Tieck, Ludwig

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Meyers 1906

[526] Tieck, 1) Johann Ludwig, Dichter der romantischen Schule, geb. 31. Mai 1773 in Berlin, gest. daselbst 28. April 1853, Sohn eines Seilermeisters, besuchte seit 1782 das damals unter Gedikes Leitung stehende Friedrichswerdersche Gymnasium, wo er sich eng an Wackenroder anschloß, und studierte darauf in Halle, Göttingen und kurze Zeit in Erlangen Geschichte, Philologie, alte und neue Literatur. Nach Berlin zurückgekehrt, lebte er von dem Ertrag seiner schriftstellerischen Arbeiten, die er größtenteils im Verlag des Aufklärers Nicolai veröffentlichte. So erschienen in rascher Reihenfolge die Erzählungen und Romane:[526] »Peter Lebrecht, eine Geschichte ohne Abenteuerlichkeiten« (Berl. 1795, 2 Bde.), »William Lovell« (das. 1795–96, 3 Bde.; vgl. Haßler, L. Tiecks Jugendroman »William Lovell« und der »Paysan perverti« des Rétif de la Bretonne, Dissertation, Greifsw. 1903) und »Abdallah« (das. 1796), ferner Novellen meist satirischen Inhalts in der Sammlung »Straußfedern« (1795–98), worauf er, seinen Übergang zur eigentlichen Romantik vollziehend, die bald dramatisch-satirische, bald schlicht erzählende Bearbeitung alter Volkssagen und Märchen unternahm und unter dem Titel: »Volksmärchen von Peter Lebrecht« (das. 1797, 3 Bde.) veröffentlichte. Den größten Erfolg errangen unter diesen Dichtungen die unheimlich düstere Erzählung »Der blonde Eckert« und das phantastisch-satirische Drama »Der gestiefelte Kater«. Die Richtung, die in seinen Schriften immer deutlicher hervortrat, mußte ihn in schroffen Gegensatz zu Nicolai sowie zu Iffland, dem Leiter des Berliner Theaters, bringen, während die Romantiker ihn begeistert anpriesen als ein Genie, das Goethe ebenbürtig sei. Nachdem er sich 1798 in Hamburg mit einer Tochter des Predigers Alberti verheiratet hatte, verweilte er 1799–1800 in Jena, wo er zu den beiden Schlegel, Hardenberg (Novalis), Brentano, Fichte und Schelling in freundschaftliche Beziehungen trat, auch Goethe und Schiller kennen lernte, nahm 1801 mit Fr. v. Schlegel seinen Wohnsitz in Dresden und lebte seit 1802 meist auf dem Gute Ziebingen bei Frankfurt a. O., mit dessen Besitzern (erst v. Burgsdorff, dann Graf Finkenstein) er eng befreundet war. Doch unterbrach er diesen Aufenthalt durch längere Reisen nach Italien, wo er die deutschen Handschriften der vatikanischen Bibliothek studierte (1805), sowie nach Dresden, Wien und München (1808–10). Während dieses Zeitraums waren erschienen: »Franz Sternbalds Wanderungen« (Berl. 1798), ein die altdeutsche Kunst verherrlichender Roman, an dem auch sein Freund Wackenroder Anteil hatte, »Prinz Zerbino, oder die Reise nach dem guten Geschmack« (Jena 1799), und »Romantische Dichtungen« (das. 1799–1800, 2 Bde.) mit dem Trauerspiel »Leben und Tod der heil. Genoveva« (separat, Berl. 1820) sowie das nach einem alten Volksbuch gearbeitete Lustspiel »Kaiser Octavianus« (Jena 1804), weitschweifige Dichtungen, in denen das erzählende und namentlich das lyrische Element überwiegt, aber aus einem Gewirr mannigfaltigster metrischer Ausdrucksformen gelegentlich doch echte Schönheit hervorleuchtet (vgl. Ranftl, L. Tiecks »Genoveva« als romantische Dichtung betrachtet, Graz 1899). Von den zahlreichen Übersetzungen und Bearbeitungen fremder Werke, die T. damals veröffentlichte, seien erwähnt: die fehlerhaften »Minnelieder aus der schwäbischen Vorzeit« (Berl. 1803), die gelungene Verdeutschung des »Don Quichotte« von Cervantes (das. 1799–1804, 4 Bde.), die wertvolle Übersetzung einer Anzahl Shakespeare zugeschriebener, aber zweifelhafter Stücke u. d. T.: »Altenglisches Theater« (das. 1811, 2 Bde.) u. a. Auch gab er u. d. T.: »Phantasus« (Berl. 1812–17, 3 Bde.; 2. Ausg., das. 1844–45, 3 Bde.) eine Sammlung früherer Märchen und Schauspiele, vermehrt mit neuen Erzählungen und dem Märchenschauspiel »Fortunat«, heraus, welche die deutsche Lesewelt lebhaft für T. interessierte. Das Kriegsjahr 1813 sah den Dichter in Prag; nach dem Frieden unternahm er größere Reisen nach London und Paris, hauptsächlich im Interesse eines großen Hauptwerks über Shakespeare, das er leider nie vollendete. 1819 verließ er dauernd seine ländliche Einsamkeit und nahm seinen Wohnsitz in Dresden, wo nun die produktivste und wirkungsreichste Periode seines Dichterlebens begann. Trotz des Gegensatzes, in dem sich Tiecks geistige Vornehmheit zur Trivialität der Dresdener Belletristik befand, gelang es ihm, hauptsächlich durch seine fast allabendlich stattfindenden dramatischen Vorlesungen, in denen er sich als Meister in der Kunst des Vortrags bewährte, einen Kreis um sich zu sammeln, der seine Anschauungen von der Kunst als maßgebend anerkannte. Als Dramaturg des Hoftheaters (seit 1825) gewann er eine bedeutende Wirksamkeit, die ihm freilich durch Angriffe der Gegenpartei mannigfach verleidet wurde. In der Novellendichtung, der sich T. in dieser Dresdener Zeit vor allem widmete, leistete er zum Teil Vortreffliches; aber er bahnte auch jener bedenklichen Gesprächsnovellistik den Weg, in der das epische Element fast ganz hinter dem reflektierenden zurücktritt. Zu den bedeutendsten zählen: »Die Gemälde«, »Die Reisenden«, »Der Alte vom Berge«, »Die Gesellschaft auf dem Lande«, »Die Verlobung«, »Musikalische Leiden und Freuden«, »Des Lebens Überfluß« u. a. Unter den historischen haben »Der griechische Kaiser«, »Dichterleben«, »Der Tod des Dichters« und vor allen der großartig angelegte, leider unvollendete »Aufruhr in den Cevennen« Anspruch auf bleibende Bedeutung. In allen diesen Novellen befriedigt nicht nur meist die einfache Anmut der Darstellungsweise, sondern auch die Mannigfaltigkeit lebendiger und typischer Charaktere und der Tiefsinn der poetischen Idee. Sein letztes größeres Werk: »Vittoria Accorombona« (Bresl. 1840), entstand unter den Einwirkungen der neufranzösischen Romantik und hinterließ trotz der Farbenpracht einen überwiegend peinlichen Eindruck.

