Ossian: Unterschied zwischen den Versionen

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Brockhaus 1911

[323] Ossĭan, kelt. Sagenheld, bedeutsam durch die von Macpherson 1765 herausgegebene engl. Übersetzung seiner gälischen Lieder (deutsch von Böttger, 1847), die, sogleich als unecht angezweifelt, der Sprache nach modern gälisch, dem Stoff nach der altirischen Heldensage angehören. – Vgl. Windisch (1879).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 323. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001413430


Herders 1856

[424] Ossian (Oschiän), angeblich ein celtischer Barde aus Hochschottland, dessen Gedichte Macpherson (s. d.) herausgab; die neuesten Untersuchungen lassen keinen Zweifel übrig, daß der eigentliche Dichter der ossianschen Lieder Macpherson ist, daß er den Namen O. (eigentlich Oisian), Fingal etc. aus altirischen Sagen genommen und mit hochschottischen durchwoben hat. Diese Gedichte fanden allgemeinen Anklang, wurden in alle europ. Sprachen übersetzt u. bekanntlich von Napoleon I. besonders geliebt.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 424. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003457346


Meyers 1908

[166] Ossĭan (gäl. Oisian, irisch Oissin oder Oisein), keltischer Barde des 3. Jahrh., Sohn eines Königs Fingal (Finnghal) von Alba (Hochschottland), in seinem Alter erblindet: so erscheint er in den Gedichten, die seinen Namen tragen. Diese sind in den Jahrhunderten bis um 1760, wo Macpherson seine Ossianepen machte, vielfach und gründlich umgeformt worden. Das »Buch von Leinster«, eine Handschrift des 12. Jahrh., schreibt zuerst einige Verse dem O. zu. Einen gälischen Dichter O. erwähnt der mit keltischer Sitte und Literatur gründlich bekannte Giraldus Cambrensis (gest. 1220). Der Human ist Johnston (um 1520) spricht von größern epischen Gedichten der Gälen, und Buchanan (1582) redet ebenfalls von der Existenz solcher Gedichte. Seit der jakobitischen Erhebung gegen das Haus Hannover waren die keltischen Hochschotten für das Englisch redende Publikum ein Gegenstand des Argwohns, fast der Verachtung geworden, ein heruntergekommenes Geschlecht; ihre Literatur war unbekannt. Erst der Rektor Hieronymus Scone (1756) wurde auf die Schönheit gälischer Bardenpoesie aufmerksam und veröffentlichte einige Proben. Durch die Dichter John Home und Hugh Blair angeregt, sammelte dann James Macpherson (s. d.) eine Anzahl gälischer, den Namen Ossians tragender Gesänge und gab davon zunächst eine Probe in englischer Prosa u. d. T.: »Remains of ancient poetry, collected in the Highlands of Scotland and translated from the Galic or Erse language« (Edinb. 1760) heraus; 1762 ließ er das Epos »Fingal«, 1763 das Epos »Tighmora« (engl. »Temora«) und 1765 die Gesamtausgabe der »Works of O.