Niederländische Literatur: Unterschied zwischen den Versionen
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[653] Niederländische Literatur. Die schöne Literatur der Niederländer fängt in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. an mit Heinrich von Veldeke (s. d., Bd. 9), einem Edelmann aus dem Südlimburgischen. Seine erste Dichtung (in südlimburgischer Mundart. s. Artikel »Niederländische Sprache«) war die »Sinte Servatius Legende« (hrsg. von Bormans, 1858). aus dem Lateinischen übersetzt. Später (um 1184) lieferte er eine freie Übersetzung der französischen »Eneide«, die dem Benoit de Saint-More zugeschrieben wird und ca. 30 Liebeslieder, die jedoch, wie auch[653] die »Eneide«, nur in hochdeutsch gefärbten Handschriften erhalten und fast nur in Deutschland bekannt geworden sind. Nach 1200 fangen auch die Brabanter und Flamen an, Gedichte in der Volkssprache zu verfassen, und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts darf man die n. L. als begründet betrachten. |
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=== 1) Vom 13. bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts. === |
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Die ältesten Denkmäler der niederländischen Literatur sind fast nur Übersetzungen von französischen Ritterromanen. Die deutsche Heldensage ist in den Niederlanden augenscheinlich nur wenig bekannt geblieben. Nur dürftige Spuren davon können mühsam gesammelt werden. Die Fragmente des halb epischen, halb komischen Gedichts »Van den bere Wissei an we« weisen auf Einfluß der deutschen Spielmannsdichtung hin, und die Bruchstücke einer Übersetzung des Nibelungenliedes beweisen. daß die deutsche Literatur nicht ganz unbeachtet geblieben ist; sonst aber folgte die n. L. im ganzen der Entwickelung der französischen. Die vorzüglichste Leistung der mittelniederländischen Poesie ist der ergötzliche Tierroman »Van den Vos Reinaerde« (hrsg. von Martin, 1874, und Buitenrust Hettema und Muller, 1903), der seine französischen Vorbilder, vor allem Pierre de Saint-Cloud, weil übertrifft und als das gelungenste Werk seiner Gattung zu betrachten ist. Der erste Teil wurde um 1250 von einem gewissen Willem, dem Dichter eines verloren gegangenen »Madoc«, verfaßt, der zweite Teil ist am Ende des 14. Jahrh. hinzugefügt worden. Das niederländische Original ist erst im 19. Jahrh. wieder aufgefunden worden; vorher war das Werk schon international geworden in einer nur in plattdeutscher Sprache erhaltenen Umarbeitung des zweiten Teils aus dem 15. Jahrh. von Heinric van Alkmaar. Die zahlreichen Ritterromane in Versen des 13. und 14. Jahrh. sind wie in der gleichzeitigen deutschen Literatur so auch in der niederländischen fast ausschließlich Übersetzungen aus dem Französischen, so aus dem fränkischen Sagenkreis: das »Roelandslied«, »Karel ende Elegast« (hrsg. von Kuyper, 1890), der »Roman der Lorreinen« (daraus ein Teil hrsg u. d. T. »Roman van Karel den Grooten« von Jonckbloet, 1844), »Renout van Montalbaen« (hrsg. von Matthes, 1875), »Ogier«, »Loyhier ende Malaert« und »Willem van Oringen« (übersetzt von Clays van Haarlem), »Flandrijs« (hrsg. von Franck, 1896); aus dem britischen Sagenkreis: der »Roman van Torec« (übersetzt um 1263 von Maerlant, hrsg. von J. te Winkel, 1875), de Borrons »Historie van den Grale« und »Merlins Boeck« (übersetzt um 1261 von Maerlant), »Coninc Arturs Boeck« (übersetzt 1326 von Velthem, und mit dem vorigen hrsg. von van Vloten, in »Merlijn«, 1882), Guillaume li Clercs »Ferguut« (hrsg. von Verwijs-Verdam, 1882), »Roman van Walewein« (von Penninc u. Vostaert, hrsg. von Jonckbloet, 1846), »Roman van Lancelot« (hrsg. von Jonckbloet 1846 mit der Übersetzung von Christians von Troyes' »Perchevael« und Raouls »Wrake van Ragisel«, die darin ein geschoben sind). Originaldichtungen sind wahrscheinlich der »Roman van Moriaen« (hrsg. von J. te Winkel, 1879) und »Van den Ridder metter Mouwen« (hrsg. von Jonckbloet, 1819). In verschiedenen aus dem Französischen übersetzten Romanen sind orientalisch byzantinische Erzählungen bearbeitet, z. B. in »Partenopeus« (hrsg. von Bormans, 1871, und Borkum, 1897), »Floris ende Blancefloer« von Diederic van Assenede, um 1260 (hrsg. von Moltzer. 1879), »Seghelyn van Jerusalem« von Loy Latewaert (hrsg. von Verdam, 1878), »Borchgravinne van Couchi« (hrsg. von de Vries, 1887) und »Die Seven Vroeden van binnen Ro me« (hrsg. von Stallaert, 1889, und Botermans, 1898). Die Kreuzzüge bilden den Inhalt des nur fragmentarisch erhaltenen »Godefroit van Buljoen« und zum Teil auch der Originaldichtung »Roman van Margriete van Limborch« (hrsg. von van den Bergh, 1848) von Hein van Aken aus Brüssel (etwa 1255–1330), der auch den »Roman van de Rose« (hrsg. von Verwijs, 1868) übersetzte. Sagen des klassischen Altertums bilden den Inhalt der »Historie van Troyen« (hrsg. von de Pa uw und Gaillard, 1891), die Maerlant aus dem Französischen des Benoit de Saint-More übersetzte, sowie desselben Bearbeitung von Gauthier de Chastillons lateinischen »Alexanders Geesten« (hrsg. von Franck, 1882). Jacob van Maerlant (s. d.), der später selbst die Romandichtung als unmoralische Lügenerzählung verwarf, wurde durch seine größern Lehrgedichte (»Der Naturen Bloeme«, »Rijmbijbel«, »Spiegel historiael«, »Heymelicheyt der Heymelicheden«) und zahlreiche strophische Gedichte, in denen er die wichtigsten religiösen und sozialen Fragen seiner Zeit dialogisch behandelte oder die Sittenverderbnis beklagte und die Muttergottes verherrlichte, der Stifter einer didaktischen Schule, deren Hauptvertreter im 14. Jahrh. Jan van Boendale (s. d.) war, der Verfasser von zwei gereimten Geschichtswerken und zwei großen Lehrgedichten. Andre Geschichtschreiber sind: Jan van Heelu mit seiner epischen Beschreibung der Schlacht von Woeringen, 1288 (hrsg. von Willems, 1836); Melis Stoke mit seiner »Chronik von Holland«, 1305 (hrsg. von Huydecoper, 1772, und Brill, 1885); Philipp Utenbroeke (zwischen 1300 und 1315) mit seiner Übersetzung eines von Maerlant nicht übertragenen Teils des »Speculum historiale« von Vincentius; Lodewijk van Velthem (1316) mit seiner Fortsetzung des »Spiegel historiael« (hrsg. von Lelong, 1727, und Jonckbloet, 1840) und die ungenannten Dichter einer Reimchronik von Flandern (hrsg. von Kausler, 1840) und einer Geschichte des »Grimbergschen Oorlog« (hrsg. von Blommaert, 1854). Die bekanntesten Lehrdichter si tid: Jan Praet, »Leeringhe der Zalicheide« (hrsg. von Bormans, 1872), Gietijs van Molhem, »Rinclus«, eine Übersetzung des »Miserere« vom Renclus de Moiliens (hrsg. von P. Leendertz, 1893), Jan de Weert aus Yperen: »Nieuwe Doctrinael«, 1351 (hrsg. von Blommaert, 1351), »Spieghel der Sonden« (hrsg. von Blommaert, 1851) und »Wapene Rogier«, ein strophisches Zwiegespräch (hrsg. von Kausler, 1866). Weiter verdienen noch genannt zu werden die beiden hygien i jchen Werke »Der Manneen der Vrouwen Heymelicheyt« (hrsg. von Potter, 1895) und »Der Vrouwen Heymelicheyt« (hrsg. von Blommaert, 1846), »Dat bouc van Seden« (hrsg. von Suringar, 1891) und »Van Seden« (hrsg. von Suringar, 1892), ferner die Übersetzungen des »Lucidarius« von Honorius Augustodunensis (hrsg. von Blommaert, 1851), der »Disticha Catonis« (hrsg. von A. Beels, 1885), der Fabelsammlung des Romulus »Esopet« (hrsg. von J. te Winkel, 1881) und von Spruchgedichten aus Freidanks »Bescheidenheit« neben vielen andern Spruchsammlungen. Unter den gereimten Legenden sind die bedeutendsten »Van Sente Brandane« (hrsg. von Bonebakker, 1894), aus dem Hochdeutschen »Van St. Amand«, 1367 verfaßt von Gillis de Wevel (hrsg. von Blommaert, 1813), »Van St. Kerst inen« und »Van St. Lutgardis«,[654] beides übersetzt vom Klosterbruder Gheraert (hrsg. von Bormans, 1850, 1858); unter den religiösen »Sproken« die »Sproke van Theophilus« (hrsg. von Verdam, 1882) und »Van Beatrijs« (hrsg. von Jonckbloet, 1859, und Kaakebeen, 1902; deutsche Übersetzung von Wilhelm Berg, Haag 1870). Vgl. de Vooys, Legendenen exempelen (Haag 1900) und Exempelen van Maria (das. 1903). Weltliche »Sproken« sind in großer Menge überliefert. Diese oft allegorische oder satirische, meistens praktische oder moralisierende Erzählungsgattung wurde gepflegt von fahrenden Dichtern, die »Sprekers« oder »Segghers« hießen. Die berühmtesten unter ihnen sind Bouden van der Lore (um 1381), Augustynken van Dordt (1355–68) und vorzüglich Willem van Hildegaersberch (s. d., gest. 1409). Der bedeutendste seiner Zeitgenossen war Dirk Potter (s. d., gest. 1428), Schreiber der gräflichen Kanzlei und Dichter eines Lehrgedichtes über die Liebe »Der Minnen loep« (1412). Um 1400 sind auch die ersten dramatischen Dichtungen auf die Bühne gebracht, augenscheinlich von fahrenden Spruchdichtern. Vier größere Stücke (»Abele spelen«) und einige Possen (»Sotteruiën« oder »Sotte clnyten«) sind uns erhalten. Vgl. Leendertz, Middelnederlandsche dramatische poëzie (Groning. 1901). Die niederländische Prosa sing im 14. Jahrh. an, sich auszubilden. Als die frühesten Prosaschriften sind zu nennen: eine Übersetzung des Alten Testaments, ein »Leven van Jesus«, die »Kroniek van de lager Lande bi der Zee«, die »Limburgschen Sermoenen« (hrsg. von Kern, 1895), »Tondalus Visioen«, eine »Reis int heilige lant van Ridder van Mandeville«, Joh. Ypermans »Medicine boec«, das Rezeptebuch »Antidotarius«, eine »Chirurgie« (hrsg. von C. Broeckx, 1866), endlich die zwölf mystischen Werke des Jan van Ruysbroeck (1294–1381). Über die Lyrik dieser Zeit vgl. G. Kalff, Het Lied in de Middeleeuwen (Leiden 1883). |
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=== 2) Vom Beginn des 15. bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts. === |
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Daß die Kluft zwischen den adligen und bürgerlichen Kreisen sich mehr und mehr auszugleichen begann, beweisen vornehmlich die zu Anfang des 15. Jahrh. enstandenen Kammern der Rederijkers (s. d.), in denen sich beide Stände zu gemeinsamer Verfolgung literarischer Zwecke die Hand reichten. Es waren dies poetische Vereine mit zünftiger Verfassung, deren Mitglieder sich zu bestimmten Zeiten zur Aufführung von Schauspielen, anfangs nur geistlichen Spielen (Mysterien und Mirakel spielen), vereinigten. Wenn auch die hier erzielten Produkte von sehr geringem poetischen Wert sind, so sind jene Vereine doch insofern von Wichtigkeit, als sie sich mit Eifer an den damaligen politischen Händeln beteiligten und durch ihre dramatischen Arbeiten unmittelbar auf das Volk zu wirken suchten. In der Mitte des 16. Jahrh. waren die angesehensten Rederijker Matthijs de Castelein (s. d.), Verfasser einer »Konst der Rhetoriken«, J. B. Hoewaert, Dichter des didaktischen Epos »Pegasides Pleyn«, Cornelis van Ghistele, Übersetzer von Terenz, Vergil, Horaz und Ovid, und der Maler Karl van Mander, Übersetzer einer französischen Iliade. Zu ihrer Gattung (dem »Referein«) zeichnete sich die Dichterin Anna Bijns (s. d.) ous. Sie bekämpfte die liberalen Bestrebungen zur Zeit der reformatorischen Bewegungen, die in den südlichen Provinzen die Unterdrückung der Kammern durch die spanische Regierung herbeiführten, während sie in den nördlichen noch bis ins 18. Jahrh., wiewohl zuletzt hinter der Zeit zurückbleibend, fortbestanden. Die berühmteste und ein einflußreichste dieser Kammern war die Amsterdamer Gesellschaft In liefde bloeyende (»In Liebe blühend«), gegründet 1496, die gegen Ende des 16. Jahrh. zum Ausgangspunkt patriotischer Bestrebungen für die Pflege der Muttersprache und für Schöpfung einer Kunstpoesie wurde. Durchaus nicht unvolkstümlich machte sie sich zur Aufgabe, das Niederländische von den eingedrungenen burgundischen Elementen zu reinigen und durch eigne Werke in Poesie und Prosa die Literatur zu heben. Verdienste in dieser Hinsicht haben namentlich Philips van Marnix (gest. 1598), der angebliche Dichter, aber nur Bearbeiter des »Wilhelmusliedes« (»Byencorf der H. Roomsche Kercke«, Übersetzung der Genesis aus dem Urtext), Dirk Volkertszoon Coornhert (gest. 1590), Übersetzer von Cicero, Seneca und Boethius und Verfasser einer »Zedekunst«, ferner die Kaufleute Roemer Visscher (gest. 1620), Epigrammendichter, und Hendrik Laurenszoon Spieghel (1540–1612), Verfasser einer »Tweespraeck van de Nederduytsche Letterkunst« (nach Art Joachim du Bellays) und des didaktischen Epos »Hertspieghel«. Aber sie waren nur die Vorläufer der fünf großen Dichter, durch die nun die n. L. gleichzeitig mit dem nationalen Aufschwung ihre klassische Periode erlebte. Pieter Corneliszoon Hooft (1581–1647) brachte aus Italien einen geklärten Renaissancestil mit und schrieb nun sein Pastoral »Granida« (nach Art des Guarini), die Tragödien »Baeto« und »Geraert van Velsen«, die Komödie »De Warenar« (nach Plautus) und seine Tacitus nacheisernden »Leven van Henrik de Groote« und »Nederlandsche Historïen«. Joost van Vondel (1587–1679), an poetischer Begabung Hooft noch übertreffend, war als Lyriker wie als Dramendichter (»Palamedes«, »Joseph in Dothan« und »Joseph in Egypten«, »Lucifer«, »Jephtha«, »Adam in Ballingschap«, »Noach«, »Gijsbrecht van Aemstel«) von gleicher Bedeutung, daneben auch Satiriker und markiger Prosaist. Vondel bezeichnet den Höhepunkt der ältern niederländischen Literatur und ist, trotz nachweisbarer Beeinflussung durch die französischen Dramatiker Garnier und Du Bartas und durch das italienische Pastorale (in den »Leeuwendalers«) ein durchaus selbständiger Genius von großer Formvollendung und hohem Gedankenflug. Constantin Huygens (1596–1686), Vater des berühmten Mathematikers, durch umfassende Sprach- und Literaturkenntnisse ausgezeichnet, pflegte in seiner gehaltvollen Lyrik und Epigrammatik, seinen beschreibendlehrhaften und satirischen Gedichten den gesucht originellen Stil der Euphuisten und wurde nich selten dunkel und schwerfällig. Weniger bedeutend ist seine Komödie »Trijntje Cornelis«. Im Gegensatz zu Huygens vertrat Jacob Cats (1577–1660) die nüchterne Lehrhaftigkeit des Bürgertums und errang mit seinen kün stlerisch nicht immer einwandfreien, aber moralisch tüchtigen »Sinne-en Minne-Beelden« und seinen didaktischen »Maechdenplicht« und »Houwelick« (»Jungfrauenpflicht« und »Ehe«) eine jahrhundertelangne Beliebtheit und den populären Namen Vater Cats. Seine Gedichte galten neben der Bibel als zweites Hausbuch. Wie Cats, so repräsentiert auch Gerbrand Adriaensen Bredero (1585–1618). Lustspieldichter und anmutiger Lyriker, ein Stück seines Volkes. Durch seine Komödien »Jerolimo de Spaansche Brabander« und »Het Moortje« sowie durch seine possenhaften Zwischenspiele (»Kluchten«) schuf er in großer Selbständigkeit selbst bei entlehnter [655] Fabel das nationale holländische Lustspiel. Neben diesen fünf Hauptdichtern wirkten gleichzeitig, resp. als ihre Schüler: Daniel Heinsius, der bekannte Philolog (1580–1655), die Töchter des oben genannten Roemer Visscher Anna (1583–1651) und Maria Tesselschade (1594–1649), bedeutender als durch ihre kleinen Gedichte durch den literarischen Kreis, den sie in ihres Vaters Haus um sich sammelten, der treffliche geistliche Liederdichter Dirk Rafaelszoon Camphuysen (1586–1627), Jan Janssen Starter (geb. 1594 in England, wahrscheinlich in Deutschland während des Dreißigjährigen Krieges gestorben), ein Erotiker und Lustspieldichter von der Art Brederos (»De Friesche Lusthof« und »Jan Soetekauw«), Daniel Jonctijs (1600–52), Schüler Starters, Jeremias de Decker (1609–46) und Joannes Vollenhove (1631–1708), Schüler Cats, Samuel Coster, der 1617 eine Akademie gründete, aus der später (1638) das erste holländische, mit Vondels »Gijsbrecht van Aemstel« eingeweihte Theater (Schouwburg) hervorging, Verfasser von Tragödien (»Iphigenia«, »Itys«) und des Lustspiels »Teeuwis de boer«, die politischen Dichter Jakob Westerbaen (1599–1670) und Joachim Oudaen (1628–92), letzterer auch Dramatiker (»Aaronen Titus«, »Medea«), Reyer Anslo (gest. 1669) mit einem epischen Gedicht auf die Pest zu Neapel, die Vondelschüler Jan Vos (gest. 1667) mit seinen Dramen »Johanna Gray« und »Konradijn« und Joannes Antonides van der Goes (1647–1684) mit den chinesischen Tragödien »Trazil« und »Zungchin« und dem Amsterdam verherrlichenden Gedicht »De Ystroom«, seinem Hauptwerk, der Pastoralendichter Krul u.a. Die Prosaerzählung fand ihre Hauptvertreter in Johan van Heemskerk (1597–1659), der in seiner »Batavischen Arcadia« die Süßlichkeit Scudérys und Honoré d'Urfés in die holländische Literatur einführte und mehrfache Nachahmung fand, so durch Hendrik Zoeteboom (»Zaanlandsche Arcadia«, 1658) und Lambertus Bos (»Dortsche Arcadia«, 1662) und in Nikolaes Heinsius jun. (1655 bis etwa 1704) mit seinem Schelmenroman »De vermakelijke avonturier« (1695). In der wissenschaftlichen Prosa zeichneten sich aus: Geeraart Brandt (1626–85) mit seinen Biographien Vondels und de Ruyters, auch als Epigrammatiker beachtenswert, und der Descartesschüler Balthasar Bekker (1634–98) mit seiner »Betoverde Wereld« und Schriften gegen die Hexenprozesse. Über die sehr reichhaltige volkstümliche, großenteils nationale Liederdichtung jener Zeit vgl. F. van Duyse, Het oude Nederlandsche Lied (Haag 1901), Texte und Melodien umfassend. |
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=== 3) Vom Ende des 17. bis gegen das Ende des 18. Jahrhunderts. === |
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Gegen das letzte Viertel des 17. Jahrh. geriet die n. L. allmählich in Verfall. Die Literatur stellte sich in den Dienst der Politik. Die frühere gewissenhafte Kunstübung wich der Pseudogenialität; die Dichter suchten mehr dem niedrigen Publikum als den Gebildeten zu gefallen, die Reinheit und Korrektheit der Sprache wurde vernachlässigt. Dagegen erhob sich 1669 die Gesellschaft »Nil Volentibus Arduum«, deren Leiter Lodewijk Meyer, der Übersetzer Corneilles, Andries Pels, Verfasser einer Auslegung der Horazischen »Dichtkunst« und der Schrift »Gebruiken Misbruik des Toneels« (1681), und anfangs auch Antonides waren. Nur der letztere, der sich schon bald zurückzog, besaß Talent. Die übrigen waren nur sehr mittelmäßige Dichter und vorwiegend Ästhetiker. Ihr doktrinäres Verfahren, ihre übertriebenen Forderungen an Sprachkorrektheit und Glätte der Versifikation erstickten die dichterische Begeisterung. Statt die großen nationalen Dichter sich zum Vorbild zu nehmen, folgten sie zu sklavisch den französischen Klassikern: Corneille, Racine, Boileau. Diese nachzuahmen, war ihr höchstes Bestreben. Dazu kam, daß durch den langen Frieden von 1713–80 die Tatkraft der Nation erlahmte; übermäßiger Reichtum erzeugte Üppigkeit und wiegte das so energische Volk gleichsam in einen Halbschlummer. Und hierauf folgte eine Zeit ebenso nachteiliger Unruhen. Fortwährendes Unglück infolge von Krieg und Wassersnot schadete seit 1780 dem Wohlstande der Nation; fremde Heere tummelten sich in dem durch Parteiungen zerrissenen Land und schienen den Mut der Bevölkerung völlig erdrücken zu wollen. Doch unter dem stets härter werdenden Druck regte sich die Vaterlandsliebe von neuem. Die Erinnerung an die großen Zeiten der Väter feuerte die Dichter an, den Nationalgeist zu wecken. Die Wirkungen dieses Bestrebens zeigten sich erst recht deutlich nach dem Frieden von 1814. und Künste und Wissenschaften sind seitdem in erfreulichem Fortschreiten begriffen. Wir haben also im ganzen 18. Jahrh. nur wenig ausgezeichnete Namen zu nennen. Als Ausläufer der klassischen Periode sind noch zu nennen: der treffliche Kupferstecher Jan Luyken (1649–1712), als religiöser Dichter später sehr beliebt, doch weit bedeutender in seinen frühern lebensfreudigen Liedern (»Duytse Lier«), der Lyriker Jan van Broekhuizen (1649–1707) und der Landmann Huibert Corneliszoon Poot (1689–1733) mit seinen erotischen und ländlichen Gedichten. Ebenso folgen auch noch einige Lustspieldichter den Spuren Brederos, so Thomas Asselijn (1630–98). der Schöpfer des typischen komischen Liebhabers Jan Klaeszen, Abraham Alewijn (»Jan Los«, 1721) und vor allem Pieter Langendijk (1683–1756) mit seinem »Wederzijds Huwelijksbedrog« und dem »Spiegel der Vaderlandsche Kooplieden«. Dagegen folgten Willem van Focquenborgh (1640–79), Johan van Pfaffenrode und Pieter Bernagie (gest. 1699), alle drei ebenfalls Lustspieldichter, der französischen Richtung. An Tragödien und an epischen Gedichten ist während dieser Periode kein Mangel. Der Hauptvertreter der tragischen und epischen Muse war der Kritiker und Übersetzer der »Henriade«, Sijbrand Feitama (1694–1758), doch hat er in beiden Gattungen nichts Ursprüngliches geleistet. Einzelne originale Tragödien haben wir dagegen von B. Huydecoper, Jan de Marre und Onno Zwier van Haren, dessen episch-lyrisches Gedicht »De Geuzen« noch heute gelesen wird, während die einst berühmten Epopöen von Lucas Rotgans (1654–1710; »Wilhelm III«), Arnold Hoogvliet (1687–1763; »Abraham de aartsvader«) und Lucretia Wilhelmina van Merken (1721–89), die auch als Dramendichterin auftrat, heute der Vergessenheit verfallen sind. Durch seine Prosa zeichnete sich im Anfang des 18. Jahrh. der Gründer eines »Nederlandschen Spectator« (nach englischem Vorbild), Justus van Essen (1684–1735), aus. Den holländischen Roman haben am Ende des Jahrhunderts zwei Frauen, Elisabeth Wolff, geb. Bekker (1738–1804), und Agatha Deken (1741–1804) unter Einfluß von Richardson geschaffen und in den drei Werken »Sara Burgerhart«, »Willem Levend« und »Cornelia Wildschut« die lebendigste Schilderung des Bürgerlebens ihrer Zeit gegeben.[656] |
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=== 4) Vom Ende des 18. Jahrh. bis in die neueste Zeit. === |
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Einen neuen Aufschwung erlebte die n. L. am Ende des 18. Jahrh. unter dem Einfluß der jüngern deutschen Dichtung und Ästhetik durch Hieronymus van Alphen (1746–1803), Rhijnvis Feith (1753--1824) und Pieter Nieuwland (1764–94), doch weit über alle empor ragte Willem Bilderdijk (1756 bis 1831), ein Schüler der Alten und hervorragendes, wenn auch hauptsächlich rhetorisches Talent. Als patriotische Dichter wurden am Ende des 18. Jahrh. Jacobus Bellamy (1757–86), am Anfang des 19. Jahrh. Jan Frederik Helmers (1767–1813) beliebt, besonders jedoch Hendrik Tollens (1780–1856), sonst noch durch seine häuslichen Gedichte populär. Ein humorvoller Erzähler in Versen war A. C. W. Staring (1767–1840). Als Lyriker dieser Periode sind ferner Corn. Loots (1765–1834) und Johannes Kinker (1764–1845), der Gegner Bilderdijks, als Dramatiker Samuel Iperuszoon Wiselius (1769–1845) und Hendrik Harmen Klijn (1773–1856) hervorzuheben. Der Hauptvertreter der niederländischen Prosa dieser Periode war der Politiker und Orientalist Jan Hendrik van der Palm (1763–1840), das Haupt einer ganzen Rednerschule. Er erstrebte gekünstelte Einfachheit und rhythmischen Wohllaut. Ungezwungener, doch oft zu populär schrieb Arend Fokke Simons (1755–1812), als Lyriker ein Schüler Klopstocks. Romane aus dem Mittelalter schrieb Adriaan Loosjes (1761–1818), Romane aus ihrer Zeit Maria Jacoba de Neufville (1775–1856). Eine völlige Änderung trat um 1840 ein. Vorläufer dieser Bewegung waren Jacob Geel (»Onderzoeken phantasie«, 1830), Jacob Vosmaer (»Het levenen de Wandelingen van Meester Maarten Vroeg«) und Petrus van Limburg-Brouwer (1795–1847), der neben Romanen aus dem altgriechischen Leben (»Chariclesen Euphorion« und »Diophanes«) das satirisch-humoristische Werk »Het leesgezelschap te Diepenbeck« schrieb. Dann folgten Beets (1814–1903) mit seiner witzigen »Camera obscura«, Hasebroek (Pseudonym Jonathan, 1812–96) mit seinem »Waarheiden Droomen«, van Lennep (1802–68) mit seinen Romanen, Oltmans (1806–54) mit den Erzählungen: »Het slot Loevestein« und »De schaapherder«, Kneppelhout mit seinen »Studententypen«, van Koetsveld (1807–93) mit seinen »Schetsen uit de Pastorij te Mastland«, Potgieter (1808–75) mit seinen Erzählungen, Frau Bosboom-Toussaint (1812–86) mit ihren trefflichen historischen und Familienromanen, H. J. Schimmel (geb. 1824) mit seinen historischen Romanen, J. A. Alberdingk-Thym (1820–89) mit seinen »Portretten van Vondel«, J. J. Cremer (1827–80) mit seinen Dorfgeschichten, E. Douwes Dekker (Pseudonym Multatuli, 1820–87) mit seiner glühenden Schilderung sozialer Mißbräuche, namentlich auf Java (»Max Havelaar«), Lodewijk Mulder (geb. 1822) und Gerard Keller (1829–90) mit Romanen und Lustspielen, Hendrik de Veer (1829–90) vorzüglich mit seinem »Trouringh voor het jonge Holland«, Jan ten Brink (1834–1901) als Novellist und Literarhistoriker, Potgieter und C. Busken Huet (1826–86) mit ihren kritisch-literarischen Schriften, ein Feld, auf dem sich auch R. C. Bakhuizen van den Brink (1810–65), N. Beets und G. Jonckbloet ausgezeichnet haben. Auch in der Poesie brachen sich um 1840 neue Anschauungen Bahn. Die Reste des französischen Klassizismus mußten dem Romantismus das Feld überlassen. Die antirevolutionären Schüler Bilderdijks, wie der Rhetoriker Isaak da Costa (1798–1860) und Alberdingk-Thym, und die jüngern freisinnigern Schüler von Tollens, wie Adriaan Bogaers (1795–1870) und Bernard ter Haar (1806–80), waren schon von Haus aus dem Romantismus nicht abgeneigt. Größern Einfluß übten aber Scott, Byron und Victor Hugo auf Jacob van Lennet, der auch in seinen »Nederlandsche Legenden« vaterländische Stoffe bearbeitete, auf Nicolaas Beets (»José«, »Guy de Vlaming«, »Ada van Holland« u.a.) und auf W. J. Hofdij (1816 bis 1888). Die Zeitschrift »De Gids«, 1837 von E. J. Potgieter, dem eigentlichen Romantiker der holländischen Literatur, gegründet, gewann damals die größte Autorität und wußte den Romantizismus zu nationalisieren und auch neue politische und ästhetische Tatkraft zu erregen. Der Volks dichter J. P. Heije (1809–76) tat dazu das seinige, auch durch seine Kinderlieder, mit denen er sowie auch Jan Goeverneur (1809–89) die frühern Kinderlieder von van Alphen verdrängte |
