Tiedge, Christoph August

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Meyers 1909

[528] Tiedge, Christoph August, Dichter, geb. 14. Dez. 1752 in Gardelegen, gest. 8. März 1841 in Dresden, studierte in Halle die Rechte, übernahm 1781 eine Hauslehrerstelle, ging 1788 nach Halberstadt, wo er 1792 Sekretär des Domherrn v. Stedern wurde, und zog nach Stederns Tode mit dessen Familie in die Nähe von Quedlinburg. Nach dem Tode der Frau v. Stedern (1797) lebte er abwechselnd auf Reisen, in Halle und Berlin, begleitete 1805–1808 Frau Elisa v. d. Recke (s. d.) durch Deutschland, die Schweiz und Italien und blieb dann bei ihr als Gesellschafter und zwar seit 1819 in Dresden. Tiedges Dichterruf wurde begründet durch einige sangbare Lieder, z. B. das auf einem kleinrussischen Volkslied beruhende »Schöne Minka, ich muß scheiden«, sowie durch das Lehrgedicht »Urania« (Halle 1800, 18. Aufl. 1862; auch in Reclams Universal-Bibliothek), das auf Kantscher und rationalistischer Grundlage den Unsterblichkeitsglauben mit allem Feuer und aller Trivialität einer[528] durchaus wohlmeinenden, aber mittelmäßigen Natur in leichtflüssigen Versen vortrug. Unter seinen sonstigen Poesien haben die »Elegien und vermischten Gedichte« (Halle 1803) am meisten Erfolg gehabt. Tiedges »Werke« gab A. G. Eberhard heraus (Halle 1823, 7 Bdchn.; 4. Aufl., Leipz. 1841, 10 Bde.). Vgl. Falkenstein, Tiedges Leben und poetischer Nachlaß (Leipz. 1841, 4 Bde.); Eberhard, Blicke in Tiedges und Elisas Leben (Berl. 1844); R. Kern, Beiträge zu einer Charakteristik des Dichters T. (das. 1896). Zu Ehren Tiedges erhielt eine der Unterstützung von Dichtern und Künstlern gewidmete Stiftung in Dresden den Namen Tiedge-Stiftung (1842 gegründet).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 528-529. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007584687


Brockhaus 1911

[837] Tiedge, Christoph Aug., Dichter, geb. 14. Dez. 1752 zu Gardelegen, treuer Lebensgefährte der Frau Elisa von der Recke (s.d.), gest. 8. März 1841 zu Dresden; Hauptwerk: das lyrisch-didaktische Gedicht »Urania« (1801 u.ö.). – Biogr. von Falkenstein (1841). – Die ihm zu Ehren benannte Tiedgestiftung, 1842 in Dresden begründet, bezweckt Unterstützung von Dichtern und Künstlern.

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 837. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000162024X