T. übernahm in Dresden auch die Herausgabe und Vollendung der von A. W. v. Schlegel begonnenen Shakespeare-Übertragung (Berl. 1825–33, 9 Bde.), doch hat er selber nur die Anmerkungen beigesteuert. Die Übersetzungen A. W. v. Schlegels (s. d.) wurden zum Teil mit eigenmächtigen Änderungen wieder abgedruckt, die übrigen Stücke übersetzten Tiecks Tochter Dorothea (geb. 1799) und Wolf Graf von Baudissin (s. d.). Diese beiden verdeutschten auch noch sechs weitere Stücke des alten englischen Theaters, die T. als »Shakespeares Vorschule« (Leipz. 1823–29, 2 Bde.) mit ausführlicher literarhistorischer Einleitung herausgab. Ebenso stammen aus dieser Zeit mehrere mit Einleitungen versehene Ausgaben von Werken deutscher Dichter, auf die er die Aufmerksamkeit von neuem hinlenken wollte. So hatte er schon 1817 eine Sammlung älterer Bühnenstücke u. d. T.: »Deutsches Theater« veröffentlicht (Berl., 2 Bde.). Dann gab er die hinterlassenen Schriften Heinrichs v. Kleist (Berl. 1821) heraus, denen die »Gesammelten Werke« desselben Dichters (das. 1826, 3 Bde.) folgten, ferner Schnabels Roman »Die Insel Felsenburg« (Bresl. 1827) und die »Gesammelten Schriften« von J. M. R. Lenz (Berl. 1828, 3 Bde.). Aus seiner dramaturgisch-kritischen Tätigkeit erwuchsen die wertvollen »Dramaturgischen Blätter« (Bresl. 1825–26, 2 Bde.; Bd. 3, Leipz. 1852; vollständige Ausg., das. 1852, 2 Tle.). 1837 verlor T. seine Frau, seine Tochter Dorothea starb 21. Febr. 1841. In demselben Jahre wurde er vom König Friedrich Wilhelm IV. nach Berlin berufen, wo er, durch Kränklichkeit zumeist an das Haus gefesselt, ein zwar ehrenvolles und sorgenfreies, aber im ganzen sehr resigniertes Alter verlebte. Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Romantiker« (Bd. 17). Seine »Schriften« erschienen in 20 Bänden (Berl. 1828–46), seine »Kritischen[527] Schriften« in 2 Bänden (Leipz. 1848), »Gesammelte Novellen« in 12 Bänden (Berl. 1852–54), »Nachgelassene Schriften« in 2 Bänden (Leipz. 1855). »Ausgewählte Werke« Tiecks gaben Welti (Stuttg. 1886–1888, 8 Bde.), Klee (mit Biographie, Einleitungen und Anmerkungen, Leipz. 1892, 3 Bde.) und Witkowski (mit Einleitung, das. 1903, 4 Bde.) heraus. Aus Tiecks Nachlaß, der sich in der Berliner Bibliothek befindet, veröffentlichte Bolte mehrere Übersetzungen englischer Dramen, unter andern »Mucedorus« (Berl. 1893). Die Ungleichheit von Tiecks Leistungen ist z. T. auf sein improvisatorisches Arbeiten zurückzuführen, das ihn selten zu reiner Ausgestaltung seiner geist-, phantasie- und lebensvollen Entwürfe gelangen ließ; die Gesamtheit seiner Schriften verrät deutlich die Weite und Größe seines Talents. R. Köpke, der T. in den letzten Berliner Jahren nahe stand, veröffentlichte eine ausführliche Biographie u. d. T.: »Ludwig T., Erinnerungen aus dem Leben etc.« (Leipz. 1855, 2 Bde.). Vgl. außerdem H. v. Friesen, Ludwig T., Erinnerungen (hauptsächlich aus der Dresdener Zeit, Wien 1871, 2 Bde.); »Briefe an Ludwig T.« (hrsg. von K. v. Holtei, Bresl. 1864, 4 Bde.); Ad. Stern, Ludwig T. in Dresden (in dem Werk »Zur Literatur der Gegenwart«, Leipz. 1880); Steiner, Ludwig T. und die Volksbücher (Berl. 1893); Garnier, Zur Entwicklungsgeschichte der Novellendichtung Tiecks (Gieß. 1899); Mießner, L. Tiecks Lyrik (Berl. 1902); Ederheimer, Jak. Böhmes Einfluß auf T. und Novalis (Heidelb. 1904); Koldewey, Wackenroder und sein Einfluß auf T. (Leipz. 1904); Günther, Romantische Kritik und Satire bei Ludwig T. (das. 1907). – Tiecks Schwester Sophie T., geb. 1775 in Berlin, verheiratete sich 1799 mit Aug. Ferd. Bernhardi (s. d.), von dem sie 1805 wieder geschieden wurde, lebte dann in Süddeutschland und mit ihren Brüdern, dem Dichter und dem Bildhauer, längere Zeit in Rom, später in Wien, München und Dresden. 1810 schloß sie eine zweite Ehe mit einem Esthländer, v. Knorring, dem sie in dessen Heimat folgte, und starb dort 1836. Sie hat außer Gedichten, z. B. dem Epos »Flore und Blanchefleur« (hrsg. von A. W. v. Schlegel, Berl. 1822), auch Schauspiele und einige Romane, wie »Evremont« (hrsg. von Ludw. T., das. 1836), geschrieben.

2) Christian Friedrich, Bildhauer, Bruder des vorigen, geb. 14. Aug. 1776 in Berlin, gest. daselbst 14. Mai 1851, hatte hier Schadow, dann in Paris David zum Lehrer und ward seit 1801 in Weimar bei der Ausschmückung des neuen Schlosses beschäftigt. Unter anderm modellierte er Goethes Büste, die er später auch in Marmor für die Walhalla ausführte. 1805 ging er mit seinem Bruder Ludwig nach Italien, wo er mehrere treffliche Büsten, unter andern die Alexanders v. Humboldt, ausführte. Von 1809–12 hielt er sich in der Schweiz und in München auf, wo er die Büsten des damaligen Kronprinzen Ludwig, Schellings, F. Jacobis und seines Bruders fertigte. Seit 1820 in Berlin als Professor der Akademie tätig, schuf er die 1829 in Erz gegossenen Gruppen von Rossebändigern für den Überbau des königlichen Museums, Niobe und ihre Kinder, ein Relief im Giebelfelde des Schauspielhauses, Ifflands Statue im Schauspielhaus, eine Statue Schinkels für die Vorhalle des Museums und zahlreiche Büsten. Vgl. E. Hildebrandt, Friedrich T. (Leipz. 1906).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 526-528. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007584652


Brockhaus 1841

[429] Tieck (Ludwig), königl. sächs. Hofrath, einer der berühmtesten unter den noch lebenden deutschen Dichtern, wurde am 31. Mai 1773 zu Berlin geboren, studirte seit 1791 auf den Universitäten Halle, Göttingen und Erlangen, indem er sich vorzüglich mit Geschichte und Literatur beschäftigte.