« folgen. Diese Gedichte erregten durch ihre eigentümliche Schönheit das größte Aufsehen. Als 1764 das »Journal des Savants« die später von Shaw und Laing wiederholte Behauptung aufstellte, diese Gedichte seien von Macpherson gemacht und gälisch gar nicht vorhanden, sprach Macpherson seine Verachtung solcher Afterkritik aus, trat aber nicht öffentlich dagegen auf, weil es ihm schmeichelte, daß die Welt ihm ein solches Dichtergenie zutraute. Dafür lieferte er an die inzwischen gegründete Highland Society in Edinburg seine niedergeschriebenen gälischen Urtexte, soweit er sie noch besaß (manche waren verloren gegangen), und diese sind dann von der genannten Gesellschaft in zwei Großoktavbänden herausgegeben worden (»Dana Oisein mhic Finn«, Lond. 1807). Die Meinung, als habe Macpherson diese Epopöen[166] rein fabriziert, ist unhaltbar. Er hat durchaus den Stil überkommen und nur die Fabel dazu ersonnen. Lange vor Macpherson waren Ossiangedichte schon ausgezeichnet worden, namentlich im Buch des Dekans von Lismore (16. Jahrh.). Andre sind im Volksmund bezeugt, durch einen Peter Macdonald (um 1670) und durch John Macdonald, der eidlich vor der Highland Society erklärte, er selbst habe als 15jähriger Knabe mehrere auswendig gewußt (1740) und Macpherson habe sich viele dieser Gedichte von ihm diktieren lassen. Und noch um 1800 fanden die Mitglieder der Highland Society ganze Stücke dieser Gedichte im Munde der Hebridenbewohner lebend. In merkwürdiger Weise hat sich in diesen Rhapsodien die Art der irischen Heldenzeit erhalten. Die Sitten, Gebräuche und Rechtsordnungen in Ossians Gedichten entsprechen bis ins einzelnste dem, was neuere Forschungen über die Sitten der alten Gälen in der ältesten Normannenzeit zutage gefördert haben, als ganz Schottland (Alba und das Piktenreich nebst Strathclyde, Bernicia und Galloway), unter Einem Herrscherhaus vereinigt, in Frieden und Glanz und gälischer Freiheit existierte. Während das Nibelungenlied alte Sagen in das ritterliche Kostüm des 12. Jahrh. umgekleidet hat, sind in Ossians Gedichten Kostüm und Kolorit der uralten Heidenzeit unberührt erhalten. Von Ackerbau kommt nicht die geringste Spur vor, nur Jagd und Viehzucht; in offener Halle hält der König Hof, sein Mahl auf offener Heide; Fürstentöchtern dienen Grotten zur Wohnung; das eheliche Band ist noch sehr locker und lösbar; die im Mittelalter so beliebte Sackpfeife ist noch nicht erfunden. Diese poetische Welt hat Macpherson in der letzten Stunde vor dem Vergessen gerettet und zu breitester Wirkung gebracht. Seine Bearbeitung, die manchmal fehlerhaft, oft sentimental und durchaus emporgeschraubt ist, liegt vielen Tochterübersetzungen zugrunde (deutsch von Denis, Harald, Petersen, Rohde, Stolberg u.a., ital. von Cesarotti, franz. von Le Torneur, niederländ. von Bilderdijk, span. von Ortin, poln. von v. Krasicki). Sinclairs lateinische Interlinearversion hat Ahlwardt (Leipz. 1811) ins Deutsche übersetzt, direkt aus dem gälischen Urtext A. Ebrard den »Finnghal« (das. 1868). Weitere Literatur s. bei Macpherson. In neuester Zeit ist die Sage nochmals zum Gegenstand dichterischer Behandlung gemacht worden durch Yeats (»Usheen«, in den »Poems«, Lond. 1895). Über die keltischen Fassungen vgl. J. Abercromby, The pre- and protohistoric Finns both Eastern and Western (Lond. 1898), und den Artikel »Gälisch«.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 166-167. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007195117


