Deutsche Lyrik, Neuere: Unterschied zwischen den Versionen
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* wenn ein Stilzug maßgeblich war, weil sie auf vielen Schultern ruhte, jedoch keine bekannten Großmeister hervorbrachte, wird eben einer der anderen benannt. |
* wenn ein Stilzug maßgeblich war, weil sie auf vielen Schultern ruhte, jedoch keine bekannten Großmeister hervorbrachte, wird eben einer der anderen benannt. |
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* außen vor müssen leider bleiben: Literaturmittler wie Herausgeber und Übersetzer. Der Vorschlag ist für so bald wie möglich etwa den Artikel zu Literaturzeitschriften zu verbessern und auf die Gegenwart vorzuführen: Umkreisungen, Manuskripte, Schreibheft, Sinn und Form et al. |
* außen vor müssen leider bleiben: Literaturmittler wie Herausgeber und Übersetzer. Der Vorschlag ist für so bald wie möglich etwa den Artikel zu Literaturzeitschriften zu verbessern und auf die Gegenwart vorzuführen: Umkreisungen, Manuskripte, Schreibheft, Sinn und Form et al. |
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Zeitschriften, die von den neunziger Jahren an bis heute den Diskurs mitbestimmen: ZdZ, edit, sic! usw. |
* Zeitschriften, die von den neunziger Jahren an bis heute den Diskurs mitbestimmen: ZdZ, edit, sic! usw. |
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== Berliner Fasssung == |
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(Das Sogenannte Team) |
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Das Schlagwort „Moderne“ wurde im Zusammenhang mit Literatur und Lyrik im deutschsprachigen Raum erstmals in den „Thesen der freien litterarischen Gruppe Durch!“ von 1886 verwendet, die eine Neuorientierung der Literatur gemäß den Vorgaben des Naturalismus forderte; zu den bekanntesten deutschsprachigen Lyrikern, die einem naturalistischen Programm verpflichtet sind, zählt Arno Holz. Dem steht die Auffassung Hermann Bahrs entgegen, wonach Literatur „Nervenkunst“ sei, deren Ziel gerade nicht die getreue Nachbildung der Wirklichkeit sei; diese Auffassung begründet die „Wiener Moderne“. Innerhalb dieser Pole entwickelte sich vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre deutschsprachige Lyrik innerhalb der Strömungen der europäischen Moderne; dazu zählen neben dem Naturalismus der Symbolismus (Rainer Maria Rilke), Jugendstil (Stefan George), Ästhetizismus (Hugo von Hofmannsthal), Expressionismus (Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn) und Dadaismus (Hugo Ball). Andere Strömungen der Moderne wie der Futurismus waren in Deutschland relativ wenig einflussreich, umgekehrt ist die expressionistische Lyrik ein Spezifikum der Literaturverhältnisse im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik mit wenig Ausstrahlung selbst auf die Entwicklung der österreichischen Literatur (Georg Trakl) und der Schweizer Literatur. Die poetischen Werke von Christian Morgenstern (Gedichtgrotesken) und Kurt Schwitters („Merz-Kunst“) sind den genannten Strömungen nur schwer zuzuordnen, sie sind jedoch von besonderer Bedeutung für die Lyrik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, z.B. für die Lautpoesie (Ernst Jandl) und die Konkrete Poesie (Eugen Gomringer, Franz Mon, Gerhard Rühm). Kleinster gemeinsamer Nenner der Moderne ist die Dissidenz im Verhältnis zur literarischen Tradition in Hinblick etwa auf Verssprache, dichterisches Selbstverständnis (Selbstbild), erweiterte Motivik, Wertepluralismus, Internationalismus. Für alle genannten modernen Strömungen wichtig war die Propagierung ihrer Poetiken und die Publikation ihrer Gedichte in Printmedien (Liste deutschsprachiger