ihrem Charakter nicht so wild; Straßenraub, Meineid, Ehebruch waren bei ihnen unbekannte Verbrechen; Gastfreundschaft übten sie in hohem Grade aus. Nur in einer abscheulichen Sitte kamen sie den Wilden gleich, nehmlich, daß sie ihre alten abgelebten Aeltern und auch überzähliche Töchter, kranke Kinder etc. ums Leben brachten, damit sie der menschlichen [398] Gesellschaft nicht zur Last fallen sollten! Sie verehrten viele Götter, den Bilbog, Wodan, Swantewit etc. (s. diese Art.); ihre Priester hießen Pupen, Popen u. s. w. – Die heutigen Wenden, welche hauptsächlich in der Lausitz (s. dies. Art.) wohnen, und dann auch den nördlichen Theil von Pommern, zwischen der Ostsee und Westpreußen, inne haben, haben noch vieles von ihren vorigen Sitten, von ihrer Lebensart, Sprache, Tracht etc. übrig behalten, wodurch sie sich von ihren Deutschen Nachbarn gar sehr unterscheiden; ja, sie bleiben zum Theil, ungeachtet aller nachdrücklichen Bemühungen, die man dagegen angewendet hat, absichtlich auch dabei, um mit der Deutschen Nation, gegen welche sie einen beständigen Haß hegen, nicht verwechselt zu werden. Doch zeichnen sich in dieser Hartnäckigkeit die Kassuben-Wenden (in Pommern), wie auch überhaupt in Rücksicht der Arglist, des Betrugs, der Falschheit und Lügen weit mehr aus, als die Sorben-Wenden (in der Ober- und Nieder-Lausitz), welche letztern denn auch eher durch Muth, Treue und Arbeitsamkeit vorzuziehen sind. Ein gesunder, starker und großer Körperbau ist ihr vorzügliches Eigenthum; Feld- und Gartenbau, so wie auch Leinweberei ist ihr Haupt-Erwerbszweig.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 397-399.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/2000078043X


== Brockhaus 1841 ==

[694] Wenden, was ursprünglich Küstenbewohner bedeuten soll, nannten die Deutschen jene slawischen Stämme, welche im 5–6. Jahrh. längs der Elbe aufwärts bis Böhmen und an der Ostseeküste hin bis zur Weichsel sich niederließen. Man rechnete deshalb im Mittelalter dazu die Obotriten im heutigen Mecklenburg, welche Heinrich der Löwe im 12. Jahrh. beinahe ausrottete; die Polaben, Wagrier, Linonen, Pommern (s.d.) und Wilzen; Ukern, Heveller, Rhetarier in den brandenburg. Marken und von Albrecht dem Bär bezwungen; die Lusitzer in der Ober- und Nieder-Lausitz (s.d.) und die Sorben (s.d.). Einzelne Haufen derselben drangen nach Franken und bis zum Rheine vor, wurden aber von den fränk. Königen, später von den deutschen [694] Kaisern aufs nachdrücklichste bekämpft und vertrieben, niedergemacht, wenigstens gewaltsam zum Christenthume bekehrt und schwer bedrückt, welchem Loose im 12. Jahrh. alle verfallen waren und dabei in der finstersten Unwissenheit schmachteten. Dies galt auch von den zahlreichen slaw. Bewohnern der Lausitzen, die nun ausschließlich Wenden genannt werden, und erst viel später, namentlich seit der Reformation, verbesserte sich allmälig ihre Lage. Sie haben zum Theil eigne Sitten und Sprache, für die man ihnen während des dreißigjährigen Krieges die deutsche aufzwingen wollte, bis auf den heutigen Tag bewahrt und ihre Zahl beläuft sich in Sachsen noch auf 30,000. Auch die altenburgischen Landleute hegen noch manche wendische Sitte, haben aber schon seit dem 14. Jahrh. der wendischen Sprache entsagt. Andere wendische Stämme, jedoch lieber Winden genannt, hausen in Steiermark, Kärnten und Krain, und in ganz Deutschland rechnet man über 800,000 Menschen, bei denen mehr und minder noch wendische Sitten, Tracht und Sprache angetroffen werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 694-695.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/2000087633X


