Vineta

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Brockhaus 1841

[609] Vineta, Vinneta oder Julin soll eine ursprünglich von Phöniziern gegründete Niederlassung auf der Insel Usedom (s. Pommern) und im 5. Jahrh. noch die größte Stadt und der wichtigste Handelsort im nördl. Europa gewesen sein. Ihre Benennung rührt von den Wenden her, neben welchen Vandalen, Sachsen, Griechen und andere Fremde zu ihren als reich, sowie durch Gastfreundschaft und Sittlichkeit bekannten Einwohnern gehörten, bei welchen jedoch das Christenthum keinen Anklang fand. Innere Zwistigkeiten sollen Veranlassung geworden sein, daß Schweden [609] und Dänen von den Parteien zu Hülfe gerufen wurden und V. im 8. und 9. Jahrh. verheerten und plünderten. Gegen Ende des 12. Jahrh. soll eine Sturmflut oder ein Erdbeben den Untergang der Stadt bewirkt haben, sodaß man später nur bei heiterm Wetter und zur Zeit der Ebbe eine Stunde östl. vom Gestade von Usedom die Trümmer derselben auf einem weiten Raume im Meeresgrunde hat wollen bemerken können.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 609-610. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000874558


Herders 1857

[629] Vineta d.h. Wendenstadt, im 5. Jahrh. Handelsstadt auf der Insel Wollin, reich und blühend, von den Normannen zerstört im 8. oder 9. Jahrh., nach einer andern Sage im 11. Jahrh. vom Meere verschlungen; von neueren Historikern wird überhaupt die Existenz von V. bezweifelt.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 629. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003559556


Pierer

[602] Vinēta (Winneta), älteste Stadt auf der Insel Usedom, war im 5. Jahrh. die größte Stadt Nordeuropas; ihre Einwohner bestanden aus Wenden u. fremden Kaufleuten. Die Stadt blühete bes. durch den Handel u. war wegen der Gastfreundschaft u. Sittlichkeit ihrer Bewohner berühmt, obgleich das Christenthum daselbst sehr verhaßt war. Von der Höhe ihres Wohlstandes kam V. durch innere Streitigkeiten; die eine Partei soll die Schweden u. Dänen zu Hülfe gerufen u. diese 796 V. zerstört haben; nach And. wurde B. erst 830 durch die Schweden unter Harung zerstört u. dann wieder aufgebaut, ging aber um 1183 durch eine Wasserrevolution unter. Früher wollte man noch bei heiterem Wetter am östlichen Ufer Usedoms (östlich vom Streckelberg) in der See die Ruinen von V. sehen, welche einen größeren Umfang als Lübeck haben sollten. Neuere Untersuchungen haben jedoch ergeben, daß die angeblichen Ruinen ein Riff sind, welches 1/8 Meile von dem Lande in der Ostsee liegt u. aus Lagern von großen Granitsteinen besteht, aber eine Spur von Bauten nicht vorhanden ist. Einige haben die jemalige Existenz eines großen V. bezweifelt.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 602. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011222778


Meyers 1909

[176] Vinēta (Wineta, »Wendenstadt«), wendischer Handelsplatz des Nordens auf der Insel Wollin, auch Julin oder Jumne genannt, blühte im 10. und 11. Jahrh. Auf dem sogen. Silberberg lag die 1098 zerstörte Wikingerfeste Jomsburg (s. d.), und deren Vernichtung hat anscheinend den Anlaß zur Entstehung der Sage gegeben, die berichtet, V. sei durch ein Erdbeben oder eine Sturmflut untergegangen und die Trümmer seien auf dem Meeresboden an der Küste Usedoms (bei Damerow) zu sehen. Untersuchungen durch Taucher haben hierfür keinen Anhalt gegeben. Vgl. H. Müller, Hermanni Henrici ab Engelbrecht de Wineta commentatio (Marb. 1877); Koch, V. in Prosa und Poesie (Stettin 1905). – V. ist der Name zweier deutscher Kriegsschiffe, die 1863 und 1897 von Stapel liefen.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 176. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007654340


Brockhaus 1911

[925] Vinēta (Urbs Venetōrum, d.i. Wendenstadt), Julin oder Jumne, alte Handelsstadt an der Ostseeküste, an der Stelle des heutigen Wollin, 1184 von den Dänen zerstört; nach der spätern Sage von den Wellen verschlungen; dabei die Jomsburg.

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 925. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001658301


Theodor Fontane über Jumne

Besonderes Ansehen hatten die [wendischen] Handelsstädte am Baltischen Meere. Unter diesen war Jumne, wahrscheinlich am Ausfluß der Swine gelegen, eine der gefeiertsten. Adam von Bremen erzählt von ihr: sie sei eine sehr angesehene Stadt und der größte Ort, den das heidnische Europa aufzuweisen habe. »In ihr – so fährt er fort – wohnen Slawen und andere Nationen, Griechen und Barbaren. Und auch den dort ankommenden Sachsen ist, unter gleichem Rechte mit den Übrigen, zusammenzuwohnen verstattet, freilich nur, solange sie ihr Christentum nicht öffentlich kundgeben. Übrigens wird, was Sitte und Gastlichkeit anlangt, kein Volk zu finden sein, das sich ehrenwerter und dienstfertiger bewiese. Jene Stadt besitzt auch alle möglichen Annehmlichkeiten und Seltenheiten. Dort findet sich der Vulkanstopf, den die Eingeborenen das »griechische Feuer« nennen; dort zeigt sich auch Neptun in dreifacher Art, denn von drei Meeren wird jene Insel[20] bespült, deren eines von ganz grünem Aussehen sein soll, das zweite aber von weißlichem; das dritte ist durch ununterbrochene Stürme beständig in wutvoll brausender Bewegung.«

Diese Beschreibungen zeitgenössischer Schriftsteller, wie auch die Beschreibung von Vineta oder Julin (die beide dasselbe sind) beziehen sich auf wendische Handels- und Küstenstädte. Es ist indessen wahrscheinlich, daß die Binnenstädte wenig davon verschieden waren, wenn auch vielleicht etwas geringer. An Handel waren sie gewiß unbedeutender, aber dafür standen sie dem deutschen Leben und seinem Einfluß näher.

Quelle: Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 11, München 1959–1975, S. 18-23. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004778480