Brockhaus 1809

[322] Ossian, der größte aller bekannten Barden (s. dies. Art). Sein Leben ist sehr wenig bekannt, und alles, was wir von ihm wissen, hüllt sich in Dunkelheiten und Zweifel. Er lebte wahrscheinlich in der letzten Hälfte des dritten und zu Anfange des vierten Jahrhunderts als Barde am Hofe seines Vaters, des Königs Fingal in Kaledonien (dem nordwestlichen Schottland, h. z. T. Hochland), eines durch Heldenthaten und jede Art von Tugenden im Alterthum äußerst berühmten Königs. In seinen jüngern Jahren zog er oft ins Feld, und war bisweilen selbst Anführer, verlor aber im Alter den Gebrauch des Gesichts. Sein tapferer Sohn Oscar blieb im Felde, und Ossian sang Gesänge der Betrübniß und Wehmuth bis in sein spätestes Alter. Er beschrieb nach der Gewohnheit der Barden die Thaten seines Königs, seiner Familie und seines Volkes, als Augenzeuge und Theilnehmer, in größern oder kleinern Liedern in der Kaledonischen oder Hersischen Sprache, die noch jetzt in jenen Gegenden geredet wird. Seine beiden größten Gedichte sind, wie wir sie haben, Epopoen: Fingal in sechs und Temora in acht Büchern. Ersteres enthält Fingals Sieg über den mächtigen und stolzen Swaran in Irland, letzteres (das seinen Namen von Temora oder dem Pallast der Irischen Könige führt) betrifft ebenfalls einen Krieg dieses Helden in Irland; und fast alle andre Gedichte des Barden (wir besitzen ihrer über 20) sind voll von dem Lobe dieses Königs im Kriege und im Frieden. Ossians Gesänge sind so unnachahmlich schön und vollendet, daß jedes allgemeine Lob unzureichend ist, sie würdig zu schildern. Ossian ist ein vollkommnes Original, unvergleichbar mit allen ältern [322] und neuern Dichtern, und auf eine eigne Art durch die Verhältnisse gebildet, in denen er lebte. Er lebte unter einer sehr tapfern mit fremden Völkern unverbundenen Nation, welche sehr viel Tugenden und richtige Gefühle besaß, so daß ein Dichter, wenn er das Bild dieser Nation nur ein wenig verschönerte, keinen bessern Gegenstand wählen konnte. Er sang daher ihre und ihres Fingals Thaten als Augenzeuge, oft selbst als handelnde Person und im erzählenden Tone, den er nur durch Nebenzüge ausschmückte. Er erfand keine Thaten, weil die Barden treue Sänger der Zeitbegebenheiten waren; er stellte keine mannigfaltig contrastirenden Charaktere auf, weil die Sitten seiner noch unverdorbenen Landsleute einfach und gleichförmig blieben: dessen ungeachtet aber hebt er mit kunstlosem Schmuck die Hauptpersonen, und webt in ihre Denkungs- und Handlungsart viel Verschiedenheit ein. Eine vorzügliche Stärke besitzt Ossian in rührenden und erschütternden oder sanften und zärtlichen Gesinnungen und Empfindungen, überhaupt in dem Ausdruck der Leidenschaften. Geine Naturscenen sind höchst lebhaft und mahlerisch, seine Bilder sind alle auf das glücklichste aus der Natur oder den ihn zunächst umgebenden Gegenständen hergenommen. Die Erfolge werden bei ihm bloß durch die Energie der Helden selbst herbeigeführt, und seine einzige Maschinerie ist die Erscheinung von Geistern der Verstorbenen: aber seine Geistersprache ist schrecklich und grausend, und die Täuschung dabei ungemein natürlich; und bloß Shakespeare hat sich der Geisterwelt eben so glücklich bedient. Man vergleicht den Ossian immer mit dem Homer, allein mit Unrecht; diese beiden großen Dichter lebten in ganz verschiedenen Verhältnissen, und hatten entgegengesetzte Zwecke. Der Jonische Sänger zeigt uns große, verwickelte Handlungen, Götter, die den Menschen das Unmögliche möglich machen, ein ziemlich cultivirtes, reiches, prachtliebendes, beredtes, verschlagenes, habsüchtiges, unversöhnliches, übrigens abergläubisches Volk, das für die sanftern Reitze des häuslichen Lebens wenig Gefühl hatte; er nähert