== Damen Konversations Lexikon ==

[419] Wenden. Völker kommen und gehen, Geschlecht folgt sich auf Geschlecht, ganze Nationen unterliegen dem Gesetze des Endlichen, und nur die Geschichte, die Vertraute aller Völker, [419] schlägt den jungen Generationen zuweilen ihr endloses Buch auf damit das Andenken an ihre Altvordern nicht ersterbe. Auch die Wenden, von denen jetzt nur noch schwache Trümmer in der Oberlausitz, in Steiermark und Illyrien vorhanden sind, waren einst ein mächtiges, zu den Slaven gehörendes, Volk. Ihre ersten Wohnsitze sind uns unbekannt, aber bereits im 6. Jahrhundert dehnten sie sich im Norden und Osten von Deutschland, zwischen der Elbe, Ostsee und Weichsel aus. Böhmen, Schlesien, Meißen, Mähren, die Lausitz, Pommern etc. wurden von Wenden bewohnt, die ein kriegerisches Volk, nach Jahrhundert langen Kämpfen doch endlich den deutschen Waffen unterlagen, und theils ausgerottet, theils vertrieben, zum Theil aber auch mit der deutschen Bevölkerung vermischt wurden und die christliche Religion annahmen. Unter den vielen Stämmen, in welche sie sich theilten, waren die vorzüglichsten: die Obotriten in Mecklenburg, die Pommern oder Wilzen, zwischen der Oder und Weichsel, die Ukern in Brandenburg, die Sorben, zwischen der Saale und Elbe, die Lusitzer, in der Lausitz, Sie waren, wie es noch die Ueberreste in der Lausitz beweisen, ein kräftiger Menschenschlag, treu, arbeitsam, aber mißtrauisch, und beschäftigten sich vorzugsweise mit dem Feldbau. Die Sprache, welche mit der böhmischen, polnischen und russischen verwandt ist, klingt kräftig und melodisch.
–i–

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 419-420.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20001776037




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Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20003565785
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== Pierer 1865 ==

[91] Wenden 1) Kreis im russischen Gouvernement Livland, an der Grenze von Witebsk, etwas hüglig (Oppekalnische Hügel, Wendensche Hügel etc.); Flüsse: Düna, Ewest, Aa, Paddis u.a., mehre Seen (Marienburger See); Einw.: 188,000, meist Letten u. Lithauer, daneben Deutsche in den Städten u. auf den Gütern; 2) Hauptstadt hier, an der Aa; einst Sitz des Meisters des Deutschen Ordens; 2100 Ew., meist Deutsche, Protestantischer Confession: in der Nähe der Wesenberg, gegen 1000 Fuß über der Ostsee, höchster Hügel Livlands; 3) früher Kreis in Mecklenburg 2); 4) so v.w. Wendischer Kreis.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 91.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20011275685


[91] Wenden, ein Zweig der Slawen, welcher sonst in Böhmen, Schlesien, der Lausitz, Sachsen, Pommern, Brandenburg, Mecklenburg wohnte u. welcher theils von den deutschen Stämmen vertilgt od. germanisirt u. mit ihnen vermischt wurde, theils in der Lausitz, Pommern (als Kassuben) noch in seiner Nationalität fortbesteht. Gegenwärtig sind die W. (die Überreste der Polabischen Slawen) am unvermischtesten in der Ober- u. Niederlausitz, im Quellgebiete der Spree u. Schwarzen Elster, namentlich in der Gegend von Bautzen, Görlitz u. Zittau. wo noch jetzt die Wendische Sprache (s.d.) gesprochen wird u. sich wendische Sitten unverändert erhalten haben. Dieselben werden auf 150,000 Seelen berechnet, von denen nahe an 50,000 auf die Sächsische Lausitz kommen. In Steyermark u. Illyrien gibt es deren auch (dort Winden od. Slowenen genannt), überhaupt rechnet man in Deutschland, einschließlich der Nebenstämme, gegen 1 Mill., deren Zahl sich aber merklich mit den Jahren vermindert, da Viele sich in Sprache u. Sitte dem Deutschthum zuwenden. Die ältesten Wohnsitze der W. sind unbekannt. Zuerst nennt Jornandes drei Hauptstämme der W., an den nördlichen Grenzen Deutschlands, Slawen, in den oberen Weichselgegenden bis zum Dniestr, u. Anten, östlich von den Slawen bis an den Dniepr. Von ihren nördlichen Sitzen bewegten sich zuerst die W. auf der Nordostseite nach Deutschland herein in der Zeit der Völkerwanderung. Damals wurden mehre wendische Reiche gegründet, welche theils blieben, theils wieder gestürzt wurden. Gegen das Ende des 5. Jahrh.[91] gründeten wendische, mit anderen slawischen Stämmen vermischte Großkrobatien u. Großserbien, jenes in Ostböhmen, Schlesien, Lodomirien, dieses in Meißen, Westböhmen u. Mähren. Als aber durch Avaren u. Franken jene Reiche zertrümmert worden waren, tauchten neue von wendisch-slawischen Stämmen gegründete in Großmähren u. Böhmen auf. Unter den in das nordöstliche Deutschland gewanderten Stämmen der W. zeichneten sich bes. die Pommern, Ukern, Lutizer (deren Wohnsitze noch ihren Namen von jenen wendischen Stämmen haben), Wilzen (zwischen der Oder u. Elbe), Sorben (in Meißen, dem Osterland, Brandenburg), Obotriten