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Die neuere Zeit brachte neben dem historischen Roman, der noch immer Pflege fand (Frau Antal-Opzoomer, Pseudonym A. S. C. Wallis, »In dagen van strijd«, 1879; »Vorstengunst«, 1883; J. A. Heuff, Pseudonym J. Huf van Buren, »De kroon van Gelderland«, 1877, »Hertog Adolf«, 1886, u.a.), den Künstlerroman, den musikgeschichtlichen und den sozialen Roman wie in den andern europäischen Literaturen und daneben eine reiche Ausbildung der Novelle. Zu nennen sind: Carel Vosmaer (»Amazone«, 1880; »Inwijding«, 1888), Katharina van Rees (»Muzikale novellen«, 1876), A. Werumeus Buning (»Marineschetsen«, 1880), Carel van Nievelt (»Chiaroscuro«.1882; »Herman Wolsink«, 1889), Johanna van Woude (Pseudonym für Frau Ijzerman-Junius, »Een Hollandsch binnenhuisje«, 1888), Frits Smit Kleine (Pseudonym Piet Bluchtig, »Haagsche hopjes«, 1883; »Kippeveer«, 1888), Virginie Loveling (geb. 1836), Justus van Maurik (1846–1904), Therese Hoven (geb. 1860) und zahlreiche andre. Das Leben in Holländisch-Indien behandelten nach Multatuli vor allem Melati van Java (Pseudonym für Marie Sloot, »De familie van den Resident«, 1875), M. Th. H. Perelaer (»Borneo«, 1881; »Baboe Dalima«, 1886) und P. A. Daum (Pseudonym Maurits, »Hoe hij Raad van Indië werd«, 1888). Skizzen aus dem jüdischen Leben schrieb Herman Heijermans (Pseudonym Samuel Falkland). |
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Das Prosadrama wurde fast gänzlich vernachlässigt, bevor die Stiftung des »Tooneel verbond« (1870) ein neues Interesse für die Bühne erregte. Seitdem hatte Glanor (Pseudonym für Hugo Beijerman) mit dem ernsthaften Lustspiel »Uitgaan« (1873) großen Erfolg, mit »Zijn geheim« einen geringern. Später folgten die Lustspiele von Gerard Keller, Lodewijk Mulder, Johan Gram, Justus van Maurik, Rosier Faassen, welch letztere besonders bühnenfähig und darum populär sind, jedoch dem feinern Geschmack nicht genügen, u.a. P. Brooshooft gab 1883 in »Zijn meisje komt uit!« ein gelungenes Gemälde des Lebens in Niederländisch-Indien; großen Erfolg hatten »Lotos« von Frau Snijder van Wissekerke und »Eerloos« und »Goudvischje« von W. G. Nouhuys (geb. 1854) und das naturalistische »Op hoop van zegen« von H. Heijermans (geb. 1864).[657] |
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Die beliebtesten Dichter von etwa 1850–80 waren J. J. L. ten Kate (1819–89), ein äußerst fruchtbarer Übersetzer (Tasso, Dante, Milton u.a.) und großes Formtalent (»De Schepping«, 1867), und vor allem P. A. de Génestet (1829–61), der gefühlvolle Lyriker des dichterisch gestimmten häuslichen Kreises. François Haver-Schmidt hat sich mit seinen Studentenpoesien »Snikkenen grimlachjes van Piet Paaltjens« (1867) überaus populär gemacht. Zu nennen ist auch der Redner und Staatsmann H. J. A. M. Schaepman (1844–1903), der Verherrlicher des Papsttums (»De Paus«, 1866; »Aya Sophia«, 1886). Carel Vosmaer (1826–88), der Übersetzer der Ilias und Odyssee (1878–88), suchte in der Form und dem Geist der griechischen Poesie eine Anregung zur Neubelebung der modernen Dichtung (»Nanno«, 1883). G. W. Lovendaal (geb. 1847) war glücklich im Kinderlied. Andre Dichter, so der Lyriker Fiore della Neve (Pseudonym für M. van Loghem, geb. 1849) und der Naturschilderer und Epiker Edw. B. Koster (geb. 1861; »Niobe«, 1893) stehen nur mit ihren Anfängen noch in dieser Zeit. |
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Das Drama in Versen ist nur wenig gepflegt worden. Für das höhere Lustspiel gab Helvetius van den Bergh (1799–1873) das Muster mit seinem »De Neven« (1837); von Bedeutung ist Multatulis (Pseudonym für E. D. Dekker) geistvolles Tendenzstück »De Vorstenschool« (1870). Die besten romantischen Schauspiele und Tragödien schrieben H. J. Schimmel und W. J. Hofdijk. Von 1867 an ward die dramatische Produktion durch Preisausschreiben, den Neubau des Amsterdamer Theaters (1874) und die Bemühungen literarischer Gesellschaften vielfach angeregt. Es erschienen von D. F. van Heyst »George de Lalaing« (1872), von H. Th. Boelen »Maria van Utrecht« (1873), von E. de Chateleux »Chandosse« (1877), von Marcellus Emants »Juliaan de Afvallige« (1874) und »Adolf van Gelder« (1886), von H. G. Roodhuyzen »Rebekka« (1882) und als die letzten dieser Gattung »Herodes« (1885) und »Jan Masseur« von D. M. Maaldrink. |
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Um 1880 begann wie ähnlich auch in Frankreich und Deutschland die moderne Bewegung, die 1885 durch die Gründung des »Nieuwen Gids« (s. Gids) ihr Kampforgan erhielt. Die Vorläufer waren der Epiker Marcellus Emants (geb. 1849; »Lilith«, 1879; »Godenschemering«, 1883), später auch als Dramatiker und Erzähler tätig, der feinfühlige Sonettist Jacques Perk (1859–81) und Hélène Swarth (geb. 1859, jetzt Lapidoth-Swarth), eine Dichterin von größter Formvollendung, tiefem Gefühl und durchgebildetem Kunstgeschmack. Als Dichter wie Ästhetiker war Willem Kloos (geb. 1859) der Führer der Modernen, ihm zur Seite Herman Gorter (geb. 1864), Impressionist in seiner Lyrik wie in der größern Dichtung »Mei« (1889), und Albert Verwey (geb. 1865), Dichter des Epos »Persephone« (1885), des Dramas »Johan van Oldenbarneveldt« (1895) und eigenartiger, doch ungleichwertiger Lyriker. Der bedeutendste und vielseitigste der Gruppe ist Frederik van Eeden (geb. 1860), als Lyriker (»Ellen«, »Van de passielooze lelie«), Dramatiker (»Lioba«), philosophischer Dichter (»De Broeders« und »Het lied van schijnen wezen«) wie als phantastischer Erzähler (»De kleine Johannes«, »Johannes Viator« und »Van de koele meren des doods«) gleich ausgezeichnet. Außerdem gehören noch enger zu dieser Richtung: der Lyriker und Dramatiker Hendrik Jan Bocken (geb. 1866), der hervorragende Kritiker und Romandichter Lodewijk van Deyssel (Pseudonym für K. J. L. Alberdingk Thijm, geb. 1864), die Erzähler E. J. de Meester (geb. 1860), Frans Netscher (geb. 1864), A. Aletrino, Jac. van Looy und Henriette Roland Holst van der Schalk (sozialistische Romane). Nahe stehen ihr, ohne ihr jedoch anzugehören, Louis Couperus (geb. 1863), der bedeutendste holländische Romancier dieser Zeit, der sich nach Anfängen in der ältern Schule alsbald der Moderne zuwandte (»Eline Vere«, »Noodlot«, »Extaze«, »Majesteit«, »Wereldvrede«, »De stille kracht« u.a.) und der schlichtere Henri Borel (geb. 1869; »Het jongetje«, »Het recht der liefde«, »Leliane«, »Levenshonger« u.a.). Vgl. über die holländische Moderne Otto Hauser, Die niederländische Lyrik von 1875–1900 (Leipz. 1901). Über die n. L. Belgiens s. Flämische Sprache und Literatur. |
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=== Wissenschaftliche Literatur. === |
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Sehr reich und von bedeutendem Einfluß auf die allgemeine europäische Kultur ist die Tätigkeit der Niederländer auf wissenschaftlichem Gebiet. Schon im frühen Mittelalter war das Land durch seine vorzüglichen Schulen ein berühmter Sitz wissenschaftlicher Studien und die Bildungsstätte, aus der zahlreiche ausgezeichnete Gelehrte und Staatsmänner Deutschlands wie Frankreichs hervorgingen. Obenan standen unter ihnen die Klosterschulen zu Utrecht und zu St.-Amand in Flandern, wo Hucbald (s. d.) lehrte, die Schulen in Lüttich, St. Truyen und Stavelot unfern Lüttich, zu Gemblours in Brabant u.a., die bis ins 12. Jahrh. blühten. Als die meist dem Benediktinerorden zugehörigen Klosterschulen mit diesem selbst allmählich in Verfall gerieten, traten die Domschulen an ihre Stelle, die auch den Laien zugänglich waren und namentlich zur Ausbildung des jungen Adels dienten (am berühmtesten die in Mecheln und in Doornik), sowie später (seit dem 14. Jahrh.) die aus bürgerlichen Kreisen hervorgangene Korporation der »Brüder des gemeinsamen Lebens« (s. d.), die neben der Erweckung echt christlicher Gesinnung sich besonders die Erziehung und Bildung der Jugend zur Aufgabe stellte, und aus deren bald über das ganze Land verbreiteten Schulen eine große Anzahl der hervorragendsten Gelehrten (darunter z. B. Rudolf Agricola und Erasmus von Rotterdam) hervorgingen. Durch diese Gelehrten, die meist ihre Bildung in Italien vollendeten, wurde das eben neuerwachte Studium der klassischen Literatur nach dem Norden verpflanzt und dadurch vorzugsweise der Reformation der Weg gebahnt, durch deren Einführung in den Niederlanden das wissenschaftliche Leben daselbst einen neuen Impuls erhielt, wie sie anderseits zum Befreiungskampf gegen die spanische Gewaltherrschaft und schließlich zur nationalen Selbständigkeit des Landes führte. Von jetzt an knüpft sich die Weiterentwickelung der Wissenschaften in den Niederlanden an die Universitäten, deren im 16. und 17. Jahrh. in den nördlichen Provinzen fünf neue (die erste in Leiden 1575, dann in Franeker, Utrecht, Groningen und Harderwijk) gegründet wurden, die nicht nur als Hauptsitze der Gelehrsamkeit, sondern auch als Hochburgen der Denk- und Gewissensfreiheit, im Gegensatz zu den ältern, an den Satzungen der katholischen Kirche streng festhaltenden Hochschulen (namentlich der in Löwen), bald zu großem Ansehen gelangten und von wißbegierigen Jünglingen aus ganz Europa besucht wurden.[658] |
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Unter den einzelnen Disziplinen, die daselbst mit besonderm Fleiß und Erfolg kultiviert wurden, nimmt die Philologie die erste Stelle ein. Während das Studium des klassischen Altertums mit dem Anfang des 17. Jahrh. in Italien zu sinken begann, fand es gerade auf den niederländischen Universitäten die sorgsamste Pflege und hat sich dieser Teilnahme bis in die Neuzeit fast ununterbrochen zu erfreuen gehabt. Noch im 16. Jahrh. zeichneten sich durch philologische Gelehrsamkeit besonders die Professoren in Löwen Peter Nannius (gest. 1557) und W. Canter (gest. 1573) aus; als scharfsinnige Kritiker sind Lucas Fruytier (Fruterius) in Brüssel und Justus Lipsius (gest. 1606) zu nennen. Lebendiger noch entwickelte sich der Eifer für die humanistischen Studien in dem freien Norden, besonders an der Universität in Leiden, deren erster Kurator, der Staatsmann Jan Douza (gest. 1606), zugleich zu den bedeutendsten Gelehrten jener Zeit gehörte. Es bildete sich daselbst eine neue Art von Wissen, die sogen. Polyhistorie, aus, die man als Nachfolgerin des italienischen Humanismus betrachten kann. Die Leidener Gelehrten gingen nämlich bei ihren Bemühungen um die alten Schriftsteller wohl auch auf die Verbesserung der Texte und auf das Sprachliche aus; aber sie suchten insbes. die Realien, die sogen. Altertümer, zu erklären und sammelten zu diesem Zweck eine Unmasse von Kenntnissen auf. Als Begründer dieser Richtung galt Joseph Justus Scaliger, der seit 1592 in Leiden lehrte und 1609 daselbst starb. Unter den Nachfolgernauf der von ihm gebrochenen Bahn sind hervorzuheben: der vielseitige Gelehrte und Staatsmann Hugo Grotius (gest. 1645), die ausgezeichneten Gelehrten Gerhard Joh. Vossius gest. 1649) und Daniel Heinsius (gest. 1655) und die aus Deutschland eingewanderten Joh. Friedr. Gronovius (gest. 1671), der eigentliche Stifter der holländischen Latinistenschule, und der gleichberühmte, aber schon ziemlich oberflächliche Joh. G. Grävius (gest. 1703), mit dem der Verfall des philologischen Studiums beginnt, das dann in P. Burman (gest. 1741) u.a. zur Kompilation herabsinkt. Um die historische Kenntnis des Altertums insbes. machten sich Joh. Meursius (gest. 1639) und Claudius Salmasis (gest. 1653) verdient, letzterer ein Riese an Gelehrsamkeit, der aber sein ungeheures Material nicht geistig zu sichten und zu verknüpfen verstand. Eine zweite Glanzperiode der holländischen Philologie begann um die Mitte des 18. Jahrh., hervorgerufen durch den Leidener Professor Tiberius Hemsterhuis (gest. 1766), den Stifter der holländischen Hellenistenschule, zu der als Hauptvertreter derselben David Ruhnkenius, einer der größten Philologen des Jahrhunderts (gest. 1798), L. K. Valckenaer (gest. 1785) und Dan. Wyttenbach (gest. 1820) gehörten. Von jüngern verdienen Hervorhebung: die Gräzisten P. van Limburg-Brouwer (gest. 1847), Ph. W. van Heusde (gest. 1859), C. W. Cobet (gest. 1889), H. van Herwerden, S. A. Naber, J. van Leeuwen u.a.; die Latinisten Hofman-Peerlkamp (gest. 1825), J. Bake (gest. 1864), Boot u.a. Auch in der lateinischen Poesie haben sich von alters her die Niederländer zahlreich und mit Vorliebe versucht (vgl. Neulateinische Dichter). Das Studium der orientalischen Sprachen wurde ebenfalls bereits im 17. Jahrh. gefördert und zwar vorzugsweise durch Th. Erpenius und J. Golius, der ein arabisches und persisches Wörterbuch herausgab, im 18. Jahrh. durch Reland (gest. 1718) und namentlich Albr. Schultens (gest. 1750), der den Nachweis der Verwandtschaft der semitischen Sprachen führte und darauf zuerst ein methodisches Studium derselben begründete. Aus seiner Schule gingen zahlreiche verdienstliche Orientalisten hervor, wie sein Sohn Joh. Jakob und sein Enkel Heinr. Albert Schultens, N. W. Schröder, E. Scheidius, Greeve, van der Palm und besonders Hamaker, denen sich später Roorda, Weyers, Juynboll, Uylenbroek, P. A. S. van Limburg-Brouwer und in jüngster Zeit Dozy, Land, de Goeje, Houtsma, Snouck Hurgronje u.a. anreihten. Auch die Sprachen des Indischen Archipels fanden feil den letzten Jahrzehnten eifrige Pflege, vorzüglich bei P. J. Veth (gest. 1895) und namentlich das Javanische (Winter, Gericke, Roorda, Keyser, Meisma, Vreede, Poensen, Janß), das Malaiische (Pijnappel, de Hollander, van der Tuuk), das Makassarische und Bugi (Matthes, Niemann), das Sundanesische (Oosting, Coolsma), das Kawi (van der Tuuk, C. Stuart, J. H. C. Kern), das Dajak (Hardeland), das Atjeh (Snouck Hurgronje), das Fidji (Kern), das Batak (van der Tuuk, Niemann); ebenso das Sanskrit (Kern, Speyer, Warren, Uhlenbeck, Caland, Huyzinga, Vogel), das Chinesische (Hoffmann, G. Schlegel, de Groot, Groeneveldt), das Japanische (Siebold, Hoffmann). Die Brüder Halbertsma förderten das Studium des Friesischen, P. J. Cosijn, W. L. van Helten, J. H. Gallée, B. Symons, R. C. Boer, Kern das Studium der altgermanischen Sprachen, A. G. von Hamel, Salverda de Grave das Alt französische, während im 18. Jahrh. Lambertten Kate (gest. 1731) und B. Huydecoper (gest. 1778), im 19. Jahrh. M. de Vries (gest. 1892), L. A. te Winkel (gest. 1868), E. Verwijs (gest. 1880), H. E. Moltzer (gest. 1895), J. Verdam, W. L. van Helten, J. te Winkel, G. Kalff, R. A. Kollewijn, F. Buitenrust Hettema ihre Aufmerksamkeit der heimischen niederländischen Sprache zuwandten (vgl. Niederländische Sprache). |
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Das Feld der Geschichtschreibung wurde in den Niederlanden mit vielem Fleiß angebaut, doch kam dieselbe erst in den Befreiungskriegen über die chronikartige Berichterstattung früherer Jahrhunderte hinaus. Hauptgegenstand der historischen Darstellung war von Anfang an und blieb die vaterländische Geschichte, die nach van Meteren und Bor der Dichter P. C. Hoost (gest. 1647) in seiner noch heute für klassisch gelten den Darstellung des Befreiungskampfes (»Nederlandsche Historien«, 1642–54) in der Landessprache behandelte. Ihm zunächst stehen des Hugo Grotius »Annales et historiae de rebus belgicis« (1657) und die geschichtlichen, ebenfalls lateinisch geschriebenen Werke des friesischen Geschichtsforschers Ubbo Emmius (gest. 1626). Weiter folgten Gerard Brandt (gest. 1685) mit seiner gefällig, aber sehr breit erzählten Geschichte der niederländischen Reformation (»Historie der reformatie«, 1671, 4 Bde.) und seiner trefflichen Biographie des Admirals de Ruyter (1680); Pieter Valckenier, der in seinem bekannten Werk »Verwerd Europa« ein Gemälde Europas zur Zeit Ludwigs XIV. in ermüdender Ausführlichkeit entwarf, und der Friese Lieuwe van Aitzema (gest. 1669), dessen Beschreibung der Ereignisse der Jahre 1621–1668 (»Zaken van staaten oorlog«) gar 16 Quartbände füllte. Bloße Kompilationen sind die Geschichtsdarstellungen von G. van Loon (»Aloude hollandsche historie«, 1734), van der Vyuckt u.a. Dagegen gab Jan Wagenaar (gest. 1773) in seiner 21 Bände umfassenden »Vaderlandsche historie« eine erste Probe kritischer Geschichtsforschung und fand in Simon Stijl (gest. 1804), dem Verfasser von[659] »Opkomsten bloei der vereenigde Nederlanden« (1774), worin zuerst eine philosophische Behandlung der Geschichte versucht wird, in Elias Luzac (gest. 1796), der eine erste ökonomische Geschichte der Niederlande (»Hollands Rijkdom«, 1780–83, 4 Bde.) schrieb, in J. W. te Water und Adriaan Kluit (gest. 1807), der in seiner »Historie der hollandsche staatsregering« vielleicht am tiefsten in den Geist und das Wesen der niederländischen Geschichte eindrang, würdige Nachfolger. Später schrieb der Dichter Bilderdijk (gest. 1831) eine umfangreiche »Geschiedenis des vaderlands«, die in absolutistischem Geist gehalten ist. Van Kampens Darstellung desselben Gegenstandes fand wegen ihrer gefälligen Form vielen Beifall. Inzwischen war durch die Arbeiten des Reichsarchivars H. van Wijn (gest. 1831) ein sehr nachhaltiger Anstoß zu eingehenderer Geschichtsforschung gegeben worden, der die Herausgabe mehrfacher Urkunden- und Quellensammlungen und zahlreicher darauf gestützter Monographien zur Folge hatte. Hervorzuheben sind davon vornehmlich Groen van Prinsterers »Archives, ou correspondance inédite de la maison d'Orange-Nassau« (1835–65, 15 Bde.), das Resultat unermüdlicher und gewissenhaftester Forschung, sowie die Arbeiten von Bakhuizen van den Brink (gest. 1865), J. C. de Jonge (gest. 1853), J. Bosscha (gest. 1874), J. ter Gouw (gest. 1894), Th. Jorissen (gest. 1889), R. Fruin (gest. 1899), S. Muller, P. L. Muller (gest. 1904) und P. J. Blok (»Geschiedenis van het nederlandsche volk«, seit 1892). Andre Abschnitte der Weltgeschichte behandelten der französische Emigrant Basnage in seiner »Histoire des juifs depuis Jésus-Christ« (1716, 15 Bde.), M. Stuart in seiner »Romeinsche geschiedenis« (1792 ff., 30 Bde.); Dozy (gest. 1883) in der »Histoire des musulmans d'Espagne« (1861, 4 Bde.), während sich Ysbrand van Hamelsveld (gest. 1812, »Allgemeene geschiedenis der christelijke kerk«, 1799 ff., 26 Bde.), Willem Moll »Kerkgeschiedenis van Nederland voor de hervorming«, 1864–71), E. J. Diest Lorgion (gest. 1876), J. G. de Hoop Scheffer (gest. 1894), Ae. W. Wybrands (gest. 1886) und J. G. R. Acquoy als Kirchenhistoriker einen Namen machten. |
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Auch die '''Literaturgeschichte''' wurde fleißig behandelt, zunächst durch eine Reihe biographischkritischer Lexika, wie das noch heute wertvolle »Onomasticon literarium« von Saxe (Utrecht 1775–1803, 8 Bde.), das »Biographischen critisch woordenboek der nederlandsche dichters« von Witsen Geysbeek (Amsterd. 1821–27, 6 Bde.), das »Nieuw biographischen critisch woordenboek van nederlandsche dichters« von van der Aa (das. 1844, 3 Bde.), das treffliche »Biographisch woordenboek der Nederlanden« (Haarl. 1852–77), »Vermomdeen naamlooze schrijvers« (Leiden 1883–85) von van Doorninck, »Biographisch Woordenboek der Noorden Zuidnederlandsche letterkunde« von G. Frederiks und F. J. van den Branden (Amsterd. 1878, 2. Aufl. 1892) u.a.; sodann in zusammenhängender Darstellung durch H. van Wijn (»Historischeen lett. avondstonden«, 1800), Jeronimo de Vries (»Proeve eener geschiedenis der nederlandsche dichtkunde«. 1810, 2 Bde.), Willems (»Verhandeling over de nederduitsche taalen letterkunde«, 1819–24, 2 Bde.), van Kampen (»Beknopte geschiedenis der letterenen wetenschappen in de Nederlanden«, Haag 1821–26, 3 Bde.), Siegenbeek (»Beknopte geschiedenis der nederlandsche letterkunde«, Haarl. 1826), in neuester Zeit besonders durch die Arbeiten von Jonckbloet (»Geschiedenis der middennederlandsche dichtkunst«, Amsterd. 1851–54, 3 Bde.; »Geschiedenis der nederlandsche letterkunde«, 3. Aufl., Groning. 1881–86, 6 Bde.; deutsch, Leipz. 1870–72, 2 Bde.), J.ten Brink (»Geschiedenis der noord-nederlandsche letteren in de XIX. eeuw«, Amsterd. 1888–89, 3 Bde.; »Geschiedenis der nederlandsche letterkunde«, das. 1895), J. te Winkel (»Geschiedenis der nederlandsche letterkunde«, Haarl. 1887 ff.), G. Kalff (»Geschiedenis der nederlandsche letterkunde in de XVI. eeuw«, Amsterd. 1889, 2 Bde.; »Literatuuren tooneel te Amsterdam in de XVII. eeuw«, Haarl. 1895), P. H. van Moerkerkan (»Het Nederlandsche kluchtspeel in de XVII. eeuw«, Sneek 1898). Literarhistorische Monographien schrieben unter andern J. Scheltema (gest. 1835), Bakhuizen van den Brink (gest. 1865), G. D. J. Schotel (gest. 1892), J. van Vloten (gest. 1883), Th. Jorissen (gest. 1889), A. Pierson, J.ten Brink, H. E. Moltzer (gest. 1895), Haverkorn van Rijsewijk, J. te Winkel, C. N. Wybrands, J. A. Worp, G. Kalff, R. A. Kollewijn. Wertvoll sind die sogen. »Zwolschen Herdrukken«, in Zwolle erscheinende Neudrucke älterer Literaturwerke; an literarwissenschaftlichen Zeitschriften sind zu nennen: »Tijdschrift voor Nederlandsche taal-en letterkunde« (Leiden), »Taalen Letteren« (früher im Haag, jetzt Leiden), »De Nederlandsche Spectator« (im Haag), »Oud-Holland« (Amsterd.). Als Vertreter der Kunstgeschichte sind aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. bis in die Gegenwart zu nennen: P. Scheltema, A. D. de Vries, N. de Roewer, T. van Westrheene, A. Bredius, C. Hofstede de Groot, J. Ph. van der Kellen, Jan Veth etc. |
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In der Philosophie haben sich die Niederländer vorzüglich dadurch einen hohen Ruhm bei der Nachwelt erworben, daß ihr Land mehreren der originellsten und kühnsten Denker des Auslandes eine Freistatt bot: namentlich Descartes, der hier sein epochemachendes System ausbildete, und Bayle, der von Holland aus durch seinen in allgemein verständlicher Sprache dargelegten Skeptizismus zu vorurteilsfreier Forschung anregte. Die Philosophie des Descartes fand in den Niederlanden zahlreiche Anhänger, die wie A. Heereboord, A. Geulincx, Balth. Bekker, (gest. 1698), der Verfasser von »De betoverde wereld«, seine Ideen verbreiteten und weiter zu entwickeln suchten. Der berühmteste der niederländischen Philosophen aber ist unstreitig Baruch Spinoza (s. d.). Die Angriffe der Gegner auf Spinoza und den englischen Philosophen Hobbes, unter denen 's Gravesande (gest. 1742) den meisten Scharfsinn aufbot, gaben oft zu anregenden Diskussionen Anlaß; allein die Philosophie selbst fand dabei nur geringe Förderung. Später bemühten sich van Hemert und Kinker, die Kantsche Philosophie in Holland einzuführen; aber auch sie wurde weder in ihrer ganzen Tiefe erfaßt noch selbständig weitergeführt. Eingehendere Pflege fand die griechische Philosophie und zwar ebensowohl durch vortreffliche philologische Behandlung der Originalwerke wie durch selbständige Erzeugnisse im griechisch-philosophischen Geist, unter denen sich besonders die von Franz Hemsterhuis (gest. 1790) und van Heusde (gest. 1859) auszeichnen. Eine zusammenhängende Darstellung der Ästhetik versuchte H. van Alphen (gest. 1803). Als die bedeutendsten Philosophen der neuern Zeit sind Opzoomer (gest. 1892), van der Wijck, Spruyt und Bolland zu nennen.[660] Die Theologie, jahrhundertelang in schwere Bande geschlagen, suchte diese im 16. Jahrh. allmählich zu lösen, nachdem die Reformation Anlaß zu freierer Schrifterklärung und zu fruchtbringender Polemik gegeben hatte. Der Bahnbrecher in dieser Richtung war wiederum Hugo Grotius, der »Annotationes in Vetus et Novum Testamentum«, 1644–50, veröffentlichte und in seinem berühmten Buch »De veritate religionis christianae« zugleich eine vorzügliche Apologie des Christentums gab. Allein der unselige Streit der Gomaristen und Remonstranten oder Arminianer (s. d.) über die Prädestinationslehre, in dem erstere, die Verteidiger des strengen calvinistischen Lehrbegriffs, die Oberhand behielten, sowie kurz darauf der Streit der Jansenisten in den südlichen Niederlanden traten bald jedem unbefangenen wissenschaftlichen Fortschritt hindernd entgegen. Verdienstlicher war die stille Tätigkeit der Bollandisten (s. d.), welche die »Acta Sanctorum« herausgaben. Eine freiere und wissenschaftlichere Auffassung der Theologie begann erst gegen Ende des 18. Jahrh. sich Bahn zu brechen, vorzugsweise durch die Tätigkeit von H. A. Schultens, Bosveld und dem Dogmatiker van Voorst, denen sich im 19. Jahrh. Borger, van Hengel, Holwerda, van der Palm, Muntinghe, Heringa etc. anschlossen. Seit den letzten Jahrzehnten haben sich in der reformierten Kirche drei Parteien gebildet: die ortrhodoxe oder altcalvinistische, die, von Abr. Kuyper gegründet, in der Freien Universität ihren Stützpunkt hat; die Vermittelungspartei, die in den Utrechter Professoren Doedes und van Oosterzee (gest. 1882), und die sogen. moderne oder kritische Schule, die in den Leidener Professoren Scholten (gest. 1885) und Kuenen (gest. 1891) ihre besten Wortführer fand; die sogen. Groninger Schule, mit Pareau (gest. 1866) und Hofstede de Groot (gest. 1886) an der Spitze, hat ihren frühern Einfluß eingebüßt. Die vergleichende Religionsgeschichte fand in Tiele, Chantepie de la Saussaye, van Manen, Oort, Wildeboer und Kosters Bearbeiter. |
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Die Pflege der Rechtswissenschaft blühte in Holland namentlich nach der Mitte des 17. Jahrh. und trug nicht wenig zu der Anziehungskraft bei, welche die niederländischen Universitäten für die studierende Jugend des In- und Auslandes hatten. Gegenstand des Studiums war fast ausschließlich das römische Recht. Als die bedeutendsten Juristen jener Zeit sind Johann Voet (gest. 1714), Gerard Noodt (gest. 1725) nebst seinem Gegner Corn. van Bynkershoek (gest. 1743) und besonders Ant. Schulting (gest. 1754) zu nennen, von deren Schülern van de Keessel und der einer freiern, philosophischern Auffassung huldigende H. Const. Cras (gest. 1820) wieder Führer besonderer Schulen wurden. Das erste Handbuch des einheimischen Landrechts, das bis zum 19. Jahrh. als Leitfaden benutzt wurde, gab H. Grotius in seiner »Inleiding tot de hollandsche regtsgeleerdheid« (1631); auch ward derselbe durch seine berühmten Werke: »De jure belli et pacis« und »Mare liberum« Begründer des Staats- und Völkerrechts. Als Lehrer des kanonischen Rechts erwarb sich van Espen (gest. 1728) europäischen Ruf. Als bedeutende Staatsrechtslehrer der neuern Zeit sind Thorbecke (gest. 1872), nächst ihm J. de Bosch Kemper (gest. 1876), G. W. Vreede (gest. 1880) und J. Th. Buys (gest. 1893), als Nationalökonomen besonders de Bruin Kops (gest. 1887) und Vissering (gest. 1888) zu nennen. Für die Pflege der ältern niederländischen Rechte hat sich 1879 ein Verein gebildet unter Fruin, Pols, S. Muller, Fockema Andreae u.a., dem viele schätzbare Arbeiten zu verdanken sind. |
