Tannhäuser: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 21. Oktober 2024, 12:53 Uhr


um 1240-1270

Tannhäuser, Der Tannhäuser, mittelhochdeutsch Tanhūser, Tanhäuser, deutscher Minnesänger und Spruchdichter. – Die alten Lexika halten die Zeit für eine des Verfalls der höfischen Minne – neuere Forscher sehen da Tendenzen von Realistik und Erneuerung.


Pierer 1857

[230] Tanhäuser, 1) nach der deutschen Volkssage ein Ritter aus den Rheinlanden, welcher seine Ritterfahrt nach Osten machte; zum Begleiter nahm er den treuen Eckard, einen Dienstmann seines Vaters. Er wollte den Berg der Frau Venus mit ihrer Herrlichkeit schauen. An den Hörselberg bei Eisenach gekommen, hörte er ein wunderbares Klingen; trotz dem Rufe des treuen Eckards folgte er doch den Zaubertönen u. gelangte in die Mitte von tanzenden Bacchantinnen, welche ihn zu einem hohen Felsenthore geleiteten. Im Inneren des Berges erblickte er nun Frau Venus auf hohem Throne, Apollo den Sänger mit den Musen, Bacchus von Mänaden umschwärmt, Grazien, Nymphen, Gnomen u. Salamander etc. Er eilte in den Berg, wo ihn Frau Venus mit offenen Armen empfing, neben sich thronen ließ u. ihm Gemahlin wurde. Der Berg schloß sich aber sogleich, u. der treue Eckard blieb davor u. warnte die, welche sich nahen wollten. Nach einiger Zeit wurde aber T. dieses Leben überdrüssig u. er suhlte Gewissensbisse, weshalb er die Frau Venus beschwor ihn zu entlassen, damit er sich von dem Papst Verzeihung erbitte. Endlich gewährte sie seine Bitte, jedoch versprach er auf Ritterwort zurückzukehren, wenn ihm der Papst Verzeihung versage. Er wallfahrtete nun nach Rom u. beichtete dem Papst Urban sein Vergehen, doch wendete sich der Papst voll Abscheu von ihm u. versagte ihm die Absolution, weil Gottes Gnade für ihn ebenso unmöglich sei, als daß sein Stab, welchen er gerade in der Hand hielt, wieder grün werden könne. Traurig lehrte T. in den Berg zurück. Nach drei Tagen aber sähe der Papst seinen Stab grünen u. obgleich er Boten nach T. aussendete, fand man denselben doch nicht. Nach anderen Erzählungen schritt der treue Eckard gegen den Berg, um seinem Herrn dies Gnadenzeichen zu überbringen; sogleich öffneten sich vor dem blühenden Stabe die Felsenthore, u. er schritt hinein, mit seinem Herrn hier den jüngsten Tag zu erwarten. Tieck im Phantasus, Berl. 1812, 1. Bd., u. Duller, in G. Dörings Phantasiegemälden für 1835, haben diese Sage zu Erzählungen u. R. Wagner zu einer Oper benutzt. Vgl. Gräße, Die Sage vom Ritter T., Dresd. 1845.

2) (Tanhuser, Thannhäuser), deutscher (wohl baierischer) adeliger Dichter in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh., sang am Hofe des Herzogs Friedrich des Streitbaren, dann an dem des Herzogs Otto II. von Baiern; wohnte vermuthlich auch einem Kreuzzuge nach Palästina bei. Seine Gedichte von den Freuden des Maies u. des Tanzes u. von der Gunst der Frauen in der Manessischen Sammlung (Theil 2. S. 58 ff.) u. im 6. Bd. von Haupts Zeitschrift für deutsches Alterthum. Sein Name ist mit der Sage von dem Vorigen verflochten worden.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 230. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011065672


Herders 1857

[410] Tanhäuser, Tanhuser, ein Held der jüngern deutschen Volkssage; diese läßt ihn in den Venusberg gerathen, bei der Frau Venus ein üppiges Leben führen, den Reuigen vom Papste keine Verzeihung dafür erhalten u. wiederum in den Venusberg zurückkehren. Wahrscheinlich hängt die Sage mit dem Leben und Gesange eines zur Zeit des Papstes Urban IV. (1261–1264) berühmten Minnesängers Tanhuser, eines bayer. Ritters, zusammen, welcher am österr. und bayer. Hofe gute Tage, in seinen spätern Jahren aber mit Seltenreich, Unrath und Schaffenichts schlimme erlebte. Dieser T. wird in der Literaturgeschichte neben Frauenlob u. Neidhart von Reuenthal (s. d.) gestellt, als ein Repräsentant des Zerfalles des Minnegesanges, wo die Minne derbsinnlich u. gemein aufgefaßt wurde, und als der erste, welcher Gelage und Zechereien besang. Nachdem Tieck u.a. die T. sage poetisch bearbeitet u. Grässe ein Buch darüber geschrieben hatte, benutzte Richard Wagner den Stoff zu einer Oper, die in der musikalischen Welt 1855 einerseits enthusiastisch aufgenommen, anderseits sehr getadelt wurde und nach der Intention des Componisten den Anfang zu einer »Musik der Zukunft« machen soll, die unbestreitbar mit Feuerbachs »Religion der Zukunft« u. dgl. in innerm Zusammenhange steht.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 410. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003536696