Schon auf der Schule hatte sich T. mit poetischen Productionen abgegeben und schon während seiner Studienjahre entwickelte sich in ihm die eigenthümliche Richtung, welche er nachmals in der Literatur geltend machte und zu der sich bald mehre ausgezeichnete Geister hinneigten. Man hat diese Richtung vorzugsweise als die romantische (s.d.) bezeichnet und sie ist dieselbe, welche die beiden Schlegel (s.d.) ausbreiteten. Auf die ganze Gestaltung der deutschen Poesie hat sie den wesentlichsten Einfluß gehabt. T. kehrte von Erlangen nach Göttingen und von da nach Berlin zurück, wo er mit Nicolai bekannt wurde. Eine Reise nach Jena brachte ihn mit den ihm geistig [429] verwandten Brüdern Schlegel und mit Novalis, zusammen, auch lernte er in Weimar Herdern kennen. Er hatte sich durch seinen »Abdallah« (Berl. 1795) und seinen »Richard Lowell« (Berl. 1795), durch »Peter Lebrecht, eine Geschichte ohne Abenteuerlichkeiten« (Berl. 1796) und durch »Peter Lebrecht's Volksmärchen« (3 Bde., Berl. 1797) vortheilhaft bekannt gemacht. Während in »Lowell« noch ein trüber Geist herrscht und man es demselben ansieht, daß der Dichter noch in sich selbst ringt, so tritt in den spätern unter den genannten Werken uns schon ein freier, mit Laune und Witz ungebunden in seinem Gebiete schaltender Dichtergeist entgegen, welcher nothwendig allgemeine Theilnahme erregen mußte. In Hamburg, wo sich T. eine Zeit lang aufhielt, lernte er die Tochter des Pastors Alberti kennen und vermählte sich mit ihr. Aufsehen machten sein »Blaubart« (Berl. 1798) und sein »Gestiefelter Kater« (1797), in welchen er mit graziöser Keckheit und jugendlichem Übermuthe gegen die seichte Aufklärerei und gegen die gemeinprosaische Ansicht in Leben und Kunst zu Felde zog. Seine Liebe zur Kunst, seine tiefen künstlerischen Anschauungen und seine gründliche Bildung in Beurtheilung von Werken der bildenden Kunst, wobei ihm besonders sein Aufenthalt in Dresden, München und Rom förderlich war, sprechen sich in den Schriften aus, welche er mit seinem Freunde Wackenroder gemeinschaftlich schrieb und zum Theil erst nach des Letztern Tode herausgab. Sie sind die: »Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders« (Berl. 1797), die »Phantasien über bildende Kunst« (Hamb. 1799) und »Franz Sternbald's Wanderungen« (2 Bde., Berl. 1798). An den erstern Werken hat Wackenroder, an dem zuletzt genannten T. größern Antheil. In Jena, wo sich T. längere Zeit aufhielt, schloß er sich noch enger an die Schlegel an und wurde auch mit Schelling bekannt. Eine Fortsetzung des »Gestiefelten Katers« ist sein »Zerbino, oder die Reise zum guten Geschmack«, welche er in den »Romantischen Dichtungen« (2 Bde., Jena 1799–1800) veröffentlichte. Auch durch treffliche Übersetzung ausländischer, ihm mehr oder weniger verwandter Dichter erwarb sich T. Verdienste. Er übersetzte den »Don Quixote« von Cervantes (4 Bde., Berl. 1799–1801; 3. Aufl. 1831) und begannschon damals sein gründliches Studium des Shakspeare, welches nachmals (in der Herausgabe der ergänzten und vervollkommneten Übersetzung der Werke Shakspeare's von A. W. v. Schlegel) herrliche Früchte trug. Im J. 1801 ging T. nach Dresden und gab hier den »Musenalmanach für 1802« heraus. Nachdem er Dresden wieder verlassen, hielt er sich abwechselnd in Berlin und zu Ziebingen ohnweit Frankfurt an der Oder auf. Besonderes Verdienst hat sich T. durch seine Wiedereinführung alter Dichtungen in neuem Gewande erworben. »Genoveva«, »Octavianus«, »Die Haimonskinder«, »Magelone«, »Die Schildbürger« (in den oben erwähnten »Volksmärchen«), die »Minnelieder aus dem schwäb. Zeitalter« (Berl. 1803) u.a. gehören hierher. Der Leser wird durch den kecksten Humor, durch sprudelnden Witz zu einem neuen Interesse an jenen alten Volksbüchern hingezogen. Es ist auffallend, wie der Dichter die leisesten Züge in jenen schlichten Erzählungen zu benutzen verstanden hat, sodaß er aus ihnen ein an Charakteren überreiches dramatisches Leben sich gestalten läßt. Nachdem T. noch 1805 die Werke seines früh verstorbenen Freundes Novalis herausgegeben hatte, begab er sich nach Italien, von wo er im Winter 1806 zurückkehrte. Hierauf lebte er einige Zeit in München und dann wieder in der Nähe von Frankfurt an der Oder. Theils die Zeitverhältnisse, theils die schmerzhaften Gichtanfälle, von denen T. seit seiner ital. Reise befallen wurde, waren Ursache, daß in seiner schriftstellerischen Thätigkeit eine ziemlich lange Pause eintrat. Frühere und neue kleinere poetische Werke, namentlich aus den »Volksmärchen«, verband T. in dem »Phantasus« (3 Bde., Berl. 1812–17) und setzte sie untereinander durch geistreiche Gespräche über Gegenstände des Lebens und der Kunst in Verbindung. Von seinen fortgesetzten Studien über Shakspeare und seine Zeit legte sein Werk: »Altenglisches Theater« (2 Bde., 1814–16) Zeugniß ab, in welchem unter Anderm einige dem Shakspeare gewöhnlich nicht zuerkannte Stücke enthalten sind. Auf einer Reise nach London, die er 1818 unternahm, sammelte er zu einem noch zu hoffenden größern Werke über Shakspeare und 1823–29 erschien in Leipzig seine Schrift »Shakspeare's Vorschule« (2 Bde.). Im J. 1819 ging er nach Dresden, wo er sich seitdem bleibend niedergelassen hat und nicht nur fortwährend als Dichter thätig geblieben ist, sondern auch durch seine fast öffentlichen Vorlesungen poetischer Kunstwerke zur Bildung des Geschmacks auf das schönste wirkt. T. besitzt nämlich ein wahrhaft künstlerisch ausgebildetes und in dieser Macht vielleicht noch nicht dagewesenes Talent im Vorlesen, und versammelt daher häufig in den Abendstunden einen Kreis von Freunden und gebildeten Fremden um sich, welchen er durch seinen Vortrag den reinsten und vollkommensten Genuß poetischer Kunstwerke bereitet. Diese Abendversammlungen erhalten den Dichter zugleich im lebendigsten Zusammenhange mit der Welt, welcher er sich übrigens wenig widmet, woran zum Theil sein durch die Gicht angegriffener Körper Schuld ist. T. hat sich seit seiner Jugend lebhaft für dramatische Poesie und Theater interessirt, in allen seinen Schriften herrscht ein dramatisches Element vor und seine »Dramaturgischen Blätter« (2 Bdchn., Bresl. 1825) sind Zeugniß seiner Einsicht in das Wesen des Theaters. Je tiefer aber T.'s Einsicht in dieser Beziehung ist, desto schmerzliche. empfindet er auch den Verfall der Bühne, bei welcher die Directoren nur nach dem Gelde des Publikums geizen, die Schauspieler nur um den Beifall der rohen Masse buhlen und die Zuschauer nur Unterhaltung suchen, [430] aber Niemand ein höheres, der Kunst würdiges Interesse hegt. T. hat sich daher vom Theater zurückgezogen und ersetzt sich selbst und den Gebildeten, die ihm nahen, dasselbe durch sein vollendetes Vorlesen. Nur seine Anstellung in Dresden hält ihn noch in Verbindung mit der Bühne der Hauptstadt und er wirkt für diese dadurch vortheilhaft, daß er talentvollen Schauspielern zu seinen dramatischen Vorlesungen Zutritt gestattet und ihnen auch privatim in Auffassung und Darstellung wichtiger Rollen Anweisung gibt. Seit seinem Aufenthalte in Dresden hat sich T. ausschließlich mit Hervorbringung einer Reihe ausgezeichneter Novellen beschäftigt, welche zum Theil einzeln, zum Theil in Sammelwerken, zum Theil endlich in Almanachen, namentlich in der »Urania«, erschienen sind. Diese Novellen tragen sämmtlich ein eigenthümliches Gepräge. Man kann nicht leugnen, daß in vielen eine gewisse Willkürlichkeit herrscht, aber die eigenthümlichen Situationen, welche dadurch herbeigeführt werden, sind mit so hoher poetischer Wahrheit, mit einer solchen Kenntniß des menschlichen Gemüths und mit so wahrer Kunst dargestellt, daß T. in dieser Beziehung als unübertroffen dasteht. Viele dieser Novellen gehen mit jugendlicher Laune und zugleich mit dem Ernste eines gereiften Bewußtseins auf die Behandlung der interessantesten Zeitfragen ein. Unter den größern Productionen dieser Gattung zeichnen sich »Der Aufruhr in den Cenennen« (Berl. 1826), »Der junge Tischlermeister« (2 Bde., Berl. 1836) und »Vittoria Accorombona« (Bresl. 1840) auf das vortheilhafteste aus. Die selbständige Stellung, welche sich T. gegeben und die er mit der Hartnäckigkeit der Überzeugung in allen seinen Werken festgehalten, hat zu allen Zeiten seiner künstlerischen Thätigkeit Gegner erweckt. Während er in der ersten Zeit seines Auftretens von Denen angefeindet wurde, welche an einer veralteten Anschauung der Kunst und des Lebens festhielten, so ist er in neuerer Zeit oft auf die schmählichste Weise von unbesonnenen Neuerern angegriffen worden, welche nicht einsehen mochten oder konnten, daß, was in ihren Bestrebungen wahrhaft der Idee angehörte, eben von Niemand anders als von T. auf das würdigste vertreten werde, und auch die gemein-prosaische Richtung hat bis auf die neueste Zeit nicht nachgelassen, den Dichter zu verunglimpfen. Die billige und für das Schöne empfängliche Kritik wird stets anerkennen, daß im ganzen Verlaufe der Thätigkeit T.'s sich die eigenthümliche Richtung desselben, welche allerdings anfänglich einseitig schroff ausgebildet war, immer mehr zur reinsten, vorurtheilsfreien Poesie herausgebildet hat, und in jener Schroffheit früherer Productionen nur die nothwendige Opposition gegen die Afterpoesie erkennen, während der Dichter in seinen spätern Werken, getragen durch das Gefühl, für ein durch ihn gebildetes Publicum zu wirken, zu der Ruhe und Klarheit gelangt ist, welche seinen Werken den Stempel classischer Vollendung aufdrücken. Die bedeutendsten Sammelwerke Tieck'scher Schriften sind: die »Schriften« (15 Bde., Berl. 1828–26); die »Novellen« (7 Bde., Berl. und Bresl. 1823–28), und die »Gesammelten Novellen« (Bresl. 1835 fg.). Eine kolossale Marmorbüste T 's hat der berühmte franz. Bildhauer David 1834 gearbeitet und dieselbe dem Dichter verehrt. Auch der Bildhauer Tieck hat eine Büste seines Bruders dargestellt. Eine erfreuliche Anerkennung seiner Verdienste erfuhr T. bald nach der Thronbesteigung des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, indem dieser ihm einen ansehnlichen Jahrgehalt aussetzte und T. einlud, ihn jährlich einmal in seiner Residenz zu besuchen und durch sein Talent als Vorleser zu erfreuen. – Der Bruder des Dichters, der als Bildhauer ausgezeichnete Christian Friedrich Tieck, Professor der Bildhauerkunst und Mitglied des Senats der Akademie der Künste in Berlin, wurde zu Berlin 1776 geboren und zeichnete sich zuerst als Schadow's, dann als David's Schüler aus. Im J. 1801 kehrte er nach Berlin zurück, begab sich bald darauf nach Weimar, wo er eine Reihe von Kunstwerken herstellte und auch die Büsten F. A Wolf's, I. H. Voß's und Goethe's arbeitete. Er begleitete 1805 seinen Bruder nach Italien, vervollkommnete sich noch weiter in seiner Kunst und folgte 1809 einem Rufe des Kronprinzen Ludwig von Baiern nach München. Auch hier schuf er wieder mehre Büsten ausgezeichneter Männer. In Italien, wohin er 1812 zurückkehrte, wurde er der innige Freund des Bildhauers Rauch. Eine Reihe von Büsten berühmter Männer der Vorzeit wurden von ihm im Auftrage des Kronprinzen von Baiern in Carrara geschaffen. Für Frau von Staël schuf er eine lebensgroße Statue Necker's. Im J. 1819 kehrte er nach Berlin zurück, arbeitete hier für das neue Schauspielhaus, machte die Modelle der Engel, welche, in Kupfer getrieben, das Portal der Domkirche in Berlin schmücken, den Genius auf dem Denkmal des Prinzen Louis Ferdinand zu Saalfeld, die Genien für das Denkmal auf dem Kreuzberge zum Andenken der Siege bei Großbeeren und Laon und mehre Büsten, namentlich die des Königs Friedrich Wilhelm III., welche im Saale der Stadtverordneten zu Berlin aufgestellt ist. Seit 1819 ist er Mitglied der berliner Akademie.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 429-431. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000870072