Literaturzeitschriften) und die Selbstverständigung und Debatte innerhalb literarischer Gruppen und Dichterkreisen. Die Lyrik der „Neuen Sachlichkeit“, die sich von Expressionismus und Ästhetizismus durch betonte Nüchternheit abgrenzte (Bertolt Brecht, Erich Kästner, Kurt Tucholsky) ist durch die markante Politisierung bzw. durch die Marktförmigkeit der literarischen Verhältnisse (Feuilletonisierung) nicht mehr ohne weiteres der literarischen Moderne zuzurechnen. Mit der Zerschlagung der parlamentarischen Demokratie und dem Verbot „entarteter Kunst“ durch die Nationalsozialisten wird ab 1933 die Entfaltung und Publikation moderner Lyrik im Deutschen Reich unterbrochen; in Österreich ab 1938. Einige vormalige Expressionisten sympathisierten mit den Zielen der nationalsozialistischen Diktatur, bevor sie für sich die „innere Emigration“ wählten. Prominent ist der Fall Gottfried Benn. Ein anderer Expressionist, Johannes R. Becher verließ wie viele seiner Kollegen Nazideutschland, um in der Sowjetunion Exil zu suchen; er wurde später erster Kulturminister der DDR und nach seinem Tod Namenspatron des 1955 gegründeten staatskonformen Instituts für Literatur in Leipzig, in dessen Umfeld aber auch eine ganze Reihe von Dissidenten und DDR-kritischen Autoren lernten und lehrten. Die Lyrik der Nachkriegszeit folgt bis 1990 unterschiedlichen kulturpolitischen Vorgaben: Während die Lyrik in der BRD nach einer Phase der Restauration u.a. durch das Wirken der Gruppe 47 (hervorzuheben die Umtriebigkeit von Hans Magnus Enzensberger) wieder Anschluss an internationales Niveau sucht, ist die Lyrik in der DDR von staatlichen Direktiven umstellt, die moderne Einflüsse als dekadent zurückweist und eine Reorientierung auf die Klassik und sozialkritische Traditionslinien der internationalen Literaturgeschichte umsetzt (Formalismusdebatte, „Forum“-Lyrikdebatte, Lyrikdebatte in „Sinn und Form“) und staatstreue Lyrik mit hohen Auflagen für Gedichtbände fördert bzw. durch das Heftchenformat „Poesiealbum“ und durch Massenveranstaltungen („Lyrikwelle“) popularisiert. Eine Öffnung für die Errungenschaften der literarischen Moderne ist aber spätestens mit dem „Kahlschlagplenum“ von 1965 nur noch sehr eingeschränkt möglich; nonkonforme Lyrik wird mit den Instrumentarien staatlicher Überwachung und Kontrolle marginalisiert und nicht selten in nichtoffizielle Szenen verdrängt, die sich staatlichen Direktiven widersetzen, z.B. die Sächsische Dichterschule (Karl Mickel, Sarah Kirsch, Adolf Endler). Die Möglichkeiten Lyrik zu publizieren sind in der BRD demgegenüber vielfältiger; hier entschieden und entscheiden eher verlagswirtschaftliche Erwägungen über die Publikation von Lyrik, zumindest in Publikumsverlagen. Die Diagnose, Literatur und Lyrik stünden nach einer Zeit der Vereinnahmung für antagonistische Ideologien (z.B. „engagierte Literatur“/“Untergrundliteratur“/“Agitprop“ vs. „Hochkultur“) oder dem Widerstand dagegen (Experimentelle Lyrik, „Neue Subjektivität“, Prenzlauer-Berg-connection) spätestens nach dem Ende des Kalten Krieges im Zeichen einer Postmoderne, ist strittig. |
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Dagegen spricht der Fakt, dass eine Reihe von Preisen für Lyrik im deutschsprachigen Raum nach Autoren benannt sind, die nachweislich an die Programme der literarischen Moderne angeknüpft haben: Ernst Jandl, Peter Huchel, Georg Trakl. Debatten um lyrische Grundsatzfragen, auch darum, ob man sich in postmodernen Zeiten oder in einer modifizierten Moderne („Zweite Moderne“) befinde, haben im deutschsprachigen Raum neben der Vielzahl von Printmedien seit gut einem Jahrzehnt einen seriösen Ort in den