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Von den überaus glänzenden Leistungen, deren sich die Niederländer endlich auf dem Gebiet der Naturwissenschaften und der Mathematik nebst den verwandten Disziplinen zu rühmen haben, seien nur einige der bedeutendsten Erscheinungen erwähnt. So erinnern wir an Vesalius, den Begründer der neuern Anatomie (gest. 1567), und die lange Reihe niederländischer Anatomen, die sich durch wichtige Entdeckungen (wie z. B. Swammerdam und Leeuwenhoek durch ihre mikroskopischen Beobachtungen) verdient gemacht haben; an den Reformator der Medizin, H. Boerhaave (gest. 1738), zu dessen berühmtesten Schülern van Swieten und der Schweizer Haller gehörten; an die zahlreichen und schätzenswerten Arbeiten der Niederländer auf dem Felde der Naturgeschichte (Botanik und Zoologie) namentlich im 18. Jahrh.; an die Mathematiker Ludolf van Ceulen (gest. 1610), der die sogen. Ludolfsche Zahl bestimmte, und Snell (gest. 1626), der die trigonometrische Methode der Meridianmessung erfand und das Gesetz der Strahlenbrechung entdeckte; an Christian Huygens (gest. 1695), gleich groß als Mathematiker, Astronom und Physiker, und van Swinden (gest. 1823), den Mitbegründer des metrischen Maßsystems; an G. Mercator (gest. 1594), der die nach ihm benannte geographische Projektion entwarf; an Jansen (um 1590), den Erfinder des Fernrohrs, und Cunäus (1746), den Erfinder der Leidener Flasche, etc. Aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrh., die den neuen großen Aufschwung aller Naturwissenschaften brachte, bis in die Gegenwart sind zu nennen: die Naturhistoriker Jan van der Hoeven, H. Schlegel, der Vorläufer Darwins F. C. Donders, der Chemiker G. J. Mulder, der Meteorolog und Physiolog C. H. D. Buys Ballot etc.; aus neuester Zeit: die Physiker H. A. Lorentz und J. D. van der Waals, der Chemiker J. H. van t'Hoff, der Botaniker Hugo de Vries (Zellentheorie) etc. |
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Die besten Werke über die Geschichte der niederländischen Literatur sind oben (S. 660) erwähnt; außerdem seien genannt: Lina Schneider, Geschichte der niederländischen Literatur (Leipz. 1887); Mone, Übersicht der niederländischen Volksliteratur älterer Zeit (Tübing. 1838); Hoffmann von Fallersleben, Übersicht der mittelniederländischen Dichtung (1. Teil der »Horae belgicae«, 2. Ausg., Hannov. 1857); v. Hellwald, Geschichte des holländischen Theaters (Rotterd. 1874); Luc. Müller, Geschichte der klassischen Philologie in den Niederlanden (Leipz. 1869). |
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Quelle: |
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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 653-661. |
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http://www.zeno.org/nid/20007153724 |
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== Damen Conversations Lexikon 1835 == |
== Damen Conversations Lexikon 1835 == |
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== Brockhaus 1839 == |
== Brockhaus 1839 == |
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Niederländische Kunst, Literatur, Sprache und Wissenschaft |
'''Niederländische Kunst, Literatur, Sprache und Wissenschaft''' |
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[289] Niederländische Kunst, Literatur, Sprache und Wissenschaft, Da die am frühesten bekannten Bewohner der Niederlande durchaus deutscher Abkunft waren, so gehörten auch die von ihnen gesprochenen Mundarten dem deutschen Sprachstamme an und stimmten mit den in den angrenzenden deutschen Ländern gangbaren noch im 10. Jahrh. völlig überein. In den südl. Landestheilen fing aber nun das Französische an, sich besonders unter dem Adel zu verbreiten, und gewann vorzüglich an Ausdehnung, während das Haus Burgund im 14. und 15. Jahrh. einen großen Theil der niederländ. Provinzen erwarb und das Französische Hofsprache war. Auch jetzt ist es in einem großen Theile der Niederlande, und namentlich im Königreich Belgien, in allen großen Städten herrschend und hat während der Vereinigung des Landes mit dem franz. Kaiserthume von Neuem festen Fuß gefaßt. Aus einer Vermischung des Altfranzösischen mit den ursprünglich deutschen Mundarten entstand das Wallonische, welches südl. von Brüssel im sogenannten Wallonischen oder in Wälschbrabant, in Namur, Lüttich, Hennegau und einem Theile von Limburg noch die Sprache der untern Volksclassen ist. In den übrigen südl. Landestheilen und in Nordbrabant reden diese jedoch Flamländisch oder Flämisch, eine mit wallonischen Ausdrücken gemischte und durch französirende Aussprache verderbte, deutsche Mundart, welche noch auf einer tiefen Stufe der Ausbildung steht, in der jedoch auch Volksschriften und geistliche Bücher gedruckt sind und der schriftliche Verkehr zwischen Kleinkrämern und dergl. geführt wird. Im Norden blieb dagegen die Sprache länger frei von fremder Beimischung und das Holländische bildete sich hier seit dem 15. Jahrh. zur Geschäfts- und Schriftsprache aus und ward als solche in den durch den niederländ. Befreiungskrieg vereinigten sieben Provinzen angenommen, was neuerdings König Wilhelm I. auch in den südl. Landestheilen, wiewol vergeblich, zu bewirken suchte. Die jetzige Ausbildung erlangte das Holländische oder die eigentliche niederländ. Nationalsprache erst seit dem vorigen Jahrh., wo man anfing, die fremdartigen Beimischungen wieder zu entfernen, welche durch zahllose Einwanderer aus allen Theilen Europas und den abwechselnd vorherrschenden franz. und engl. Einfluß sich eingeschlichen und namentlich die Umgangssprache ungemein verderbt hatten. |
[289] Niederländische Kunst, Literatur, Sprache und Wissenschaft, Da die am frühesten bekannten Bewohner der Niederlande durchaus deutscher Abkunft waren, so gehörten auch die von ihnen gesprochenen Mundarten dem deutschen Sprachstamme an und stimmten mit den in den angrenzenden deutschen Ländern gangbaren noch im 10. Jahrh. völlig überein. In den südl. Landestheilen fing aber nun das Französische an, sich besonders unter dem Adel zu verbreiten, und gewann vorzüglich an Ausdehnung, während das Haus Burgund im 14. und 15. Jahrh. einen großen Theil der niederländ. Provinzen erwarb und das Französische Hofsprache war. Auch jetzt ist es in einem großen Theile der Niederlande, und namentlich im Königreich Belgien, in allen großen Städten herrschend und hat während der Vereinigung des Landes mit dem franz. Kaiserthume von Neuem festen Fuß gefaßt. Aus einer Vermischung des Altfranzösischen mit den ursprünglich deutschen Mundarten entstand das Wallonische, welches südl. von Brüssel im sogenannten Wallonischen oder in Wälschbrabant, in Namur, Lüttich, Hennegau und einem Theile von Limburg noch die Sprache der untern Volksclassen ist. In den übrigen südl. Landestheilen und in Nordbrabant reden diese jedoch Flamländisch oder Flämisch, eine mit wallonischen Ausdrücken gemischte und durch französirende Aussprache verderbte, deutsche Mundart, welche noch auf einer tiefen Stufe der Ausbildung steht, in der jedoch auch Volksschriften und geistliche Bücher gedruckt sind und der schriftliche Verkehr zwischen Kleinkrämern und dergl. geführt wird. Im Norden blieb dagegen die Sprache länger frei von fremder Beimischung und das Holländische bildete sich hier seit dem 15. Jahrh. zur Geschäfts- und Schriftsprache aus und ward als solche in den durch den niederländ. Befreiungskrieg vereinigten sieben Provinzen angenommen, was neuerdings König Wilhelm I. auch in den südl. Landestheilen, wiewol vergeblich, zu bewirken suchte. Die jetzige Ausbildung erlangte das Holländische oder die eigentliche niederländ. Nationalsprache erst seit dem vorigen Jahrh., wo man anfing, die fremdartigen Beimischungen wieder zu entfernen, welche durch zahllose Einwanderer aus allen Theilen Europas und den abwechselnd vorherrschenden franz. und engl. Einfluß sich eingeschlichen und namentlich die Umgangssprache ungemein verderbt hatten. |
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== Pierer 1860 == |
== Pierer 1860 == |
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[271] Niederländische Sprache und Literatur. Die niederländ. Sprache ist aus den Mundarten der in den Niederlanden seit dem 6. Jahrh. wohnenden german. Völkerschaften (Franken, Sachsen, Friesen) hervorgegangen. Das Altniederländische ist dem Altsächsischen (im »Heliand«) am nächsten verwandt; der Übergang ins Mittelniederländische (seit dem 12. Jahrh.) ist dem des Althochdeutschen ins Mittelhochdeutsche analog; ältestes Denkmal eine Keure (Verordnung) der Stadt Brüssel von 1229. Das Neuniederländische (Holländische), neben dem gegenwärtig im NO. das Friesische (s. Friesen), in Flandern und Südbrabant die Flämische Sprache (s.d.) als Dialekt gesprochen wird, hat sich seit Ende des 16. Jahrh. ausgebildet. Die jetzt gültige Orthographie ward nach dem System von Siegenbeek (1804), bes. durch den Unterrichtsminister van der Palm (1799-1806) festgesetzt. Grammatiken von Weiland (1805), Brill (1852 u.ö.), Kummer (1898) u.a.; des Mittelniederländischen von Frank (1883), von Helten (1887); Wörterbücher von Weiland (11. Bde., 1799-1811), de Vries und te Winkel (seit 1864), Dale-Oprel (1897 fg.), etymologische von Franck (1892) und Vercouillie (1891). – Vgl. te Winkel, »Geschichte der N.S.« (2. Aufl. 1898). |
[271] Niederländische Sprache und Literatur. Die niederländ. Sprache ist aus den Mundarten der in den Niederlanden seit dem 6. Jahrh. wohnenden german. Völkerschaften (Franken, Sachsen, Friesen) hervorgegangen. Das Altniederländische ist dem Altsächsischen (im »Heliand«) am nächsten verwandt; der Übergang ins Mittelniederländische (seit dem 12. Jahrh.) ist dem des Althochdeutschen ins Mittelhochdeutsche analog; ältestes Denkmal eine Keure (Verordnung) der Stadt Brüssel von 1229. Das Neuniederländische (Holländische), neben dem gegenwärtig im NO. das Friesische (s. Friesen), in Flandern und Südbrabant die Flämische Sprache (s.d.) als Dialekt gesprochen wird, hat sich seit Ende des 16. Jahrh. ausgebildet. Die jetzt gültige Orthographie ward nach dem System von Siegenbeek (1804), bes. durch den Unterrichtsminister van der Palm (1799-1806) festgesetzt. Grammatiken von Weiland (1805), Brill (1852 u.ö.), Kummer (1898) u.a.; des Mittelniederländischen von Frank (1883), von Helten (1887); Wörterbücher von Weiland (11. Bde., 1799-1811), de Vries und te Winkel (seit 1864), Dale-Oprel (1897 fg.), etymologische von Franck (1892) und Vercouillie (1891). – Vgl. te Winkel, »Geschichte der N.S.« (2. Aufl. 1898). |
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Die Nationalliteratur der Niederlande hat keine universalgeschichtliche Bedeutung erreicht. Die höfischen, dem karolingischen, brit., byzant. und klassischen Sagenkreise angehörenden Epopöen, erst aus dem Anfang des 13. Jahrh. stammend und als Übersetzungen meist von geringerm dichterischem Wert (»Roman van Lancelot«, »Floris en Blancefloer« etc.), werden durch die der Tiersage angehörende Volksdichtung »Reinaert« (s. Reineke Vos) weit übertroffen, Ende des 13. Jahrh. aber von einer aus lat. Quellen schöpfenden didaktischen Dichtungsart (Reimchroniken, Lehrgedichte, Legenden), deren Hauptvertreter Maerlant (s.d.) und (im 14. Jahrh.) Boendale (»Der Leken spieghel«, 1325-30) sind, verdrängt. An ihre Stelle traten seit Mitte des 14. Jahrh. kürzere, von den Wanderdichtern, den sog. Sprekers (Hildegaersberch um 1350-1400), gepflegte Spruchgedichte. Dieselben fanden durch den bedeutendsten Dichter des 15. Jahrh., Dirc Potter (»Der Minnen Loep«), auch Eingang in die höfischen Kreise, welche sich damals mit dem Bürgerstande in den Kammern (poet. Vereine) der Rederijker zur Verfolgung gemeinsamer literar. Zwecke durch Übungen und Vorträge und zur Aufführung von Schauspielen verbanden. Die bedeutendste war die zu Amsterdam; ihre Mitglieder Marnix, Coornhert, Visscher, Spieghel, Vertreter des Klassizismus, um die Hebung der Schriftsprache durch grammatische Schriften und Aufstellung von prosaischen und poet. Mustern verdient, wurden noch übertroffen durch die drei originellsten niederländ. Dichter Hooft (1581-1647, Liebesgedichte, auch meisterhafte Prosa), Vondel (1587-1679, unübertroffen in Drama, Satire und Lyrik) und Huyghens (1596-1686, lyrische, didaktische, satir. Gedichte), welche den Höhepunkt der niederländ. Literatur bezeichnen. Neben ihnen gewann noch Coster mit satir. antikirchlichen Dramen, Cats (1577-1660) als populärer Schriftsteller (»Het boek van Vader Cats«) und Bredero (1585-1618) als Begründer des niederländ. Lustspiels Bedeutung. Seit Ende des 17. Jahrh. sank die Literatur, am tiefsten seit dem Überhandnehmen des franz. Einflusses, von dem sich nur wenig talentvolle Männer (Poot, Broekhuisen, Langendijk) freizuhalten suchten. Erst Ende des 18. Jahrh. trat bes. durch die Beschäftigung mit der deutschen und engl. Literatur eine Besserung ein, angebahnt durch die Schöpferin des Romans, Elisabeth Wolff und Agathe Deken, und die Dichter Alphen, Bellamy und Feith, fortgesetzt durch Bilderdijk, die Lyriker Helmers, Tollens, Loots, da Costa, Potgieter, Loosjes (auch Dramatiker), Staring (Humorist), den Didaktiker Kinker u.a. und vollendet durch van Lennep, welcher die Romantik einführte und durch seine poet. vaterländischen Sagen- und Geschichtserzählungen den falschen franz. Klassizismus zurückdrängte; ihm folgten Bogaers, ten Haar, Beets; im Roman: Oltmans (van den Hage), de Bosboom-Toussaint, Opzoomer (Wallis) u.a. Neue Bahnen wandelten etwa seit 1880 Hélène (Lapidoth)-Swarth, J. Perk, Gorter, Prins, Alb. Thijm, Couperus, Streuwels, Netscher u.a. |
Die Nationalliteratur der Niederlande hat keine universalgeschichtliche Bedeutung erreicht. Die höfischen, dem karolingischen, brit., byzant. und klassischen Sagenkreise angehörenden Epopöen, erst aus dem Anfang des 13. Jahrh. stammend und als Übersetzungen meist von geringerm dichterischem Wert (»Roman van Lancelot«, »Floris en Blancefloer« etc.), werden durch die der Tiersage angehörende Volksdichtung »Reinaert« (s. Reineke Vos) weit übertroffen, Ende des 13. Jahrh. aber von einer aus lat. Quellen schöpfenden didaktischen Dichtungsart (Reimchroniken, Lehrgedichte, Legenden), deren Hauptvertreter Maerlant (s.d.) und (im 14. Jahrh.) Boendale (»Der Leken spieghel«, 1325-30) sind, verdrängt. An ihre Stelle traten seit Mitte des 14. Jahrh. kürzere, von den Wanderdichtern, den sog. Sprekers (Hildegaersberch um 1350-1400), gepflegte Spruchgedichte. Dieselben fanden durch den bedeutendsten Dichter des 15. Jahrh., Dirc Potter (»Der Minnen Loep«), auch Eingang in die höfischen Kreise, welche sich damals mit dem Bürgerstande in den Kammern (poet. Vereine) der Rederijker zur Verfolgung gemeinsamer literar. Zwecke durch Übungen und Vorträge und zur Aufführung von Schauspielen verbanden. Die bedeutendste war die zu Amsterdam; ihre Mitglieder Marnix, Coornhert, Visscher, Spieghel, Vertreter des Klassizismus, um die Hebung der Schriftsprache durch grammatische Schriften und Aufstellung von prosaischen und poet. Mustern verdient, wurden noch übertroffen durch die drei originellsten niederländ. Dichter Hooft (1581-1647, Liebesgedichte, auch meisterhafte Prosa), Vondel (1587-1679, unübertroffen in Drama, Satire und Lyrik) und Huyghens (1596-1686, lyrische, didaktische, satir. Gedichte), welche den Höhepunkt der niederländ. Literatur bezeichnen. Neben ihnen gewann noch Coster mit satir. antikirchlichen Dramen, Cats (1577-1660) als populärer Schriftsteller (»Het boek van Vader Cats«) und Bredero (1585-1618) als Begründer des niederländ. Lustspiels Bedeutung. Seit Ende des 17. Jahrh. sank die Literatur, am tiefsten seit dem Überhandnehmen des franz. Einflusses, von dem sich nur wenig talentvolle Männer (Poot, Broekhuisen, Langendijk) freizuhalten suchten. Erst Ende des 18. Jahrh. trat bes. durch die Beschäftigung mit der deutschen und engl. Literatur eine Besserung ein, angebahnt durch die Schöpferin des Romans, Elisabeth Wolff und Agathe Deken, und die Dichter Alphen, Bellamy und Feith, fortgesetzt durch Bilderdijk, die Lyriker Helmers, Tollens, Loots, da Costa, Potgieter, Loosjes (auch Dramatiker), Staring (Humorist), den Didaktiker Kinker u.a. und vollendet durch van Lennep, welcher die Romantik einführte und durch seine poet. vaterländischen Sagen- und Geschichtserzählungen den falschen franz. Klassizismus zurückdrängte; ihm folgten Bogaers, ten Haar, Beets; im Roman: Oltmans (van den Hage), de Bosboom-Toussaint, Opzoomer (Wallis) u.a. Neue Bahnen wandelten etwa seit 1880 Hélène (Lapidoth)-Swarth, J. Perk, Gorter, Prins, Alb. Thijm, Couperus, Streuwels, Netscher u.a. |
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Aktuelle Version vom 4. Mai 2023, 16:20 Uhr
Meyers 1908
[653] Niederländische Literatur. Die schöne Literatur der Niederländer fängt in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. an mit Heinrich von Veldeke (s. d., Bd. 9), einem Edelmann aus dem Südlimburgischen. Seine erste Dichtung (in südlimburgischer Mundart. s. Artikel »Niederländische Sprache«) war die »Sinte Servatius Legende« (hrsg. von Bormans, 1858). aus dem Lateinischen übersetzt. Später (um 1184) lieferte er eine freie Übersetzung der französischen »Eneide«, die dem Benoit de Saint-More zugeschrieben wird und ca. 30 Liebeslieder, die jedoch, wie auch[653] die »Eneide«, nur in hochdeutsch gefärbten Handschriften erhalten und fast nur in Deutschland bekannt geworden sind. Nach 1200 fangen auch die Brabanter und Flamen an, Gedichte in der Volkssprache zu verfassen, und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts darf man die n. L. als begründet betrachten.
1) Vom 13. bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts.
Die ältesten Denkmäler der niederländischen Literatur sind fast nur Übersetzungen von französischen Ritterromanen. Die deutsche Heldensage ist in den Niederlanden augenscheinlich nur wenig bekannt geblieben. Nur dürftige Spuren davon können mühsam gesammelt werden. Die Fragmente des halb epischen, halb komischen Gedichts »Van den bere Wissei an we« weisen auf Einfluß der deutschen Spielmannsdichtung hin, und die Bruchstücke einer Übersetzung des Nibelungenliedes beweisen. daß die deutsche Literatur nicht ganz unbeachtet geblieben ist; sonst aber folgte die n. L. im ganzen der Entwickelung der französischen. Die vorzüglichste Leistung der mittelniederländischen Poesie ist der ergötzliche Tierroman »Van den Vos Reinaerde« (hrsg. von Martin, 1874, und Buitenrust Hettema und Muller, 1903), der seine französischen Vorbilder, vor allem Pierre de Saint-Cloud, weil übertrifft und als das gelungenste Werk seiner Gattung zu betrachten ist. Der erste Teil wurde um 1250 von einem gewissen Willem, dem Dichter eines verloren gegangenen »Madoc«, verfaßt, der zweite Teil ist am Ende des 14. Jahrh. hinzugefügt worden. Das niederländische Original ist erst im 19. Jahrh. wieder aufgefunden worden; vorher war das Werk schon international geworden in einer nur in plattdeutscher Sprache erhaltenen Umarbeitung des zweiten Teils aus dem 15. Jahrh. von Heinric van Alkmaar. Die zahlreichen Ritterromane in Versen des 13. und 14. Jahrh. sind wie in der gleichzeitigen deutschen Literatur so auch in der niederländischen fast ausschließlich Übersetzungen aus dem Französischen, so aus dem fränkischen Sagenkreis: das »Roelandslied«, »Karel ende Elegast« (hrsg. von Kuyper, 1890), der »Roman der Lorreinen« (daraus ein Teil hrsg u. d. T. »Roman van Karel den Grooten« von Jonckbloet, 1844), »Renout van Montalbaen« (hrsg. von Matthes, 1875), »Ogier«, »Loyhier ende Malaert« und »Willem van Oringen« (übersetzt von Clays van Haarlem), »Flandrijs« (hrsg. von Franck, 1896); aus dem britischen Sagenkreis: der »Roman van Torec« (übersetzt um 1263 von Maerlant, hrsg. von J. te Winkel, 1875), de Borrons »Historie van den Grale« und »Merlins Boeck« (übersetzt um 1261 von Maerlant), »Coninc Arturs Boeck« (übersetzt 1326 von Velthem, und mit dem vorigen hrsg. von van Vloten, in »Merlijn«, 1882), Guillaume li Clercs »Ferguut« (hrsg. von Verwijs-Verdam, 1882), »Roman van Walewein« (von Penninc u. Vostaert, hrsg. von Jonckbloet, 1846), »Roman van Lancelot« (hrsg. von Jonckbloet 1846 mit der Übersetzung von Christians von Troyes' »Perchevael« und Raouls »Wrake van Ragisel«, die darin ein geschoben sind). Originaldichtungen sind wahrscheinlich der »Roman van Moriaen« (hrsg. von J. te Winkel, 1879) und »Van den Ridder metter Mouwen« (hrsg. von Jonckbloet, 1819). In verschiedenen aus dem Französischen übersetzten Romanen sind orientalisch byzantinische Erzählungen bearbeitet, z. B. in »Partenopeus« (hrsg. von Bormans, 1871, und Borkum, 1897), »Floris ende Blancefloer« von Diederic van Assenede, um 1260 (hrsg. von Moltzer. 1879), »Seghelyn van Jerusalem« von Loy Latewaert (hrsg. von Verdam, 1878), »Borchgravinne van Couchi« (hrsg. von de Vries, 1887) und »Die Seven Vroeden van binnen Ro me« (hrsg. von Stallaert, 1889, und Botermans, 1898). Die Kreuzzüge bilden den Inhalt des nur fragmentarisch erhaltenen »Godefroit van Buljoen« und zum Teil auch der Originaldichtung »Roman van Margriete van Limborch« (hrsg. von van den Bergh, 1848) von Hein van Aken aus Brüssel (etwa 1255–1330), der auch den »Roman van de Rose« (hrsg. von Verwijs, 1868) übersetzte. Sagen des klassischen Altertums bilden den Inhalt der »Historie van Troyen« (hrsg. von de Pa uw und Gaillard, 1891), die Maerlant aus dem Französischen des Benoit de Saint-More übersetzte, sowie desselben Bearbeitung von Gauthier de Chastillons lateinischen »Alexanders Geesten« (hrsg. von Franck, 1882). Jacob van Maerlant (s. d.), der später selbst die Romandichtung als unmoralische Lügenerzählung verwarf, wurde durch seine größern Lehrgedichte (»Der Naturen Bloeme«, »Rijmbijbel«, »Spiegel historiael«, »Heymelicheyt der Heymelicheden«) und zahlreiche strophische Gedichte, in denen er die wichtigsten religiösen und sozialen Fragen seiner Zeit dialogisch behandelte oder die Sittenverderbnis beklagte und die Muttergottes verherrlichte, der Stifter einer didaktischen Schule, deren Hauptvertreter im 14. Jahrh. Jan van Boendale (s. d.) war, der Verfasser von zwei gereimten Geschichtswerken und zwei großen Lehrgedichten. Andre Geschichtschreiber sind: Jan van Heelu mit seiner epischen Beschreibung der Schlacht von Woeringen, 1288 (hrsg. von Willems, 1836); Melis Stoke mit seiner »Chronik von Holland«, 1305 (hrsg. von Huydecoper, 1772, und Brill, 1885); Philipp Utenbroeke (zwischen 1300 und 1315) mit seiner Übersetzung eines von Maerlant nicht übertragenen Teils des »Speculum historiale« von Vincentius; Lodewijk van Velthem (1316) mit seiner Fortsetzung des »Spiegel historiael« (hrsg. von Lelong, 1727, und Jonckbloet, 1840) und die ungenannten Dichter einer Reimchronik von Flandern (hrsg. von Kausler, 1840) und einer Geschichte des »Grimbergschen Oorlog« (hrsg. von Blommaert, 1854). Die bekanntesten Lehrdichter si tid: Jan Praet, »Leeringhe der Zalicheide« (hrsg. von Bormans, 1872), Gietijs van Molhem, »Rinclus«, eine Übersetzung des »Miserere« vom Renclus de Moiliens (hrsg. von P. Leendertz, 1893), Jan de Weert aus Yperen: »Nieuwe Doctrinael«, 1351 (hrsg. von Blommaert, 1351), »Spieghel der Sonden« (hrsg. von Blommaert, 1851) und »Wapene Rogier«, ein strophisches Zwiegespräch (hrsg. von Kausler, 1866). Weiter verdienen noch genannt zu werden die beiden hygien i jchen Werke »Der Manneen der Vrouwen Heymelicheyt« (hrsg. von Potter, 1895) und »Der Vrouwen Heymelicheyt« (hrsg. von Blommaert, 1846), »Dat bouc van Seden« (hrsg. von Suringar, 1891) und »Van Seden« (hrsg. von Suringar, 1892), ferner die Übersetzungen des »Lucidarius« von Honorius Augustodunensis (hrsg. von Blommaert, 1851), der »Disticha Catonis« (hrsg. von A. Beels, 1885), der Fabelsammlung des Romulus »Esopet« (hrsg. von J. te Winkel, 1881) und von Spruchgedichten aus Freidanks »Bescheidenheit« neben vielen andern Spruchsammlungen. Unter den gereimten Legenden sind die bedeutendsten »Van Sente Brandane« (hrsg. von Bonebakker, 1894), aus dem Hochdeutschen »Van St. Amand«, 1367 verfaßt von Gillis de Wevel (hrsg. von Blommaert, 1813), »Van St. Kerst inen« und »Van St. Lutgardis«,[654] beides übersetzt vom Klosterbruder Gheraert (hrsg. von Bormans, 1850, 1858); unter den religiösen »Sproken« die »Sproke van Theophilus« (hrsg. von Verdam, 1882) und »Van Beatrijs« (hrsg. von Jonckbloet, 1859, und Kaakebeen, 1902; deutsche Übersetzung von Wilhelm Berg, Haag 1870). Vgl. de Vooys, Legendenen exempelen (Haag 1900) und Exempelen van Maria (das. 1903). Weltliche »Sproken« sind in großer Menge überliefert. Diese oft allegorische oder satirische, meistens praktische oder moralisierende Erzählungsgattung wurde gepflegt von fahrenden Dichtern, die »Sprekers« oder »Segghers« hießen. Die berühmtesten unter ihnen sind Bouden van der Lore (um 1381), Augustynken van Dordt (1355–68) und vorzüglich Willem van Hildegaersberch (s. d., gest. 1409). Der bedeutendste seiner Zeitgenossen war Dirk Potter (s. d., gest. 1428), Schreiber der gräflichen Kanzlei und Dichter eines Lehrgedichtes über die Liebe »Der Minnen loep« (1412). Um 1400 sind auch die ersten dramatischen Dichtungen auf die Bühne gebracht, augenscheinlich von fahrenden Spruchdichtern. Vier größere Stücke (»Abele spelen«) und einige Possen (»Sotteruiën« oder »Sotte clnyten«) sind uns erhalten. Vgl. Leendertz, Middelnederlandsche dramatische poëzie (Groning. 1901). Die niederländische Prosa sing im 14. Jahrh. an, sich auszubilden. Als die frühesten Prosaschriften sind zu nennen: eine Übersetzung des Alten Testaments, ein »Leven van Jesus«, die »Kroniek van de lager Lande bi der Zee«, die »Limburgschen Sermoenen« (hrsg. von Kern, 1895), »Tondalus Visioen«, eine »Reis int heilige lant van Ridder van Mandeville«, Joh. Ypermans »Medicine boec«, das Rezeptebuch »Antidotarius«, eine »Chirurgie« (hrsg. von C. Broeckx, 1866), endlich die zwölf mystischen Werke des Jan van Ruysbroeck (1294–1381). Über die Lyrik dieser Zeit vgl. G. Kalff, Het Lied in de Middeleeuwen (Leiden 1883).