Aktuelle Version vom 31. März 2022, 19:45 Uhr


Meyers 1909

[529] Wenden, ursprünglich die deutsche Bezeichnung der Slawen im allgemeinen (s. Slawen), während man heutigestags unter W. nur die in den beiden Lausitzen seßhaften Slawen zu verstehen pflegt, die sich selber Serbjo nennen und danach auch Sorben genannt werden. Das Gebiet der Sorben, in der ältesten historischen Zeit westlich bis an die Saale. östlich bis an den Bober, nördlich bis an die Havel und südlich bis an das Erzgebirge sich erstreckend, ist im Laufe der Zeit auf etwa 3500 qkm zusammengeschmolzen und umfaßt der Hauptsache nach nur noch die Kreise Kottbus, Spremberg und einen Teil des Kreises Kalau in der Niederlausitz, den Kreis Hoyerswerda und die Westhälfte des Kreises Rothenburg in der preußischen und fast den ganzen mittlern Teil der Kreish. Bautzen in der sächsischen Oberlausitz. In den Kreisen Guben, Lübben, Sorau und Görlitz ist die Zahl der W. nur noch sehr klein. Die Zahl der W. beträgt in der sächsischen Oberlausitz etwa 47,000, in der preußischen Oberlausitz gegen 28.000, in der preußischen Niederlausitz über 40,000 Seelen. Als Gesamtzahl der W., abgesehen von den in Deutschland zerstreut oder im Auslande lebenden, ergab sich bei der Volkszählung von 1900: 116,821. (Wendisch hatten als ihre Muttersprache angegeben in Preußen 64225, in Sachsen 28,727, Wendisch und Deutsch dagegen in Preußen 5487, in Sachsen 18,282.) Etwa 9/10 der W. sind evangelisch-lutherisch und 1/10 (fast ausschließlich sächsische W.) römisch-katholisch. Vgl. Giesebrecht, Wendische Geschichten aus den Jahren 780–1182 (Berl. 1841–43, 3 Bde.); R. Andree, Das Sprachgebiet der Lausitzer W. (Prag 1873) und Wendische Wanderstudien (Stuttg. 1874); Boguslawski und Hórnik, Historija serbskeho naroda (Bautz. 1884); Muka, Statistika lužiskih Serbow (das. 1884–86); E. Müller, Das Wendentum in der Niederlausitz (Kottbus 1894); Fr. Tetzner. Die Slawen in Deutschland (Braunschw. 1902). S. auch die Artikel »Deutschland«, S. 774, und »Wendische Sprache u. Literatur«.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 529. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007687230


Brockhaus 1911

[970] Wenden, bei den Deutschen in älterer Zeit allgemeine Bezeichnung ihrer slaw. Grenznachbarn, jetzt der Slawen in der Ober- und Niederlausitz (Sorben, s.d. und Karte: Deutschtum I), etwa 120.000 Seelen, meist evang., 12.000 kath. Die wendische oder sorbische Sprache gehört zur westl. Abteilung der slaw. Sprachen und zerfällt in einen obersorbischen (Grammatik von Pfuhl, Kral; Wörterbuch von Pfuhl, 1866) und niedersorbischen (Grammatik von Mucke, Schwela; Wörterbuch von Zwahr, 1847) Dialekt. Ein Schrifttum, bis 1840 fast nur religiös, besteht seit der Reformation in jedem der beiden Dialekte und wird gefördert durch Vereine, Zeitungen u.a. Volksüberlieferungen gesammelt von Schmaler (2 Bde., 1843-44), Schulenburg (1880 u. 1882), Mucke u.a. – Vgl. Pypin (deutsch 1884); Tetzner, »Die Slawen in Deutschland« (1902).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 970. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001677276