Literaturforen des World Wide Web, die nicht einem literarischen Verlag angegliedert sind ([http://www.forum-der-13.de/ Forum der 13], [http://www.der-goldene-fisch.de/ Der goldene Fisch], [http://www.lyrikkritik.de/ Lyrikkritik], [http://lyrikzeitung.com/ Lyrikzeitung & Poetry News]). Der Realisierung der auditiven Komponente von Gedichten kommen die Möglichkeiten des Internet ebenfalls zugute ([http://www.lyrikline.org/ lyrikline.org], [http://karawa.net/ karawa.net]), Übertragungen von Dichterlesungen in den Massenmedien Fernsehen und Radio sind hingegen eine absolute Seltenheit, selbst das Genre des Poetry Slam scheint offenbar vergleichsweise wenig telegen. Dennoch: Wortmeldungen, die die Marginalität und den Niedergang zeitgenössischer Lyrik prophezeien, ist die Vielfalt gegenwärtigen lyrischen Schaffens entgegenzuhalten, die von verschiedensten Stellen gepflegt und gefördert wird: sei es durch staatliche Literaturinstitute in Biel, Hildesheim, Leipzig und Wien , sei es durch Poesiefestivals (Basel, Berlin, Biel, Konstanz), Nachwuchswettbewerbe (Open Mike, Literarischer März), Literaturhäuser mit Lyrikschwerpunkt (Lyrik Kabinett München, Literaturwerkstatt und Lettrétage in Berlin). Eine Schar von unabhängigen Verlagen publiziert fast ausschließlich zeitgenössische deutschsprachige Lyrik, so z.B. kookbooks in Berlin, luxbooks in Wiesbaden, roughbooks in Solothurn, der Ritter Verlag in Klagenfurt, Das Wunderhorn in Heidelberg, wo die Reihe „Poesie der Nachbarn“ mit der Übersetzungen zeitgenössischer Dichter der europäischen Nationalliteraturen ins Deutsche seit Jahren zum festen Bestand des Verlagsprogramms gehört. An ausgezeichneten Lyrikerinnen und Lyrikern scheint die Gegenwart nicht arm zu sein, was eine Liste deutschsprachiger Lyriker und eine Liste deutschsprachiger Lyrikerinnen nahelegt. |
Version vom 19. März 2013, 15:44 Uhr
Geschichte der deutschen Lyrik seit der "Moderne"
Vorbemerkung
Lyrikwiki dokumentiert drei Fassungen der Geschichte der Neueren deutschen Lyrik, die von Arbeitsgruppen aus Berlin ("Das sogenannte Team", offenbar im Prinzip die Lyrikknappschaft), Leipzig (Bertram Reinecke, Jan Kuhlbrodt, von den Veranstaltern mit dem Label "Neue Leipziger Schule" ausgestattet) und München. Die 3 Fassungen lagen nicht nur den Autoren, sondern auch dem Publikum vor. Eine kontroverse Diskussion führte ebensowenig zu einem gemeinsamen Ziel wie die sich anschließende Maildebatte. Schließlich entschieden die Organisatoren, die Münchner Fassung auf Wikipedia zu veröffentlichen, was inzwischen geschah, und zwar in der ursprünglichen Arbeitsfassung ohne Berücksichtigung auch nur der Hinweise auf fehlerhafte Aussagen.
Lyrikwiki wird alle 3 Fassungen ebenso wie den ursprünglichen Wikipediatext hier nebeneinanderstellen. So kann man nicht nur die Diskussion führen, was hoffentlich geschieht, sondern auch einiges über Literaturgeschichtsschreibung erfahren. Lyrikwiki geht es nicht um eine Konsensfassung nach Art der Schülerfrage: Also was ist denn nun richtig?), sondern Lyrikgeschichte als Erzählung. Hier steht nicht, wie es nun wirklich war, sondern die drei Erzählungen Berlin, Leipzig, München. Lyrikwiki ist davon überzeugt, daß 3 Erzählungen besser sind als eine "gültige" und daß Widersprüche zwischen den Erzählungen nicht vermittelt werden müssen. Besser als den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen scheint mir eine Darbietung "offenen" Wissens. Bestimmt aber kann die Debatte auf sachliche Fehler aufmerksam machen, vielleicht auch die einzelnen Erzählungen präzisieren, vielleicht weitere hinzufügen. Laßt hundert Blumen blühen, schafft ein, zwei, viele Lyrikgeschichten!