Tanhäuser, die Sage vom (Frauen Conversationslexikon)

[14] Tanhäuser, die Sage vom. In einem Berge hielt Frau Venus (s. d.) prachtvollen unterirdischen Hofhalt; ein edler Ritter Tanhäuser, vielleicht jener Minnesänger Tanhuser, von dessen Liedern und Gedichten Einiges bis auf unsere Zeit erhalten ist, ein vielgereister Mann, ging em durch die Bergeskluft, und kam zu dem Liebeshof, dem das heidnsche Götterweib als Königin vorstand. Dort ging es hoch her; alle nur erdenkliche Sinnenlust erfreute die Herabgestiegenen, und hielt sie in dämonischen Netzen fest. Tausend Liebeswunder offenbarten der Frau Venus Macht, und Tanhäuser war überglücklich. Schon neigte sich ein im steten Freudentaumel der Lust und Liebe verbrachtes Jahr zu Ende, als nun das Gefühl[14] der Uebersättigung sich einstellte, der Glanz des Zauberberges dem Ritter matt, die Pracht farblos erschien. Er begann sich zurückzusehnen nach dem Erdenlicht, nach den freundlichen Sonnentagen, den milden Mondnächten; nach Gebet und Gottesverehrung, von denen unten in dem heidnischen Lufttaumel keine Rede war. Und er offenbarte seiner Königin den drängenden Herzenswunsch. Da ward Frau Venus betrübt, und sprach zu ihm mit süßer Schmeichelrede: »Du willst mich verlassen? Hält Dich mein Mund, der zu allen Stunden lächelt, nicht zurück? Genügt Dir meine Liebe nicht mehr? Wohlan, suche Dir anderes Lieb unter den holden Mädchengestalten, die meinen Hofstaat bilden. Doch Tanhäuser blieb fest; er bereute zu sehr die Sünde, ein Jahr im Venusberge verweilt zu haben, und sprach: »Sollte mir droben nimmer Vergebung werden, dann nimm mein Wort, daß ich zu Dir zurückkehre, und bei Dir bleibe bis zum jüngsten Tag. Jetzt aber in Mariä, der Sobenedeiten Namen, laß mich ziehen!« Wie Tanhäuser den hochheiligen Namen aussprach, versuchte ihn das heidnische Götterweib nicht länger, sondern ließ ab von ihm, und er trat wieder aus der Bergeshöhle an das freudige Tageslicht. Reuige Bußfahrt nach Rom trat der edle Ritter nun an, fester Hoffnung, daß seine Sünde ihm verziehen werde. Damals saß auf dem päpstlichen Thron Urban, der Strenge, und ihm beichtete Tanhäuser die schwere, hart verpönte That. Grausam scheltend fuhr der Papst auf, und versagte dem Büßer Gnade und Vergebung. Dieser flehte, ihm nur ein Jahr zur Buße zu vergönnen, aber: »Nein!« schrie der zornige Papst, stieß seinen Kreuzesstab in den Boden, und rief: »So wenig dieses dürre Holz grünen und blühen kann, so wenig kannst Du Sünder Gnade erlangen hier unten von mir, und droben von Gott! Du bist verflucht.« Darauf ging in tiefster Seelenkümmerniß Tanhäuser hinweg von dem päpstlichen Thron, aus dem Vatican, aus Rom, immer weiter. Und als drei Tage vergangen waren, siehe, da grünte und blühte der dürre Stab Urban's, und dieser[15] sah nun, daß Gott nicht wollte, daß die Priester den bereuenden Sündern Mißtrost neben sollten. Er sandte ringsum Eilboten aus, zu sehen, wo Tanhäuser hingekommen wäre, ihn zurückzurufen, aber ihrer keiner fand ihn und brachte ihn wieder. Er war, treu seinem Wort, zurückgekehrt in Frau Venus Berg, darin er nun beharren muß, bis zum jüngsten Tag. Das ist die Sage von dem Tanhäuser, wie ein altes Lied sie der Nachwelt treulich aufbewahrt hat. –ch–

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 14-16. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001770446