Brockhaus 1809

[397] Die Wenden (Venedi beim Tacitus genannt) sind eines von denjenigen mächtigen Völkern, welche sich mit unter dem Namen der Slaven bei den großen Wanderungen der Völker ebenfalls über einen großen Theil von Germanien verbreiteten. Ein Theil davon trennte sich (gleich nach Christi Geburt), nahm Pohlen, Schlesien, Böhmen, die Lausitz ein, breitete sich theils nach Pommern, Preußen, Litthauen etc. hinaus, theils auch nach dem südlichen Deutschland bis an die Grenzen Italiens. Jedoch machten sie da freilich nicht mehr eine kleine Nation aus, sondern sie bestanden aus sehr vielen, theils größeren, theils kleineren, Völkerschaften. Von den Wenden im nördlichen Deutschland gab es besonders zwei Hauptstämme, nehmlich die Wilzen und Obotriten. Nach vielen Unruhen, die sie auch den Sächsischen Herzogen verursachten, stiftete Gottschalk 1047 das Wendische Reich, das, aus 18 Provinzen bestehend, nun unter den Sächsischen Herzogen und den Deutschen Königen stand. Er vertilgte das Heidenthum, zog sich [397] aber dadurch Unzufriedenheit und einen meuchelmörderischen Tod (1066) zu. Ein allgemeiner Aufstand aller Wendischen Nationen drohte zwar, unter Ermordung der Priester und Bischöfe, eine gänzliche Wiedereinführung des Heidenthums: allein Gottschalks Sohn, Heinrich, stellte in Verbindung mit einigen Dänischen und Wendischen Seeräubern 1105 jenes christliche Reich wieder her; und auch die östlichen Wenden unterwarfen sich nun bald. Nach mehreren Empörungen der Wendischen Stämme gab der Deutsche Kaiser Lothar II. das Wendische Königreich 1126 dem Herzoge von Schleswig, Kund, zu Lehen, der aber (1131) von dem Dänischen Prinzen Magnus, so wie auch dieser (1134) ermordet wurde. Das Wendische Reich zerfiel jetzt in kleinere Staaten; und auf den Trümmern des Wendisch-Hevellischen oder Wilzischen Reichs errichteten mehrere Deutsche Reichsfürsten neue Staaten: so legte auch der Nordsächsische Markgraf Albrecht der Bär durch seine Eroberungen in den Wendischen Landen den ersten Grund zur Macht des Brandenburgischen Hauses. – Der nördliche oder Obotritische Theil, unter Wendischen Beherrschern, von Deutschland und Sächsischen Herzogen abhängig, wurde von Heinrich dem Löwen, der es besiegte, unter seine Kriegsmänner vertheilt, durch Deutsche und Flanderer bevölkert, auch von ihm die Grafschaft Schwerin errichtet; jedoch wurde nach Heinrichs Fall ein Theil des Wendischen Landes nachher von der Sächsischen Hoheit befreit. In der Folge kam der größte Theil an Dännemark.

Die alten Wenden nun, ein großes, nervigtes Volk, führten kein solches Nomaden-Leben, wie die andern, sondern sie bauten sich Häuser, nach und nach Dörfer und Flecken, hatten nicht bloße Thierfelle, sondern gewisser Maßen leinene und wollene Zeuge zu Kleidern: sie trieben Ackerbau und Viehzucht, und waren auch in ihrem Charakter nicht so wild; Straßenraub, Meineid, Ehebruch waren bei ihnen unbekannte Verbrechen; Gastfreundschaft übten sie in hohem Grade aus. Nur in einer abscheulichen Sitte kamen sie den Wilden gleich, nehmlich, daß sie ihre alten abgelebten Aeltern und auch überzähliche Töchter, kranke Kinder etc. ums Leben brachten, damit sie der menschlichen [398] Gesellschaft nicht zur Last fallen sollten! Sie verehrten viele Götter, den Bilbog, Wodan, Swantewit etc. (s. diese Art.); ihre Priester hießen Pupen, Popen u. s. w. – Die heutigen Wenden, welche hauptsächlich in der Lausitz (s. dies. Art.) wohnen, und dann auch den nördlichen Theil von Pommern, zwischen der Ostsee und Westpreußen, inne haben, haben noch vieles von ihren vorigen Sitten, von ihrer Lebensart, Sprache, Tracht etc. übrig behalten, wodurch sie sich von ihren Deutschen Nachbarn gar sehr unterscheiden; ja, sie bleiben zum Theil, ungeachtet aller nachdrücklichen Bemühungen, die man dagegen angewendet hat, absichtlich auch dabei, um mit der Deutschen Nation, gegen welche sie einen beständigen Haß hegen, nicht verwechselt zu werden. Doch zeichnen sich in dieser Hartnäckigkeit die Kassuben-Wenden (in Pommern), wie auch überhaupt in Rücksicht der Arglist, des Betrugs, der Falschheit und Lügen weit mehr aus, als die Sorben-Wenden (in der Ober- und Nieder-Lausitz), welche letztern denn auch eher durch Muth, Treue und Arbeitsamkeit vorzuziehen sind. Ein gesunder, starker und großer Körperbau ist ihr vorzügliches Eigenthum; Feld- und Gartenbau, so wie auch Leinweberei ist ihr Haupt-Erwerbszweig.