Damen Conversations Lexikon

[137] Tieck, Ludwig. An den Namen Tieck's knüpfen sich schöne [137] Erinnerungen. Es gab eine Zeit, wo keine Gesellschaft zusammentrat, ohne mit Tieck zu liebäugeln. Vornehm und Gering haderte mit einander über den Werth oder Unwerth der romantischen Poesie, als deren Gründer Tieck und die Gebrüder Schlegel genannt wurden. Die Verdienste, welche sich Tieck um die Einführung des mystisch-christlichen Elementes in die Poesie erworben hat, wird Jedermann gern zugestehen. Er fühlte von Jugend auf das Bedürfniß in sich, das Poetische mehr innerlich mit dem Gemüthsleben des Menschen in Verbindung zu bringen, und vernachlässigte deßhalb in seinen früheren und frischesten Producten oft über die Gebühr die Form. Ganz im Gegensatz zu dem Antiken, das in Göthe seinen ruhig besonnenen Repräsentanten fand, baute Tieck das Mittelalterliche in der Neuzeit wieder an, und führte echt deutsche Stoffe der Poesie zu, die seit langer Zeit als völlig verloren gegangen betrachtet wurden. Er stieg hinab in die blendend funkelnden Schachten der schauerlichen Sagen, die Mährchenwelt mit ihrem Glanz und dem hinreißenden Reiz der Anmuth und Kindlichkeit mußte ihm dienen, um an sie den Reichthum seiner Gemüthsanschauungen zu verschwenden. Das Mährchen erlangte durch Tieck erst Bedeutsamkeit und entwickelte allen Tiefsinn, der in ihm liegt, ohne deßhalb von dem Dufte auch nur das Geringste zu verlieren, ohne den es als nichtig in sich selbst zerfallen würde. So schuf Tieck seine »Genofeva,« »Kaiser Octavian,« »Fortunat,« und die Reihe aller jener Mährchen, die unter dem Titel »Phantasus« wie eine Perlenschnur an die erzählenden Worte künstlerisch gesinnter Freunde aufgereiht sind. Früher hatte sich T. bereits in Romanen von eigenthümlicher Form und Färbung versucht, die theils das Dämonische der Menschennatur etwas schroff zur Erscheinung brachten, wie im »William Lovell,« oder sich in das Gemüthsleben der altdeutschen Vergangenheit versenkten, und hier die Kunst vereint mit der Liebe zur Göttin des Lebens erheben, so in »Franz Sternbald's Wanderungen,« an deren Ausarbeitung Tieck's früh verstorbener[138] Freund Wackenroder bedeutenden Antheil gehabt haben soll. Zu gleicher Zeit ergriff T. mit Eifer das Studium des Spanischen und drang namentlich tief ein in den Geist des unübertrefflichen Cervantes, dessen »Don Quixote« er in einer trefflichen Uebersetzung den Deutschen erst genießbar machte. Cervantes' Geist fand in Tieck viel gleichnamige Elemente vor. Der Dichter, in dessen Brust ein seiner Humor mit oft aristophanisch beizender Satyre nach Luft rang, trat polemisch gegen die Philisterei der Kunstbeurtheiler auf, und schuf in diesem Sinne die unübertrefflichen Schaustücke »der gestiefelte Kater,« »die Reise nach dem guten Geschmack« oder »Prinz Zerbino« und »die verkehrte Welt,« in denen der literarische Pöbel der damaligen Zeit nicht eben geschont ward. Später trat er mehrere Reisen an, ging nach Italien, nachdem er sich zuvor in Hamburg mit einer Tochter des Pastors Alberti verheirathet hatte, und verlebte längere Zeit in Rom, nur dem Kunstgenusse und dem Umgange mit geistesverwandten Freunden sich hingebend. Aus Italien zurückgekehrt hielt er sich eine Zeitlang in München auf, wo er zuerst der Gicht erlag, an der er späterhin oft und schmerzlich leiden mußte. In dieser Zeit dichtete er theils heitere Lieder, theils wandte er sich dem Studium Shakespeare's zu. Der gewaltige Geist dieses Dichters veranlaßte T. nach England zu gehen, um dort nach Schätzen zu forschen, die manch helleres Licht auf das vielfache Dunkel werfen könnten, das noch immer über dem Leben und Werken dieses größten Dramatikers aller Jahrhunderte liegt. Seine Ausbeute war nicht unbedeutend und ihr verdanken wir die beiden Bände, »Vorschule zu Shakespeare,« denen ein dritter noch folgen soll. Ueberhaupt wandte T. sich immer mit besonderer Vorliebe dem Drama zu, obwohl er selbst nie mit Glück darin debutiren konnte und das Publikum im Allgemeinen wenig auf seine ernsten Bestrebungen achtete. Seine spätere schriftstellerische Thätigkeit widmete T. fast ausschließlich der Hervorbringung jener Reihe von meisterhaften Novellen, die er seit der Mitte der[139] zwanziger Jahre theils in Taschenbüchern zerstreut, theils gesammelt erscheinen ließ In diesen gab er sich einer seiner früheren Schriftstellerperiode ganz entgegengesetzten Richtung hin, indem das Uebersprudelnde der Laune, das alle Formen unter lustigem Jauchzen zerbrach, hier in epischer Ruhe sich eindämmen läßt, und nur im heiteren Conversationstone, bald in Ernst sich hüllend, bald mit dem Schellengeläut eines ungemein geistreichen Humors geschmückt alle Phasen des civilisirten Gesellschaftslebens durchwandert. Die Handlung ist meist sehr einfach, oft kaum bemerkbar, dagegen bewegt der Tiefsinn der Redenden, die fast immer mehr oder weniger mit Sachen der Kunst gut befreundet sind, ein jedes Gemüth und umstrickt es mit seinen Zaubern. Hierin ist Tieck am größten, und seine Novellen »Dichterleben,« »der Hexensabbath,« »des Dichters Tod,« und der »Cevennenkrieg,« in dem er das Muster einer novellistischen Behandlung der Geschichte aufstellte, werden nie veralten. Tieck lebte in dieser Zeit in Dresden, wo er zugleich die Stelle eines Dramaturgen beim königl. Hoftheater erhielt, und als Frucht derselben vor mehreren Jahren seine »dramaturgischen Blätter« veröffentlichte, die ihm jedoch wenig Dank einbrachten. Abgeschlossen fast immer kränkelnd, hat der greise Sänger einen gebildeten Kreis edler Kunstfreunde um sich versammelt, denen er an gewissen Tagen mit der bewundernswürdigen Virtuosität seines biegsamen Organes und hohen Talentes bald fremde, bald eigene, meist dramatische, Producte, vorliest, und so Manchen den unseligen Zustand unserer Bühne vergessen macht. In der letzten Zeit, die so vielfache literarische Stürme hervorbrachte, fand T. sich wieder bewogen, polemisch aufzutreten, allein mit sehr wenig Glück. Die Abgeschlossenheit, in der er lebt, hat ihn mancherlei übersehen lassen, wodurch in seinem Auge sich ein unschönes und unwahres Bild von Leben und Literatur gestaltete. Die Angriffe gegen die literarische Jugend dienten nur dazu, seine Verdienste zu schmälern, und die eigenen Productionen, den »jungen Tischlermeister« selbst nicht ausgenommen, konnten ihm[140] die gesunkene Autorität nicht wieder verschaffen. Tieck wurde zu Berlin geboren am 31. Mai 1773, und lebt jetzt als königl. sächs. Hofrath und Ritter des Civilverdienstordens der bairischen Krone in Dresden. W......m.

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 137-141. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001771833