Damen Conversations Lexikon 1838

[141] Tiedge, Christoph August. Wohl saß manche edle deutsche Frau des Abends einsam auf ihrem Zimmer, und benutzte ihre wenige Muße, um sich Trost in ihrem Kummer zu erlesen aus T's »Urania« (erschienen 1801), in welchem lyrisch-didaktischen Gedichte vom Sänger die höchsten Zweifel und Fragen der Menschheit vor dem Throne des Menschenherzens und seines Glaubens an Unsterblichkeit zur goldenen Rhythmenschnur aneinander gewebt wurden. Und wohl ergänzte die edle Leserin mit ihrem eigenen liebenden Gemüth die poetische Einheit, welche diesem Sange mangelt als einer Zusammenstellung schon früher selbstständig gebildeter Theile; und wohl manche Jungfrau singt noch jetzt zum Pianoforte die von Himmel so trefflich in Musik gesetzten Lieder aus diesem Gedicht. Ist ja T. wegen seines sanften, milden Dichtergenius, wegen seiner bescheidenen, muthigen, herzgewinnenden Bildersprache schon längst ein Liebling deutscher Frauen; schilderte er sie selbst doch in seinem zweiten didaktischen Gedichte: »Der Frauenspiegel« (1806) in ihrer Schwäche, aber noch mehr in ihrer oft erhabenen Tugend von ihrem Lenze bis zum ehrwürdigen Stande der Matronen. Unter seinen, später in zwei Theilen erschienenen Elegien und vermischten Gedichten fanden vorzüglich die Elegien wegen ihres tiefen Gemüths und Adels der Gesinnung lobende Beachtung als sinnige, anmuthig duftende Veilchen in der deutschen Liederaue. 1812 erschien sein idyllischer Liederroman: »Das Echo, oder Alexis und Ida,« welcher ebenfalls zum melodischen Echo von Himmel's musikalischem Genius wurde; und drei Jahre später ein zweiter Liederroman: »Aennchen und Robert,« dem Neukomm manches Lyrische zu seinem duftenden Tonsträußchen entwand. Beide Dichtungen sind von jener Milde und Geßner'schen Zartheit durchwebt, welche auch[141] des Dichters, von Himmel in Musik gesetzte Cantate: »Der Wanderer, am Geburtstage der verewigten Königin Luise,« sein »Ostermorgen,« und sein Erstlingswerk, seine poetischen Episteln charakterisiren, in denen er mitten unter der Darstellung großer Naturscenen und satyrischer Gemälde die reinsten, elegischen Töne anschlägt. Dagegen enthält sein neuestes größeres Gedicht: »Der Markt des Lebens« mehr die Mittheilungen eines gutmüthigen, aber sittenpredigenden Alten. – Geb. zu Gardelegen in der Altmark, wo sein Vater Rector der Stadtschule war, am 13. Dec. 1752, studirte T. erst drei Jahre in Halle die Rechte, ging sodann als Erzieher nach Elrich in der Grafschaft Hohenstein, wo er mit den Dichtern Göckingk, Gleim und Klamer Schmidt in Verbindung tretend, mehrere Jahre seinem Berufe und den Musen lebte. 1792 wurde er Gesellschafter und Privatsecretär des Domherrn von Stedern in Halberstadt, und blieb nach dessen Tode als Erzieher seiner beiden Töchter bei dessen Familie, mit der er 1797 nach Magdeburg zog, wo er die Bekanntschaft von Archenholz, Matthisson und von Köpken machte. Nach dem Tode seiner Gönnerin und Freundin, der Frau von Stedern (1799), machte er mehrere Reisen durch das nordöstliche Deutschland, und traf in Berlin mit der Frau von der Recke (s. d.) zusammen, deren Freund, Gesellschafter und Reisegefährte er bis an ihren Tod (1833) blieb. 1822 erschienen seine gesammelten Werke, von seinem Freunde Eberhard geordnet, in 7 Bändchen im Druck. Noch weilt der greise Dichter in Dresden, und ist mit Beiträgen zur neuen Reihe der »Zeitgenossen« beschäftigt. S....r.

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 141-142. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001771841


Brockhaus 1841

[431] Tiedge (Christoph Aug.), ein beliebter deutscher Dichter, wurde 1752 zu Gardelegen in der Altmark geboren, studirte in Halle die Rechtswissenschaften und wurde dann Secretair in dem Landrathscollegium in Magdeburg. Er gab indeß diese Stelle und die ganze juristische Laufbahn, die ihm wenig zusagte, auf und ging 1776 als Erzieher nach Ellrich in der Grafschaft Hohenstein. Er veröffentlichte seine ersten Gedichte in der Zeitschrift »Olla Potrida« und in den Musenalmanachen, welche Bürger und Voß herausgaben. Aufgefodert von Gleim (s.d.) begab er sich 1784 nach Halberstadt, und 1792 wurde er Gesellschafter und Privatsecretair des Domherrn von Stedern, erzog nach dem Tode desselben seine hinterlassenen Töchter und lebte in den reinsten Freundschaftsverhältnissen mit der Witwe bis zu deren 1799 zu Quedlinburg erfolgtem Tode. In ihrem Testamente hatte die Verstorbene für den fernern Unterhalt ihres Freundes gesorgt und Gleim war demselben zur Erlangung einer Vicariatspräbende beim Domstifte zu Halberstadt behülflich gewesen, aber T. überließ diese seinem jüngern Bruder, unternahm mehre Reisen im nördl. Deutschland und hielt sich abwechselnd in Halle und Berlin auf. Schon während seines Aufenthalts in Ellrich hatte T. die Bekanntschaft der Frau von der Recke gemacht, in Berlin sah er dieselbe wie der und wurde ihr Gesellschafter. Sie bereisten 1805–8 zusammen Deutschland, die Schweiz und Italien und lebten dann erst in Berlin, endlich seit 1819 in Dresden. Im J. 1833 starb Frau von der Recke und sorgte noch in ihrem letzten Willen für den Freund, sodaß dieser sein Alter in [431] heiterer Unabhängigkeit zubringen kann. Unter seinen Gedichten hat namentlich die »Urania« (welche zuerst 1801, zuletzt 1838 erschien) großen Beifall gefunden. Wie in allen seinen Werken, so herrscht auch in diesem eine edle, gebildete Sprache, eine tiefe Empfindung und Religiosität. Es ist ein didaktisch-lyrisches Gedicht, und so schön einzelne Stellen desselben sind, so fehlt dem Ganzen doch die poetische Einheit. Man findet weder in diesem noch in einem andern Werke T.'s große weltbewegende Gedanken, aber sie verdienen den Beifall, den sie gefunden, durch die Reinheit der Gesinnung und die Sorgfalt der Ausführung. Einzelne lyrische Theile der Urania hat Hummel in Musik gesetzt und auch dadurch zur Verbreitung derselben seinerseits beigetragen. Großen Beifall fanden auch T.'s »Elegien und vermischte Gedichte« (zuerst Halle 1803, dann in 2 Bdn., Halle 1814); »Das Echo, oder Alexis und Ida« (Halle 1812); »Ännchen und Robert« (Halle 1815). Sein letztes Werk ist das Gedicht: »Wanderungen durch den Markt des Lebens« (2 Bdchn., Halle 1833; 2. Aufl. 1836). Eine Ausgabe von T.'s »Gesammelten Werken« veranstaltete A. G. Eberhard (10 Bdch., Halle 1823 ff).