Leipziger Fassung
Die beschleunigte wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen und die Folgen gesellschaftlicher Katastrophen unterbrachen mehrmals die Entfaltung literarischer Ideen und Strömungen, dezentrieren die Stellung des Einzelnen gegenüber dem Gesamtganzen und lassen den Dichter als Sprachrohr der Geschichte einer Gemeinschaft etc. unglaubwürdig werden. Das Lied wird zusehends nicht mehr als integraler Bestandteil der Dichtung wahrgenommen. Die Selbstbestimmung geht zunehmend weniger von Begriffen wie Stand, Ehre und Beruf aus, die Scheidung von Arbeit und Freizeit etabliert sich. Damit verändert sich das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit. Begriffe von Kunstschönheit und Natürlichkeit verlieren gegenüber anderen, etwa „Dichte“ oder dem Zugang zu (irgendeiner) „Wirklichkeit“ (als Mangelgut verstanden) an Bedeutung. Schriftliche Medien sinken zunehmend im Preis. Der Konsolidierung der Germanistik in der Lehrerbildung erhöht das Bewusstsein von der Geschichtlichkeit der Literatur und begünstigt verengende Kanonisierung. Dichter orientieren sich stark an auswärtigen Entwicklungen und arbeiten zusehends auf „eigene Rechnung“. Nordamerika rückt seit Withmann erstmals in der Wahrnehmung vom Kulturempfänger zum -Spender. In Adaption einer etablierten Genieästhetik wird „die Wirklichkeit“ teils in der Rückwendung in die eigene Persönlichkeit gesucht, im Gegenzug etablieren sich säkulare Dichterbilder, der Dichter als Flaneur, als Laborant, als Experte. Die Bedeutung der Mündlichkeit schwindet.
Früh verzichten auf mündlich wirkende Mittel Dichter des Friedrichshagener Dichterkreises und die Gruppe um Arno Holz. Diese Bewegung wird von den verstechnisch versierten internationalen Bewegung des Symbolismus (Theodor Däubler, Hugo von Hofmannstal, Rainer Maria Rilke, Stefan George Kreis) und den Dichtern der „neuen Sachlichkeit“ (Kästner, Tucholsky) teilweise zurückgenommen. Auch die Expressionisten knüpfen teils an ältere Modelle der Literatur an. Deren Einheit stiftet sich durch gemeinsame Publikationsorgane (Menschheitsdämmerung, Die Aktion) und kaum durch einheitliche Anliegen. Hoddis und Lichtenstein wirken über ihren Simultanstil, Trakl, Mühsam und Lasker Schüler akzentuieren symbolistische Strategien, Benn entwickelt neue Formen lyrischer Inszenierung, Becher und Stamm experimentieren mit Realismuskonzepten. Bertolt Brecht nimmt an der Entwicklung zahlreicher dieser Richtungen Anteil. Nie seit der Klassik werden so viele Oden verfasst, selten mehr Sonette als in den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts. Insgesamt verengt sich der Kanon der Strophenbaumuster in der zweiten Jahrhunterthälfte. ( R.A. Schröder). Oft wird die Spannung zu verengten Publikumserwartungen durch Komik überwundern. (Morgenstern, später: Jandl, Robert Gernhard.)
Ausländische deutschsprachige Literaturen prägen teils eigene Modelle der Literatlität aus, wurden aber oft nur unter politischem Fokus wahrgenommen (Bukowina, Banat). Verschiedene Exil- und Emigrationssituationen behinderten die Rezeption zahlreicher Autoren oder vereinseitigten sie politisch (Robert Neumann, Max Hermann Neiße, Walter Bauer, Endler, Sarah Kirsch, Peter Paul Zahl, Helga M. Novak, Hertha Müller). Die internationale Bewegung des Surrealismus/ Dadaismus und der Akmeismus werden (teils verspätet) aufgenommen, Hölderlins späte Lyrik in ihrer Bedeutung erkannt. Ideosynkratisches und Zufälliges wird toleriert (Bachmann, Klünner, Huchel, Eich, Bobrowski, Unica Zürn). Celan verbindet diesen Ansatz mit einem besonderen Gewicht auf dem materialen Aspekt der Sprache.
Ausgehend von einer maßgeblich an Pound und Eliot orientierten Vorstellung von Höhenkammliteratur werden klassische Literaturen und gemäßigt moderne Dichter verschiedener Länder wie Pasternak, Borges, und Tranströmer aufgegriffen. (Müller, Enzensberger, Hacks, Rosenlöcher, Grünbein, Raol Schrott). Begünstigt durch ein gespanntes Verhältnis zu Publikumserwartungen und vor allem durch die Breite des lyrischen Diskurses (selbst Poetologiebände von Gegenwartsdichtern erscheinen hier in Taschenbuchreihen) gelingt es der „sächsischen Dichterschule“ die konträren Ansprüche klassischer Fertigkeit und der Moderne in einem Modell der Gemeinschaft der Verständigen zusammen zu führen.