Brockhaus 1841

[429] Tieck (Ludwig), königl. sächs. Hofrath, einer der berühmtesten unter den noch lebenden deutschen Dichtern, wurde am 31. Mai 1773 zu Berlin geboren, studirte seit 1791 auf den Universitäten Halle, Göttingen und Erlangen, indem er sich vorzüglich mit Geschichte und Literatur beschäftigte. Schon auf der Schule hatte sich T. mit poetischen Productionen abgegeben und schon während seiner Studienjahre entwickelte sich in ihm die eigenthümliche Richtung, welche er nachmals in der Literatur geltend machte und zu der sich bald mehre ausgezeichnete Geister hinneigten. Man hat diese Richtung vorzugsweise als die romantische (s.d.) bezeichnet und sie ist dieselbe, welche die beiden Schlegel (s.d.) ausbreiteten. Auf die ganze Gestaltung der deutschen Poesie hat sie den wesentlichsten Einfluß gehabt. T. kehrte von Erlangen nach Göttingen und von da nach Berlin zurück, wo er mit Nicolai bekannt wurde. Eine Reise nach Jena brachte ihn mit den ihm geistig [429] verwandten Brüdern Schlegel und mit Novalis, zusammen, auch lernte er in Weimar Herdern kennen. Er hatte sich durch seinen »Abdallah« (Berl. 1795) und seinen »Richard Lowell« (Berl. 1795), durch »Peter Lebrecht, eine Geschichte ohne Abenteuerlichkeiten« (Berl. 1796) und durch »Peter Lebrecht's Volksmärchen« (3 Bde., Berl. 1797) vortheilhaft bekannt gemacht. Während in »Lowell« noch ein trüber Geist herrscht und man es demselben ansieht, daß der Dichter noch in sich selbst ringt, so tritt in den spätern unter den genannten Werken uns schon ein freier, mit Laune und Witz ungebunden in seinem Gebiete schaltender Dichtergeist entgegen, welcher nothwendig allgemeine Theilnahme erregen mußte. In Hamburg, wo sich T. eine Zeit lang aufhielt, lernte er die Tochter des Pastors Alberti kennen und vermählte sich mit ihr. Aufsehen machten sein »Blaubart« (Berl. 1798) und sein »Gestiefelter Kater« (1797), in welchen er mit graziöser Keckheit und jugendlichem Übermuthe gegen die seichte Aufklärerei und gegen die gemeinprosaische Ansicht in Leben und Kunst zu Felde zog. Seine Liebe zur Kunst, seine tiefen künstlerischen Anschauungen und seine gründliche Bildung in Beurtheilung von Werken der bildenden Kunst, wobei ihm besonders sein Aufenthalt in Dresden, München und Rom förderlich war, sprechen sich in den Schriften aus, welche er mit seinem Freunde Wackenroder gemeinschaftlich schrieb und zum Theil erst nach des Letztern Tode herausgab. Sie sind die: »Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders« (Berl. 1797), die »Phantasien über bildende Kunst« (Hamb. 1799) und »Franz Sternbald's Wanderungen« (2 Bde., Berl. 1798). An den erstern Werken hat Wackenroder, an dem zuletzt genannten T. größern Antheil. In Jena, wo sich T. längere Zeit aufhielt, schloß er sich noch enger an die Schlegel an und wurde auch mit Schelling bekannt. Eine Fortsetzung des »Gestiefelten Katers« ist sein »Zerbino, oder die Reise zum guten Geschmack«, welche er in den »Romantischen Dichtungen« (2 Bde., Jena 1799–1800) veröffentlichte. Auch durch treffliche Übersetzung ausländischer, ihm mehr oder weniger verwandter Dichter erwarb sich T. Verdienste. Er übersetzte den »Don Quixote« von Cervantes (4 Bde., Berl. 1799–1801; 3. Aufl. 1831) und begannschon damals sein gründliches Studium des Shakspeare, welches nachmals (in der Herausgabe der ergänzten und vervollkommneten Übersetzung der Werke Shakspeare's von A. W. v. Schlegel) herrliche Früchte trug. Im J. 1801 ging T. nach Dresden und gab hier den »Musenalmanach für 1802« heraus. Nachdem er Dresden wieder verlassen, hielt er sich abwechselnd in Berlin und zu Ziebingen ohnweit Frankfurt an der Oder auf. Besonderes Verdienst hat sich T. durch seine Wiedereinführung alter Dichtungen in neuem Gewande erworben. »Genoveva«, »Octavianus«, »Die Haimonskinder«, »Magelone«, »Die Schildbürger« (in den oben erwähnten »Volksmärchen«), die »Minnelieder aus dem schwäb. Zeitalter« (Berl. 1803) u.a. gehören hierher. Der Leser wird durch den kecksten Humor, durch sprudelnden Witz zu einem neuen Interesse an jenen alten Volksbüchern hingezogen. Es ist auffallend, wie der Dichter die leisesten Züge in jenen schlichten Erzählungen zu benutzen verstanden hat, sodaß er aus ihnen ein an Charakteren überreiches dramatisches Leben sich gestalten läßt. Nachdem T. noch 1805 die Werke seines früh verstorbenen Freundes Novalis herausgegeben hatte, begab er sich nach Italien, von wo er im Winter 1806 zurückkehrte. Hierauf lebte er einige Zeit in München und dann wieder in der Nähe von Frankfurt an der Oder. Theils die Zeitverhältnisse, theils die schmerzhaften Gichtanfälle, von denen T. seit seiner ital. Reise befallen wurde, waren Ursache, daß in seiner schriftstellerischen Thätigkeit eine ziemlich lange Pause eintrat. Frühere und neue kleinere poetische Werke, namentlich aus den »Volksmärchen«, verband T. in dem »Phantasus« (3 Bde., Berl. 1812–17) und setzte sie untereinander durch geistreiche Gespräche über Gegenstände des Lebens und der Kunst in Verbindung. Von seinen fortgesetzten Studien über Shakspeare und seine Zeit legte sein Werk: »Altenglisches Theater« (2 Bde., 1814–16) Zeugniß ab, in welchem unter Anderm einige dem Shakspeare gewöhnlich nicht zuerkannte Stücke enthalten sind. Auf einer Reise nach London, die er 1818 unternahm, sammelte er zu einem noch zu hoffenden größern Werke über Shakspeare und 1823–29 erschien in Leipzig seine Schrift »Shakspeare's Vorschule« (2 Bde.). Im J. 1819 ging er nach Dresden, wo er sich seitdem bleibend niedergelassen hat und nicht nur fortwährend als Dichter thätig geblieben ist, sondern auch durch seine fast öffentlichen Vorlesungen poetischer Kunstwerke zur Bildung des Geschmacks auf das schönste wirkt. T. besitzt nämlich ein wahrhaft künstlerisch ausgebildetes und in dieser Macht vielleicht noch nicht dagewesenes Talent im Vorlesen, und versammelt daher häufig in den Abendstunden einen Kreis von Freunden und gebildeten Fremden um sich, welchen er durch seinen Vortrag den reinsten und vollkommensten Genuß poetischer Kunstwerke bereitet. Diese Abendversammlungen erhalten den Dichter zugleich im lebendigsten Zusammenhange mit der Welt, welcher er sich übrigens wenig widmet, woran zum Theil sein durch die Gicht angegriffener Körper Schuld ist. T. hat sich seit seiner Jugend lebhaft für dramatische Poesie und Theater interessirt, in allen seinen Schriften herrscht ein dramatisches Element vor und seine »Dramaturgischen Blätter« (2 Bdchn., Bresl. 