2) Vom Beginn des 15. bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts.
Daß die Kluft zwischen den adligen und bürgerlichen Kreisen sich mehr und mehr auszugleichen begann, beweisen vornehmlich die zu Anfang des 15. Jahrh. enstandenen Kammern der Rederijkers (s. d.), in denen sich beide Stände zu gemeinsamer Verfolgung literarischer Zwecke die Hand reichten. Es waren dies poetische Vereine mit zünftiger Verfassung, deren Mitglieder sich zu bestimmten Zeiten zur Aufführung von Schauspielen, anfangs nur geistlichen Spielen (Mysterien und Mirakel spielen), vereinigten. Wenn auch die hier erzielten Produkte von sehr geringem poetischen Wert sind, so sind jene Vereine doch insofern von Wichtigkeit, als sie sich mit Eifer an den damaligen politischen Händeln beteiligten und durch ihre dramatischen Arbeiten unmittelbar auf das Volk zu wirken suchten. In der Mitte des 16. Jahrh. waren die angesehensten Rederijker Matthijs de Castelein (s. d.), Verfasser einer »Konst der Rhetoriken«, J. B. Hoewaert, Dichter des didaktischen Epos »Pegasides Pleyn«, Cornelis van Ghistele, Übersetzer von Terenz, Vergil, Horaz und Ovid, und der Maler Karl van Mander, Übersetzer einer französischen Iliade. Zu ihrer Gattung (dem »Referein«) zeichnete sich die Dichterin Anna Bijns (s. d.) ous. Sie bekämpfte die liberalen Bestrebungen zur Zeit der reformatorischen Bewegungen, die in den südlichen Provinzen die Unterdrückung der Kammern durch die spanische Regierung herbeiführten, während sie in den nördlichen noch bis ins 18. Jahrh., wiewohl zuletzt hinter der Zeit zurückbleibend, fortbestanden. Die berühmteste und ein einflußreichste dieser Kammern war die Amsterdamer Gesellschaft In liefde bloeyende (»In Liebe blühend«), gegründet 1496, die gegen Ende des 16. Jahrh. zum Ausgangspunkt patriotischer Bestrebungen für die Pflege der Muttersprache und für Schöpfung einer Kunstpoesie wurde. Durchaus nicht unvolkstümlich machte sie sich zur Aufgabe, das Niederländische von den eingedrungenen burgundischen Elementen zu reinigen und durch eigne Werke in Poesie und Prosa die Literatur zu heben. Verdienste in dieser Hinsicht haben namentlich Philips van Marnix (gest. 1598), der angebliche Dichter, aber nur Bearbeiter des »Wilhelmusliedes« (»Byencorf der H. Roomsche Kercke«, Übersetzung der Genesis aus dem Urtext), Dirk Volkertszoon Coornhert (gest. 1590), Übersetzer von Cicero, Seneca und Boethius und Verfasser einer »Zedekunst«, ferner die Kaufleute Roemer Visscher (gest. 1620), Epigrammendichter, und Hendrik Laurenszoon Spieghel (1540–1612), Verfasser einer »Tweespraeck van de Nederduytsche Letterkunst« (nach Art Joachim du Bellays) und des didaktischen Epos »Hertspieghel«. Aber sie waren nur die Vorläufer der fünf großen Dichter, durch die nun die n. L. gleichzeitig mit dem nationalen Aufschwung ihre klassische Periode erlebte. Pieter Corneliszoon Hooft (1581–1647) brachte aus Italien einen geklärten Renaissancestil mit und schrieb nun sein Pastoral »Granida« (nach Art des Guarini), die Tragödien »Baeto« und »Geraert van Velsen«, die Komödie »De Warenar« (nach Plautus) und seine Tacitus nacheisernden »Leven van Henrik de Groote« und »Nederlandsche Historïen«. Joost van Vondel (1587–1679), an poetischer Begabung Hooft noch übertreffend, war als Lyriker wie als Dramendichter (»Palamedes«, »Joseph in Dothan« und »Joseph in Egypten«, »Lucifer«, »Jephtha«, »Adam in Ballingschap«, »Noach«, »Gijsbrecht van Aemstel«) von gleicher Bedeutung, daneben auch Satiriker und markiger Prosaist. Vondel bezeichnet den Höhepunkt der ältern niederländischen Literatur und ist, trotz nachweisbarer Beeinflussung durch die französischen Dramatiker Garnier und Du Bartas und durch das italienische Pastorale (in den »Leeuwendalers«) ein durchaus selbständiger Genius von großer Formvollendung und hohem Gedankenflug. Constantin Huygens (1596–1686), Vater des berühmten Mathematikers, durch umfassende Sprach- und Literaturkenntnisse ausgezeichnet, pflegte in seiner gehaltvollen Lyrik und Epigrammatik, seinen beschreibendlehrhaften und satirischen Gedichten den gesucht originellen Stil der Euphuisten und wurde nich selten dunkel und schwerfällig. Weniger bedeutend ist seine Komödie »Trijntje Cornelis«. Im Gegensatz zu Huygens vertrat Jacob Cats (1577–1660) die nüchterne Lehrhaftigkeit des Bürgertums und errang mit seinen kün stlerisch nicht immer einwandfreien, aber moralisch tüchtigen »Sinne-en Minne-Beelden« und seinen didaktischen »Maechdenplicht« und »Houwelick« (»Jungfrauenpflicht« und »Ehe«) eine jahrhundertelangne Beliebtheit und den populären Namen Vater Cats. Seine Gedichte galten neben der Bibel als zweites Hausbuch. Wie Cats, so repräsentiert auch Gerbrand Adriaensen Bredero (1585–1618). Lustspieldichter und anmutiger Lyriker, ein Stück seines Volkes. Durch seine Komödien »Jerolimo de Spaansche Brabander« und »Het Moortje« sowie durch seine possenhaften Zwischenspiele (»Kluchten«) schuf er in großer Selbständigkeit selbst bei entlehnter [655] Fabel das nationale holländische Lustspiel. Neben diesen fünf Hauptdichtern wirkten gleichzeitig, resp. als ihre Schüler: Daniel Heinsius, der bekannte Philolog (1580–1655), die Töchter des oben genannten Roemer Visscher Anna (1583–1651) und Maria Tesselschade (1594–1649), bedeutender als durch ihre kleinen Gedichte durch den literarischen Kreis, den sie in ihres Vaters Haus um sich sammelten, der treffliche geistliche Liederdichter Dirk Rafaelszoon Camphuysen (1586–1627), Jan Janssen Starter (geb. 1594 in England, wahrscheinlich in Deutschland während des Dreißigjährigen Krieges gestorben), ein Erotiker und Lustspieldichter von der Art Brederos (»De Friesche Lusthof« und »Jan Soetekauw«), Daniel Jonctijs (1600–52), Schüler Starters, Jeremias de Decker (1609–46) und Joannes Vollenhove (1631–1708), Schüler Cats, Samuel Coster, der 1617 eine Akademie gründete, aus der später (1638) das erste holländische, mit Vondels »Gijsbrecht van Aemstel« eingeweihte Theater (Schouwburg) hervorging, Verfasser von Tragödien (»Iphigenia«, »Itys«) und des Lustspiels »Teeuwis de boer«, die politischen Dichter Jakob Westerbaen (1599–1670) und Joachim Oudaen (1628–92), letzterer auch Dramatiker (»Aaronen Titus«, »Medea«), Reyer Anslo (gest. 1669) mit einem epischen Gedicht auf die Pest zu Neapel, die Vondelschüler Jan Vos (gest. 1667) mit seinen Dramen »Johanna Gray« und »Konradijn« und Joannes Antonides van der Goes (1647–1684) mit den chinesischen Tragödien »Trazil« und »Zungchin« und dem Amsterdam verherrlichenden Gedicht »De Ystroom«, seinem Hauptwerk, der Pastoralendichter Krul u.a. Die Prosaerzählung fand ihre Hauptvertreter in Johan van Heemskerk (1597–1659), der in seiner »Batavischen Arcadia« die Süßlichkeit Scudérys und Honoré d'Urfés in die holländische Literatur einführte und mehrfache Nachahmung fand, so durch Hendrik Zoeteboom (»Zaanlandsche Arcadia«, 1658) und Lambertus Bos (»Dortsche Arcadia«, 1662) und in Nikolaes Heinsius jun. (1655 bis etwa 1704) mit seinem Schelmenroman »De vermakelijke avonturier« (1695). In der wissenschaftlichen Prosa zeichneten sich aus: Geeraart Brandt (1626–85) mit seinen Biographien Vondels und de Ruyters, auch als Epigrammatiker beachtenswert, und der Descartesschüler Balthasar Bekker (1634–98) mit seiner »Betoverde Wereld« und Schriften gegen die Hexenprozesse. Über die sehr reichhaltige volkstümliche, großenteils nationale Liederdichtung jener Zeit vgl. F. van Duyse, Het oude Nederlandsche Lied (Haag 1901), Texte und Melodien umfassend.
3) Vom Ende des 17. bis gegen das Ende des 18. Jahrhunderts.
Gegen das letzte Viertel des 17. Jahrh. geriet die n. L. allmählich in Verfall. Die Literatur stellte sich in den Dienst der Politik. Die frühere gewissenhafte Kunstübung wich der Pseudogenialität; die Dichter suchten mehr dem niedrigen Publikum als den Gebildeten zu gefallen, die Reinheit und Korrektheit der Sprache wurde vernachlässigt. Dagegen erhob sich 1669 die Gesellschaft »Nil Volentibus Arduum«, deren Leiter Lodewijk Meyer, der Übersetzer Corneilles, Andries Pels, Verfasser einer Auslegung der Horazischen »Dichtkunst« und der Schrift »Gebruiken Misbruik des Toneels« (1681), und anfangs auch Antonides waren. Nur der letztere, der sich schon bald zurückzog, besaß Talent. Die übrigen waren nur sehr mittelmäßige Dichter und vorwiegend Ästhetiker. Ihr doktrinäres Verfahren, ihre übertriebenen Forderungen an Sprachkorrektheit und Glätte der Versifikation erstickten die dichterische Begeisterung. Statt die großen nationalen Dichter sich zum Vorbild zu nehmen, folgten sie zu sklavisch den französischen Klassikern: Corneille, Racine, Boileau. Diese nachzuahmen, war ihr höchstes Bestreben. Dazu kam, daß durch den langen Frieden von 1713–80 die Tatkraft der Nation erlahmte; übermäßiger Reichtum erzeugte Üppigkeit und wiegte das so energische Volk gleichsam in einen Halbschlummer. Und hierauf folgte eine Zeit ebenso nachteiliger Unruhen. Fortwährendes Unglück infolge von Krieg und Wassersnot schadete seit 1780 dem Wohlstande der Nation; fremde Heere tummelten sich in dem durch Parteiungen zerrissenen Land und schienen den Mut der Bevölkerung völlig erdrücken zu wollen. Doch unter dem stets härter werdenden Druck regte sich die Vaterlandsliebe von neuem. Die Erinnerung an die großen Zeiten der Väter feuerte die Dichter an, den Nationalgeist zu wecken. Die Wirkungen dieses Bestrebens zeigten sich erst recht deutlich nach dem Frieden von 1814. und Künste und Wissenschaften sind seitdem in erfreulichem Fortschreiten begriffen. Wir haben also im ganzen 18. Jahrh. nur wenig ausgezeichnete Namen zu nennen. Als Ausläufer der klassischen Periode sind noch zu nennen: der treffliche Kupferstecher Jan Luyken (1649–1712), als religiöser Dichter später sehr beliebt, doch weit bedeutender in seinen frühern lebensfreudigen Liedern (»Duytse Lier«), der Lyriker Jan van Broekhuizen (1649–1707) und der Landmann Huibert Corneliszoon Poot (1689–1733) mit seinen erotischen und ländlichen Gedichten. Ebenso folgen auch noch einige Lustspieldichter den Spuren Brederos, so Thomas Asselijn (1630–98). der Schöpfer des typischen komischen Liebhabers Jan Klaeszen, Abraham Alewijn (»Jan Los«, 1721) und vor allem Pieter Langendijk (1683–1756) mit seinem »Wederzijds Huwelijksbedrog« und dem »Spiegel der Vaderlandsche Kooplieden«. Dagegen folgten Willem van Focquenborgh (1640–79), Johan van Pfaffenrode und Pieter Bernagie (gest. 1699), alle drei ebenfalls Lustspieldichter, der französischen Richtung. An Tragödien und an epischen Gedichten ist während dieser Periode kein Mangel. Der Hauptvertreter der tragischen und epischen Muse war der Kritiker und Übersetzer der »Henriade«, Sijbrand Feitama (1694–1758), doch hat er in beiden Gattungen nichts Ursprüngliches geleistet. Einzelne originale Tragödien haben wir dagegen von B. Huydecoper, Jan de Marre und Onno Zwier van Haren, dessen episch-lyrisches Gedicht »De Geuzen« noch heute gelesen wird, während die einst berühmten Epopöen von Lucas Rotgans (1654–1710; »Wilhelm III«), Arnold Hoogvliet (1687–1763; »Abraham de aartsvader«) und Lucretia Wilhelmina van Merken (1721–89), die auch als Dramendichterin auftrat, heute der Vergessenheit verfallen sind. Durch seine Prosa zeichnete sich im Anfang des 18. Jahrh. der Gründer eines »Nederlandschen Spectator« (nach englischem Vorbild), Justus van Essen (1684–1735), aus. Den holländischen Roman haben am Ende des Jahrhunderts zwei Frauen, Elisabeth Wolff, geb. Bekker (1738–1804), und Agatha Deken (1741–1804) unter Einfluß von Richardson geschaffen und in den drei Werken »Sara Burgerhart«, »Willem Levend« und »Cornelia Wildschut« die lebendigste Schilderung des Bürgerlebens ihrer Zeit gegeben.[656]
4) Vom Ende des 18. Jahrh. bis in die neueste Zeit.
Einen neuen Aufschwung erlebte die n. L. am Ende des 18. Jahrh. unter dem Einfluß der jüngern deutschen Dichtung und Ästhetik durch Hieronymus van Alphen (1746–1803), Rhijnvis Feith (1753--1824) und Pieter Nieuwland (1764–94), doch weit über alle empor ragte Willem Bilderdijk (1756 bis 1831), ein Schüler der Alten und hervorragendes, wenn auch hauptsächlich rhetorisches Talent. Als patriotische Dichter wurden am Ende des 18. Jahrh. Jacobus Bellamy (1757–86), am Anfang des 19. Jahrh. Jan Frederik Helmers (1767–1813) beliebt, besonders jedoch Hendrik Tollens (1780–1856), sonst noch durch seine häuslichen Gedichte populär. Ein humorvoller Erzähler in Versen war A. C. W. Staring (1767–1840). Als Lyriker dieser Periode sind ferner Corn. Loots (1765–1834) und Johannes Kinker (1764–1845), der Gegner Bilderdijks, als Dramatiker Samuel Iperuszoon Wiselius (1769–1845) und Hendrik Harmen Klijn (1773–1856) hervorzuheben. Der Hauptvertreter der niederländischen Prosa dieser Periode war der Politiker und Orientalist Jan Hendrik van der Palm (1763–1840), das Haupt einer ganzen Rednerschule. Er erstrebte gekünstelte Einfachheit und rhythmischen Wohllaut. Ungezwungener, doch oft zu populär schrieb Arend Fokke Simons (1755–1812), als Lyriker ein Schüler Klopstocks. Romane aus dem Mittelalter schrieb Adriaan Loosjes (1761–1818), Romane aus ihrer Zeit Maria Jacoba de Neufville (1775–1856). Eine völlige Änderung trat um 1840 ein. Vorläufer dieser Bewegung waren Jacob Geel (»Onderzoeken phantasie«, 1830), Jacob Vosmaer (»Het levenen de Wandelingen van Meester Maarten Vroeg«) und Petrus van Limburg-Brouwer (1795–1847), der neben Romanen aus dem altgriechischen Leben (»Chariclesen Euphorion« und »Diophanes«) das satirisch-humoristische Werk »Het leesgezelschap te Diepenbeck« schrieb. Dann folgten Beets (1814–1903) mit seiner witzigen »Camera obscura«, Hasebroek (Pseudonym Jonathan, 1812–96) mit seinem »Waarheiden Droomen«, van Lennep (1802–68) mit seinen Romanen, Oltmans (1806–54) mit den Erzählungen: »Het slot Loevestein« und »De schaapherder«, Kneppelhout mit seinen »Studententypen«, van Koetsveld (1807–93) mit seinen »Schetsen uit de Pastorij te Mastland«, Potgieter (1808–75) mit seinen Erzählungen, Frau Bosboom-Toussaint (1812–86) mit ihren trefflichen historischen und Familienromanen, H. J. Schimmel (geb. 1824) mit seinen historischen Romanen, J. A. Alberdingk-Thym (1820–89) mit seinen »Portretten van Vondel«, J. J. Cremer (1827–80) mit seinen Dorfgeschichten, E. Douwes Dekker (Pseudonym Multatuli, 1820–87) mit seiner glühenden Schilderung sozialer Mißbräuche, namentlich auf Java (»Max Havelaar«), Lodewijk Mulder (geb. 1822) und Gerard Keller (1829–90) mit Romanen und Lustspielen, Hendrik de Veer (1829–90) vorzüglich mit seinem »Trouringh voor het jonge Holland«, Jan ten Brink (1834–1901) als Novellist und Literarhistoriker, Potgieter und C. Busken Huet (1826–86) mit ihren kritisch-literarischen Schriften, ein Feld, auf dem sich auch R. C. Bakhuizen van den Brink (1810–65), N. Beets und G. Jonckbloet ausgezeichnet haben. Auch in der Poesie brachen sich um 1840 neue Anschauungen Bahn. Die Reste des französischen Klassizismus mußten dem Romantismus das Feld überlassen. Die antirevolutionären Schüler Bilderdijks, wie der Rhetoriker Isaak da Costa (1798–1860) und Alberdingk-Thym, und die jüngern freisinnigern Schüler von Tollens, wie Adriaan Bogaers (1795–1870) und Bernard ter Haar (1806–80), waren schon von Haus aus dem Romantismus nicht abgeneigt. Größern Einfluß übten aber Scott, Byron und Victor Hugo auf Jacob van Lennet, der auch in seinen »Nederlandsche Legenden« vaterländische Stoffe bearbeitete, auf Nicolaas Beets (»José«, »Guy de Vlaming«, »Ada van Holland« u.a.) und auf W. J. Hofdij (1816 bis 1888). Die Zeitschrift »De Gids«, 1837 von E. J. Potgieter, dem eigentlichen Romantiker der holländischen Literatur, gegründet, gewann damals die größte Autorität und wußte den Romantizismus zu nationalisieren und auch neue politische und ästhetische Tatkraft zu erregen. Der Volks dichter J. P. Heije (1809–76) tat dazu das seinige, auch durch seine Kinderlieder, mit denen er sowie auch Jan Goeverneur (1809–89) die frühern Kinderlieder von van Alphen verdrängte Die neuere Zeit brachte neben dem historischen Roman, der noch immer Pflege fand (Frau Antal-Opzoomer, Pseudonym A. S. C. Wallis, »In dagen van strijd«, 1879; »Vorstengunst«, 1883; J. A. Heuff, Pseudonym J. Huf van Buren, »De kroon van Gelderland«, 1877, »Hertog Adolf«, 1886, u.a.), den Künstlerroman, den musikgeschichtlichen und den sozialen Roman wie in den andern europäischen Literaturen und daneben eine reiche Ausbildung der Novelle. Zu nennen sind: Carel Vosmaer (»Amazone«, 1880; »Inwijding«, 1888), Katharina van Rees (»Muzikale novellen«, 1876), A. Werumeus Buning (»Marineschetsen«, 1880), Carel van Nievelt (»Chiaroscuro«.1882; »Herman Wolsink«, 1889), Johanna van Woude (Pseudonym für Frau Ijzerman-Junius, »Een Hollandsch binnenhuisje«, 1888), Frits Smit Kleine (Pseudonym Piet Bluchtig, »Haagsche hopjes«, 1883; »Kippeveer«, 1888), Virginie Loveling (geb. 1836), Justus van Maurik (1846–1904), Therese Hoven (geb. 1860) und zahlreiche andre. Das Leben in Holländisch-Indien behandelten nach Multatuli vor allem Melati van Java (Pseudonym für Marie Sloot, »De familie van den Resident«, 1875), M. Th. H. Perelaer (»Borneo«, 1881; »Baboe Dalima«, 1886) und P. A. Daum (Pseudonym Maurits, »Hoe hij Raad van Indië werd«, 1888). Skizzen aus dem jüdischen Leben schrieb Herman Heijermans (Pseudonym Samuel Falkland).
Das Prosadrama wurde fast gänzlich vernachlässigt, bevor die Stiftung des »Tooneel verbond« (1870) ein neues Interesse für die Bühne erregte. Seitdem hatte Glanor (Pseudonym für Hugo Beijerman) mit dem ernsthaften Lustspiel »Uitgaan« (1873) großen Erfolg, mit »Zijn geheim« einen geringern. Später folgten die Lustspiele von Gerard Keller, Lodewijk Mulder, Johan Gram, Justus van Maurik, Rosier Faassen, welch letztere besonders bühnenfähig und darum populär sind, jedoch dem feinern Geschmack nicht genügen, u.a. P. Brooshooft gab 1883 in »Zijn meisje komt uit!« ein gelungenes Gemälde des Lebens in Niederländisch-Indien; großen Erfolg hatten »Lotos« von Frau Snijder van Wissekerke und »Eerloos« und »Goudvischje« von W. G. Nouhuys (geb. 1854) und das naturalistische »Op hoop van zegen« von H. Heijermans (geb. 1864).[657]
Die beliebtesten Dichter von etwa 1850–80 waren J. J. L. ten Kate (1819–89), ein äußerst fruchtbarer Übersetzer (Tasso, Dante, Milton u.a.) und großes Formtalent (»De Schepping«, 1867), und vor allem P. A. de Génestet (1829–61), der gefühlvolle Lyriker des dichterisch gestimmten häuslichen Kreises. François Haver-Schmidt hat sich mit seinen Studentenpoesien »Snikkenen grimlachjes van Piet Paaltjens« (1867) überaus populär gemacht. Zu nennen ist auch der Redner und Staatsmann H. J. A. M. Schaepman (1844–1903), der Verherrlicher des Papsttums (»De Paus«, 1866; »Aya Sophia«, 1886). Carel Vosmaer (1826–88), der Übersetzer der Ilias und Odyssee (1878–88), suchte in der Form und dem Geist der griechischen Poesie eine Anregung zur Neubelebung der modernen Dichtung (»Nanno«, 1883). G. W. Lovendaal (geb. 1847) war glücklich im Kinderlied. Andre Dichter, so der Lyriker Fiore della Neve (Pseudonym für M. van Loghem, geb. 1849) und der Naturschilderer und Epiker Edw. B. Koster (geb. 1861; »Niobe«, 1893) stehen nur mit ihren Anfängen noch in dieser Zeit. Das Drama in Versen ist nur wenig gepflegt worden. Für das höhere Lustspiel gab Helvetius van den Bergh (1799–1873) das Muster mit seinem »De Neven« (1837); von Bedeutung ist Multatulis (Pseudonym für E. D. Dekker) geistvolles Tendenzstück »De Vorstenschool« (1870). Die besten romantischen Schauspiele und Tragödien schrieben H. J. Schimmel und W. J. Hofdijk. Von 1867 an ward die dramatische Produktion durch Preisausschreiben, den Neubau des Amsterdamer Theaters (1874) und die Bemühungen literarischer Gesellschaften vielfach angeregt. Es erschienen von D. F. van Heyst »George de Lalaing« (1872), von H. Th. Boelen »Maria van Utrecht« (1873), von E. de Chateleux »Chandosse« (1877), von Marcellus Emants »Juliaan de Afvallige« (1874) und »Adolf van Gelder« (1886), von H. G. Roodhuyzen »Rebekka« (1882) und als die letzten dieser Gattung »Herodes« (1885) und »Jan Masseur« von D. M. Maaldrink.
Um 1880 begann wie ähnlich auch in Frankreich und Deutschland die moderne Bewegung, die 1885 durch die Gründung des »Nieuwen Gids« (s. Gids) ihr Kampforgan erhielt. Die Vorläufer waren der Epiker Marcellus Emants (geb. 1849; »Lilith«, 1879; »Godenschemering«, 1883), später auch als Dramatiker und Erzähler tätig, der feinfühlige Sonettist Jacques Perk (1859–81) und Hélène Swarth (geb. 1859, jetzt Lapidoth-Swarth), eine Dichterin von größter Formvollendung, tiefem Gefühl und durchgebildetem Kunstgeschmack. Als Dichter wie Ästhetiker war Willem Kloos (geb. 1859) der Führer der Modernen, ihm zur Seite Herman Gorter (geb. 1864), Impressionist in seiner Lyrik wie in der größern Dichtung »Mei« (1889), und Albert Verwey (geb. 1865), Dichter des Epos »Persephone« (1885), des Dramas »Johan van Oldenbarneveldt« (1895) und eigenartiger, doch ungleichwertiger Lyriker. Der bedeutendste und vielseitigste der Gruppe ist Frederik van Eeden (geb. 1860), als Lyriker (»Ellen«, »Van de passielooze lelie«), Dramatiker (»Lioba«), philosophischer Dichter (»De Broeders« und »Het lied van schijnen wezen«) wie als phantastischer Erzähler (»De kleine Johannes«, »Johannes Viator« und »Van de koele meren des doods«) gleich ausgezeichnet. Außerdem gehören noch enger zu dieser Richtung: der Lyriker und Dramatiker Hendrik Jan Bocken (geb. 1866), der hervorragende Kritiker und Romandichter Lodewijk van Deyssel (Pseudonym für K. J. L. Alberdingk Thijm, geb. 1864), die Erzähler E. J. de Meester (geb. 1860), Frans Netscher (geb. 1864), A. Aletrino, Jac. van Looy und Henriette Roland Holst van der Schalk (sozialistische Romane). Nahe stehen ihr, ohne ihr jedoch anzugehören, Louis Couperus (geb. 1863), der bedeutendste holländische Romancier dieser Zeit, der sich nach Anfängen in der ältern Schule alsbald der Moderne zuwandte (»Eline Vere«, »Noodlot«, »Extaze«, »Majesteit«, »Wereldvrede«, »De stille kracht« u.a.) und der schlichtere Henri Borel (geb. 1869; »Het jongetje«, »Het recht der liefde«, »Leliane«, »Levenshonger« u.a.). Vgl. über die holländische Moderne Otto Hauser, Die niederländische Lyrik von 1875–1900 (Leipz. 1901). Über die n. L. Belgiens s. Flämische Sprache und Literatur.