sich ungeachtet seines natürlichen Vortrags dennoch zum Theil der großen Welt. Der Kaledonische Barde hingegen versetzt uns in eine ganz andre Sphäre. Er schildert [323] mit der kunstlosesten Sprache und der ausdrucksvollsten Kürze ohne Dazwischenkunft der Götter die Thathen eines kleinen und wenig gebildeten, aber edeln und tapfern Volks, die meist in kurzen Kriegen bestanden; alles geschieht schnell; bei weniger Mannigfaltigkeit sind seine Gesänge desto kühner und rührender; Fingal ist der veredelte Achilles, er besitzt ganz die Tugenden desselben ohne seine Fehler zu haben: kurz, Ossian ist herzlicher, einfacher, natürlicher. Die Gesänge dieses trefflichen Barden wurden bloß durch mündliche Ueberlieferung im Hochlande in der Galischen oder Hersischen Sprache fortgepflanzt, und höchstens erst sehr spät niedergeschrieben; niemand kannte sie außerhalb dem Vaterlande derselben, bis sie endlich ein um die Literatur des Hochlands sehr verdienter Mann, der i. J 1796 verstorbene James Macaherson (ein geborner Nordschottländer, seit 1760 auf Reisen durch dieses Land) größten Theils aus dem Munde der Eingebornen und, wie man sagt, auch aus neuern schriftlichen Denkmählern sammelte und herausgab (z. B. 1760, 1765, 1773 u. s. f.)1. Allein bald erklärte der gelehrte Samuel Johnson (in der Beschreibung seiner 1773 nach den Hebridischen Inseln oder den westlichen Inseln Schottlands gemachten Reise – s. die Deutsche Uebers. S. 186 bis 193 –) die sämmtlichen von Macapherson herausgegebenen Gedichte Ossians für ganz untergeschoben und für die Arbeit des Herausgebers, weil Macpherson dieselben nie im Original vorgezeigt habe, weil in der Hochländischen oder Hersischen Sprache kein Buch, das vor mehr als 100 Jahren geschrieben worden, existire, es sich auch nicht denken lasse, daß so lange Gedichte sich über 1400 Jahre durch bloße mündliche Ueberlieferung fortgepflanzt haben, endlich überhaupt, weil die herausgegebenen Gesänge für ein kriegerisches, uncultivirtes Volk bei weiten zu schön seien. Diese Aeußerung gab zu einer sehr heftigen Fehde Anlaß; [324] Macphersons Freunde, besonders Clarke, behaupteten, einige Originale gesehen und die meisten Ossianschen Gedichte früher als der Herausgeber derselben wörtlich von den Eingebornen gehört zu haben. Und wenn man bedenkt, daß die Hochländer ihren ursprünglichen Sitten und Gewohnheiten fast noch ganz anhängen, daß sie eine außerordentliche Vorliebe für die vorige Heldenzeit haben, daß ihr Geist durch keine andre wissenschaftliche Beschäftigung zerstreut wird; so kann man sich die Möglichkeit der mündlichen Tradition alter Nationalgesänge sehr leicht erklären. Wenn wir aber auch zugeben, daß Macpherson nicht Verfasser war; so bleibt doch bei dem gänzlichen Mangel an historischen Aufschlüssen noch der unauflösliche Zweifel übrig, ob Ossian allein oder zum Theil auch andre gleichzeitige Barden (z. B. die in jenen Gedichten oft genannten Sänger Ullin, Orran oder Spätere) dieselben gedichtet, und ob nicht vielleicht ihre Nachkommen, denen Ossians Andenken besonders heilig war, sie insgesammt dem Ossian zugeschrieben haben. Als übrigens Young nachher im Hochlande angeblich Ossiansche Gedichte bei den Eingebornen sammelte und einige herausgab, so fand sich aus deren Vergleichung mit den Macphersonschen, daß Macpherson zwar die nehmlichen Gedichte benutzt, aber manche für sich bestehende als Episoden in größere eingewebt, und überhaupt manches verschönert und abgeändert habe. – Der Streit über die Echtheit der Ossianschen Gedichte dauert indeß noch immer fort; und auch darüber, ob diese Gedichte, wenn sie echt sind, in Schottland oder, wie Andre wollen, in Irland, wohin die meisten Thaten Fingals versetzt werden, gesungen worden, ist man uneinig.