Götzinger 1885

[963] Tannhäuser. Der historische Tannhäuser ist ein deutscher Minnesänger, der vermutlich zu dem bayerisch-österreichischen Geschlechte der freien Herren von Tannhusen gehörte und neben Nithart der beste Repräsentant der höfischen Dorfpoesie (siehe diesen Artikel) ist. Er kam weit in der Welt herum, machte eine Kreuzfahrt und andere grosse Reisen, lebte gern fröhlich und lustig, liebte schöne Weiber, guten Wein und schmackhafte Bissen, um deren willen er vor Verpfändung seiner Habe nicht zurückschreckt. Die von ihm erhaltenen Gedichte sind meist Tanzlieder. Ausser diesem historischen Tannhäuser des 13. Jahrhunderts kennt die Sage noch einen, ohne dass es bis jetzt gelungen wäre, den Zusammenhang beider deutlich zu erkennen. Ein Volkslied erzählt von ihm: Tannhäuser im Venusberg sehnt sich von dannen und[963] wird vergebens von Frau Venus zurückzuhalten gesucht; als er die Jungfrau Maria anruft, lässt das Weib ihn scheiden. Er geht zum Papst Urban, von ihm Vergebung seiner Sünden zu erlangen; der Papst aber weist auf den dürren Stab, den er in der Hand hält und spricht: so wenig der grünen werde, so wenig werde Tannhäuser Vergebung seiner Sünden erwerben. Traurig geht Tannhäuser wieder in den Berg. Da fängt am dritten Tag an der Stab zu grünen. Der Papst schickt in alle Lande aus, wo Tannhäuser hingekommen? Der aber war wieder im Berge und hatte sein Lieb erkoren. Deshalb muss der vierte Papst Urban ewig verloren sein. Im einzelnen weichen die besonderen Formen des Tannhäuserliedes von einander ab. Frau Venus im Venusberg ist niemand anderes als Freya (siehe diesen Artikel); was für andere Bezüge aber in dem Liede stecken, ist vorläufig Sache der Vermutung. Abhandlungen über den Tannhäuser von Grässe, 1846 und 1861, und von Zander, 1858. Herrig, Archiv, Bd. 68; S. 43–51.

Quelle: Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 963-964. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000277769X


Meyers 1909

[312] Tannhäuser (Tanhuser), Minnesinger, vermutlich ein Salzburger oder Bayer, der um die Mitte des 13. Jahrh. am Hofe Friedrichs des Streitbaren und andrer Fürsten sich aufhielt und bis um 1270 ein abenteuerliches Wanderleben geführt zu haben scheint. In seinen Liedern schildert er, dem Vorgang Neidharts folgend, mit Vorliebe das bäuerliche Leben und derbsinnliche Minne, nebenbei mit allerlei literarischer Gelehrsamkeit prunkend. Auch ein didaktisches Gedicht: »Hofzucht«, wird ihm beigelegt. Eine seiner Weisen erhielt sich bei den Meistersingern. Seine lyrischen Gedichte finden sich im 2. Teil der »Minnesinger« von v. d. Hagen (Leipz. 1838), die »Hofzucht« im 6. Bande der »Zeitschrift für deutsches Altertum« (das. 1848). Vgl. Oehlke, Zu Tannhäusers Leben und Dichten (Königsb. 1890); Siebert, T., Inhalt und Form seiner Gedichte (Berl. 1894). An sein bewegtes Leben und ein ihm beigelegtes Bußlied knüpft sich die bekannte Sage vom Ritter T., der im Venusberg verweilte, dann nach Rom pilgerte, um Vergebung seiner Sünden zu erlangen, und, als ihm diese versagt wurde, verzweiflungsvoll zu Frau Venus im Hörselberg (s. d.) zurückkehrte. R. Wagner hat die Sage zu seiner berühmten Oper verarbeitet und mit der Sage vom Wartburgkrieg (s. d.) verbunden. Vgl. Grässe, Der T. und ewige Jude (2. Aufl., Dresd. 1861); Zander, Die Tannhäusersage und der Minnesinger T. (Königsb. 1858); Nover, Die Tannhäusersage und ihre poetische Gestaltung (Hamb. 1897); Kluge, Der Venusberg (in der »Beilage zur Allgemeinen Zeitung«, 1898, Nr. 66 u. 67).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 312. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007561652


Brockhaus 1911

[806] Tannhäuser, Ritter der alten deutschen Volkssage, der im Venusberg verweilte; seine Schicksale wurden mit dem Mitte des 13. Jahrh. lebenden Minnesänger T. verflochten, der an den Höfen in Österreich und Bayern umherzog und derbsinnliche Tanz- und Liebeslieder dichtete, Stoff zu der Oper von R. Wagner, der T. mit Heinrich von Ofterdingen identifizierte. – Vgl. Öhlke (1890), Siebert (1894).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 806. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001606913