Wissenschaftliche Literatur.
Sehr reich und von bedeutendem Einfluß auf die allgemeine europäische Kultur ist die Tätigkeit der Niederländer auf wissenschaftlichem Gebiet. Schon im frühen Mittelalter war das Land durch seine vorzüglichen Schulen ein berühmter Sitz wissenschaftlicher Studien und die Bildungsstätte, aus der zahlreiche ausgezeichnete Gelehrte und Staatsmänner Deutschlands wie Frankreichs hervorgingen. Obenan standen unter ihnen die Klosterschulen zu Utrecht und zu St.-Amand in Flandern, wo Hucbald (s. d.) lehrte, die Schulen in Lüttich, St. Truyen und Stavelot unfern Lüttich, zu Gemblours in Brabant u.a., die bis ins 12. Jahrh. blühten. Als die meist dem Benediktinerorden zugehörigen Klosterschulen mit diesem selbst allmählich in Verfall gerieten, traten die Domschulen an ihre Stelle, die auch den Laien zugänglich waren und namentlich zur Ausbildung des jungen Adels dienten (am berühmtesten die in Mecheln und in Doornik), sowie später (seit dem 14. Jahrh.) die aus bürgerlichen Kreisen hervorgangene Korporation der »Brüder des gemeinsamen Lebens« (s. d.), die neben der Erweckung echt christlicher Gesinnung sich besonders die Erziehung und Bildung der Jugend zur Aufgabe stellte, und aus deren bald über das ganze Land verbreiteten Schulen eine große Anzahl der hervorragendsten Gelehrten (darunter z. B. Rudolf Agricola und Erasmus von Rotterdam) hervorgingen. Durch diese Gelehrten, die meist ihre Bildung in Italien vollendeten, wurde das eben neuerwachte Studium der klassischen Literatur nach dem Norden verpflanzt und dadurch vorzugsweise der Reformation der Weg gebahnt, durch deren Einführung in den Niederlanden das wissenschaftliche Leben daselbst einen neuen Impuls erhielt, wie sie anderseits zum Befreiungskampf gegen die spanische Gewaltherrschaft und schließlich zur nationalen Selbständigkeit des Landes führte. Von jetzt an knüpft sich die Weiterentwickelung der Wissenschaften in den Niederlanden an die Universitäten, deren im 16. und 17. Jahrh. in den nördlichen Provinzen fünf neue (die erste in Leiden 1575, dann in Franeker, Utrecht, Groningen und Harderwijk) gegründet wurden, die nicht nur als Hauptsitze der Gelehrsamkeit, sondern auch als Hochburgen der Denk- und Gewissensfreiheit, im Gegensatz zu den ältern, an den Satzungen der katholischen Kirche streng festhaltenden Hochschulen (namentlich der in Löwen), bald zu großem Ansehen gelangten und von wißbegierigen Jünglingen aus ganz Europa besucht wurden.[658]
Unter den einzelnen Disziplinen, die daselbst mit besonderm Fleiß und Erfolg kultiviert wurden, nimmt die Philologie die erste Stelle ein. Während das Studium des klassischen Altertums mit dem Anfang des 17. Jahrh. in Italien zu sinken begann, fand es gerade auf den niederländischen Universitäten die sorgsamste Pflege und hat sich dieser Teilnahme bis in die Neuzeit fast ununterbrochen zu erfreuen gehabt. Noch im 16. Jahrh. zeichneten sich durch philologische Gelehrsamkeit besonders die Professoren in Löwen Peter Nannius (gest. 1557) und W. Canter (gest. 1573) aus; als scharfsinnige Kritiker sind Lucas Fruytier (Fruterius) in Brüssel und Justus Lipsius (gest. 1606) zu nennen. Lebendiger noch entwickelte sich der Eifer für die humanistischen Studien in dem freien Norden, besonders an der Universität in Leiden, deren erster Kurator, der Staatsmann Jan Douza (gest. 1606), zugleich zu den bedeutendsten Gelehrten jener Zeit gehörte. Es bildete sich daselbst eine neue Art von Wissen, die sogen. Polyhistorie, aus, die man als Nachfolgerin des italienischen Humanismus betrachten kann. Die Leidener Gelehrten gingen nämlich bei ihren Bemühungen um die alten Schriftsteller wohl auch auf die Verbesserung der Texte und auf das Sprachliche aus; aber sie suchten insbes. die Realien, die sogen. Altertümer, zu erklären und sammelten zu diesem Zweck eine Unmasse von Kenntnissen auf. Als Begründer dieser Richtung galt Joseph Justus Scaliger, der seit 1592 in Leiden lehrte und 1609 daselbst starb. Unter den Nachfolgernauf der von ihm gebrochenen Bahn sind hervorzuheben: der vielseitige Gelehrte und Staatsmann Hugo Grotius (gest. 1645), die ausgezeichneten Gelehrten Gerhard Joh. Vossius gest. 1649) und Daniel Heinsius (gest. 1655) und die aus Deutschland eingewanderten Joh. Friedr. Gronovius (gest. 1671), der eigentliche Stifter der holländischen Latinistenschule, und der gleichberühmte, aber schon ziemlich oberflächliche Joh. G. Grävius (gest. 1703), mit dem der Verfall des philologischen Studiums beginnt, das dann in P. Burman (gest. 1741) u.a. zur Kompilation herabsinkt. Um die historische Kenntnis des Altertums insbes. machten sich Joh. Meursius (gest. 1639) und Claudius Salmasis (gest. 1653) verdient, letzterer ein Riese an Gelehrsamkeit, der aber sein ungeheures Material nicht geistig zu sichten und zu verknüpfen verstand. Eine zweite Glanzperiode der holländischen Philologie begann um die Mitte des 18. Jahrh., hervorgerufen durch den Leidener Professor Tiberius Hemsterhuis (gest. 1766), den Stifter der holländischen Hellenistenschule, zu der als Hauptvertreter derselben David Ruhnkenius, einer der größten Philologen des Jahrhunderts (gest. 1798), L. K. Valckenaer (gest. 1785) und Dan. Wyttenbach (gest. 1820) gehörten. Von jüngern verdienen Hervorhebung: die Gräzisten P. van Limburg-Brouwer (gest. 1847), Ph. W. van Heusde (gest. 1859), C. W. Cobet (gest. 1889), H. van Herwerden, S. A. Naber, J. van Leeuwen u.a.; die Latinisten Hofman-Peerlkamp (gest. 1825), J. Bake (gest. 1864), Boot u.a. Auch in der lateinischen Poesie haben sich von alters her die Niederländer zahlreich und mit Vorliebe versucht (vgl. Neulateinische Dichter). Das Studium der orientalischen Sprachen wurde ebenfalls bereits im 17. Jahrh. gefördert und zwar vorzugsweise durch Th. Erpenius und J. Golius, der ein arabisches und persisches Wörterbuch herausgab, im 18. Jahrh. durch Reland (gest. 1718) und namentlich Albr. Schultens (gest. 1750), der den Nachweis der Verwandtschaft der semitischen Sprachen führte und darauf zuerst ein methodisches Studium derselben begründete. Aus seiner Schule gingen zahlreiche verdienstliche Orientalisten hervor, wie sein Sohn Joh. Jakob und sein Enkel Heinr. Albert Schultens, N. W. Schröder, E. Scheidius, Greeve, van der Palm und besonders Hamaker, denen sich später Roorda, Weyers, Juynboll, Uylenbroek, P. A. S. van Limburg-Brouwer und in jüngster Zeit Dozy, Land, de Goeje, Houtsma, Snouck Hurgronje u.a. anreihten. Auch die Sprachen des Indischen Archipels fanden feil den letzten Jahrzehnten eifrige Pflege, vorzüglich bei P. J. Veth (gest. 1895) und namentlich das Javanische (Winter, Gericke, Roorda, Keyser, Meisma, Vreede, Poensen, Janß), das Malaiische (Pijnappel, de Hollander, van der Tuuk), das Makassarische und Bugi (Matthes, Niemann), das Sundanesische (Oosting, Coolsma), das Kawi (van der Tuuk, C. Stuart, J. H. C. Kern), das Dajak (Hardeland), das Atjeh (Snouck Hurgronje), das Fidji (Kern), das Batak (van der Tuuk, Niemann); ebenso das Sanskrit (Kern, Speyer, Warren, Uhlenbeck, Caland, Huyzinga, Vogel), das Chinesische (Hoffmann, G. Schlegel, de Groot, Groeneveldt), das Japanische (Siebold, Hoffmann). Die Brüder Halbertsma förderten das Studium des Friesischen, P. J. Cosijn, W. L. van Helten, J. H. Gallée, B. Symons, R. C. Boer, Kern das Studium der altgermanischen Sprachen, A. G. von Hamel, Salverda de Grave das Alt französische, während im 18. Jahrh. Lambertten Kate (gest. 1731) und B. Huydecoper (gest. 1778), im 19. Jahrh. M. de Vries (gest. 1892), L. A. te Winkel (gest. 1868), E. Verwijs (gest. 1880), H. E. Moltzer (gest. 1895), J. Verdam, W. L. van Helten, J. te Winkel, G. Kalff, R. A. Kollewijn, F. Buitenrust Hettema ihre Aufmerksamkeit der heimischen niederländischen Sprache zuwandten (vgl. Niederländische Sprache).
Das Feld der Geschichtschreibung wurde in den Niederlanden mit vielem Fleiß angebaut, doch kam dieselbe erst in den Befreiungskriegen über die chronikartige Berichterstattung früherer Jahrhunderte hinaus. Hauptgegenstand der historischen Darstellung war von Anfang an und blieb die vaterländische Geschichte, die nach van Meteren und Bor der Dichter P. C. Hoost (gest. 1647) in seiner noch heute für klassisch gelten den Darstellung des Befreiungskampfes (»Nederlandsche Historien«, 1642–54) in der Landessprache behandelte. Ihm zunächst stehen des Hugo Grotius »Annales et historiae de rebus belgicis« (1657) und die geschichtlichen, ebenfalls lateinisch geschriebenen Werke des friesischen Geschichtsforschers Ubbo Emmius (gest. 1626). Weiter folgten Gerard Brandt (gest. 1685) mit seiner gefällig, aber sehr breit erzählten Geschichte der niederländischen Reformation (»Historie der reformatie«, 1671, 4 Bde.) und seiner trefflichen Biographie des Admirals de Ruyter (1680); Pieter Valckenier, der in seinem bekannten Werk »Verwerd Europa« ein Gemälde Europas zur Zeit Ludwigs XIV. in ermüdender Ausführlichkeit entwarf, und der Friese Lieuwe van Aitzema (gest. 1669), dessen Beschreibung der Ereignisse der Jahre 1621–1668 (»Zaken van staaten oorlog«) gar 16 Quartbände füllte. Bloße Kompilationen sind die Geschichtsdarstellungen von G. van Loon (»Aloude hollandsche historie«, 1734), van der Vyuckt u.a. Dagegen gab Jan Wagenaar (gest. 1773) in seiner 21 Bände umfassenden »Vaderlandsche historie« eine erste Probe kritischer Geschichtsforschung und fand in Simon Stijl (gest. 1804), dem Verfasser von[659] »Opkomsten bloei der vereenigde Nederlanden« (1774), worin zuerst eine philosophische Behandlung der Geschichte versucht wird, in Elias Luzac (gest. 1796), der eine erste ökonomische Geschichte der Niederlande (»Hollands Rijkdom«, 1780–83, 4 Bde.) schrieb, in J. W. te Water und Adriaan Kluit (gest. 1807), der in seiner »Historie der hollandsche staatsregering« vielleicht am tiefsten in den Geist und das Wesen der niederländischen Geschichte eindrang, würdige Nachfolger. Später schrieb der Dichter Bilderdijk (gest. 1831) eine umfangreiche »Geschiedenis des vaderlands«, die in absolutistischem Geist gehalten ist. Van Kampens Darstellung desselben Gegenstandes fand wegen ihrer gefälligen Form vielen Beifall. Inzwischen war durch die Arbeiten des Reichsarchivars H. van Wijn (gest. 1831) ein sehr nachhaltiger Anstoß zu eingehenderer Geschichtsforschung gegeben worden, der die Herausgabe mehrfacher Urkunden- und Quellensammlungen und zahlreicher darauf gestützter Monographien zur Folge hatte. Hervorzuheben sind davon vornehmlich Groen van Prinsterers »Archives, ou correspondance inédite de la maison d'Orange-Nassau« (1835–65, 15 Bde.), das Resultat unermüdlicher und gewissenhaftester Forschung, sowie die Arbeiten von Bakhuizen van den Brink (gest. 1865), J. C. de Jonge (gest. 1853), J. Bosscha (gest. 1874), J. ter Gouw (gest. 1894), Th. Jorissen (gest. 1889), R. Fruin (gest. 1899), S. Muller, P. L. Muller (gest. 1904) und P. J. Blok (»Geschiedenis van het nederlandsche volk«, seit 1892). Andre Abschnitte der Weltgeschichte behandelten der französische Emigrant Basnage in seiner »Histoire des juifs depuis Jésus-Christ« (1716, 15 Bde.), M. Stuart in seiner »Romeinsche geschiedenis« (1792 ff., 30 Bde.); Dozy (gest. 1883) in der »Histoire des musulmans d'Espagne« (1861, 4 Bde.), während sich Ysbrand van Hamelsveld (gest. 1812, »Allgemeene geschiedenis der christelijke kerk«, 1799 ff., 26 Bde.), Willem Moll »Kerkgeschiedenis van Nederland voor de hervorming«, 1864–71), E. J. Diest Lorgion (gest. 1876), J. G. de Hoop Scheffer (gest. 1894), Ae. W. Wybrands (gest. 1886) und J. G. R. Acquoy als Kirchenhistoriker einen Namen machten.
Auch die Literaturgeschichte wurde fleißig behandelt, zunächst durch eine Reihe biographischkritischer Lexika, wie das noch heute wertvolle »Onomasticon literarium« von Saxe (Utrecht 1775–1803, 8 Bde.), das »Biographischen critisch woordenboek der nederlandsche dichters« von Witsen Geysbeek (Amsterd. 1821–27, 6 Bde.), das »Nieuw biographischen critisch woordenboek van nederlandsche dichters« von van der Aa (das. 1844, 3 Bde.), das treffliche »Biographisch woordenboek der Nederlanden« (Haarl. 1852–77), »Vermomdeen naamlooze schrijvers« (Leiden 1883–85) von van Doorninck, »Biographisch Woordenboek der Noorden Zuidnederlandsche letterkunde« von G. Frederiks und F. J. van den Branden (Amsterd. 1878, 2. Aufl. 1892) u.a.; sodann in zusammenhängender Darstellung durch H. van Wijn (»Historischeen lett. avondstonden«, 1800), Jeronimo de Vries (»Proeve eener geschiedenis der nederlandsche dichtkunde«. 1810, 2 Bde.), Willems (»Verhandeling over de nederduitsche taalen letterkunde«, 1819–24, 2 Bde.), van Kampen (»Beknopte geschiedenis der letterenen wetenschappen in de Nederlanden«, Haag 1821–26, 3 Bde.), Siegenbeek (»Beknopte geschiedenis der nederlandsche letterkunde«, Haarl. 1826), in neuester Zeit besonders durch die Arbeiten von Jonckbloet (»Geschiedenis der middennederlandsche dichtkunst«, Amsterd. 1851–54, 3 Bde.; »Geschiedenis der nederlandsche letterkunde«, 3. Aufl., Groning. 1881–86, 6 Bde.; deutsch, Leipz. 1870–72, 2 Bde.), J.ten Brink (»Geschiedenis der noord-nederlandsche letteren in de XIX. eeuw«, Amsterd. 1888–89, 3 Bde.; »Geschiedenis der nederlandsche letterkunde«, das. 1895), J. te Winkel (»Geschiedenis der nederlandsche letterkunde«, Haarl. 1887 ff.), G. Kalff (»Geschiedenis der nederlandsche letterkunde in de XVI. eeuw«, Amsterd. 1889, 2 Bde.; »Literatuuren tooneel te Amsterdam in de XVII. eeuw«, Haarl. 1895), P. H. van Moerkerkan (»Het Nederlandsche kluchtspeel in de XVII. eeuw«, Sneek 1898). Literarhistorische Monographien schrieben unter andern J. Scheltema (gest. 1835), Bakhuizen van den Brink (gest. 1865), G. D. J. Schotel (gest. 1892), J. van Vloten (gest. 1883), Th. Jorissen (gest. 1889), A. Pierson, J.ten Brink, H. E. Moltzer (gest. 1895), Haverkorn van Rijsewijk, J. te Winkel, C. N. Wybrands, J. A. Worp, G. Kalff, R. A. Kollewijn. Wertvoll sind die sogen. »Zwolschen Herdrukken«, in Zwolle erscheinende Neudrucke älterer Literaturwerke; an literarwissenschaftlichen Zeitschriften sind zu nennen: »Tijdschrift voor Nederlandsche taal-en letterkunde« (Leiden), »Taalen Letteren« (früher im Haag, jetzt Leiden), »De Nederlandsche Spectator« (im Haag), »Oud-Holland« (Amsterd.). Als Vertreter der Kunstgeschichte sind aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. bis in die Gegenwart zu nennen: P. Scheltema, A. D. de Vries, N. de Roewer, T. van Westrheene, A. Bredius, C. Hofstede de Groot, J. Ph. van der Kellen, Jan Veth etc.
In der Philosophie haben sich die Niederländer vorzüglich dadurch einen hohen Ruhm bei der Nachwelt erworben, daß ihr Land mehreren der originellsten und kühnsten Denker des Auslandes eine Freistatt bot: namentlich Descartes, der hier sein epochemachendes System ausbildete, und Bayle, der von Holland aus durch seinen in allgemein verständlicher Sprache dargelegten Skeptizismus zu vorurteilsfreier Forschung anregte. Die Philosophie des Descartes fand in den Niederlanden zahlreiche Anhänger, die wie A. Heereboord, A. Geulincx, Balth. Bekker, (gest. 1698), der Verfasser von »De betoverde wereld«, seine Ideen verbreiteten und weiter zu entwickeln suchten. Der berühmteste der niederländischen Philosophen aber ist unstreitig Baruch Spinoza (s. d.). Die Angriffe der Gegner auf Spinoza und den englischen Philosophen Hobbes, unter denen 's Gravesande (gest. 1742) den meisten Scharfsinn aufbot, gaben oft zu anregenden Diskussionen Anlaß; allein die Philosophie selbst fand dabei nur geringe Förderung. Später bemühten sich van Hemert und Kinker, die Kantsche Philosophie in Holland einzuführen; aber auch sie wurde weder in ihrer ganzen Tiefe erfaßt noch selbständig weitergeführt. Eingehendere Pflege fand die griechische Philosophie und zwar ebensowohl durch vortreffliche philologische Behandlung der Originalwerke wie durch selbständige Erzeugnisse im griechisch-philosophischen Geist, unter denen sich besonders die von Franz Hemsterhuis (gest. 1790) und van Heusde (gest. 1859) auszeichnen. Eine zusammenhängende Darstellung der Ästhetik versuchte H. van Alphen (gest. 1803). Als die bedeutendsten Philosophen der neuern Zeit sind Opzoomer (gest. 1892), van der Wijck, Spruyt und Bolland zu nennen.[660] Die Theologie, jahrhundertelang in schwere Bande geschlagen, suchte diese im 16. Jahrh. allmählich zu lösen, nachdem die Reformation Anlaß zu freierer Schrifterklärung und zu fruchtbringender Polemik gegeben hatte. Der Bahnbrecher in dieser Richtung war wiederum Hugo Grotius, der »Annotationes in Vetus et Novum Testamentum«, 1644–50, veröffentlichte und in seinem berühmten Buch »De veritate religionis christianae« zugleich eine vorzügliche Apologie des Christentums gab. Allein der unselige Streit der Gomaristen und Remonstranten oder Arminianer (s. d.) über die Prädestinationslehre, in dem erstere, die Verteidiger des strengen calvinistischen Lehrbegriffs, die Oberhand behielten, sowie kurz darauf der Streit der Jansenisten in den südlichen Niederlanden traten bald jedem unbefangenen wissenschaftlichen Fortschritt hindernd entgegen. Verdienstlicher war die stille Tätigkeit der Bollandisten (s. d.), welche die »Acta Sanctorum« herausgaben. Eine freiere und wissenschaftlichere Auffassung der Theologie begann erst gegen Ende des 18. Jahrh. sich Bahn zu brechen, vorzugsweise durch die Tätigkeit von H. A. Schultens, Bosveld und dem Dogmatiker van Voorst, denen sich im 19. Jahrh. Borger, van Hengel, Holwerda, van der Palm, Muntinghe, Heringa etc. anschlossen. Seit den letzten Jahrzehnten haben sich in der reformierten Kirche drei Parteien gebildet: die ortrhodoxe oder altcalvinistische, die, von Abr. Kuyper gegründet, in der Freien Universität ihren Stützpunkt hat; die Vermittelungspartei, die in den Utrechter Professoren Doedes und van Oosterzee (gest. 1882), und die sogen. moderne oder kritische Schule, die in den Leidener Professoren Scholten (gest. 1885) und Kuenen (gest. 1891) ihre besten Wortführer fand; die sogen. Groninger Schule, mit Pareau (gest. 1866) und Hofstede de Groot (gest. 1886) an der Spitze, hat ihren frühern Einfluß eingebüßt. Die vergleichende Religionsgeschichte fand in Tiele, Chantepie de la Saussaye, van Manen, Oort, Wildeboer und Kosters Bearbeiter.
Die Pflege der Rechtswissenschaft blühte in Holland namentlich nach der Mitte des 17. Jahrh. und trug nicht wenig zu der Anziehungskraft bei, welche die niederländischen Universitäten für die studierende Jugend des In- und Auslandes hatten. Gegenstand des Studiums war fast ausschließlich das römische Recht. Als die bedeutendsten Juristen jener Zeit sind Johann Voet (gest. 1714), Gerard Noodt (gest. 1725) nebst seinem Gegner Corn. van Bynkershoek (gest. 1743) und besonders Ant. Schulting (gest. 1754) zu nennen, von deren Schülern van de Keessel und der einer freiern, philosophischern Auffassung huldigende H. Const. Cras (gest. 1820) wieder Führer besonderer Schulen wurden. Das erste Handbuch des einheimischen Landrechts, das bis zum 19. Jahrh. als Leitfaden benutzt wurde, gab H. Grotius in seiner »Inleiding tot de hollandsche regtsgeleerdheid« (1631); auch ward derselbe durch seine berühmten Werke: »De jure belli et pacis« und »Mare liberum« Begründer des Staats- und Völkerrechts. Als Lehrer des kanonischen Rechts erwarb sich van Espen (gest. 1728) europäischen Ruf. Als bedeutende Staatsrechtslehrer der neuern Zeit sind Thorbecke (gest. 1872), nächst ihm J. de Bosch Kemper (gest. 1876), G. W. Vreede (gest. 1880) und J. Th. Buys (gest. 1893), als Nationalökonomen besonders de Bruin Kops (gest. 1887) und Vissering (gest. 1888) zu nennen. Für die Pflege der ältern niederländischen Rechte hat sich 1879 ein Verein gebildet unter Fruin, Pols, S. Muller, Fockema Andreae u.a., dem viele schätzbare Arbeiten zu verdanken sind. Von den überaus glänzenden Leistungen, deren sich die Niederländer endlich auf dem Gebiet der Naturwissenschaften und der Mathematik nebst den verwandten Disziplinen zu rühmen haben, seien nur einige der bedeutendsten Erscheinungen erwähnt. So erinnern wir an Vesalius, den Begründer der neuern Anatomie (gest. 1567), und die lange Reihe niederländischer Anatomen, die sich durch wichtige Entdeckungen (wie z. B. Swammerdam und Leeuwenhoek durch ihre mikroskopischen Beobachtungen) verdient gemacht haben; an den Reformator der Medizin, H. Boerhaave (gest. 1738), zu dessen berühmtesten Schülern van Swieten und der Schweizer Haller gehörten; an die zahlreichen und schätzenswerten Arbeiten der Niederländer auf dem Felde der Naturgeschichte (Botanik und Zoologie) namentlich im 18. Jahrh.; an die Mathematiker Ludolf van Ceulen (gest. 1610), der die sogen. Ludolfsche Zahl bestimmte, und Snell (gest. 1626), der die trigonometrische Methode der Meridianmessung erfand und das Gesetz der Strahlenbrechung entdeckte; an Christian Huygens (gest. 1695), gleich groß als Mathematiker, Astronom und Physiker, und van Swinden (gest. 1823), den Mitbegründer des metrischen Maßsystems; an G. Mercator (gest. 1594), der die nach ihm benannte geographische Projektion entwarf; an Jansen (um 1590), den Erfinder des Fernrohrs, und Cunäus (1746), den Erfinder der Leidener Flasche, etc. Aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrh., die den neuen großen Aufschwung aller Naturwissenschaften brachte, bis in die Gegenwart sind zu nennen: die Naturhistoriker Jan van der Hoeven, H. Schlegel, der Vorläufer Darwins F. C. Donders, der Chemiker G. J. Mulder, der Meteorolog und Physiolog C. H. D. Buys Ballot etc.; aus neuester Zeit: die Physiker H. A. Lorentz und J. D. van der Waals, der Chemiker J. H. van t'Hoff, der Botaniker Hugo de Vries (Zellentheorie) etc.
Die besten Werke über die Geschichte der niederländischen Literatur sind oben (S. 660) erwähnt; außerdem seien genannt: Lina Schneider, Geschichte der niederländischen Literatur (Leipz. 1887); Mone, Übersicht der niederländischen Volksliteratur älterer Zeit (Tübing. 1838); Hoffmann von Fallersleben, Übersicht der mittelniederländischen Dichtung (1. Teil der »Horae belgicae«, 2. Ausg., Hannov. 1857); v. Hellwald, Geschichte des holländischen Theaters (Rotterd. 1874); Luc. Müller, Geschichte der klassischen Philologie in den Niederlanden (Leipz. 1869).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 653-661. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007153724
Damen Conversations Lexikon 1835
Holland (Poesie und Literatur)
[315] Holland (Poesie und Literatur). (Poesie und Literatur.) Eine Mundart der deutschen, stammt die Sprache von der sächsischen ab, welche in die plattdeutsche, die holländische und die flämische zerfällt: beide letzteren unterscheiden sich nur wenig, neben beiden aber besteht in der wallonischen eine Abart, deren Mutter die französische Sprache ist. Mit dem Zeitpunkte erst, wo die holländische Sprache gereinigt und ausgebildet zu werden anfing, beginnt zugleich eine Literatur, die sich schon im 15. Jahrhunderte mannichfach auszeichnete und bald nachher in Erasmus von Rotterdam und Hugo Grotius zwei höchst bedeutende und vielseitig glänzende Gestirne aufgehen sah. Die hohe Schule zu Leyden, mit welcher die von Löwen, Gröningen u. A. wetteiferten, bildete in allen Zweigen der Wissenschaften große Männer und treffliche Lehrer, die Sprache wurde mit Grammatiken und Wörterbüchern vielfach bereichert, und namentlich Philosophie, Geschichte, Mathematik, Medicin und Jurisprudenz erfreueten sich einer hohen und gedeihlichen Blüthe. Eine eigentliche Nationalliteratur hat sich in Holland niemals entwickeln können, es hat dazu von jeher das erste Erforderniß der Eigenthümlichkeit gefehlt, Deutschland, England und Frankreich haben [315] jederzeit eine zu entschiedene Einwirkung wie auf den politischen Zustand, so auf die geistige Kultur behauptet. Doch bietet die Poesie des 17. Jahrh. dankenswerthe Produkte und die naive Volkspoesie der Holländer steht keiner andern nach. Einige Menschenalter später war die Bühne reich an guten Originalen, und viele Dichter, unter denen Cats, van der Vondel, Rotgans, Moonen und Wellekens, thaten sich rühmlich hervor. Von den Neuern zeichnen sich Feith, Bilderdyk, Tollens, Groeneveld verdienstlich aus und unter den Prosaikern sind van der Palm und Hooft ehrenvoll zu erwähnen. Ein historischer Roman der jüngsten Vergangenheit: »der Pflegesohn« von van Lennep gehört zu den gelungensten. X.
Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 315-316. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000173847X
Brockhaus 1839
Niederländische Kunst, Literatur, Sprache und Wissenschaft
[289] Niederländische Kunst, Literatur, Sprache und Wissenschaft, Da die am frühesten bekannten Bewohner der Niederlande durchaus deutscher Abkunft waren, so gehörten auch die von ihnen gesprochenen Mundarten dem deutschen Sprachstamme an und stimmten mit den in den angrenzenden deutschen Ländern gangbaren noch im 10. Jahrh. völlig überein. In den südl. Landestheilen fing aber nun das Französische an, sich besonders unter dem Adel zu verbreiten, und gewann vorzüglich an Ausdehnung, während das Haus Burgund im 14. und 15. Jahrh. einen großen Theil der niederländ. Provinzen erwarb und das Französische Hofsprache war. Auch jetzt ist es in einem großen Theile der Niederlande, und namentlich im Königreich Belgien, in allen großen Städten herrschend und hat während der Vereinigung des Landes mit dem franz. Kaiserthume von Neuem festen Fuß gefaßt. Aus einer Vermischung des Altfranzösischen mit den ursprünglich deutschen Mundarten entstand das Wallonische, welches südl. von Brüssel im sogenannten Wallonischen oder in Wälschbrabant, in Namur, Lüttich, Hennegau und einem Theile von Limburg noch die Sprache der untern Volksclassen ist. In den übrigen südl. Landestheilen und in Nordbrabant reden diese jedoch Flamländisch oder Flämisch, eine mit wallonischen Ausdrücken gemischte und durch französirende Aussprache verderbte, deutsche Mundart, welche noch auf einer tiefen Stufe der Ausbildung steht, in der jedoch auch Volksschriften und geistliche Bücher gedruckt sind und der schriftliche Verkehr zwischen Kleinkrämern und dergl. geführt wird. Im Norden blieb dagegen die Sprache länger frei von fremder Beimischung und das Holländische bildete sich hier seit dem 15. Jahrh. zur Geschäfts- und Schriftsprache aus und ward als solche in den durch den niederländ. Befreiungskrieg vereinigten sieben Provinzen angenommen, was neuerdings König Wilhelm I. auch in den südl. Landestheilen, wiewol vergeblich, zu bewirken suchte. Die jetzige Ausbildung erlangte das Holländische oder die eigentliche niederländ. Nationalsprache erst seit dem vorigen Jahrh., wo man anfing, die fremdartigen Beimischungen wieder zu entfernen, welche durch zahllose Einwanderer aus allen Theilen Europas und den abwechselnd vorherrschenden franz. und engl. Einfluß sich eingeschlichen und namentlich die Umgangssprache ungemein verderbt hatten.
Die ältesten sprachlichen Denkmäler bestehen in Stadtrechten, Chroniken, Nachbildungen von ursprünglich franz. romantischen Dichtungen und in Erbauungsschriften. Erst im 15. Jahrh. erhielten die geistigen Bestrebungen der Niederländer, begünstigt von der politischen Vereinigung der verschiedenen Provinzen unter der burgund. Herrschaft und dem herrschenden Wohlstande, sowie mit Benutzung der von den Niederlanden sogar als eigne Erfindung angesprochenen Buchdruckerkunst (s.d.) und angeregt von den nun auch im Norden sich verbreitenden Schriften der Alten, Wichtigkeit für das allgemeine Fortschreiten der Wissenschaften. Damals glänzte die 1426 gestiftete Universität Löwen, mit welcher die Schule zu Deventer in Oberyssel wetteiferte; es lebten die berühmten Theologen Thomas a Kempis, geb. 1388 zu Kempen im Erzbisthume Köln, gest. 1471; Joh. Wessel, mit dem Beinamen Gansevoort, geb. 1419, gest. 1489; Rudolf Agricola, geb. 1442, gest. 1485, der gleich Desiderius Erasmus (s.d.) zu Deventer den Grund seiner Gelehrsamkeit legte. Beide gehörten zu den ausgezeichneten Männern des 15. Jahrh., welche ein geschmackvolleres Studium der Alten und eine freiere Methode zu philosophiren verbreiteten. Die Gelehrten dieser Zeit schrieben aber alle in lat. Sprache, und das Wichtigste, was außer der 1477 zuerst zu Delft gedruckten Bibelübersetzung in der Landessprache zum Vorschein kam, waren einige dichterische Versuche und Uebersetzungen der Classiker. Im 16. Jahrh. erfolgte die berühmte politisch-religiöse Umwälzung, welche der Gewissensfreiheit und Aufklärung eine Freistätte in den nördl. Provinzen schuf, welche nun, sobald der Sieg entschieden war, die unter der geisttödtenden Mönchsherrschaft zurückgehenden belg. Provinzen weit überflügelten. Bald zog namentlich die 1574 gestiftete Universität Leyden die Augen von ganz Europa auf sich und von allen Seiten strömten ihr Schüler aus weiter Ferne zu. Berühmte Namen der Folgezeit sind: Hugo Grotius oder Huig van Groot, geb. 1583, der zugleich als Dichter, Staatsmann, Rechtsgelehrter, Theolog und Philolog glänzte, aber in den politisch-religiösen Zwist seines Freundes Oldenbarneveldt, des Beschützers der Remonstranten, und des Prinzen Moritz von Nassau verwickelt zu lebenslänglichem Gefängniß verurtheilt ward, aus dem ihn [289] nur die List seiner Gattin befreite. Das Ausland feierte und nutzte nun seine Talente und er war 10 Jahre schwed. Staatsrath und Gesandter in Paris gewesen, als er im Begriff, endlich ins Vaterland zurückzukehren, 1645 zu Rostock starb. Im Fache der Heilkunst wie als Naturforscher wirkten mit Auszeichnung: Joh. Bapt. van Helmont aus Brüssel, gest. 1644; Herm. Boerhaave (s.d.); Swammerdam, gest. 1680; Friedr. Ruysch, gest. 1731; Ant. Leuwenhoeck, gest. 1723; Joh. Ingenhouß, gest. 1799. Berühmte Mathematiker und Physiker waren: Cornel. Drebbel (s.d.); Christ. Huyghens, gest. 1695, der Verbesserer des Teleskops und Erfinder der Anwendung des Pendels bei den Uhren; Peter van Muschenbroek, gest. 1761, und Andere. Eine selbständige Bahn verfolgend, aber fast ohne Einfluß auf seine Landsleute, trat in der Philosophie nur Baruch (Benedict) Spinoza auf, geb. 1632 zu Amsterdam in einer portug. Judenfamilie, gest. 1677 im Haag. Am reichsten ist die Literaturgeschichte der Niederlande an Gelehrten, welche sich allgemein anerkannte Verdienste um die Beförderung der Kenntniß des classischen Alterthums erworben haben, und in dieser Beziehung sind besonders anzuführen: Justus Lipsius, gest. 1606 und einer der Wenigen, welche von den in die nördl. Provinzen aus Löwen auswandernden Gelehrten dahin zurückkehrten; I. I. Scaliger, gest. 1609; Joh. Meursius, gest. 1639; Joh. Friedr. Gronov aus Hamburg, gest. 1671; Ezech. Spanheim, der als preuß. Gesandter 1710 zu London starb; Grävius aus Naumburg an der Saale, gest. 1703, sowie im 18. Jahrh. Pet. Burmann, Drakenborch, Wesseling, Tiberius Hemsterhuis, Valckenaer, Dav. Ruhnken und Dan. Wyttenbach. Die vaterländische Geschichte ward bis auf die neueste Zeit mit Vorliebe bearbeitet; eine Blüte der Dichtkunst entwickelte sich aber erst im 17. Jahrh. und war durch die Bestrebungen eines Dirk Volkertszoon Coornhert, gest. 1590, Filips von Marnix, Herr von St.-Aldegonde, gest. 1598, Jan van der Does, gest. 1604, der mit Dan. Heinsius, gest. 1655, auch als lat. Dichter berühmt war, vorbereitet worden. Peter Corneliszoon Hooft, gest. 1647, Jakob Cats, gest. 1660, Joost van der Vondel, gest. 1679, sind die berühmtesten Dichter jener Zeit, unter den spätern aber sind Bellamy, gest. 1786, Hieronymus de Bosch, van Kooten, Klija, Feith, gest. 1824, vor Allen aber der auch als Rechtsgelehrter und vaterländischer Geschichtschreiber ausgezeichnete Willem Bilderdijk, gest. 1831, aufzuzählen. Von den noch lebenden hat sich Hendrich van Tollens durch Romanzen, Legenden und patriotische Dichtungen vorzüglich beliebt gemacht. – Von den bildenden Künsten hat in den Niederlanden die Malerei am herrlichsten geblüht und eine eigne Schule, die niederländische, ins Leben gerufen. (S. Malerei.)
Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 289-290. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000848700
Pierer 1860
Niederländische Literatur
[925] Niederländische Literatur, Die Nationalliteratur der Niederländer hat eine universalgeschichtliche Bedeutung nicht erreicht, sondern nur zuweilen einen vorübergehenden u. beschränkten Einfluß zunächst nur über die deutschen Grenzen hin entwickelt; desto erfolgreicher war jedoch die Thätigkeit der Niederländer auf mehren Gebieten der wissenschaftlichen Literatur. Letzteres zeigt sich schon im Mittelalter u. zwar in ziemlich früher Zeit. Schauplatz der wissenschaftlichen Bestrebungen zur Zeit der Karolinger waren namentlich die südlichen Provinzen der Niederlande, wo sich schon vor Karl d. Gr. vereinzelte. Anfänge zeigen, wenn auch der bereits gestreute Same erst seit der Zeit jenes großen Fürsten reichere Früchte trug. Die älteste Schule u. für die nördlichen Niederlande auf lange Zeit hin die einzige von Bedeutung war die des Bischofsitzes zu Utrecht im alten Friesenlande, wie es denn vornämlich gerade Friesen waren, die in jener Zeit zu den höchsten kirchlichen Würden in Deutschland berufen wurden (Ludger zum Bischof von Münster, Vibo von Osnabrück, Willehad von Bremen, Hildegrin von Halberstadt). In den südlichen Niederlanden erhoben sich seit Karl d. Gr. u. befördert durch Eginhard, wie nachher durch Karl den Kahlen, mehre bedeutende Schulen an den zahlreichen Bischofssitzen u. Klöstern, denen namentlich die Pflege der Musik (s.d.) u. das Festhalten an einer strengen, aber einseitigen kirchlich-theologischen Richtung eigenthümlich ist. Im 9. Jahrh. zeichnete sich namentlich die Klosterschule von St. Amand od. Elno an der Schelde in Flandern aus; die Kathedralschule St. Lamberti zu Lüttich erhob sich namentlich nach der Mitte des 11. Jahrh. unter den Bischöfen Ratherius, Everallus, Notker u. Walo, war längere Zeit die bedeutendste für das ganze nordwestliche Deutschland u. bildete zahlreiche Lehrer für Frankreich, ganz Deutschland u. selbst die Slawenländer. Daneben blühten noch die Klosterschulen zu St. Jakob, St. Laurentius u. St. Bartholomäus in Lüttich; ferner herrschte reges geistiges Leben in mehren anderen südniederländischen Klosterschulen wie namentlich zu Laubes od. Lobbes im Bisthum Cambray, zu Andain in den Ardennen, zu Stablo unsern Lüttich u. zu Gembloux in Brabant; im 12. Jahrh. blühten noch die Klosterschulen von St. Bertier, zu St. Omer u. St. Martin zu Tournay, obschon das Schulwesen in den meist den Benedictinern zugehörigen Klöstern bereits verfallen war u. noch mehr verfiel, als die bedeutendsten Schulen der Benedictiner zu Monte-Casino u. Cluny geschlossen wurden. Zum Ersatze für die Klosterschulen erhoben sich jedoch nun die Domschulen, die zudem auch für Laien zugänglich waren u. namentlich auch vom Adel besucht wurden. Neben den älteren zu Lüttich u. zu Utrecht gelangten auch die zu Mecheln u. Tournay zu hoher Blüthe. Mit den Zeiten der Kreuzzüge, an denen gerade niederländische Fürsten den wirksamsten Antheil nahmen, entwickelte sich in den südlichen Niederlanden u. den angrenzenden französischen Gebieten unter Zusammenwirkung der verschiedensten Umstände das Ritterwesen während des 12. Jahrh. zu vollster Blüthe,[925] was wiederum die Ausbildung einer reichen höfischen Literatur, wenn auch zunächst fast nur in französischer Sprache, bedingte. Letztere hat bekanntlich auf die Gestaltung der wenig später erwachenden höfischen deutschen Dichtkunst einen entschiedenen Einfluß ausgeübt. Hinter der Ritterschaft blieben jedoch auch die Bürger der reichen Gewerbs- u. Handelsstädte nicht zurück; ein herrliches Denkmal ihres unabhängigen Sinnes u. offenen Blicks haben sie sich in der Literatur durch den Reinaert gesetzt. Aber auch in der Gelehrsamkeit blieben die Niederländer nicht zurück. Die vornehmsten ausländischen Universitäten, Bologna u. Paris, wurden so stark besucht, daß die Flanderer eine eigene Nation auf denselben bildeten. Nachdem überhaupt das Schulwesen sich bis gegen das 13. Jahrh. allein in den Händen der Geistlichkeit befunden hatte, u. die Bürgerlichen durch den Adel immer mehr aus den Kloster- u. Domschulen verdrängt wurden, ging jetzt aus den Bürgerschulen eine Reaction hervor. Die flandrischen Städte erkämpften sich zuerst das Patronatsrecht über die Schule, während die klösterlichen Vereine der Begharden u. Beghinen nebst dem neu entstandenen Bettelorden in den südlichen Niederlanden das Elementarschulwesen begründeten u. pflegten. Noch ungleich bedeutender wurde in den nördlichen Provinzen eine ähnliche klösterliche Brüderschaft, die Brüder des gemeinsamen Lebens (s.d.), die von Gerhard Groote (1340–84) gestiftet, sich bald über die ganzen Niederlande u. die angrenzenden Theile Deutschlands ausdehnte u. aller Orten Schulen hervorrief, in denen für den Elementarunterricht der Knaben u. Mädchen aus dem Volke, wie für die gelehrte Bildung gesorgt wurde. Eine Reihe ausgezeichneter Gelehrter ging aus diesen Schulen hervor, welche nicht nur Bildung u. Methode weithin verbreiteten, sondern auch das in Italien erwachte Studium der klassischen Literatur herüberbrachten u. der Reformation den Weg bahnten. Vgl. Cramer, Geschichte der Erziehung u. des Unterrichts in den Niederlanden während des Mittelalters, Stralsund 1843. Mit dem Unterricht vermehrte sich das Bedürfniß nach Unterrichtsbüchern u. Volksschriften, daher gerade in den Niederlanden der Holzschnitt u. Holztafeldruck, wenn auch nicht der Typendruck, fleißig geübt wurde, als Gutenberg in Deutschland die Buchdruckerkunst erfand, welche letztere in den Niederlanden bald die beste Pflege erhielt. 1426 ward in den südlichen Provinzen die Universität zu Löwen gestiftet, während im Norden die berühmte Schule von Deventer aufblühte. Die Gelehrten bedienten sich meist der Lateinischen Sprache, während sich die höfische Dichtung in der Französischen bewegte.
Aus der Zeit vor dem 12. Jahrh. ist von der niederländischen Nationalliteratur nichts auf uns gekommen. Seitdem beginnt aber eine bis weit in das 13. Jahrh. hinabreichende Reihe von Epopöen in niederländischer Sprache, von denen jedoch nur wenige vollständig noch vorhanden, viele hingegen bis auf Bruchstücke od. auch gänzlich untergegangen sind. Der dichterische Werth derselben ist nur sehr mäßig, da sie mit wenigen Ausnahmen anfangs genauere, später freiere Übertragungen französischer Originale sind. Dahin gehören der Roman van Lancelot, Roman der Lorreinen, Roman van Karel den Grooten, Walewein, Fergunt, Floris en Blancefloer (gedichtet von Diederic van Assenede) etc.; weit übertroffen werden jedoch alle diese Rittergedichte durch das einzige bekannte Erzeugniß der niederländischen Volksdichtung, den Reinaert, der auch in die Französische u. Deutsche Literatur übergegangen ist. (S. Reinhard der Fuchs). Mit dem Hinwelken des Ritterthums erlosch auch diese Richtung der Poesie; entsprechend dem Aufstreben des Bürgerthums gelangte auch eine andere Dichtungsart zur Blüthe, die sich aus lateinischen Quellen genährt, wenn auch sich selbständig gestaltend, überwiegend lehrhafte Zwecke verfolgte. Ihr Hauptvertreter in der 2. Hälfte des 13. Jahrh. wurde Jakob Maerlant (s.d.), der in seiner späteren Zeit nur theils Erzählungen von geschichtlicher Geltung, theils verschiedene Lehrgedichte lieferte. In dieser neuen Bahn wandelte auch der bedeutendste niederländische Dichter des 14. Jahrh., Jan Boendale, genannt Jan de Clerc, Schreiber der Schöffen zu Antwerpen (1280–1351), welcher zwei Reimchroniken (Brabantsche Geesten u. Van den derden Edewaerd) u. zwei Lehrgedichte (darunter Der Leken Spieghel) verfaßte. Sonst lieferten noch geschichtliche Dichtungen von größerer Bedeutung: Melis Stoke (Chronik von Holland um 1305), ein Anonymus eine Chronik von Flandern (bis ins 15. Jahrh. reichend) u.a. Unter den übrigen Lehrgedichten sind hervorzuheben der Cato u. das dem Antwerpener Clerc Jan Deckers zugeschriebene Dietsche Doctrinale (1345); unter den Legenden der Theophilus u. der Brandan. Die Lyrik, welche bald von der Didaktik überwuchert wurde, hat keine bedeutenden Vertreter gefunden. Erheblicher sind die Anfänge des Dramas, welche sich schon ziemlich frei von den Fesseln der Kirche zeigen u. theilweise keck in das frische Leben der Gegenwart eingreifen, vgl. Altniederländische Schaubühne in Hoffmanns von Fallersleben Horae Belgicae, Band 6. Um die Mitte des 14. Jahrh. begann auch diese rein didaktische Dichtung zu ermatten; anstatt der ausgedehnten Reimchroniken u. breiten Sittenspiegel traten kürzere, oft improvisirte Gedichte auf, die oft beides, Erzählung u. Moral, vereinigten. Diese neue Gattung wurde bes. von den Spreekers gepflegt, die oft ein Wanderleben führten; der namhafteste derselben ist Willem van Hildegaersberch bei Rotterdam (1350–1400), der namentlich am Hofe der Grafen von Holland verkehrte. Da der schroffe Unterschied zwischen Adel u. Bürgerstand im Schwinden begriffen war, so konnte Dirc Potter (st. 1428) in der bürgerlichen Form der Spreekers ein größeres höfisches Werk zur Unterhaltung der vornehmen Gesellschaft (Der Minnen loep) verfassen. Beide Stände traten sich noch näher in den Kammern der Rederijker (vom franz. rhétoricien, was damals einen Dichter bedeutete), poetischen Vereinen, die sich zu poetischen Übungen u. Vorträgen zu bestimmten Zeiten u. an bestimmten Orten versammelten, bes. aber auch ihr Augenmerk auf die Ausarbeitung u. Aufführung von Schauspielen richteten, wie denn auch mehre solche Kammern bisweilen zur Feier größerer Feste durch Aufführungen u. Schaustellungen zusammentraten. Die Erzeugnisse derselben sind zwar nur von geringem poetischen Werth, wurden jedoch von Bedeutung für die nationale Literatur, da sie patriotischen Sinn pflegten, durch ihre Schauspiele auf das Volk einwirkten, ja sich in die politischen Angelegenheiten mischten, wie während der Streitigkeiten der Hoek u. der Kabeljaus u. im Reformationszeitalter.[926] Während sie aus letztern Gründen unter der spanischen Herrschaft im 16. Jahrh. in den südlichen Provinzen unterdrückt wurden, blühten sie desto frischer im Norden, bis sie auch hier, da sie hinter der Zeit zurückblieben, im Laufe des 17. Jahrh. ihr Ansehen verloren u. im 18. ganz eingingen.
Eine zweite Periode der Geschichte der N-n L. beginnt mit dem Anfange des 16. Jahrh. Als gegen Ansgang des 15. Jahrh. Freiheit, Bildung u. Wohlfahrt aus den südlichen Niederlanden nach den nördlichen Provinzen wanderten u. namentlich Amsterdam sich zur Welthandelsstadt zu erheben begann, fanden in der Rederijkerkammer die gebildetsten Männer dieser Stadt einen Mittelpunkt für geistige Erholung. Namentlich waren es hier Filip van Marnix, Coornhert u. dessen beide Freunde, die Kaufleute Roemer Vischer u. Hendrik Laurenszoon Spiegel, welche theils die ersten brauchbaren grammatikalischen Schriften abfaßten, theils in ihren eigenen poetischen u. prosaischen Arbeiten Muster aufstellten u. auf diese Weise auch den Bemühungen der Kammer um Läuterung u. Reinigung der vaterländischen Sprache, die unter der burgundischen Herrschaft vom Französischen verderblich beeinflußt worden war, einen festen Halt gaben. Jene Männer, welche die neuere N. L. erst begründeten, waren jedoch nur die Vorläufer der drei originellsten niederländischen Dichter, welche dieselbe fast plötzlich auf ihren höchsten Gipfel erhoben. Sie sind: Pieter Corneliszoon Hooft (1581–1647), der, ausgerüstet mit der klassischen Bildung seiner Zeit u. mit dem Wohllaut u. der Formvollendung der Italiener bekannt, Poesie u. Prosa zu gleichem Adel erhob; Joost van den Vondel (1587–1679), der, poetisch begabter als Hooft, im Drama u. der Satyre das höchste leistete, was die N. L. überhaupt besitzt; endlich Constantin Huyghens (1596–1686), bei demjedoch die Kenntniß aller bedeutenderen Sprachen u. Literaturen fühlbar wird u. der in seinen lyrischen, lehrhaften u. satyrischen Poesien oft ins Gesuchte u. Dunkle verfällt. Zu diesen drei Meistern in Amsterdam tritt als vierter noch Jakob Cats (1577–1660) zu Dortrecht, der nicht für ein höher gebildetes, sondern für ein großes Publikum schrieb u. in Het boekk van Vader Cats ein Volksbuch lieferte, welches länger als ein Jahrhundert im Bürgerstande als zweites Hausbuch nächst der Bibel galt. Unter den zahlreichen Nacheiferern, die sich mehr od. weniger bald der Amsterdamer, bald der Dortrechter Schule anschlossen, aber ihre Vorbilder nicht zu erreichen, noch weniger zu übertreffen vermochten, sind die bedeutendsten: die beiden Töchter des erwähnten Roemer Vischer, Marie Tesselschade u. Anna Vischer, die namentlich kleinere Gedichte u. Übersetzungen lieferten; Jakob van Westerbaan (st. 1670) in der lehrhaft-beschreibenden Dichtung; Jan van Heemskerk (st. 1656), dessen Lehrgedicht Bataavsche Arkadia vielfach nachgeahmt wurde; Jeremias de Dekker (st. 1666), der sich als Lyriker u. Epigrammatist hervorthat. Die meiste Selbständigkeit zeigt Dirk Kamphuizen (st. 1626) in seinen geistlichen Liedern; in derselben Gattung versuchte sich auch Joannes Vollenhove (st. 1708). Das Drama wurde sehr fleißig angebaut. Schon Bredero (1585–1618) hatte Lustspiele geliefert, welche zwar in der Sprache der niedrigsten Sphären des Lebens gehalten sind, aber ihrer Zeit großen Beifall fanden. Höheres erstrebte Sam. Coster, welcher ein Liebhabertheater begründete, das mit der Kammer der Rederijker verschmolzen wurde. In Folge dessen wurde in Amsterdam das erste massive Schauspielhaus erbaut, welches 3. Jan. 1638 mit Vondeles Stück Gijsbrecht van Amstel eröffnet wurde. Andere Dichter, welche sich im Drama versuchten, waren: Gerard Brandt (gest. 1685), welcher auch im Epigramm u. der historischen Prosa Beachtenswerthes leistete; Joach. Oudaan (gest. 1692), ein politisch sehr freisinniger Mann, dessen lyrische Gedichte zu den besseren gehören; ferner Reinier Anslo (gest. 1669); endlich Joannes Antonides van der Goes (gest. 1684), welcher als Lyriker u. Dramatiker sich einen Namen erwarb, namentlich aber durch sein beschreibendes Gedicht, De Ijstroom, in welchem er Amsterdam verherrlicht, berühmt gewvrden ist. Die großen Dichter dieser ersten Blüthezeit der neueren N-n L. waren beseelt u. gehoben worden durch die Begeisterung der Freiheitskriege; mit dem Geiste der Freiheit war aber überhaupt auch ein Streben nach Wissenschaftlichkeit in die Niederlande gekommen; der Anschluß an die Reformation konnte auf das Gedeihen derselben nur den güustigsten Einfluß ausüben. Seit dem Reformationszeitalter knüpfte sich auch in den Niederlanden der Fortschritt der Wissenschaften wesentlich an die Universitäten, unter denen die zu Löwen u. zu Leyden den ersten Rang behaupteten. Löwen, schon 1425 begründet, zeichnete sich aus durch Förderung der klassischen Studien, aber auch durch strenge Rechtgläubigkeit u. starres Festhalten an den Dogmen u. Satzungen der Katholischen Kirche; Leyden hingegen, gestiftet 8. Febr. 1575 in der drangvollsten Zeit, hatte zwar mit der Löwener die Pflege der klassischen Literatur gemeinsam, stand aber sonst als Vertreterin des holländisch-protestantischen Geistes zu ihr in schroffstem Gegensatze. Das rege u. freie wissenschaftliche Leben, welches sich im protestantischen u. freien Norden der Niederlande entfaltete, hatte hier die Stiftung noch anderer Hochschulen zur Folge, wie in Franeker 1585, in Gröningen 1614, in Utrecht 1636, in Harderwijk 1648; denselben traten blühende akademische Gymnasien (Illustre scholen) zur Seite, wie in Deventer (1630), in Middelburg, in Amsterdam (das Athenäum, gestiftet 1632). Selbst die Unruhen der Remonstranten u. Contraremonstranten (1618 u. 19) u. der folgende Gewissenszwang vermochten den Flug nach den höheren Regionen der Wissenschaft u. Kunst nicht zu lähmen. Die weise u. gemäßigte Regierung des Statthalters Friedrich Heinrich (1645–47) heilte jene Wunde der Bigotterie. In dieser Zeit war, wie für Poesie u. Ausbildung der Sprache, so auch für die Schönen Wissenschaften, die Naturforschung, das Staatsrecht, die Schrifterklärung u. Geschichte in Holland ein neues Licht aufgegangen. Bes. verdienen als Beförderungsmittel der Wissenschaften genannt zu werden der Flor der Buchdruckerkunst (bes. durch Plantin, Elzevir, Bläu, Wäsberge).
Die folgende Periode (seit etwa 1679, Vondels Todesjahr, bis etwa 1770) ist die Zeit des Verfalles. Der Spanische Krieg, der errungene Welthandel, der Luxus, die sinkende Selbständigkeit, das Erlöschen der Begeisterung für Freiheit u. Vaterland, der überhand nehmende Geschmack für französisches Wesen u. französische Literatur, führten zu einem schnellen Abblühen der nationalen Dichtung. Den Gipfel erreichte das Verderben, seit nach Aufhebung des Edictes von Nantes (1685) mit den[927] zahlreichen französischen Flüchtlingen der französische Einfluß so mächtig hereinbrach, daß er sich Sprache u. Poesie förmlich unterwarf, während sich von einer Einwirkung des benachbarten England nicht die geringste Spur zeigte. Die französische Poetik, namentlich die Theorie des Drama, erhielt ihren eifrigsten Verfechter an Andreas Pels in Amsterdam, durch dessen Bemühungen das nationale Drama so gründlich verdorben wurde, daß es sich bis heute noch nicht wieder zu einer nationalen Selbständigkeit erheben konnte; auch hat demselben die Poesie den verderblichen Einfluß, welchen die poetischen Vereine (Kunstgenootschappen) gewannen, zu verdanken. Zwar fehlte es nicht an vaterländisch gesinnten u. talentvollen Männern, welche sich den französischen Einflüssen entgegenstellten, wie Hubert Corneliszoon Poot (st. 1733), ein Naturdichter, u. der Lyriker Jan van Broekhuisen (gest. 1707), doch vermochten sie nichts dagegen auszurichten. Während fast durch das ganze 18. Jahrh. die Poesie in den französischen Fesseln hinsiechte, stand die Wissenschaft jedoch in höchster Blüthe. Außer den Naturwissenschaften wurde bes. Philosophie, Physik, Sprachkenntniß getrieben. Hemstherhuis, Schultens u. Boerhaave erhoben die Leydener Universität im Anfange des 18. Jahrh. zu der ersten Europas u. brachten eine dreifache Reihe vorzüglicher Gelehrten hervor, welche fast bis auf unsere Zeiten den neugebahnten Weg in der arabischen u. griechischen Sprachlehre, in der praktischen Medicin u. Anatomie mit dem glücklichsten Erfolge betraten. Aus der großen Anzahl von Reimern u. Versmachern jener Zeit des Verfalles ragen nur wenige Namen einigermaßen hervor. Dahin gehören: Lucas Rotgans (gest. 1710), welcher ein historisches Gedicht auf Wilhelm III. u. einige Dramen hinterließ; Arnold Hoogvliet (gest. 1763), welcher ein biblisches Epos (Abraham de Aartsvader) dichtete, welches wieder viele Nachahmer fand. Einige Bedeutung erlangte Sijbrand Feitama (gest. 1758), welcher zwar in der Poesie Reim, Versbau u. Ausdruck verbesserte, aber unendliche Mühe u. Zeit auf die Übersetzung der Henriade u. des Telemaque verwandte, während seine eigenen Dichtungen, darunter mehre steife Dramen, bedeutungslos sind. Nur aus der allgemeinen Verderbtheit des Geschmackes u. der Befangenheit für französische Vorbilder läßt sich erklären, wie er eine ganze Schaar von Bewunderern u. Nachtretern hat erwecken können. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. zeigte sich in einzelnen Spuren die Wendung zum Besseren. Dahin gehören die gehaltvolleren Leistungen von Nik. Simonszoon Winter (gest. 1795), welcher u.a. eine Beschreibung des Amstelstromes u. mehre Dramen lieferte, wie auch die Dichtungen seiner Gattin Lucretia Wilhelmine, geb. van Merken (gest. 1798), welche außer dramatischen u. epischen Werken auch ein gutes Lehrgedicht (Het nut der Tegenspoeden) lieferte. Den Bestrebungen dieses Gattenpaares schließen sich die Gebrüder Willem (gest. 1768) u. Onno Zwier van Haren (gest. 1779) an, von denen sich jener durch das romantische Epos Gevallen van Friso, dieser durch De Geusen, eine lyrische Ge-. schichtserzählung, einen Namen erworben hat. Über seine Zeitgenossen erhob sich Lucas Trip (gest. 1783) durch seine Gedichte geistlichen Inhalts. Sonst sind noch hervorzuheben Pieter Langendijk (gest. 1756), dessen Lustspiele ein selbständigeres Streben bekunden, während W. van Fookenbach (gest. 1695) burleske Gedichte im niedrigsten Style lieferte.