Fußnoten

1 Auch sind sie Deutsch übersetzt, prosaisch vom Major von Harold (Düsseldorf, 1775, 3 Bd.), ferner von Petersen (Tübingen, 1782), und in Versen, größten Theils Hexametern, von dem bekannten Dichter Michael Denis (Wien, 1768 und dann 1784).

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 322-325. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000763314


Brockhaus 1811

[182] * Ossian. Zu den S. 324. (Th. III.) *) angeführten Uebersetzungen der Gesänge dieses berühmten Barden gehört die neueste von dem gleich berühmten Dichter, Graf Friedrich Leop. von Stollberg, Hamburg 1806. in 3 Bänden. – Was den am Ende dieses Art. erwähnten Streit über die Echtheit der Ossianischen Gedichte betrift, so hatte die in Edinburg sich versammelnde Highland-Society zur Untersuchung darüber eine eigne Commission niedergesetzt, deren Resultat denn dahin ging, daß Macpherson allerdings sich mit jenen Bruchstücken und Gesängen viel Freiheit herausgenommen, die er aber als echt galische Lieder gesammlet habe.

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 182. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000080021X


Brockhaus 1839

[363] Ossian, der berühmte Barde (s.d.), gilt für einen Sohn des irländ. oder hochschot. Helden Fingal, von dessen Heldenthaten in der Vertheidigung von Irland wider den mächtigen König von Lochlin, sowie von der Klage lieblicher Jungfrauen um gefallene Helden, vom Ruhme der Vergangenheit und von eignem Schmerz um seinen im Kampfe gefallenen Sohn Oscar, die ihm zugeschriebenen Gesänge erzählen. Als der Letzte seines Geschlechts und sogar erblindet, wie ihn die Sage schildert, suchte er Trost im Gesange und seine seltene Tiefe des Gefühls, verbunden mit schwermüthiger Würde und einer malerischen, in ihrer einfachen Natürlichkeit doch hinreißenden Ausdrucksweise, haben jenen Dichtungen die Aufmerksamkeit aller Völker von europ. Bildung zugewendet, seitdem nach einigen unbedeutenden Vorläufern der junge schot. Gelehrte Macpherson 1759 die Herausgabe derselben in engl. Sprache begann. Was er in dieser Art 1765 gesammelt als O.'s Werke erscheinen ließ, sind von ihm sehr frei übersetzte, bei den Bergschotten theils handschriftlich, theils mündlich fortgepflanzte Gesänge, welche nach ihm aus dem 3. Jahrh., wie man aber nach den in Folge des Streites über ihre Echtheit angestellten Forschungen später annahm, aus dem 8.–10. Jahrh., der Zeit der Züge der Normannen, herrühren und die als Dichterwerke eines ganzen Zeitraums dem O. als einem berühmten Namen zugeschrieben wurden. Einzelnes davon haben Goethe, Herder, Bürger, die ganze Sammlung unter Andern Fr. L. Graf von Stolberg (3 Bde., Hamb. 1806), L. Schubart (2 Bde., Wien 1827), L. G. Förster (3 Bde., Quedlinb. 1827), die aufgefundenen gälischen Originale aber Ahlwardt (Lpz. 1811) übersetzt, welche letztere Übertragung indessen minder ansprechend als die nach Macpherson's Bearbeitung ist.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 363. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000850691


Damen Conversations Lexikon 1837

[46] Ossian, der berühmteste Barde, ein Caledonier, Fingals, des Fürsten von Morven, Sohn, der in rührenden und mächtig-erhebenden Klängen Klagen wie Schlachtlieder sang, Heldenthaten feierte, erhabene Naturscenen der hochschottischen und irischen Lande schilderte, und die Schicksale Liebender besang. Der Brite Macpherson sammelte seine Lieder und gab sie heraus; sie wurden mit Enthusiasmus aufgenommen; es war eine neue Erscheinung, und[46] man nannte Ossian den caledonischen Homer. Da erhoben manche Gelehrte Zweifel und beschuldigten den Herausgeber des Betrugs sie sagten, es habe nie einen Ossian gegeben, die herrlichen Gedichte seien untergeschoben. Der Herausgeber, sich selbst verläugnend, sei der Verfasser. Doch jetzt ist die Aechtheit der Lieder erwiesen; Ossian lebte etwa im vierten Jahrhundert nach Christus, und war der erlöschende Sängerstern eines dahinsinkenden Götterglaubens und eines ersterbenden Heldenmuthes. Immer noch sollen die Nachklänge Ossianischer Lieder in den Gesängen der Hochschotten und Iren sich fortlebend wiederfinden. Ossian's Gedichte übersetzten Denis, Jung, Rhode, Schubart u. A. in die deutsche Sprache. –ch–

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 46-47. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001755889