Zunehmend bemühen sich Dichter die neuen Verhältnisse nicht nur in der Gestalt der Werke, sondern auch in deren Produktionsweise zu reflektieren. Schreiben wird teils als gesellschaftlicher Prozess verstanden, die Öffentlichkeit soll wiedergewonnen werden (Fried, Rühmkorf, Biermann). Max Bense experimentiert mit computergenerierten Texten, Oskar Pastior entwickelt die mathematischen Verfahren der französischen Gruppe oulipo weiter.
Anknüpfend an die internationale Bewegung des Futurismus-Konstruktivismus (besonders russicher Ausprägung) entstehen intermediale Arbeiten und ein neues Verhältnis zur Mündlichkeit. (Raoul Hausmann, Rühm, Franz Mon, Carlfriedrich Claus, Herta Müller). Die Mundartdichtung findet Anschluss an die Moderne (Artmann). Wie niemals seit der Romantik werden auch entlegene Quellen fruchtbar gemacht (Kuhlmann, Emily Dickinson). Diese Impulse wurden von dem entstehenden literarischen Untergrund aufgenommen, der sich als Gegenangebot zu saturierten Kulturinstitutionen versteht. Viele Autoren begannen fortan ihre Karrieren dort (Kling). Dieser Bewegung entwuchsen ebenso die Beatliteratur (Brinkmann) und der Poetry Slam (Michael Lentz, Nora Gomringer). Besondere Bedeutung erlangte das Phänomen Untergrund anschließend an den osteuropäischen Samisdat unter den verhärteten Verhältnissen Ostberlins in den 80 er Jahren (Elke Erb, Endler, Papenfuß).
Priessnitz radikalisiert den Avantgardegedanken: Texte sollen nicht nur veraltete Konzepte überwinden, sondern eine neu gewonnene Form soll mit ihrer einmaligen Erfüllung bereits ihren Möglichkeitsraum abschließen. Solche avancierten Konzepte sind prägend in Österreich (Mayröcker, Czernin, Cotten) wirken aber auch in Deutschland (Rinck, Stolterfoht).
Kommentar der Autoren
- Kein „Bauch“ also nicht Früheres und Etabliertes zu bevorzugen, auch wenn das heikel für die Gegenwart wird. Dagegen: Um so merklicher ist es, dass in dieser größeren Breite oft diejenigen bedeutenden Namen fehlen, die von der Hauptströmungen der Gegenwart nicht aufgegriffen wurden. Diese wiederum aufnehmen.
- Keine Übername von Zeitdiagnosen und des Selbstverständnisses einzelner Richtungen. Der Versuch soziologische Determinanten selbst zu formulieren.
- insbesondere Lyrikgeschichte nicht als eine Geschichte von Überwindungen (Moderne Postmoderne etc.) konstruieren. Ich glaube, dass die Entwicklung der Lyrik so auch verständlicher wird.
- keine unreflektierte Übernahme von Kanonvorurteilen und Konzeptualisierungen (Stunde null, Gruppe 47 Avantgarde etc.)
- nicht als politische Geschichte erzählen (dafür ist hier zhu wenig Raum), sondern die politischen Vertreter in die Erzählung der Literaturentwicklung in ihrer Bedeutung einzubinden.
- Nach Verfahrensmerkmalen nicht nach Dichtern ordnen, nicht einen Dichter charakterisieren, sondern den Dichternamen nur für ein Merkmal als Beispiel einführen (Pars pro toto). Um den Verfahrenszug besonders kenntlich zu machen, wird sich bemüht ihn in Breite also mit jeweils möglichst heterogenen Beispielen darzustellen.
- jeder Dichtername muss nur einmal auftauchen, denn im Netz lässt sich ein lexikalischer Artikel als komentierte Linkliste verstehen.
- nicht nach Verfahrensmischungen bzw. Stilen“ vorsortieren (Vetreter von gemäßigten Richtungen können damit nur nach Popularität aufgenommen werden)
- wenn ein Stilzug maßgeblich war, weil sie auf vielen Schultern ruhte, jedoch keine bekannten Großmeister hervorbrachte, wird eben einer der anderen benannt.
- außen vor müssen leider bleiben: Literaturmittler wie Herausgeber und Übersetzer. Der Vorschlag ist für so bald wie möglich etwa den Artikel zu Literaturzeitschriften zu verbessern und auf die Gegenwart vorzuführen: Umkreisungen, Manuskripte, Schreibheft, Sinn und Form et al.