Um 1770 endlich begann die Bewegung, welche die Poesie, wenn auch zunächst nur theilweise, wieder dem Natürlichen u. Vaterländischen zuführte. Der Anstoß zu derselben war wohl durch die Beschäftigung mit der eben mächtig aufblühenden Deutschen Literatur gegeben worden, anderweitig wirkten die neuen Revolutions- u. Freiheitskämpfe u. die Bekanntschaft mit der Englischen Literatur fördernd ein. Zuerst zeigte sich der Umschwung auf dem lyrischen Gebiete. Unter unmittelbarem deutschen Einflusse dichtete Hieron. van Alphen, Jak. Bellamy u. Rhijnwis Feith, während Pieter Nieuwland (1764–94) mehr römischen u. griechischen Mustern folgten. Als die eigentlichen Träger der Bewegung u. die Begründer der neuesten Literaturentwickelung sind jedoch zu betrachten der ebengenannte Feith, der Vertreter der damals in Deutschland herrschenden Sentimentalität, u. Willem Bilderdijk (s.d.). Der Letztere, der bedeutendste u. vielseitigste Dichter der Niederländer aus neuerer Zeit, suchte seine Anregung u. Belehrung bei den älteren vaterländischen u. den besten ausländischen Dichtern aller Zeiten u. Literaturen. Wie er daher als Übersetzer unerreicht dasteht, so schuf er in dem, leider Fragment gebliebenen epischen Gedicht De Ondergang der eerste wereld (Amst. 1825 n.A. von Da Costa, ebd. 1845–47), eins der herrlichsten Werke der N-n L., welches nicht von den epischen Dichtungen van der Hopp's, I. I. L. ten Kate's, I. van Lennep's, noch weniger von denen Joh. Phil. van Goethem's, G. L. van Oosten van Staveren's, W. H. Warnsinck's u. m. A. übertroffen werden konnte. Ebenso Vortreffliches leistete Bilderdijk für die beschreibende u. didaktische Poesie in De Ziekten der geleerden (1807), in dem Buitenleven (Amst. 1803, Rotterd. 1821), u. De Mensch. Außer einigen Dichtungen des Lyrikers Helmers gehören hierher noch Hendrik Tollens Overwintering der Hollanders op Nova Zembla (1819) u. Jak. van Lennep's Bouwkkunst (1842). In der moralisch-religiösen Gattung des Lehrgedichtes leistete bes. Feith Vortreffliches. Im Epigramm sind nächst Adam Simons (Gedichten, 1805; Het huisselijk Leven 1823; Verstrooide Gedichten, 1822; Verzamelde Poezij, 1834 etc.), bes. Ant. Christ. Winand Baring (gest. 1840) geschätzt. Unter den lyrischen Dichtern der letzten Literaturperiode nimmt der schon mehrfach genannte Rhijnvis Feith eine vorzügliche Stelle ein. Sentimentalität charakterisirt auch seine patriotischen Gesänge, seine religiös-moralischen Dichtungen u. seine Trauerspiele. Noch weit productiver als Feith wirkte W. Bilderdijk in fast allen Gattungen der lyrischen Poesie. Auch die Gedichte seiner zweiten Gemahlin, Kathar. Wilhelmine (geb. 1777, gest. 1830), sind sehr geschätzt. In die Periode der patriotischen Begeisterung fällt Bilderdijk's Hollands verlossing (1813 f., 2 Bde., 2. A. 1833), seine Hymne: Frederickk Willem (1815), sein Wapenkreet u. die Vaterlandsche uitboezemingen (1815). Von gleicher Vaterlandsliebe beseelt, dichteten Jan Frederik Helmers (geb. 1767, gest. den 26. Febr. 4813). Zu dem Freundenkreis derselben gehörten auch der eifrige Anhänger der Kant'schen Philosophie, Jan Kinker (geb. 1764, gest. 1845) u. Maur. Cornelis van Hall, welcher nur kleinere Poesien, meist Gelegenheitsgedichte,[928] veröffentlichte Auch die Dramatiker Samuel Iperuszoon Wiselius (gest. 1845), Hendrik Harmen Klijn (geb. 1773) u. dessen Bruder Berend Klijn u. Jan van Walré (gest. 21. Dec. 1837) sind als Lyriker nicht unbedeutend. Eine von den Genannten verschiedene, mehr volksmäßige Richtung verfolgten die Dichter der Rotterdamer Schule, unter denen bes. Hendrik Tollens (1780–1856) als Lyriker der erklärte Liebling seiner Nation geworden ist. Ihm schließen sich in zweiter Reihe an: Ad. Simons (1770–1834), Hazo Albert Spandaw u. der fast ganz nach deutschen Mustern gebildete Hendrik Lulofs (gest. 1849). Als der vorzüglichste humoristische Dichter wird Ant. Christian Winand Staring (gest. 1840) geschätzt; aus früherer Zeit ist der witzige Satyriker Arend Fokke (1755–1812) auszuzeichnen. Andere minder bedeutende Dichter der letzten Decennien sind Nierstraß (gest. 1828), Jan Immerzeel (gest. 1841), W. Messchert (gest. 1844), Robert Arntzenius (gest. 1823), C. P. L. Robidé pan der Aa, van's Gravenweert, A. N. van Pellecom (gest. 29. Sept. 1849), H. van Loghem (gest. 1843), die blinde Dichterin Petronella Moens (gest. 1843); ferner der Kanzelredner Elias Anne Borger (gest. 1820), der Philolog Dav. Jak. van Lennep, Westermann, A. Boxman, Warnsinck u.a., S. I. van den Bergk. Ausgezeichneter Improvisator war Willem de Clercq (geb. 1793 in Amsterdam, gest. 1844). Gegenwärtiges Haupt der klassischen Schule ist Isaac da Costa, der Schüler u. Lobredner Bilderdijks. Das erwachende Studium des Shakspeare, das Auftreten von Byron, Walter Scott u. Thomas Moore rief auch in Holland den Gegensatz zwischen romantischer u. klassischer Dichtung hervor. Die Hauptvertreter der romantischen Schule in den Niederlanden sind Jan van Lennep n.A. Bogaerts; diesen schließen sich an Nic. Beets, A. van der Hoop (gest. 1842), A. Beeloo, B. Ter Haar, als Meister in der Erzählung geschätzt, A. Meijer, I. de Bull, C. I. Potgieter, I. I. L. ten Kate, I. I. A. Goeverneur, I. P. Heije, I. A. Alberdingk Thijm u. W. I. Hofdijk etc. Die beiden Letztgenannten sind durch ihre übertriebene Sucht nach Mittelalterlichem bes. charakterisirt. Unter den hierher gehörigen Dichtern von minderem Ruf sind etwa noch anzuführen: I. den Beer Portugael, H. Maronier, L. V. Ledebour, W. W. Noodt, H. Vinkeles, F. H. Greb, I. P. van Goethem, Catharina Vastrik, I. P. Hasebroek, A. F. Sifflé, I. F. Bosdijk (gest. 1850), I. H. Burlage u. viele Andere. Der größte Theil der jüngeren niederländischen Dichter steuert Beiträge zu dem Nederl. Muzenalmanach. Von den niederländischen Mundarten wurde nur die Friesische von in Friesland geborenen Dichtern häufiger benutzt (s.u. Friesische Sprache u. Literatur). Der eigentliche Volksgesang existirt zwar noch in den Niederlanden, aber bereits verkümmert durch den Einfluß der Kunstpoesie. Die ganze Mythologie findet in demselben seine Anwendung. Ein Verzeichniß der besten gibt Hoffmann von Fallersleben im 2. Bande der Horae Belgicae; die Gedichte selbst charakterisirten sich durch Unsittlichkeit u. Obscönität.
Auch im Drama beginnt mit Rhijnvis Feith u. Bilderdijk eine neue. Epoche. Zuerst suchte sich der Letztere durch seine Übersetzungen der sophokleischen Tragödien Koning Edipus (1779) u. De dood van Edipus (1789) von der herkömmlichen französirende-Richtung frei zu machen. Der bessere Geschmack zeigt sich schon ausgeprägt in Feith's Thirza (1784), Johanna Gray (1791), Ines de Castro (1793), Mucius Cordus (1795). Enthusiasmus für die Freiheit athmen auch Adrian Loosje's (1761–1818) Tragödien. Bilderdijk selbst sah sich durch Übersiedelung der Regierung u. König Ludwigs nach Amsterdam zudem Trauerspiel Floris de Vijfde (1808) veranlaßt, welchem die Dramen Willem van Holland, Kormakk u. Linna, letzteres nach Corneille, folgten. Auch die Tragödien seiner Gemahlin Katharine, Iphigenie u. Elfride (nach Racine), erhielten Beifall. Neben diesen sind als Dramatiker zu nennen: Jan Frederik Helmers, Cornelis Loots, Kinker, bes. Samuel Iperuszoon Wiselius, welcher sich nur zu sehr an die Normen der Altfranzösischen Schule anschloß; Hendrik Harmen Klijn, dessen Montigni noch jetzt volksthümlich ist, u. Jan van Walré (gest. 1837), deren Stücke auf der Bühne durch die größten neueren Schauspiler der Niederländer, Andries Snoek (geb. 1766, gest. 1829), den Nachfolger Ward Bingley's, u. durch die Frau Wattier-Ziesenis (1764–1828) eine würdige Darstellung fanden. Seitdem hat die Bühne ihren Glanz verloren, selbst das 1841 auf Actien begründete niederländische Theater zu Amsterdam beschränkt sich fast nur auf Aufführung von Übersetzungen französischer u. anderer Stücke, so wie auf die Entfaltung großer, Decorationspracht begünstigender Ballete. Das französische Vaudeville hat fast alle vaterländischen Stücke verdrängt. Zwar erschienen seitdem noch jährlich ernste u. heitere Dramen, sie kamen jedoch entweder gar nicht zur Aufführung, od. konnten den Beifall des Publikums nicht erringen. Wir nennen von weniger bedeutenden dramatischen Dichtern der neuesten Zeit außer A. van Halmael noch Isaac da Costa, Joh. Hilman, Westerman, I. de Wal, Joh. Ruijl, H. Kuljper, P. P. Roorda van Eisinga. Der holländische Scribe, ein Nachtreter der Franzosen, ist Ruijsch. Einen Lustspieldichter hat Holland seit Peter Langendijk nicht gehabt; die im Ifflandischen Style gehaltenen Stücke Loosje's, so wie Jan van Lennep's Dorf über der Grenze, welches zu seiner Zeit sehr gefiel, sind unbedeutend. Das eigentliche Volksschauspiel bilden gegenwärtig in den Niederlanden nur noch die Marionetten (Jan Klaus), welche von einem Jahrmarkt zum andern ziehen. Erst seit einigen Jahren zeigt sich wieder einiges Interesse für die nationale. Hebung der Bühne. In der neuesten Zeit hat unter Anderen H. I. Schimmel nicht unverdienstliche Stücke geliefert.
Die Literatur des Romanes hat sich in der letzteren Zeit bei den Niederländern ebenso entwickelt u. ebenso an Umfang gewonnen, wie anderwärts. Alle bedeutenderen, ja selbst viele mittelmäßige Erscheinungen des Auslandes, namentlich Deutschlands, Frankreichs u. Englands, auf dem Gebiete der Unterhaltungsliteratur finden bald ihre Übersetzer. Namentlich sind es zwei Richtungen, welche unter den Erzeugnissen der Holländer eine Rolle spielen, der historische Roman, hervorgerufen durch Walter Scott, u. der humoristische Roman, veranlaßt durch Jean Paul Fr. Richter u. Matthias Claudius (den Wandsbecker Boten), vor allem aber durch Yorick (Sterne), Lamb u. Dickens. Im 17. Jahrh. erschien der erste prosaische Roman von Jak. van Heemskerk (Batavische Arkadia, Amst. 1637 u.ö.): im letzten Viertel des 18. Jahrh. erschienen die ersten bürgerlichen Romane von El. Wolff u.[929] Ag. Deken im Verein bearbeitet, Sara Burgerhart (1782) u. Willem Leevend (1784). Die Spuren der sentimentalen Zeit tragen Feiths (Julia u. Ferdinand en Constantia) u. Maria Posts Romane an sich, weniger die der Petronelle Moens (Waare liefde en belangelooze vrindschap, 1797, u.a.); Adriaan Loosjes mit seinen Familiengemälden, in denen er das Nützliche aus der Moral u. vaterländischen Geschichte mit der annehmlichen Form des Romans zuvereinigen suchte, steht noch jetzt bei seinen Landsleuten in hoher Achtung. Seine geschichtlichen Romane in dialogischer Form, sowie die aus der Zeit vor der Revolution fanden weniger Beifall, doch wurde Susanna Bronlkhorst (1806) gut aufgenommen. Unter seinen Nachahmern ist nur etwa F. Herbig zu nennen. Zwar stand des angenehm erzählenden u. geistreichen Kist Ring van Gyges, sowie, inmitten des Enthusiasmus für die Werke Walter Scotts, noch der Frau de Neufville Kleine pligten in hohem Ansehen, doch traten dieselben in den Hintergrund, als die letztgenannte Schriftstellerin in ihrem Schildknaap (1828) den ersten gelungenen historischen Romanin dem herrschenden Zeitgeschmacke veröffentlichte. Eine lange Reihe historischer Romane, welche ihren Stoff theils aus der Fremde, theils aus der Heimath, theils selbst aus dem Alterthum entlehnten, folgte nach. Am bedeutendsten unter ihnen sind Aernout Drost, I. pan Lennep, bes. aber I. Oltmans, pseudonym I. van den Hage, in jüngster Zeit Lod. Mulder. Alle ihre Vorgänger im historischen, bes. den vaterländischen historischen Roman übertrifft A. L. C. Toussaint, die Gemahlin des Malers Bosboom. Einen anderen Weg betrat van Limburg-Boouwer, indem er in seinen Charikles en Euphorion u. Diophanes (1838), die Sitten der alten Griechen, wie schon früher Maurits Cornelis van Hall in seinem Plinius Secundus u. Messala Corvinus, die der Römer in romantischer Form zu schildern suchte. Durch Robidé van der Aa's Losse bladen uit het groote levensboek (1836), wurde der sociale Roman in die N. L. eingeführt; die Manier Dickens verpflanzte I. de Vries mit seinem Edmond (1844) auf holländischen Boden. Schon vor den Ereignissen des Jahres 1830 hatte Vosmaer auch de Wakker van Zon, pseudonym Bruno Daalberg, als Humorist Beifall gefunden; doch begann erst mit Lublink Weddik u. Heldring die eigentliche Blüthezeit der humoristischen Skizzen u. Romane; ihnen folgten Hasebroek, Gewin, (pseudonym Vlerk), vor Allen aber Nikolaas Beets, welcher unter dem Namen Hildebrand die Camera obscura schrieb, van Lennep mit Ferdinand Huyck. Der mehr originelle u. selbständige Kneppelhout, welcher unter dem Namen Klikspaan eine Reihe von Schilderungen aus dem Leydenschen Universitätsleben schrieb, wurde an satyrischen Humor noch durch van Limburg-Brouwer übertroffen. In den letzten Jahren lenkte van Koetsveld die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Einen Jeremias Gotthelf erhielten die Holländer in dem Geistlichen Cornelis van Schaick; seine Volksschriften machten ihn bald zum Liebling des Volkes, während ihn seine Tafereelen uit het Drentsin dorpsleven an die Seite der besten niederländischen Schriftsteller stellen. Von den vielen anderen geringeren Talenten, welche sich auf dem Gebiete der Unterhaltungsliteratur versuchten, nennen wir hier noch beispielsweise I. de Vries, I. Honig, A. D. van Buren-Schele, Nikolaas Beets, A. van der Hoop, H. I. Abbring, I. van Assum, van Abcouw, van Noothorn, Dresselhnijs, van Brederode, Sterren, A. van Lichtenberg, A. van Linde, Jul. de St. Genois, Sieburgh, A. May van Vollenhoven, A. I. de Wilde, I. de Quack, C. Bok, H. Zeeman, A. Radijs, I. Krabbendam, W. Storck, A. R. Sloos, I. I. Cremer, Elise van Calcar, G. D. I. Schotel.
Durch die großen Dichter aus dem Anfang des 17. Jahrh. war auch die Prosa zu einem hohen Grade der Ausbildung gelangt. Seit Ger. Brandt tief gesunken u. verderbt, wurde sie zuerst wieder gereinigt u. erhoben durch Justus van Essen (1684–1735) in seinem Hollandschen Spectator (1731–35), einer belehrenden Wochenschrift. Eine neue frische innere Kraft gewann sie doch erst mit dem Wiederaufblühen der Poesie gegen Ende des 18. Jahrh. Was die Beredtsamkeit betrifft, so gab der Niederländische Staat durch seine Einrichtung nur wenig Gelegenheit für die Staatsberedtsamkeit, weil die Vorträge in geschlossenen Versammlungen geschahen; erst als die Öffentlichkeit geboten war (seit 1795), konnten sich Redner wie Simon Stijl, Schimmelpenni ck u. Jak. Kantelaar hervorthun, welche später an Kemper, van Hogendorp, van Alphen, Collot d'Escury van Heinenoord, Thorbeke u. Andern Nacheiferer fanden. In der gerichtliche Beredtsamkeit hat sich Herm. Noordkerk (gest. 1781) rühmlich ausgezeichnet. Selbst die Kanzelberedtsamkeit konnte in der älteren Zeit der theologischen Streitigkeiten nicht gedeihen. Veredelt u. zur Vollendung geführt wurde die Kanzelrede erst durch I. H. van der Palm (gest. 1840); ihm folgten Jan van der Roest, Ewald Kist u. Elias Anne Borger. Andere Kanzelredner sind: Dermont, I. Clarisse, van Hengel, Petrus Broes u. Jodocus Heringa, denen sich Messchaert bei den Wiedertäufern, Roll bei den Lutheranern u. Stuart bei den Remonstranten anschließen. Nach einigen Seiten hin wurde van der Palm noch übertroffen durch Abraham des Armorie van der Hoeven, welcher der Gründer einer allgemein bewunderten Schule von Predigern wurde. Gegenwärtig der gefeiertste Kanzelredner ist van Oosterzee in Rotterdam. Die akademische Beredtsamkeit konnte sich erst in neuerer Zeit der Lateinischen Sprache entziehen u. fand wiederum an van der Palm den ausgezeichnetsten Meister. Sonst sind zu nennen als solche bes. Hooft, O. Zw. van Haren, de Bosch, Kantelaar, van Schwinden, Hulshoff, Vos, Bilderdijk, Siegenbeek.
Die Geschichtschreibung wurde von den Niederländern eifrig, aber einseitig gepflegt, da sie sich meist ur auf das eigene Vaterland erstreckte. Nur wenige ihrer Leistungen hat auch im Auslande einen größeren Leserkreis finden können. Die Form der Chronik gab sie mit den Freiheitskriegen auf. Den Übergang bildeten in den südlichen Provinzen die umfangreichen Werke von Aubertus Miräus (La Mise), Ant. Sanders, Butkens, Pontas de Heuter, Franz van der Haar (Haräus), die jedoch vom katholischen od. auch spanischen Standpunkte aus schrieben. Unparteilicher u. gewandter zeigt sich schon Nic. Burgundins. Im nördlichen Niederlande arbeiteten drei Sammler von Bedeutung, Peter Bor, Eman. van Meteren u. Everard van Reyd, auf welche zum Theil sich stützend Pieter Hofft seine Nederlandsche Historien (1642) schrieb, welche wegen Gehalt u. Sprache[930] für classisch gelten. Ihm nahe stehen Hugo Grotins (Annales et historiae de rebus Belgicis, 1657) u. die historischen Werke des Uffo Emmius (1547–1628), des namhaftesten Geschichtsschreibers der Friesen. Mit der Vorliebe für alles Einheimische sank auch die Neigung zur Behandlung der vaterländischen Geschichte. Letztere war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. nur durch Gerard Brandt (1626–85) würdig vertreten, der sich auch um die Kirchengeschichte verdient machte. Die Darstellung Pieter Valckenigs u. des Friesen Lieuwe van Aitzema läßt viel zu wünschen übrig; nur Sammler waren Gerard van Loon, der Begründer der Niederländischen Münzkunde, u. Franz van Mieris. Die Niederländische Geschichte Jean's Le Clercq (Clericus) entbehrt der selbständigen Forschung. Weit höher steht wieder die Vaderlandsche historie (1749) von Jan. Wagenaar (1709–73), welcher jedoch an Tiefe, Bündigkeit u. Kraft von Simon Stijl (1731–1804) übertroffen wird, welcher zuerst mit Glück die philosophische Behandlung der Geschichte versuchte. Mit Kenntniß u. Geschick wurden einzelne Partien der vaterländischen Geschichte von te Water, I. Meermann, Engelbest, Jak. Scheltema u. Adrian Kluit (Historie der Hollandsche Staatsregering, 1802–1805) geschrieben. Für die Geschichte des Auslandes wie die Kirchen- u. Universalgeschichte wurde bis auf die neuere Zeit herab nur weniges von einiger Bedeutung geleistet, abgesehen von dem, was mit dem philologischen Studium im Zusammenhange steht. Zu nennen sind etwa Jak. Basnage wegen seiner Geschichte der Juden (1716), Martin Stuart wegen seiner römischen Geschichte, Ysbrand von Hamelsfeld wegen seiner allgemeinen Kirchengeschichte, Herm. Muntinghe wegen seiner Geschichte der Menschheit nach der Bibel (1804 ff.). Seit Anfang des 19. Jahrh. begann sich die historische Forschung lebhafter zu entwickeln, fing zugleich auch an den Kreis derselben nach verschiedenen Seiten hin zu erweitern. Außer van Kampen, welcher die vaterländische Geschichte in gefälliger Form erzählte, ist bes. Bilderdijk zu nennen, welcher dieselbe zwar einseitig, aristokratisch, aber kräftig u. selbständig behandelte. Durch die Arbeiten des Reichsarchivars H. van Wijn wurde ein neuer u. sehr nachhaltiger Anstoß zur eingehenderen Geschichtsforschung gegeben, welcher die Herausgabe mehrfacher Urkunden- u. Quellensammlungen u. zahlreicher, auf Urkundenforschungen gestützter monographischer Arbeiten zur Folge hatte. Besondere Hervorhebung verdienen in dieser Beziehung Groen van Prinsterer (Archives, 8 Bde., Leyd. 1835–47; u.a. Werke); Nijhoff (Bijdragen voor vaterl. geschiedenis, 1837 ff.), Backhuysen, de Jonge, Halbertsma, de Vries, P. Scheltema u.a.m. Diese eingehendern Forschungen sind bereits in den neueren Werken über Niederländische Geschichte sichtbar, wie in den von Arend, Groen van Prinsterer u. einigen And. Ausgezeichnete Bearbeiter einzelner Perioden u. Abschnitte der politischen wie der Culturgeschichte sind de Jonge, H. Bosscha, Koenen, Tijdeman, Siegenbeck etc.; über Kriegsgeschichte schrieben Sypesteyn, de Bordes, Netscher, Joh. Bosscha, Knop; über die Geschichte der holländischen Marine E. Gerrits, de Jonge; über die Geschichte der Diplomatie G. W. Vreede, über die Reformation Yves, Dermont, B. Glasius, Blaupot ten Kaie (Wiedertäufer). Nicht geringer Fleiß, wenn auch meist ebenfalls auf die Niederlande beschränkt, haben die Holländer von jeher auf die Biographie, sowohl in bio-bibliographischen Sammelwerken, als in zusammenhängender Darstellung verwendet u. darin viel treffliches geleistet. Dahin gehört aus früherer Zeit Levens van Nederlandsche mannen en vrouwen, Amsterd. 1774–83, 10 Bde., u. Hooft, Brandt, Cattenburch, Hoogstraten, Rije, Bakker, Prins, de Kruijss, Stijl, Nomsz, Kok, Scheltema verdienen einzeln als Biographen genannt zu werden. In den letzten Decennien lieferten beachtenswerthe biographische Arbeiten: van Capelle, Will. Broes, van Heusde, Oudemans, Scheltema, P. Simons, van der Kemp, Hoek, Abbiuk, G. Engelberts Gerrits, H. Zeemann, R. W. Tadama, van Hall, Gerard Brandt, A. M. Cramer, E. I. Diest Lorgion, H. van Vollenhoven, A. des Armorie van der Hoeven, Weddik, Beets etc. Biographische Sammelwerke boten Oostkamp (Niederländ. Kriegshelden, 1834), van Til (Niederländ. Frauen, 1843); ein vorzügliches Biographisch Woordenboek für die Niederlande hat van der Aa (1853–60, Bd. 1–5) begonnen. Um Zutageförderung von biographischen u. literarischen Notizen machte sich Schotel, Prediger zu Tilburg, u.a. verdient. Auch die historischen Hülfswissenschaften fanden wieder tüchtige Vertreter. Die vaterländischen Alterthümer, sowohl aus batavischer u. römischer, als aus späterer christlicher Zeit wurden in zahlreichen Monographien u. Journalaufsätzen bearbeitet, so von Janssen, Heldring, N. Westendorp, Acker Stratingh, Magnin, Robidé van der Aa (Oud Nederland, 1842 ff.). Für die Numismatik sind die Schriften von van der Chijs in Leyden zu beachten, der 1833 auch eine Tijdschrift voor algemeene Munten Penningkunde begann. Über Heraldik schrieb L. Ph. C. Bergh. Die Geschichte der niederländischen Kunst erhielt durch Immerzeel, G. Engelberts Gerrits, Serv. de Jong u.a. gute Beiträge. Fast keine Wissenschaft verdankte den Niederländern mehr als die Geographie bes. der Hinterasiatischen Länder. Beschreibungen von Ostindien gab Valentin, von Ceylon Baldäus, von Malabar etc. Schouten, von China Nieuhof, u. so von anderen Ländern Bruin, Depper, Witsen. Auch ausführliche Beschreibungen der vorzüglichen Städte der Republik, mit deren Geschichte vereinigt, gibt es aus dem 18. Jahrh. Damals begann die vaterländische Geographie von eigentlichen Gelehrten pragmatisch bearbeitet zu werden, wie von Wagenaar. In neuerer Zeit sind die geographischen Arbeiten der Niederländer hinter denen der Nachbarvölker zurückgeblieben; sie beschränken sich fast nur auf die Niederlande u. die niederländischen Colonien in Ost- u. Westindien, od. sie bestehen aus Reisebeschreibungen, die jedoch nur in einzelnen eine wissenschaftliche Bedeutung haben. Dahin gehören die Arbeiten von Temmingh, von Roorda van Eyssinga u. dem Deutschen Junghuhn, sowie die Arbeiten Siebold's über Japan. In der Philosophie haben die Niederländer kaum etwas Originales geleistet, wenn auch die Republik mehre der eigenthümlichsten u. kühnsten Denker, wie Descartes, Spinoza u. Bayle Zuflucht gewährte, wogegen sie Hugo Grotius ins Ausland trieb. Zwar fand Descartes bes. an Arnold Geulinx einen denkenden Anhänger u. s'Gravesande (1688–1742) bot vielen Scharfsinn zur Widerlegung von Hobbes u. Spinoza auf; allein, wenn auch diese Bestrebungen u. Kämpfe[931] auch für andere Gebiete der Wissenschaften nicht ohne Anregung u. Förderung blieben, so vermochten die Niederländer doch kein eigentliches System zu bilden u. somit die Philosophie selbst weiter zu führen. Dies gilt im Allgemeinen auch von der neueren Zeit, wo die Philosophie nur mehr in historischer, als eigenthümlich schöpferischer Weise bearbeitet wurde. Die Philosophie Kants fand an Servaas Deiman, Leroy, van Bosch, bes. aber an Kinker u. Paulus van Hemmert eifrige Anhänger; der Letzte wußte sich gegen ihre Gegner (van. der Wijnpersse, Feith, später Wyttenbach) mit den Waffen der Ironie siegreich zu behaupten u. die Kantschen Ansichten auch dem Nichtgelehrten zugänglich zu machen. Eine gute Arbeit lieferte Borger über die Mystik. Um die Philosophie der Alten machten sich nebst van Limburg-Brouwer (gest. 1847), namentlich Ph. W. van Heusde (gest. 1839), van Baumhauer, Groen van Prinsterer u.a. verdient. Van Heusde machte in der pädagogischen Literatur durch seine Briefe über die Natur u. den Zweck des höheren Unterrichts auch in Deutschland Aufsehen. In jüngster Zeit nimmt Opzoomer, vom Standpunkte der Krauseschen Philosophie ausgehend, die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch. Als Ästhetiker machten sich im vorigen Jahrh. bes. H. van Alphen (Theorie der schoone kunsten en wetenschappen, Utr. 1778–80, 2 Bde.) verdient; in neuerer Zeit wird Jak. Geel, zugleich einer, der besten Prosaisten der Niederlande, sowie gründlicher Kenner der alten u. neueren abendländischen Literatur, bei. geschätzt. In der Rechtsgelehrsamkeit hat sich in alter Zeit außer Philipp von Leyden kein Niederländer hervorgethan; im 16. Jahrh. verdienen Auszeichnung Nik. Everardi, Epo, Agyläus, Leoninus, P. Montan, Rataller, Popma, Adelgonde, Dousa, Oldenbarneveldt u. And. Für praktische Gesetzgebung wurde ein thätiger Schritt gethan, da Karl V. u. Philipp II. alle ungeschriebene Stadt- u. Landrechte zu sammeln, beschreiben, verbessern od. bestätigen befahlen. Nach der Revolution erschienen eine Menge Commentare der Landrechte; für Holland war das wichtigste die von Grotius im Kerker gefertigte Einleitung in die holländische Rechtsgelehrsamkeit. In der Rechtstheorie behaupten in dieser Periode eine ehrenvolle Stelle: Vinnen, die beiden Matthäus u. Grotius. Die glänzendste Periode für das rechtsgelehrte Studium, bes. in Holland, brach nach dem Westfälischen Frieden an. Jetzt wurde auch Naturrecht gelehrt; zum ersten Mal erschienen Compendien. Voet, Schulting, Bynkershoek, Westenberg, Huber, Heineccius, Barbeyrac, I. u. B. Voorda, Pestel, Meermann, Arntzen, I. de Roer, van de Keessel, Tijdeman, Cras, I. Meermann, Valckenaer, W. de Roer, Smallenburg, van der Linden, Bilderdijk, van Wesele, Scholten zeichneten sich aus. In den theologischen Wissenschaften brachten die Niederlande zwar keinen eigentlichen Reformator, aber doch Männer hervor, deren Mäßigung, Gelehrsamkeit u. Angriffe der mönchischen Unwissenheit u. Unsittlichkeit der Reformation vortheilhaft waren, wie: Gansfort, Erasmus, in der folgenden Zeit Koornhert, Duifhuis u. vor Allen H. Grotius. Der Streit der Coccejaner u. Voetianer förderte den Geist der reformirten Confession nicht; strenge Dogmatiker waren Coccejus, Abr. Heidan (van der Heyden) u. Abr. Trommius; liberaler Limborch. Doch die wirksamste Verbesserung war Bekkers Aufklärungsversuch. Unter die gelehrten Theologen gehörten bes. Sponheim u. Trigland. Einzelne Ausnahmen von dem strengen Orthodoxismus im 18. Jahrh. machten Wetstein, I. Alberti, Venema, Vitringa, u. im dritten Viertel des 18. Jahrh. drang allmälig ein freierer u. milderer Geist in die herrschende Kirche ein; bes. wirkten dazu das politische Streben nach Umänderung der alten Form, welches sich auch auf die Kirche ausdehnte, die von Schultens in Leyden gebildete Schule, van Vlotens Bibelübersetzung, Bosvelds aufgeklärte Schriften, die Verbesserung der Homiletik u. im 19. Jahrh. die Schriften von Muntinghe, van der Palm, van Woorst, Borger u. And. So schritt auch die Dogmatik vorwärts, u. Heringhn, van Boorst, Regenbogen u. And. nähern sich in ihren dogmatischen Werken mehr od. minder der damals in Deutschland vorherrschenden freieren Denkungsart. Auch die Katholiken in den Niederlanden gewinnen immer mehr liberale Ansichten.