Pierer 1861

[403] Ossian (Oisin), nach der Tradition der schottischen Hochländer od. Gaëlen ein berühmter Barde des 3. Jahrh., der Sohn des Fingal, welcher, wie Homer, blind gewesen u. durch Gesang den Schmerz über den Verlust seines im Kampfe gefallenen Sohnes Oskar gemildert haben soll. O-s Name, bei den Bergschotten u. auf den Hebriden in ehrenwerthem Andenken, wird schon im 12. Jahrh. von Gyraldus Cambrensis erwähnt, wurde aber erst in der Mitte des 18. Jahrh. in weitern Kreisen bekannt, als Macpherson unter dem Namen Ossiansche Lieder mehre Dichtungen der Hochschotten in englischer Sprache herausgab. Einzelne Bruchstücke solcher alter gaëlischer Gesänge hatten 1755 bereits Stone u. Pope herausgegeben; vier Jahre später übersetzte Macpherson (s.d.) auf Home's Veranlassung Bruchstücke gaëlischer Lieder, welche er 1760 unter dem Titel: Remarks of ancient poetry, collected in the Highlands of Scotland and transladet from the Gaëlic or Erse language herausgab. Da diese Dichtungen den größten Beifall fanden, u. Macpherson die Unterstützung Home's u. Robertsons erhielt, entschloß er sich zu einer neuen Reise durch das Hochland, welche so ergiebig war, daß er 1762 das Heldengedicht Fingal nebst 16 kleineren Gedichten u. 1763 die Dichtung Temora nebst fünf kleineren erscheinen lassen konnte. Sämmtliche Dichtungen wurden dann als Poems of Ossian, Lond. 1764, 2 Bde., herausgegeben. Die in dieser Sammlung enthaltenen Gedichte erklärte Macpherson für. Übersetzungen aus den gaëlischen Liedern O-s, welche er theils aus dem Munde des Volkes gehört, theils aufgeschrieben gefunden habe. Aber die Echtheit derselben wurde bald nach ihrer Erscheinung bestritten, man hielt sie für Macphersons eigene Erfindung. Zu seinen Gegnern gehörten Johnson, Shaw, Waller, Malcolm, Laing, Adelung u.a.; Vertheidiger fand er an Hugh Blair, Graham, Sinclair, Smith, Macdonald, Clarke, Arthur Young u.a. Doch vermochten dieselben nicht, die einmal rege gewordenen Zweifel an der Echtheit der Gedichte zu besiegen; man verlangte von Macpherson, daß er die Urschrift vorzeige, doch war er hierzu nicht zu bewegen. Bei seinem Tode fand sich eine solche Urschrift vor, welche aber erst später von der Highland Society of Scotland, die bereits 1797 eine Commission zur Untersuchung der ganzen Angelegenheit niedergesetzt u. in einem 1805 zu Edinburg veröffentlichten Report sich zu Gunsten der Echtheit ausgesprochen hatte, mit einer wörtlichen lateinischen Übersetzung (The poems of O. in the original Gaëlic, Edinb. 1807, 3 Bde.; neue Aufl. mit dem Titel Dana Oisien, Edinb. 1818, deutsch von Ahlwardt, Lpz. 1811, 3 Bde.; wörtliche englische Übersetzung von Macgregor, Lond. 1841) veröffentlicht wurde. Seitdem ruhte der Streit über die Echtheit eine Zeit lang, bis 1829 die Irische Akademie in Dublin einen Preis auf die Untersuchung der Authenticität O-s setzte. Es gingen zwei Abhandlungen ein, von O'Reilly u. von Drumond, welche beide den Beweis zu führen suchten, daß Macpherson nicht nur die englischen Ossianslieder ohne gaelische Originale selbst verfertigt, sondern auch hinterdrein diese englischen Gedichte in das Gaëlische übersetzt u. diese Übersetzung, welche sich nach seinem Tode vorfand, für jene Originale ausgegeben habe. [403] Diesen Ansichten trat im Wesentlichen die Robinson (Talvj) in ihrem Buche: Die Unechtheit der Lieder O-s u. des Macphersonschen O. iusbesondere (Lpz. 1840) bei. Die Schwäche der Beweisführung jener Irländer u. die Einseitigkeit ihrer ganzen Kritik unterwarf V. A. Huber in der Neuen Jen. Literaturzeitung (1843, Nr. 26–29) einer eingehenden Prüfung, die zwar noch nicht alle Bedenken u. Zweifel beseitigt, aber die Hauptsache für immer festgestellt hat. In den schottischen Hochlanden hatte sich nämlich eine große Anzahl von