- Zeitschriften, die von den neunziger Jahren an bis heute den Diskurs mitbestimmen: ZdZ, edit, sic! usw.
Berliner Fasssung
(Das Sogenannte Team)
Das Schlagwort „Moderne“ wurde im Zusammenhang mit Literatur und Lyrik im deutschsprachigen Raum erstmals in den „Thesen der freien litterarischen Gruppe Durch!“ von 1886 verwendet, die eine Neuorientierung der Literatur gemäß den Vorgaben des Naturalismus forderte; zu den bekanntesten deutschsprachigen Lyrikern, die einem naturalistischen Programm verpflichtet sind, zählt Arno Holz. Dem steht die Auffassung Hermann Bahrs entgegen, wonach Literatur „Nervenkunst“ sei, deren Ziel gerade nicht die getreue Nachbildung der Wirklichkeit sei; diese Auffassung begründet die „Wiener Moderne“. Innerhalb dieser Pole entwickelte sich vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre deutschsprachige Lyrik innerhalb der Strömungen der europäischen Moderne; dazu zählen neben dem Naturalismus der Symbolismus (Rainer Maria Rilke), Jugendstil (Stefan George), Ästhetizismus (Hugo von Hofmannsthal), Expressionismus (Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn) und Dadaismus (Hugo Ball). Andere Strömungen der Moderne wie der Futurismus waren in Deutschland relativ wenig einflussreich, umgekehrt ist die expressionistische Lyrik ein Spezifikum der Literaturverhältnisse im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik mit wenig Ausstrahlung selbst auf die Entwicklung der österreichischen Literatur (Georg Trakl) und der Schweizer Literatur. Die poetischen Werke von Christian Morgenstern (Gedichtgrotesken) und Kurt Schwitters („Merz-Kunst“) sind den genannten Strömungen nur schwer zuzuordnen, sie sind jedoch von besonderer Bedeutung für die Lyrik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, z.B. für die Lautpoesie (Ernst Jandl) und die Konkrete Poesie (Eugen Gomringer, Franz Mon, Gerhard Rühm). Kleinster gemeinsamer Nenner der Moderne ist die Dissidenz im Verhältnis zur literarischen Tradition in Hinblick etwa auf Verssprache, dichterisches Selbstverständnis (Selbstbild), erweiterte Motivik, Wertepluralismus, Internationalismus. Für alle genannten modernen Strömungen wichtig war die Propagierung ihrer Poetiken und die Publikation ihrer Gedichte in Printmedien (Liste deutschsprachiger Literaturzeitschriften) und die Selbstverständigung und Debatte innerhalb literarischer Gruppen und Dichterkreisen. Die Lyrik der „Neuen Sachlichkeit“, die sich von Expressionismus und Ästhetizismus durch betonte Nüchternheit abgrenzte (Bertolt Brecht, Erich Kästner, Kurt Tucholsky) ist durch die markante Politisierung bzw. durch die Marktförmigkeit der literarischen Verhältnisse (Feuilletonisierung) nicht mehr ohne weiteres der literarischen Moderne zuzurechnen. Mit der Zerschlagung der parlamentarischen Demokratie und dem Verbot „entarteter Kunst“ durch die Nationalsozialisten wird ab 1933 die Entfaltung und Publikation moderner Lyrik im Deutschen Reich unterbrochen; in Österreich ab 1938. Einige vormalige Expressionisten sympathisierten mit den Zielen der nationalsozialistischen Diktatur, bevor sie für sich die „innere Emigration“ wählten. Prominent ist der Fall Gottfried Benn. Ein anderer Expressionist, Johannes R. Becher verließ wie viele seiner Kollegen Nazideutschland, um in der Sowjetunion Exil zu suchen; er wurde später erster Kulturminister der DDR und nach seinem Tod Namenspatron des 1955 gegründeten staatskonformen Instituts für Literatur in Leipzig, in dessen Umfeld aber auch eine ganze Reihe von Dissidenten und DDR-kritischen Autoren lernten und lehrten. Die Lyrik der Nachkriegszeit folgt bis 1990 unterschiedlichen kulturpolitischen Vorgaben: Während die Lyrik in der BRD nach einer Phase der Restauration u.a. durch das Wirken der Gruppe 47 (hervorzuheben