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 397-399. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000078043X


Brockhaus 1841

[694] Wenden, was ursprünglich Küstenbewohner bedeuten soll, nannten die Deutschen jene slawischen Stämme, welche im 5–6. Jahrh. längs der Elbe aufwärts bis Böhmen und an der Ostseeküste hin bis zur Weichsel sich niederließen. Man rechnete deshalb im Mittelalter dazu die Obotriten im heutigen Mecklenburg, welche Heinrich der Löwe im 12. Jahrh. beinahe ausrottete; die Polaben, Wagrier, Linonen, Pommern (s.d.) und Wilzen; Ukern, Heveller, Rhetarier in den brandenburg. Marken und von Albrecht dem Bär bezwungen; die Lusitzer in der Ober- und Nieder-Lausitz (s.d.) und die Sorben (s.d.). Einzelne Haufen derselben drangen nach Franken und bis zum Rheine vor, wurden aber von den fränk. Königen, später von den deutschen [694] Kaisern aufs nachdrücklichste bekämpft und vertrieben, niedergemacht, wenigstens gewaltsam zum Christenthume bekehrt und schwer bedrückt, welchem Loose im 12. Jahrh. alle verfallen waren und dabei in der finstersten Unwissenheit schmachteten. Dies galt auch von den zahlreichen slaw. Bewohnern der Lausitzen, die nun ausschließlich Wenden genannt werden, und erst viel später, namentlich seit der Reformation, verbesserte sich allmälig ihre Lage. Sie haben zum Theil eigne Sitten und Sprache, für die man ihnen während des dreißigjährigen Krieges die deutsche aufzwingen wollte, bis auf den heutigen Tag bewahrt und ihre Zahl beläuft sich in Sachsen noch auf 30,000. Auch die altenburgischen Landleute hegen noch manche wendische Sitte, haben aber schon seit dem 14. Jahrh. der wendischen Sprache entsagt. Andere wendische Stämme, jedoch lieber Winden genannt, hausen in Steiermark, Kärnten und Krain, und in ganz Deutschland rechnet man über 800,000 Menschen, bei denen mehr und minder noch wendische Sitten, Tracht und Sprache angetroffen werden.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 694-695. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000087633X


Damen Konversations Lexikon

[419] Wenden. Völker kommen und gehen, Geschlecht folgt sich auf Geschlecht, ganze Nationen unterliegen dem Gesetze des Endlichen, und nur die Geschichte, die Vertraute aller Völker, [419] schlägt den jungen Generationen zuweilen ihr endloses Buch auf damit das Andenken an ihre Altvordern nicht ersterbe. Auch die Wenden, von denen jetzt nur noch schwache Trümmer in der Oberlausitz, in Steiermark und Illyrien vorhanden sind, waren einst ein mächtiges, zu den Slaven gehörendes, Volk. Ihre ersten Wohnsitze sind uns unbekannt, aber bereits im 6. Jahrhundert dehnten sie sich im Norden und Osten von Deutschland, zwischen der Elbe, Ostsee und Weichsel aus. Böhmen, Schlesien, Meißen, Mähren, die Lausitz, Pommern etc. wurden von Wenden bewohnt, die ein kriegerisches Volk, nach Jahrhundert langen Kämpfen doch endlich den deutschen Waffen unterlagen, und theils ausgerottet, theils vertrieben, zum Theil aber auch mit der deutschen Bevölkerung vermischt wurden und die christliche Religion annahmen. Unter den vielen Stämmen, in welche sie sich theilten, waren die vorzüglichsten: die Obotriten in Mecklenburg, die Pommern oder Wilzen, zwischen der Oder und Weichsel, die Ukern in Brandenburg, die Sorben, zwischen der Saale und Elbe, die Lusitzer, in der Lausitz, Sie waren, wie es noch die Ueberreste in der Lausitz beweisen, ein kräftiger Menschenschlag, treu, arbeitsam, aber mißtrauisch, und beschäftigten sich vorzugsweise mit dem Feldbau. Die Sprache, welche mit der böhmischen, polnischen und russischen verwandt ist, klingt kräftig und melodisch. –i–