epischen Liedern erhalten, welche aus Irland stammten, wo deren ebenfalls noch vorhanden sind (Fenische Lieder), aber in Schottland localisirt u. dem Ossian zugeschrieben wurden. Dieselben wurden durch die Barden von Generation zu Generation fortgepflanzt u. nachweislich noch um die Mitte des 18. Jahrh. in Hochschottland gesungen; im Laufe der Jahrhunderte mußten sie natürlich viel von ihrer Ursprünglichkeit einbüßen, da sie sich stets ihrer Zeit u. den sie beherrschenden (namentlich den christlichen) Anschauungen zu accommodiren hatten. Schon im Mittelalter hatte man auch schriftliche Sammlungen solcher alter Gesänge angelegt, welche in den Familien forterbten u. als Leabhar deargh (d.i. rothe Bücher) sorgfältig bewahrt wurden. Macpherson hatte nachweislich mehre solche Liederbücher zusammengebracht, daneben aber auch viele einzelne Gesänge, wie sie zu seiner Zeit noch im Volke lebten, nach mündlicher Recitation verschiedener Personen Ossianische od. andere gaelische Lieder aufgezeichnet. Wohin diese von Macpherson benutzten Handschriften gekommen sind, bleibt noch unentschieden; aller Wahrscheinlichkeit nach enthielt die bei seinem Tode vorgefundene gaelische Urschrift seines englischen O. Abschriften aus jenen Sammlungen u. Lieder, die nach mündlicher Recitation aufgezeichnet waren. Offenbar übersetzte Macpherson jene Lieder frei, verband wohl auch mehre willkürlich, ergänzte einzelne Stellen u. kürzte andere ob; überhaupt ist das ganze Werk Macphersons nicht nach deutschem, sondern nach englischem Maßstabe zu beurtheilen. Auch innere Gründe sprechen für die Authenticität der Lieder O-s; die einförmige, oft sentimentale, pathetische Manier, welche sie zeigen, steht in Übereinstimmung mit dem Charakter anderer celtischer Poesien, deren Echtheit unbestritten ist. Der Inhalt der Ossianischen Gedichte ist theils historisch, theils lyrisch: Erzählungen von Heldenthaten in Kämpfen, Lob vergangener besserer Tage, Klagen über erlittene Leiden, Schicksale Liebender, Klagen lieblicher Jungfrauen an Grabhügeln gefallener Heldenjünglinge, Heldenfeste etc. Die Haupthandlung in dem ganzen Balladenkreise ist Fingals Rettung Erins (Irlands) von dem Angriffe des stolzen Königs Swaran von Lochlin (Norwegen). Die Gedichte O-s wurden alsbald nach ihrem Erscheinen in die meisten europolschen Sprachen übersetzt; franz. von L. Toureur, Par. 1777; von Lombard, Berl. 1789; von Jargues, Par. 1801; spanisch von Ortin, Valladolid 1788; italienisch von Cesarotti, Padua 1773; holländisch von Bilderdijk, ebd. 1806; deutsch von Denis, Wien 1768–69, 3 Bde., n.A. ebd. 1791–94, 6 Bde; von Harold, Düsseld. 1779, 3 Bde.: Manh. 1822, 3 Bde.; von Petersen, Tüb. 1782; rhythmisch von Rhode, Berl. 1800, 3 Thle.; von F. L. Grafen zu Stolberg, Hamb. 1806, 3 Thle.; von L. A. Schubart. Wien 1808, 2 Thle.; von F. W. Jung, Frankf. 1808; von A. de la Perrière, Kölu 1 gl 7–1819, 4 Bde.; von L. G. Förster, Quedlinb. 1827, 3 Bdchn.; von Adolf Böttger, Lpz. 1847; einige kleine Gedichte von Goethe in Werthers Leiden. Vgl. H. Blair, Über O., e. d. Engl. von Ölrichs, Hannov. 1785; Gurlitt, Über O., Magdeb. 1802; Herder, Über O. in dessen Werken. Am St. Patrikstage 1853 wurde in Dublin die Ossianic Society begründet, welche sich die Herausgabe der älteren Denkmäler der Irischen Literatur, namentlich sofern sie mit den Ossianischen Liedern in Beziehung stehen, zum Zweck gemacht hat. Im ersten Bande ihrer Transactions (Dublin 1853) erschienen die alten noch vorhandenen Lieder, welche die Schlacht bei Gabhra zum Gegenstande haben, eine Ausgabe der Fenian Poems wurde von John O'Duly, Bryan O'Looney u. John O'Donovan (Dublin 1859) veranstaltet.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 403-404. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010567755