1825) sind Zeugniß seiner Einsicht in das Wesen des Theaters. Je tiefer aber T.'s Einsicht in dieser Beziehung ist, desto schmerzliche. empfindet er auch den Verfall der Bühne, bei welcher die Directoren nur nach dem Gelde des Publikums geizen, die Schauspieler nur um den Beifall der rohen Masse buhlen und die Zuschauer nur Unterhaltung suchen, [430] aber Niemand ein höheres, der Kunst würdiges Interesse hegt. T. hat sich daher vom Theater zurückgezogen und ersetzt sich selbst und den Gebildeten, die ihm nahen, dasselbe durch sein vollendetes Vorlesen. Nur seine Anstellung in Dresden hält ihn noch in Verbindung mit der Bühne der Hauptstadt und er wirkt für diese dadurch vortheilhaft, daß er talentvollen Schauspielern zu seinen dramatischen Vorlesungen Zutritt gestattet und ihnen auch privatim in Auffassung und Darstellung wichtiger Rollen Anweisung gibt. Seit seinem Aufenthalte in Dresden hat sich T. ausschließlich mit Hervorbringung einer Reihe ausgezeichneter Novellen beschäftigt, welche zum Theil einzeln, zum Theil in Sammelwerken, zum Theil endlich in Almanachen, namentlich in der »Urania«, erschienen sind. Diese Novellen tragen sämmtlich ein eigenthümliches Gepräge. Man kann nicht leugnen, daß in vielen eine gewisse Willkürlichkeit herrscht, aber die eigenthümlichen Situationen, welche dadurch herbeigeführt werden, sind mit so hoher poetischer Wahrheit, mit einer solchen Kenntniß des menschlichen Gemüths und mit so wahrer Kunst dargestellt, daß T. in dieser Beziehung als unübertroffen dasteht. Viele dieser Novellen gehen mit jugendlicher Laune und zugleich mit dem Ernste eines gereiften Bewußtseins auf die Behandlung der interessantesten Zeitfragen ein. Unter den größern Productionen dieser Gattung zeichnen sich »Der Aufruhr in den Cenennen« (Berl. 1826), »Der junge Tischlermeister« (2 Bde., Berl. 1836) und »Vittoria Accorombona« (Bresl. 1840) auf das vortheilhafteste aus. Die selbständige Stellung, welche sich T. gegeben und die er mit der Hartnäckigkeit der Überzeugung in allen seinen Werken festgehalten, hat zu allen Zeiten seiner künstlerischen Thätigkeit Gegner erweckt. Während er in der ersten Zeit seines Auftretens von Denen angefeindet wurde, welche an einer veralteten Anschauung der Kunst und des Lebens festhielten, so ist er in neuerer Zeit oft auf die schmählichste Weise von unbesonnenen Neuerern angegriffen worden, welche nicht einsehen mochten oder konnten, daß, was in ihren Bestrebungen wahrhaft der Idee angehörte, eben von Niemand anders als von T. auf das würdigste vertreten werde, und auch die gemein-prosaische Richtung hat bis auf die neueste Zeit nicht nachgelassen, den Dichter zu verunglimpfen. Die billige und für das Schöne empfängliche Kritik wird stets anerkennen, daß im ganzen Verlaufe der Thätigkeit T.'s sich die eigenthümliche Richtung desselben, welche allerdings anfänglich einseitig schroff ausgebildet war, immer mehr zur reinsten, vorurtheilsfreien Poesie herausgebildet hat, und in jener Schroffheit früherer Productionen nur die nothwendige Opposition gegen die Afterpoesie erkennen, während der Dichter in seinen spätern Werken, getragen durch das Gefühl, für ein durch ihn gebildetes Publicum zu wirken, zu der Ruhe und Klarheit gelangt ist, welche seinen Werken den Stempel classischer Vollendung aufdrücken. Die bedeutendsten Sammelwerke Tieck'scher Schriften sind: die »Schriften« (15 Bde., Berl. 1828–26); die »Novellen« (7 Bde., Berl. und Bresl. 1823–28), und die »Gesammelten Novellen« (Bresl. 1835 fg.). Eine kolossale Marmorbüste T 's hat der berühmte franz. Bildhauer David 1834 gearbeitet und dieselbe dem Dichter verehrt. Auch der Bildhauer Tieck hat eine Büste seines Bruders dargestellt. Eine erfreuliche Anerkennung seiner Verdienste erfuhr T. bald nach der Thronbesteigung des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, indem dieser ihm einen ansehnlichen Jahrgehalt aussetzte und T. einlud, ihn jährlich einmal in seiner Residenz zu besuchen und durch sein Talent als Vorleser zu erfreuen. – Der Bruder des Dichters, der als Bildhauer ausgezeichnete Christian Friedrich Tieck, Professor der Bildhauerkunst und Mitglied des Senats der Akademie der Künste in Berlin, wurde zu Berlin 1776 geboren und zeichnete sich zuerst als Schadow's, dann als David's Schüler aus. Im J. 1801 kehrte er nach Berlin zurück, begab sich bald darauf nach Weimar, wo er eine Reihe von Kunstwerken herstellte und auch die Büsten F. A Wolf's, I. H. Voß's und Goethe's arbeitete. Er begleitete 1805 seinen Bruder nach Italien, vervollkommnete sich noch weiter in seiner Kunst und folgte 1809 einem Rufe des Kronprinzen Ludwig von Baiern nach München. Auch hier schuf er wieder mehre Büsten ausgezeichneter Männer. In Italien, wohin er 1812 zurückkehrte, wurde er der innige Freund des Bildhauers Rauch. Eine Reihe von Büsten berühmter Männer der Vorzeit wurden von ihm im Auftrage des Kronprinzen von Baiern in Carrara geschaffen. Für Frau von Staël schuf er eine lebensgroße Statue Necker's. Im J. 1819 kehrte er nach Berlin zurück, arbeitete hier für das neue Schauspielhaus, machte die Modelle der Engel, welche, in Kupfer getrieben, das Portal der Domkirche in Berlin schmücken, den Genius auf dem Denkmal des Prinzen Louis Ferdinand zu Saalfeld, die Genien für das Denkmal auf dem Kreuzberge zum Andenken der Siege bei Großbeeren und Laon und mehre Büsten, namentlich die des Königs Friedrich Wilhelm III., welche im Saale der Stadtverordneten zu Berlin aufgestellt ist. Seit 1819 ist er Mitglied der berliner Akademie.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 429-431. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000870072


