Hauptmann, Gerhart: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 9. Mai 2024, 03:07 Uhr
Gerhart Hauptmann
(Gerhart Johann Robert Hauptmann, * 15. November 1862 in Ober Salzbrunn in Schlesien; † 6. Juni 1946 in Agnieszków, deutsch: Agnetendorf in Niederschlesien), deutscher Schriftsteller, Dramatiker. Nobelpreis für Literatur 1912.
1926 bis 1943 lebte Hauptmann während der Sommermonate mit seiner Familie in Kloster auf Hiddensee, wo sich auch sein Grab befindet. 1929 kaufte er das Haus Seedorn in Kloster.
Meyers 1907
Hauptmann 2) Gerhart, dramatischer Dichter, geb. 15. Nov. 1862 zu Salzbrunn in Schlesien, besuchte die Realschule, trat zu einem Landwirt in die Lehre, besuchte hierauf die Kunstschule in Breslau, um Bildhauer zu werden, verließ sie aber bald, um sich an den Universitäten in Jena und Berlin naturwissenschaftlichen Studien zu widmen. Fortan lebte er nach kurzem Aufenthalt in Italien, wo er sich der alten Neigung zur Bildhauerei hingab, in Erkner bei Berlin, seit 1891 zumeist in Schreiberhau und in Agnetendorf, im Winter bis vor einigen Jahren teils in Grunewald, teils in Blasewitz bei Dresden. Hauptmanns erstes Werk, die epische Dichtung »Promethidenlos« (Berl. 1885), war poetisch unbedeutend, aber durch ihre soziale Tendenz als Selbstbekenntnis bemerkenswert. Von den Brüdern Hart, Arno Holz, Johannes Schlaf u. a. ganz für die naturalistische Kunsttheorie gewonnen, gab er in seinem an Tolstois »Macht der Finsternis« angelehnten ersten Drama: »Vor Sonnenaufgang« (Berl. 1889) ein rohes, aber lebenswahres Abbild sozialer Mißstände seiner schlesischen Heimat, das bei der Ausführung auf der Berliner Freien Bühne starkes Aufsehen erregte. Weniger wirkte das nächste, von Holz und Schlafs »Familie Selicke« beeinflußte Drama »Das Friedensfest« (Berl. 1890), das aber gleichfalls treffsichere Charakterzeichnung erkennen läßt. Erfolgreicher war H. mit dem an Ibsens »Rosmersholm« erinnernden Drama »Einsame Menschen« (Berl. 1891), worin er die alte, gläubige Generation mit der neuen, naturwissenschaftlich gebildeten und nervösen in Gegensatz brachte. Noch bedeutendern Aufschwung nahm er in dem Schauspiel aus den 1840er Jahren: »Die Weber« (Berl. 1892, erste Fassung: »De Waber«, in schlesischer Mundart), worin er mit erschütternder Kraft das Elend der armen Weber auf die Bühne stellte, so daß sich die Dichtung zu einer ergreifenden Anklage des Kapitalismus gestaltet. Im selben Jahr erschienen zwei novellistische Arbeiten von ihm: »Der Apostel« und »Bahnwärter Thiel« (Berl. 1892), erstere einen Fall religiösen Irrsinns, letztere Mord und Wahnsinn infolge ehelichen Unglücks schildernd, beide grell und sensationell, aber nicht durchschlagend und nur als Studien zu betrachten. Unmittelbar darauf ließ H. zwei Komödien folgen: »Kollege Crampton« (Berl. 1892), die einen begabten, aber durch Trunksucht verkommenden Künstler treu nach der Wirklichkeit schildert, und die z. T. von Kleists »Zerbrochenem Krug« beeinflußte Diebskomödie »Der Biberpelz« (das. 1893), eine scharfe und in den ersten zwei Akten mit dramatischem Geschick ausgeführte Satire auf das Beamtentum, der H. später, z. T. unter Beibehaltung derselben Personen, die weniger wirksame Tragikomödie »Der rote Hahn« (das. 1901) anschloß. In neue Bahnen schien er einzulenken mit seinem nächsten Stück, der Traumdichtung »Hanneles Himmelfahrt« (Berl. 1894), das die religiösen Phantasien eines sterbenden Mädchens der untersten Stände ergreifend schildert und dem idealistischen Stil zusteuert; wohl Hauptmanns gelungenstes Werk. Nach dem geringen