Die mathematischen u. astronomischen Wissenschaften wurden im 16. Jahrh. nur dürftig betrieben; Liebe zur Sterndeuterei verhinderte ihr Studium; nur Mercator, Ortelius u. Popma machten einige Ausnahme; in der Hydraulik u. Hydrostatik thaten es die Holländer allen Europäern zuvor. Im 17. Jahrh. schrieb Chr. Huygens mehre mathematische Werke, u. als späterer Astronom ist zu nennen Calkoen u. aus neuerer Zeit van Uttenhose u. Gerh. Moll in Utrecht u. Kaiser in Leyden. In den Naturwissenschaften singen die Niederländer im 16. Jahrh. an, ihre Neigung für Zoologie u. vorzüglich für Prachtwerke darin zu entwickeln. Die physischen Wissenschaften machten im 18. Jahrh. starke Fortschritte durch s' Gravesande, Fahrenheit, Musschenbroek, Cunäus, Boerhave. In der eigentlichen Physik führten Huygens Entdeckungen zu den erfreulichsten Resultaten. In der Chemie wurde das Lavoisiersche System von Deiman, Bondt, Nieuwland, von Troostwijk, von Marum, Kuyper, Cuthberson, Lauwerenburgh berichtigt u. ausgebreitet, welche auch wichtige Entdeckungen machten. In neuerer Zeit hat sich namentlich die Universität Utrecht, wo Mulder lehrt, durch vorzügliche Leistungen in der Chemie ausgezeichnet. Sonst ragten in jüngster Zeit noch Stratingh in Gröningen u. van der Boon Mesch in Leyden hervor. Auch in der eigentlichen Naturlehre waren v. Swinden, Bikker, Cuthberson, v. Marum auch in Erfindungen thätig. In der Botanik zeichnete sich zuerst R. Dodoens aus, u. viel trugen dann die indischen Reisen zur Vervollkommnung dieser Wissenschaften bei. 1682 öffnete der Magistrat den Botanischen Garten in Amsterdam, welchem Commelyn vorstand u. mit dem seit dem 18. Jahrh. der Leydner u. mehre wetteiferten. Außerdem erwarben sich I. Breyn, dann Gorter, I. van Geus, in neuester Zeit S. I. Brugmans, G. Vrolik, Kops, Seep, van Hall, Reinward, de Triese, Miguel u. And. Verdienste um diese Wissenschaft. In der Zoologie u. Zootomie beschäftigte man sich Anfangs mit der genauen Beschreibung kleiner Gegenstände, so Leeuwenhoek, Swammerdam, Bidloo; aber außerordentliche Fortschritte machten die Zootomie, Zoologie u. Vergleichende Anatomie durch Campers Entdeckungen, u. eine Menge Prachtwerke über Naturgeschichte erschienen um diese Zeit. Das Zoologische Museum in Leyden[932] gelangte bald zu ausgezeichneter Bedeutung u. lieferte in neuester Zeit dem Zoologen Jan van der Hoeven u. dem Ornithologen C. I. Temmingh eine vorzügliche Grundlage zu ihren trefflichen Arbeiten. In der Anatomie brach Andr. Vesalius die Bahn; glänzend trat 1665 Ruysch auf, welchem R. de Graef sich anschloß; auch Kerckring, Tulpius, Lysson, v. Home, Drelincourt, Waläus, Nuck, Biddlo machten wichtige Entdeckungen; im 18. Jahrh. Bernh. u. Bernh. Sigism. Albinus, Camper, Sandifort. Im gegenwärtigen Jahrhundert zeichneten sich aus: Gerard Sandifort in Leyden, Vrolik, Vater u. Sohn, in Amsterdam, Sebastian in Gröningen, Bleuland in Utrecht u. ebendaselbst Schröder van der Kolk, welcher zugleich als Patholog u. Begründer des niederländischen Irrenheilwesens zu nennen ist. Um die Chirurgie haben bes. Tulpius, van Wyck, I. van der Haar, bes. auch F. Camper, D. van Gesscher, van Wy, Ed. Sandifort, A. Bonn sich verdient gemacht; in der Geburtshülfe Deventer, I. Palfyn, Roonhuygen, I. de Visscher. In der Praktischen Medicin war die Reinigung des guten Geschmacks u. die Rückkehr zu den Alten in so weit vortheilhaft, daß man auch wieder Hippokrates u. Galenos studirte. Aber erst Boerhave gelang es, eine heilsame Revolution durchzusetzen, u. wenn auch sein System sich zu sehr nach der Jatro-mathematischen Schule hinneigte, so betrachtete er doch in der Praxis die Wirkungen des Lebens als ein System von Kräften; auch brachte er die Ärzte zu der einfachen hippokratischen Beobachtungsmethode zurück. Die Reform des Medicinal- u. Hospitalwesens, sowie der Medicin, erfolgte wesentlich unter dem Einflusse Brugmans', welcher nicht blos als Arzt, sondern auch als Naturforscher sich die größten Verdienste erworben hat.
Der Schwung, welchen man nach Wiederherstellung der Wissenschaften in der Klassischen Literatur genommen hatte, erhob schon im 16. Jahrh. einige Niederländer zu seltenen Humanisten, u. nach der Befreiung vom spanischen Joche übertrafen die Holländer in der Philologie alle europäischen Staaten; überhaupt wurde die Philologie bestimmender Mittelpunkt für die wissenschaftlichen Studien in den Niederlanden, namentlich dem nördlichen Theile. Als Kritiker traten auf: Hugo Grotius, Gruter, Torrentius, Scriver, Saumaise, Rutgers, Boxhorn, I. F. Gronov, die beiden Vossius, Nik. Heinsius. Um die Griechische Sprache machten sich Dan. Heinsius, Cunäus, Th. Douza, Feith, Meursius, Jak. Gronov, Is. Vossius u. m. And. verdient. In dem Zeitraum von 1648–1713 glänzten als Philologen: Grävius, Jak. Gronovius, Muncker, Broekhuizen, Leclerc, Tollius, Almeloveen, Blanchard, Küster, Maaswijk, Bos. Besonders machte sich Holland in der ersten Hälfte des 18. Jahrh., wie um die lateinische (Drakenborch, Duker, Verburg, Abr. Gronov, Oudendorp, Haverkamp, van Staveren, Arntzen, P. Burman Sec., Ruhnken, Wyttenbach), so um die Griechische Sprache u. Literatur verdient, da man, bes. auf Hemsterhuis' Vorgang, die gehäufte Masse zu einem der wahren Humanität fruchtenden Ganzen anwendete (Küster, Broekhuizen, Bergler, Wesseling, Duker, Drakenborch; neben ihnen de Pauw, Reitz u. Haverkamp), darnach Valckenaer, Ruhnken, Alberti, Saxe, Schrader, Dorville, van Lennep, Pierson, Köne, Abresch u. Hoogeven. Über die Erhaltung des echtrömischen Styls wachte bes. Wyttenbach; die lateinische Poesie blühte ausnehmend (v. Sanden, de Bosch, Lennep, v. Braam, v. Ommeren), u. Wyttenbach, Tollius, Wassenberg, Nieuwland, de Bosch, Luzak, Sluiter, van Lynden, Bake, van Heusde, Peerlkamp, Cobet, Geel u. And. fuhren fort, sich mit den Klassikern zu beschäftigen. Um die klassische Archäologie haben sich Reuvens, Jansen u. Leemans verdient gemacht. Auch die Orientalische Literatur fand von jeher in den Niederlanden viele Beförderer; die Hebräische zuerst an Agricola, Gansfort, Erasmus, mehr in der Folge an Raphelengius, van Vlissingen, Cunäus, Dion. Vossius, Drusius; die Arabische an Raphelengius, Erpen, Golius, Warner (vgl. Schultens, De studio Belgarum in lit. arab. excol., Leyden 1779). Später, nach 1656, widmete man sich mehr den Sachkenntnissen, als der Sprachforschung (Witsius, Perizonius, Reland). Endlich schlug I. I. Schultens in der Mitte des 18. Jahrh. in den Orientalischen Sprachen den Weg der Analogie ein, um die so verworrenen Sprach lehren an einfache Regeln zu binden u. die schwankende Bedeutung der Wörter aus dem Innern der Sprachen zu erklären; ihm folgen Briemoet u.a. u. H. A. Schultens, Scheidius, van Vloten, Muntinghe, van der Palm, vorzüglich die beiden Rau. In neuerer Zeit haben sich um die Semitischen Sprachen Hamaker u. Roorda, um das Arabische insbesondere R. Dozy, Iuynboll, Weyrs, Uylenbroek, Veth verdient gemacht. Von den übrigen Orientalischen Sprachen wurden namentlich die Malayischen Sprachen u. das Japanische verbreitet, erstere von P. P. Roorda van Eijsinga, A. Meursinge, I. I. de Hollander, van Hoevell, Matthesius (Makassarisch), Friedrich, Netscher, Veth u. And., das Letztere insbesondere von Siebold u. Hoffmann. Die altägyptischen Studien finden gegenwärtig in C. Leemans in Leyden ihren Hauptvertreter.
Was das wissenschaftliche S tudi um der Niederländischen Sprache u. ihrer älteren Literatur betrifft, so war dasselbebis auf die neueste Zeit herab in Deutschland weiter gediehen, als im Mutterlande selbst. Im 19. Jahrh. erschienen die klassischen Arbeiten von Matth. Siegenbeek (Lijst van woorden en uitdrukken met het nederlandsch taalligen strijdende, n.A. 1848) über Orthographie u. Grammatik, sowie von Peter Weiland (s.d.), welche zwar viele Anhänger, aber auch heftige Gegner, wie an Meermann u. Bilderdijk, fanden. Die sprachlichen Arbeiten des Letzteren, in welchem zugleich die directe Opposition gegen alles deutsche Wesen ihren Gipfel erreicht hatte, sind noch jetzt wegen des reichen in ihnen niedergelegten Stoffes unentbehrlich, so z.B. seine Verhandelingen over de geslachten der naamwoorden (1805 u. 1818); Taal-en dichtkundige verscheidenheden (1820–23, 4 Bde.); Geslachtlijst der Nederduitsche naamwoorden (1822, 2 Bde., 2. A. 1833–34, 3 Bde.); Nieuwe taal-en dichtkundige verscheidenheden (1828 f., 4 Bde.); Nederlandsche Spraakleer (1826); Beginsels der woordvorschlug (1831) etc. Durch I. Kinker wurde die Prosodie neu begründet; derselbe, sowie Staring u. bes. Bart. Hendrik Lulofs (z.B. Nederlandsche Redekonst, 1820; Vorlezingen over eenige paragrafen mijner redekonst, 1822; Over nederl. spraakkonst, stijl en letterkennis, 1823; De eloquentiae exterioris interiorisque consensu, 1839 etc.), erwarben um[933] Stylistik u. Rhetorik besonderes Verdienst. Sonstige gelehrte grammatische Untersuchungen veröffentlichten de Vries, I. H. Hoeufft (gest. 1842), de Jager, W. C. Ackersdijk (gest. 1843) u. And. Gründliche Arbeiten sind Ipeij's Beknopte gesch. der nederl. taal (Utr. 1842) u. I. F. Willems Verhandeling over de nederl. taalen letterkunde (1820–24). So gelehrt u. umfänglich auch die Untersuchungen aller Genannten sind, so wurde doch seit Ende des 18. Jahrh. für die wissenschaftliche Erforschung der Sprache nur minder Wichtiges geleistet. Erst seitdem die deutschen Germanisten auch in Holland zu Anerkennung gekommen sind u. Hoffmann von Fallersleben (Horae Belgicae) neben Willems (s.d.) auf den Reichthum u. Werth der Altniederländischen Literatur aufmerksam gemacht u. leitende Grundsätze für ein regelrechtes Verfahren bei der Herausgabe alter Sprachdenkmale zu geben versucht hatte, beginnt in den Niederlanden eine neue Epoche für das Studium der vaterländischen Sprache u. Literatur. Wie in Belgien Willems, P. F. Vermeulen, I. H. Bormans, F. A. Snellaert Vorzügliches für Altniederländische Literatur leisteten, so seit einigen Jahren auch in Holland. Hier gibt die nach dem Vorbilde des Stuttgarter Literarischen Vereins gebildete Vereeniging ter bevordering der oude nederl. letterkunde seit 1844 Werken heraus. Der namhafteste Kenner der älteren N-n L. ist A. Jonckbloet, welchem sich David, de Vries u. Tijdeman anschließen (vgl. Niederländische Sprache). Im Einklang mit dieser Richtung auf die ältere Nationalliteratur steht auch das Bestreben für Aufsammlung u. Nutzbarmachung der Sprüchwörter, Volkslieder u. des alten heidnischen Volksglaubens. Sammlungen von Sprüchwörtern veranstalteten unter And. G. I. Meijer, I. P. Sprenger van Eyk u. Harrebomée (Spreekwoordenboek der Nederl. taal, Utrecht 1858, Bd. 1). Die Volkssagen sammelte Wolf (Niederländische Volkssagen, 1845; Nederl. Volkksoverlievringen, 1841). Über die Altniederländische Mythologie schrieben bes. Staring, van den Bergh, der thätigste Forscher auf dem Gebiete des vaterländischen Alterthums, Roeland, Niermeyer, Dresselhuis, bes. in neuester Zeit Joh. de Wal. Die niederländischen Mundarten wurden ebenfalls Gegenstand der Erörterung, doch mehr in periodischen Sammelwerken, als in selbständigen Schriften. Unter den letzteren ist zu erwähnen I. H. Hoenssis Proeve van Bredaasch taaleigen (1837); die meisten andern betreffen den Friesischen Dialekt. Um denselben machten sich verdient: Driessen, Epkema, bes. H. Hettema etc. Für die übrigen Abendländischen Sprachen wurde bisher wenig gethan; Bücher, wie die Niederländisch-französischen Wörterbücher von Dornseifen, 1843, u. von van Moocks, 1846, 2 Thle., das Niederländisch-hochdeutsche Sachwörterbuch von de Wilde (1834, 2 Bde.), haben keinen wissenschaftlichen Werth.
Wie alle vaterländischen historischen Studien, fanden auch die verschiedenen Zweige der Literaturgeschichte sorgsame Pflege. Die Geschichte der Buchdruckerkunst, welche, wenn auch nicht in den Niederlanden erfunden, doch hier wenigstens sehr frühzeitig geübt wurde, war in den letzten Decennien Gegenstand eines heftigen Schriftenwechsels. So schrieben über diese Frage: Koning, Dousseau, Delpoat, V. Loosjes, Scheltema, de Vries etc. Über die Buchdruckerfamilie der Elzeviere lieferten gute Arbeiten: Peiters, Rammelman Elsevier, Dodt van Flensburg, Jacob u. And. Mehres zur Geschichte der Typographie schrieb auch van Westrenen van Tiellandt (gest. 1848), Puy de Montbrun. Zur Geschichte der höheren wissenschaftlichen Bildungsanstalten lieferten Beiträge Siegenbeek (Gesch. der Leidensche hoogschool, 1829–32, 2 Bde.), H. Bouman (Gesch. der Geldersche hoogschool, 1844, 2 Bde.), van Eck u. Bosscha (Het tweede eeuw van het Athenaeum te Deventer, 1830) etc. Von den eigentlichen Geschichtschreibern der N-n L. sind vor Allen Nik. G. van Kampen, gest. 1839 (Gesch. der letteren en wetenschappen in de Nederlanden, 1826, 3 Bde.; Gesch. der letterkunde in nieuwers tijden, 1834 f.) u. Jak. Scheltema (z.B. Geschied. en letterkundig mengelwerk, 1836, 6 Bde.) am angesehensten. Andere literarhistorische Arbeiten lieferten: Jeronimo de Vries (Proeve eener gesch. der nederd. dichtkunst, 1808, 2 Bde., 2. A. 1836). M. Siegenbeek (Proeven van Nederl. dichtkkunde uit de XVII. eeuw, 1806; Keur van dichterlijke zedelessen, 1810; Gesch. den Nederl. letterkunde, 1826; Rodevoeringen over onderwerpen tot de vaterl. geschiedenis en letteren hehoorende, 1837 etc.), Ad. Simons (Verhandelingen, 1835), L. G. Visscher (Bijdragen tot de oude letterkunde der Nederlanden, 1838), van den Bergh (Nederl. volksliteratur, 1837), P. Hofmann Peerleamp (De vita, doctrina et facultate Nederlandorum qui carmina latina composuerunt, 2. A. 1839), I. A. Vernée (Onderzoek naar de vereischten van den waren volksdichter, 1835), D. Buddingh (, Aanleiding tot de kkennis der letterkundige gesch. der Nederlanden, 2. A. 1835), B. H. Lulofs (Handboek van den vroegsten bloei der nederl. letterkkunde, 1845; Over de tijd van den regten aanvang onzer oude Nederl. letterkunde, 1847), F. A. Snellaert (Schets eener gesch. der Nederl. letterkunde, 2. A., 1850), G. Kuijpers (Letterkundige leercursus, 3. A. 1850), D. Ouwersloot (Nederlands dichters tot op de helft der 18. eeuw, Haarl. 1856 etc.), Hofdijk (Gesch. der Nederl. letterkunde, Amsterd. 1856), Jonckbloet (Gesch. der middennederl. dichtkkunst, ebd. 1851–57, Bd. 1–3). Anthologien aus den niederländischen Dichtern gaben G. Engelberts Gerrits, Ouwersloot u. Lastdrager, Eilers Boch, E. Verwijs (Mittelniederländisch, Zütphen 1858, 2 Bde.); Biographien der niederländischen Dichter sammelten bes. Witsen Geysbeek (1821–27, 6 Bde.) u. van der Aa (1844, 3 Bde.). Bemerkenswerthe Monographien gaben z.B. Koenen über Hieron. van Alphen (1844), Wildschut über Matthias Claudius (1838) etc. Nicht unbedeutende Beiträge enthalten Hendr. Baron Collot d'Escury's Hollands roem in kunsten en wetenschappen (1825–44, 7 Bde.) u. Nieuwenhuis' Allg. woordenb. van kunsten en wetenschappen (1820–29, 8 Bde., Aanhangsel dazu, 1836–38, 4 Bde.), sowie die Euterpe von Siegenbeek u. Kantelaer u. die Mnemosyne von Tijdemann u. van Kampen. Wichtig für Bibliographie sind die Kataloge der Bibliotheken van Hulthem's Bibliotheca Hulthemiana 1836 f., 6 Bde.) u. Catalogus van de Bibliothek der [934] nederl. letterkunde te Leyden (Leyd. 1847–49, 3 Bde.).
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 925-935. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010516689
Brockhaus 1911
Niederländische Sprache und Literatur
[271] Niederländische Sprache und Literatur. Die niederländ. Sprache ist aus den Mundarten der in den Niederlanden seit dem 6. Jahrh. wohnenden german. Völkerschaften (Franken, Sachsen, Friesen) hervorgegangen. Das Altniederländische ist dem Altsächsischen (im »Heliand«) am nächsten verwandt; der Übergang ins Mittelniederländische (seit dem 12. Jahrh.) ist dem des Althochdeutschen ins Mittelhochdeutsche analog; ältestes Denkmal eine Keure (Verordnung) der Stadt Brüssel von 1229. Das Neuniederländische (Holländische), neben dem gegenwärtig im NO. das Friesische (s. Friesen), in Flandern und Südbrabant die Flämische Sprache (s.d.) als Dialekt gesprochen wird, hat sich seit Ende des 16. Jahrh. ausgebildet. Die jetzt gültige Orthographie ward nach dem System von Siegenbeek (1804), bes. durch den Unterrichtsminister van der Palm (1799-1806) festgesetzt. Grammatiken von Weiland (1805), Brill (1852 u.ö.), Kummer (1898) u.a.; des Mittelniederländischen von Frank (1883), von Helten (1887); Wörterbücher von Weiland (11. Bde., 1799-1811), de Vries und te Winkel (seit 1864), Dale-Oprel (1897 fg.), etymologische von Franck (1892) und Vercouillie (1891). – Vgl. te Winkel, »Geschichte der N.S.« (2. Aufl. 1898).
Die Nationalliteratur der Niederlande hat keine universalgeschichtliche Bedeutung erreicht. Die höfischen, dem karolingischen, brit., byzant. und klassischen Sagenkreise angehörenden Epopöen, erst aus dem Anfang des 13. Jahrh. stammend und als Übersetzungen meist von geringerm dichterischem Wert (»Roman van Lancelot«, »Floris en Blancefloer« etc.), werden durch die der Tiersage angehörende Volksdichtung »Reinaert« (s. Reineke Vos) weit übertroffen, Ende des 13. Jahrh. aber von einer aus lat. Quellen schöpfenden didaktischen Dichtungsart (Reimchroniken, Lehrgedichte, Legenden), deren Hauptvertreter Maerlant (s.d.) und (im 14. Jahrh.) Boendale (»Der Leken spieghel«, 1325-30) sind, verdrängt. An ihre Stelle traten seit Mitte des 14. Jahrh. kürzere, von den Wanderdichtern, den sog. Sprekers (Hildegaersberch um 1350-1400), gepflegte Spruchgedichte. Dieselben fanden durch den bedeutendsten Dichter des 15. Jahrh., Dirc Potter (»Der Minnen Loep«), auch Eingang in die höfischen Kreise, welche sich damals mit dem Bürgerstande in den Kammern (poet. Vereine) der Rederijker zur Verfolgung gemeinsamer literar. Zwecke durch Übungen und Vorträge und zur Aufführung von Schauspielen verbanden. Die bedeutendste war die zu Amsterdam; ihre Mitglieder Marnix, Coornhert, Visscher, Spieghel, Vertreter des Klassizismus, um die Hebung der Schriftsprache durch grammatische Schriften und Aufstellung von prosaischen und poet. Mustern verdient, wurden noch übertroffen durch die drei originellsten niederländ. Dichter Hooft (1581-1647, Liebesgedichte, auch meisterhafte Prosa), Vondel (1587-1679, unübertroffen in Drama, Satire und Lyrik) und Huyghens (1596-1686, lyrische, didaktische, satir. Gedichte), welche den Höhepunkt der niederländ. Literatur bezeichnen. Neben ihnen gewann noch Coster mit satir. antikirchlichen Dramen, Cats (1577-1660) als populärer Schriftsteller (»Het boek van Vader Cats«) und Bredero (1585-1618) als Begründer des niederländ. Lustspiels Bedeutung. Seit Ende des 17. Jahrh. sank die Literatur, am tiefsten seit dem Überhandnehmen des franz. Einflusses, von dem sich nur wenig talentvolle Männer (Poot, Broekhuisen, Langendijk) freizuhalten suchten. Erst Ende des 18. Jahrh. trat bes. durch die Beschäftigung mit der deutschen und engl. Literatur eine Besserung ein, angebahnt durch die Schöpferin des Romans, Elisabeth Wolff und Agathe Deken, und die Dichter Alphen, Bellamy und Feith, fortgesetzt durch Bilderdijk, die Lyriker Helmers, Tollens, Loots, da Costa, Potgieter, Loosjes (auch Dramatiker), Staring (Humorist), den Didaktiker Kinker u.a. und vollendet durch van Lennep, welcher die Romantik einführte und durch seine poet. vaterländischen Sagen- und Geschichtserzählungen den falschen franz. Klassizismus zurückdrängte; ihm folgten Bogaers, ten Haar, Beets; im Roman: Oltmans (van den Hage), de Bosboom-Toussaint, Opzoomer (Wallis) u.a. Neue Bahnen wandelten etwa seit 1880 Hélène (Lapidoth)-Swarth, J. Perk, Gorter, Prins, Alb. Thijm, Couperus, Streuwels, Netscher u.a.
Weit bedeutender und von allgemeinem Einfluß war die wissenschaftliche Literatur der Niederländer, welche sich schon früh in den Kloster- und Domschulen zu Utrecht, Lüttich, Mecheln, Doornik etc. entwickelte und besonders durch die von Groote gestiftete Brüderschaft des gemeinsamen Lebens gefördert wurde; am frühesten und eifrigsten die Philologie und Altertumswissenschaft durch Agricola, Erasmus, Lipsius, Scaliger, Grotius, Vossius, die beiden Heinsius, Gronovius, Grävius, Burmann, Drakenborch, Wesseling, Hemsterhuis, Ruhnken, Valckenaar und Wyttenbach; durch die jüngern: Heusde, Lennep, Peerlkamp, Cobet, Herwerden u.a.; die Philosophie durch Descartes, Spinoza und Bayle, in neuerer Zeit durch Opzoomer. Um die Mathematik und die verwandten Wissenschaften erwarben sich hohe Verdienste: Ludolf van Keulen, Snell, Stevin, Huyghens, Jansen, Kaiser, Oudemans, Camper u.a.; um die Anatomie Vesalius, um die Medizin Boerhave; als Juristen: Grotius, der Begründer des Natur-, Staats- und Völkerrechts, in neuerer Zeit Thorbecke; als Historiker: Hooft, Grotius, Emmius, Stijl, Bakhuizen van den Brink, Fruin, de Jonge, Ypey (Kirchenhistoriker); als Geographen; Mercator, Ortelius und die Familie Blaeu. Außerdem wurde die niederländ. Wissenschaft und Literatur gefördert durch die Drucker- und Verlegerfamilien Plantin, Elzevier und Luchtmans. – Literaturgeschichten von van Kampen (1821-26), Siegenbeek (1826), Jonckbloet (4. Aufl., 6 Bde., 1896 fg.), ten Brink (1896); vgl. ferner die Werke von Schneider (1887) und Hellwald (niederländ. Theater, 1874).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 271. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001391798