Herder 1857

[477] Tieck, Ludwig, der lebendigste und fruchtbarste unter den romantischen Dichtern (s. Romantisch), geb. 1773 zu Berlin, trieb geschichtliche und philologische Studien zu Halle, Erlangen, Göttingen, befreundete sich früh mit Wackenroder, 1799 zu Jena mit den Gebrüdern Schlegel, Novalis, Schelling u.a., besuchte 1805 Rom, 1817 London, wo er Studien über Shakesspeare machte, u. ließ sich 1819 wiederholt und für die Dauer zu Dresden nieder. Hier bekam er 1825 Antheil an der Theaterdirection, vermochte den gehegten Erwartungen nicht zu entsprechen, leistete aber doch Tüchtiges als Theaterkritiker (Dramaturgische Blätter 1826), und noch mehr als dramatischer Vorleser. 1842 zog ihn der König von Preußen nach Berlin, indem er ihn mit dem Titel eines Geh. Hofrathes und mit einem bedeutenden Jahresgehalte bedachte; T. hatte sich bereits selber überlebt, war alt und kränklich, veranlaßte vielbesprochene theatralische Versuche und st. 1853 zu Berlin. Ein wirkliches Dichtergenie war T. nicht, am allerwenigsten ein lyrisches, wohl aber ein mit reicher Bildung, scharfem Verstande, Witz u. Phantasie ausgerüstetes Talent, welches fremde Stoffe auszubilden und umzumodeln verstand. Unter Klingers Einfluß schrieb er den »gespenstigen [477] und wilden« Roman Abdallah (1795), Schillers »Räuber« regten ihn zum »William Lovell« (1793–1796) an, geläuterter trat er schon im »Peter Lebrecht« (1795) auf, in den Volksmährchen geißelte er die poetische Anmaßung und Flachheit eines Nicolai, Merkel, Böttiger u.a., der Kunstroman »Sternbalds Wanderungen« machte ihn bereits zu einem Orakel der Romantiker. In Jena begann die Periode seiner romantischen Dichtungen (Prinz Zerbino oder die Reise nach dem guten Geschmack), mit der »Genoveva« (1799) die Nachdichtung deutscher Sagenstoffe; das Lustspiel »Kaiser Oktavianus« (1804) und »Fortunat« gelten hierin als seine Meisterwerke, obwohl es keine bühnengerechten Stücke sind. Magelone (1796), der gestiefelte Kater (1797), Rothkäppchen (1800), der Phantasus (1812; eine Nachbildung des Decamerone) u.a.m. gehören dieser Periode an, die sich 1821 mit »Gedichten« abschloß, an denen nur einzelne Schönheiten gerühmt werden. Von jetzt an entzückte er die gelehrten Norddeutschen durch Novellen, worin er mit einer als classisch gepriesenen Sprache alle Fragen des Lebens, der Kunst, Literatur u. Religion behandelte (die Reisenden, Dichters Leben, Dichters Tod, der Aufruhr in den Cevennen), und unter denen »Vittoria Accorombona« (18401 das letzte einigermaßen bedeutende Werk war. T. erwarb sich auch Verdienste durch Herausgabe der Schriften von Wackenroder, Hardenberg, H. v. Kleist (1826), Lenz (1828), ferner durch Bearbeitung von Minneliedern (1803), Ulrich v. Lichtensteins Frauendienst (1812) u.a., ebenso durch eine Uebersetzung des Don Quixote; um Shakesspeare bei uns recht heimisch zu machen, waren T.s Bemühungen weit größer als seine Erfolge (Fortsetzung der Schlegelschen Uebersetzung, Vorschule zum Shakesspeare u.s.w.). Sämmtliche Schriften, Berl. 1828 ff., 20 Bde., dazu nachgelassene Schriften Leipz. 1855, 2 Bde. – T., Sophie, die Schwester des Vorigen, geb. 1778, 1799 mit seinem Freunde, Professor Bernhardi, verheirathet, 1806 von diesem geschieden und mit einem Baron Knorring verehelicht, bearbeitete mit ihrem Bruder u. ersten Manne »Bambocciaden«, eine Sammlung vielbelobter Erzählungen, hinterließ »Tristan u. Isolde« sowie einen Roman »Evremont«.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 477-478. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003542912