die Umtriebigkeit von Hans Magnus Enzensberger) wieder Anschluss an internationales Niveau sucht, ist die Lyrik in der DDR von staatlichen Direktiven umstellt, die moderne Einflüsse als dekadent zurückweist und eine Reorientierung auf die Klassik und sozialkritische Traditionslinien der internationalen Literaturgeschichte umsetzt (Formalismusdebatte, „Forum“-Lyrikdebatte, Lyrikdebatte in „Sinn und Form“) und staatstreue Lyrik mit hohen Auflagen für Gedichtbände fördert bzw. durch das Heftchenformat „Poesiealbum“ und durch Massenveranstaltungen („Lyrikwelle“) popularisiert. Eine Öffnung für die Errungenschaften der literarischen Moderne ist aber spätestens mit dem „Kahlschlagplenum“ von 1965 nur noch sehr eingeschränkt möglich; nonkonforme Lyrik wird mit den Instrumentarien staatlicher Überwachung und Kontrolle marginalisiert und nicht selten in nichtoffizielle Szenen verdrängt, die sich staatlichen Direktiven widersetzen, z.B. die Sächsische Dichterschule (Karl Mickel, Sarah Kirsch, Adolf Endler). Die Möglichkeiten Lyrik zu publizieren sind in der BRD demgegenüber vielfältiger; hier entschieden und entscheiden eher verlagswirtschaftliche Erwägungen über die Publikation von Lyrik, zumindest in Publikumsverlagen. Die Diagnose, Literatur und Lyrik stünden nach einer Zeit der Vereinnahmung für antagonistische Ideologien (z.B. „engagierte Literatur“/“Untergrundliteratur“/“Agitprop“ vs. „Hochkultur“) oder dem Widerstand dagegen (Experimentelle Lyrik, „Neue Subjektivität“, Prenzlauer-Berg-connection) spätestens nach dem Ende des Kalten Krieges im Zeichen einer Postmoderne, ist strittig.
Dagegen spricht der Fakt, dass eine Reihe von Preisen für Lyrik im deutschsprachigen Raum nach Autoren benannt sind, die nachweislich an die Programme der literarischen Moderne angeknüpft haben: Ernst Jandl, Peter Huchel, Georg Trakl. Debatten um lyrische Grundsatzfragen, auch darum, ob man sich in postmodernen Zeiten oder in einer modifizierten Moderne („Zweite Moderne“) befinde, haben im deutschsprachigen Raum neben der Vielzahl von Printmedien seit gut einem Jahrzehnt einen seriösen Ort in den Literaturforen des World Wide Web, die nicht einem literarischen Verlag angegliedert sind (Forum der 13, Der goldene Fisch, Lyrikkritik, Lyrikzeitung & Poetry News). Der Realisierung der auditiven Komponente von Gedichten kommen die Möglichkeiten des Internet ebenfalls zugute (lyrikline.org, karawa.net), Übertragungen von Dichterlesungen in den Massenmedien Fernsehen und Radio sind hingegen eine absolute Seltenheit, selbst das Genre des Poetry Slam scheint offenbar vergleichsweise wenig telegen. Dennoch: Wortmeldungen, die die Marginalität und den Niedergang zeitgenössischer Lyrik prophezeien, ist die Vielfalt gegenwärtigen lyrischen Schaffens entgegenzuhalten, die von verschiedensten Stellen gepflegt und gefördert wird: sei es durch staatliche Literaturinstitute in Biel, Hildesheim, Leipzig und Wien , sei es durch Poesiefestivals (Basel, Berlin, Biel, Konstanz), Nachwuchswettbewerbe (Open Mike, Literarischer März), Literaturhäuser mit Lyrikschwerpunkt (Lyrik Kabinett München, Literaturwerkstatt und Lettrétage in Berlin). Eine Schar von unabhängigen Verlagen publiziert fast ausschließlich zeitgenössische deutschsprachige Lyrik, so z.B. kookbooks in Berlin, luxbooks in Wiesbaden, roughbooks in Solothurn, der Ritter Verlag in Klagenfurt, Das Wunderhorn in Heidelberg, wo die Reihe „Poesie der Nachbarn“ mit der Übersetzungen zeitgenössischer Dichter der europäischen Nationalliteraturen ins Deutsche seit Jahren zum festen Bestand des Verlagsprogramms gehört. An ausgezeichneten Lyrikerinnen und Lyrikern scheint die Gegenwart nicht arm zu sein, was eine Liste deutschsprachiger Lyriker und eine Liste deutschsprachiger Lyrikerinnen nahelegt.