Beifall, den er mit der historischen Kleinmalerei seines »Florian Geyer« (Berl. 1895) gefunden hatte, errang er mit dem symbolischen Märchendrama »Die versunkene Glocke« (das. 1896, 58. Aufl. 1903) einen ungewöhnlichen Erfolg, der durch die tiefe und anschauliche Poesie des gedankenreichen, den Kampf zweier Weltanschauungen schildernden Werkes wohl begründet war. In seinem »Fuhrmann Henschel« (Berl. 1898), dessen Handlung an die des »Bahnwärters Thiel« erinnert, kehrte er zu dem grellen Realismus seiner frühern Werke zurück, erwies aber in dem guten Aufbau und der ausgezeichneten Charakterschilderung seine gereifte Kunst, während er in dem Scherzspiel »Schluck und Jan« (das. 1899) ein gutes Thema trotz höchst gelungener Einzelheiten durch allzu breite Ausdehnung schädigte, und in »Michael Kramer«, der Tragödie des Vaterherzens (das. 1900), in tiefsinnigen Betrachtungen voll lyrischen Schwunges den Anforderungen dramatischer Technik nicht gerecht wurde. Auch die in vielen Teilen poetisch-weihevolle Bühnendichtung »Der arme Heinrich« (Berl. 1902) ließ es an dramatischer Kraft fehlen, während in »Rose Bernd« (das. 1903), der Tragödie des in Not und Schuld untergehenden Mädchens, bei mancher Breite ergreifende Vorgänge von packender Kraft mit oft überraschender naturalistischer Wahrheit geschildert sind. H. gehört durch die kaum zu übertreffende[879] Wirklichkeitstreue seiner Darstellungen zu den namhaftesten deutschen Dichtern der neuesten Zeit, aber er huldigt oft gar zu sehr der Kleinmalerei, läßt das Häßliche breit in den Vordergrund treten und ermangelt der großzügigen dramatischen Kraft. Vgl. P. Schlenther, Gerhart H. (3. Aufl., Berl. 1898); A. Bartels, Gerhart H. (Weim. 1897); A. v. Hanstein, Gerhart H. (Leipz. 1898); U. G. Woerner, Gerhart H. (2. Aufl., Berl. 1901); Kirschstein, Gerhart H. (2. Aufl., das. 1902); v. Grotthuß, Probleme und Charakterköpfe (3. Aufl., Stuttg. 1898); W. Bölsche, Hinter der Weltstadt (Leipz. 1901); E. Steiger, Das Werden des neuen Dramas, Bd. 2 (Berl. 1898); Landsberg, Los von H. (das. 1900); Bulthaupt, Dramaturgie des Schauspiels, Bd. 4 (Oldenb. 1901); S. Friedmann, Das deutsche Drama des 19. Jahrhunderts, Bd. 2 (Leipz. 1903); C. de Lollis, Gerardo H. e l'opera sua letteraria (Flor. 1899); P. Besson, Études sur le théâtre contemporainen Allemagne (Par. 1900).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 879-880. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006748864
Brockhaus 1911
[769] Hauptmann, Gerhart, Dichter, geb. 15. Nov. 1862 in Salzbrunn (Schlesien), lebt meist in Schreiberhau im Riesengebirge, der bedeutendste modern-realistische Dramatiker; schrieb die Dramen »Vor Sonnenaufgang« (1889), »Das Friedensfest« (1890), »Einsame Menschen« (1891), »Kollege Crampton« (1892), »Die Weber« (1892; zuerst in schles. Dialekt), »Der Biberpelz« (1893), »Hannele« (1893), »Florian Geyer« (1896), »Die versunkene Glocke« (1897), »Fuhrmann Hentschel« (1898; in schles. Dialekt), »Schluck und Jau« (1900), »Michael Kramer« (1900), »Der rote Hahn« (1901), »Der arme Heinrich« (1902), »Rose Bernd« (1903), »Elga« (1904) und Novellen (»Der Apostel. Bahnwärter Thiel«, 1892). – Vgl. Schlenther (1898), Wörner (2. Aufl. 1901). – Sein Bruder Karl H., geb. 1858 in Salzbrunn, schrieb ebenfalls Dramen (»Waldleute«, 1895; »Ephraims Breite«, 1899; »Die Bergschmiede«, 1901; »Des Königs Harfe«, 1903, u.a.), auch Erzählungen. – Vgl. Wörner (2. Aufl. 1901).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 769. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001177036