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 431-432. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000870080


Herders 1857

[478] Tiedge, Christoph Aug., Dichter u. als solcher ein Spätling des Halberstädter Dichterkreises, geb. 1752 zu Gardelegen in der Altmark, mit Gleim, Göckingk u.s.f. befreundet, zuerst Domcommissär zu Halberstadt, dann seit der Trennung der Gräfin Medem von ihrem Manne (s. Recke, E.) der unzertrennliche Gefährte derselben, st. 1841 zu Dresden. T. wußte schöne Verse zu machen und [478] hatte einen bedeutenden Vorrath von sentimentalen Redensarten und sein ausgepinselten Schilderungen; deßhalb war er ein Lieblingsdichter der Frauenwelt, namentlich durch seine Elegien und durch die »Urania« (1801), ein Lehrgedicht, worin er ein Stück der Kant'schen Vernunftreligion, nämlich die Unsterblichkeit, in Verse brachte u. damit schier zu keinem Ende kommen konnte. Letzte Ausgabe seiner Werke Berl. 1841, 10 Bde.; Leben u. Nachlaß von Falkenstein, Berl. 1841, 4 Bde.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 478-479. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003542955


Pierer 1863

[590] Tiedge, Christoph August, geb. 14. December 1752 zu Gardelegen in der Altmark, studirte seit 1772 in Halle die Rechte, wurde 1776 Hofmeister zu Elrich in der Grafschaft Hohenstein, wo er mit Göcking, Gleim, Klamer Schmidt u. Elise von der Recke bekannt wurde; er folgte 1784 Gleims Einladung nach Halberstadt, ward 1792 Privatsecretär bei dem Domherrn von Stedern, unterrichtete nach dem Tode desselben 1793 dessen beide Töchte, u. zog mit der Familie nach Neinstädt bei Quedlinburg u. 1797 nach Magdeburg. 1799 machte T., welcher durch Gleims Vermittelung am Domstift in Halberstadt eine kleine Vicariatspräbende erhalten hatte, mit Elise von der Recke 1805–1808 eine Reise durch das nordöstliche Deutschland u. durch die Schweiz u. Italien, brachte mit ihr den Winter gewöhnlich in Berlin u. seit 1819 in Dresden, die Sommermonate in Teplitz u. Karlsbad zu. 1833 st. Frau von der Recke, doch hatte sie durch ein Vermächtniß für eine sorgenlose Lage T-s gesorgt; er selbst st. 8. März 1841 in Dresden. Er schr.: Poetische Episteln, 1801; Urania (ein didaktisches Gedicht), Halle 1801, 18. Aufl. (Miniaturausg.) Lpz. 1862; Frauenspiegel, Halle 1807; Elegien u. vermischte Gedichte, ebd. 1803; Das Echo od. Alexis u. Ida (ein Cyklus von Liedern u. Frauenspiegeln, 1812, von Himmel componirt); Robert u. Änuchen od. der singende Baum, ebd 1815; Denkmale der Zeit, ebd. 1814; Der Markt des Lebens, 1833; Lebensschilderungen der Herzogin von Kurland, Lpz. 1823. Gesammelte Werke, herausgeg. von A. G. Eberhard, Halle 1823; n. A. ebd. 1835, 10 Bde.; Poetischer Nachlaß, herausgeg. von A. Falkenstein, Lpz. 1842, 2 Thle. Vgl. Blicke in T-s u. Elisa's Leben, Berl. 1844. Zu Ehren T-s erhielt auch eine der Schillerstiftung (s.u. Schiller S. 187) ähnliche Stiftung, welche die Unterstützung u. Belohnung verdienter deutscher Dichter bezweckt, den Namen Tiedgestiftung; ihr floß ein Theil des Ertrags der Schillerlotterie zu. Die Vereinigung beider Stiftungen unter dem Namen Schiller-Tiedgestiftung ist bereits angebahnt.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 590. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011106166