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 419-420. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001776037


Herders 1857

[698] Wenden, Gesammtname der slavischen Stämme (Obotriten, Wilzen, Uckern, Heveller, Rhetarier, Lusitzer und Sorben), welche sich im 6. Jahrh. nordwärts von Böhmen an der Elbe und Oder bis zur Weichsel und Ostsee festsetzten; nur ein Theil von ihnen, die Lusitzer, haben ihre Sprache erhalten, die andern sind germanisirt (vgl. Lausitz).

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 698. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003565785


Pierer 1865

[91] Wenden 1) Kreis im russischen Gouvernement Livland, an der Grenze von Witebsk, etwas hüglig (Oppekalnische Hügel, Wendensche Hügel etc.); Flüsse: Düna, Ewest, Aa, Paddis u.a., mehre Seen (Marienburger See); Einw.: 188,000, meist Letten u. Lithauer, daneben Deutsche in den Städten u. auf den Gütern; 2) Hauptstadt hier, an der Aa; einst Sitz des Meisters des Deutschen Ordens; 2100 Ew., meist Deutsche, Protestantischer Confession: in der Nähe der Wesenberg, gegen 1000 Fuß über der Ostsee, höchster Hügel Livlands; 3) früher Kreis in Mecklenburg 2); 4) so v.w. Wendischer Kreis.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 91. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011275685


[91] Wenden, ein Zweig der Slawen, welcher sonst in Böhmen, Schlesien, der Lausitz, Sachsen, Pommern, Brandenburg, Mecklenburg wohnte u. welcher theils von den deutschen Stämmen vertilgt od. germanisirt u. mit ihnen vermischt wurde, theils in der Lausitz, Pommern (als Kassuben) noch in seiner Nationalität fortbesteht. Gegenwärtig sind die W. (die Überreste der Polabischen Slawen) am unvermischtesten in der Ober- u. Niederlausitz, im Quellgebiete der Spree u. Schwarzen Elster, namentlich in der Gegend von Bautzen, Görlitz u. Zittau. wo noch jetzt die Wendische Sprache (s.d.) gesprochen wird u. sich wendische Sitten unverändert erhalten haben. Dieselben werden auf 150,000 Seelen berechnet, von denen nahe an 50,000 auf die Sächsische Lausitz kommen. In Steyermark u. Illyrien gibt es deren auch (dort Winden od. Slowenen genannt), überhaupt rechnet man in Deutschland, einschließlich der Nebenstämme, gegen 1 Mill., deren Zahl sich aber merklich mit den Jahren vermindert, da Viele sich in Sprache u. Sitte dem Deutschthum zuwenden. Die ältesten Wohnsitze der W. sind unbekannt. Zuerst nennt Jornandes drei Hauptstämme der W., an den nördlichen Grenzen Deutschlands, Slawen, in den oberen Weichselgegenden bis zum Dniestr, u. Anten, östlich von den Slawen bis an den Dniepr. Von ihren nördlichen Sitzen bewegten sich zuerst die W. auf der Nordostseite nach Deutschland herein in der Zeit der Völkerwanderung. Damals wurden mehre wendische Reiche gegründet, welche theils blieben, theils wieder gestürzt wurden. Gegen das Ende des 5. Jahrh.[91] gründeten wendische, mit anderen slawischen Stämmen vermischte Großkrobatien u. Großserbien, jenes in Ostböhmen, Schlesien, Lodomirien, dieses in Meißen, Westböhmen u. Mähren. Als aber durch Avaren u. Franken jene Reiche zertrümmert worden waren, tauchten neue von wendisch-slawischen Stämmen gegründete in Großmähren u. Böhmen auf. Unter den in das nordöstliche Deutschland gewanderten Stämmen der W. zeichneten sich bes. die Pommern, Ukern, Lutizer (deren Wohnsitze noch ihren Namen von jenen wendischen Stämmen haben), Wilzen (zwischen der Oder u. Elbe), Sorben (in Meißen, dem Osterland, Brandenburg), Obotriten