Pierer 1863

[589] Tieck, 1) Ludwig, geb. 31. Mai 1773 in Berlin als der Sohn eines Seilers; studirte in Halle bes. Romanische Sprachen, wandte sich von da nach Göttingen u. Erlangen u. beschäftigte sich in Berlin bes. mit dem Studium der bildenden Künste, der altdeutschen Dichtungen u. der neuen Literatur, Bald nahm sein Geist eine polemische Richtung gegen die moderne Aufklärung u. gegen die gemeine Ansicht der Poesie. Nach seiner Vermählung mit einer Tochter des Pastor Alberti in Hamburg, lebte T. eine Zeitlang in Jena, wo A. W. u. Fr. Schlegel, von Hardenberg u.a. seine Freunde wurden, dann 1801–1802 mit Schlegels in Dresden u. gab mit A. W. Schlegel in Tübingen 1802 einen Musenalmanach heraus, worin er sich als lyrischer Dichter zeigte. Dann lebte er in Berlin u. auf dem Landgute Ziebingen bei Frankfurt a. d. O. Auf einer Reise nach Italien gelangten seine Kunstansichten zu höherer Reise. Nach der Rückkehr (1806) lebte er eine Zeitlang in München, später wieder in Ziebingen. 1818 benutzte er auf einer Reise nach London die dortigen geschichtlichen u. handschriftlichen Sammlungen für ein Werk über Shakespeare. Seit 1819 lebte er wieder in Dresden, mit dem Charakter eines königlich sächsischen Hofraths, u. wurde 1825 bei der Direction des Dresdner Hoftheaters angestellt. Dieser Posten veranlaßte ihn zu Kritiken über die deutsche Schaubühne, welche er in der Abendzeitung mittheilte u. dann mit verwandten Aufsätzen in seinen Dramaturgischen Blättern, Bresl. 1826, 2 Bde., sammelte. Seit 1840 erhielt er eine Pension vom König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen u. lebte in Berlin, wo er 28. April 1853 starb. Er schr.: William Lywell, Berl. 1795, 2. Aufl 1814; Peter Leberecht, ebd. 1795 f., 2 Bde.; Volksmährchen (darunter Blanbart, Der gestiefelte Kater), ebd. 1796, 3 Bde.; Franz Sternbalds Wanderungen, ebd. 1798, 2 Bde. (mit Wackenroder, unvollendet); Romantische Dichtungen, Jena 1799 f., 2 Bde.; Das Ungeheuer u. der verzauberte Wald, Bremen 1800; Poetisches Journal, Jena 1800; Auswahl altdeutscher Minnelieder, Berl. 1803; Phantasus (Bearbeitung deutscher Volksbücher), ebd. 1812–16, 3 Bde., n. A. 1844; Ulrichs von Lichtenstein Frauendienst, Stuttg. 1812; die Dramen: Leben u. Tod der Sta. Genovefa, Fortunat, Kaiser Octavian (1804); Lyrische Gedichte, 1821–23, 3 Bde., n. A. 1841; Novellen (seit 1821, darunter: Die Gemälde, 1822, Die Reisenden, 1823, Die Verlobung, 1823, Musikalische Leiden u. Freuden, 1824, Die Gesellschaft auf dem Lande, 1825, Dichterleben, 1826, Der Krieg in den Cevennen, 1826, Der junge Tischlermeister, 1836, Vittoria Accarombona, 1840), gesammelt Breslau 1835–46, 20 Bde., Berlin 1853, 12 Bde.; Übersetzung des Don Quixote, Berl. 1799–1801, 4 Bde.; Altenglisches Theater, ebd. 1811, 2 Bde.; Shakespeares Vorschule, Lpz. 1823–29, 2 Bde.; Volle:, dung u. neue Ausg. der Schlegelschen Ausg. Shakespeares, 9 Thle. bis 1833, 5. A. Berl. 1855; Die Sommernacht (eine Jugenddichtung, erst nach seinem Tode herausgegeben), Frankf. 1853. Aus den Papieren Wackenroders gab er 1797 in Berlin die Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders, u. Phantasien über die Kunst, Hamb. 1799, heraus, vermehrt mit eigenen Aufsätzen. Gesammelte Schriften, Berl. 1799, 12 Bde.; 1828 f., 15 Bde.; u. Ausg. ebd. 1831–42, 20 Bde.; Kritische Schriften, Lpz. 1848, 4 Bde. (3. u. 4. Band enthält die Dramaturgischen Blätter); Nachgelassene Schriften, herausgeg. von R. Köpke, Lpz. 1855 f., 2 Bde. Vgl. Rud. Köpke, Erinnerungen aus dem Leben Ludw. T-s, Lpz. 1855, 2 Bde.

2) Christian Friedrich, geb. 14. August 1776 in Berlin, Bruder des Vor.; Bildhauer u. Professor an der Kunstakademie in Berlin. Nachdem er als Knabe bei einem Meister Bettkober als Lehrbursche gedient hatte, kam er zu Schadow als Schüler u. vervollkommnete sich in Dresden, seit 1798 in Paris (unter David) u. Rom; er st. 14. Mai 1851 in Berlin. Seine Hauptstärke bestand in Porträtstatuen, wovon mehre in der Walhalla bei Regensburg sind. Die Domkirche in Berlin, so wie das[589] neue Schauspielhaus daselbst, sind mit freistehenden Gestalten von ihm geschmückt.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 589-590. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011106115


Brockhaus 1911

[837] Tieck, Ludw., Dichter, geb. 31. Mai 1773 zu Berlin, lebte 1799-1800 in Jena, 1805-6 in Italien, dann in Ziebingen bei Frankfurt a. O., München, Wien, seit 1819 als Dramaturg des Hoftheaters in Dresden, seit 1841 als Geh. Hofrat in Berlin, gest. das. 28. April 1853; mit den Gebrüdern Schlegel Haupt der Romantischen Schule; veröffentlichte: »Romantische Dichtungen« (1799-1800, darin die Tragödie, »Genoveva«), »Deutsches Theater« (1817), die Märchensammlung »Phantasus« (1812-17), »Novellen« (1835-42, 1853-54), ausgezeichnete Übersetzungen (»Don Quixote«, »Altengl. Theater« etc.). Die von Schlegel begonnene Shakespeareübersetzung wurde unter seiner Leitung von seiner Tochter Dorothea und Wolf Graf von Baudissin (s.d.) fortgesetzt. – Vgl. Köpke (2 Bde., 1871), Hoffmann (1856), Friesen (2 Bde., 1871), Klee (1894). – Sein Bruder Christian Friedr. T., Bildhauer, geb. 14. Aug. 1776 in Berlin, gest. das. 14. Mai 1851; Büsten berühmter Männer für Kronprinz Ludwig von Bayern, das Giebelfeld und anderes für das Berliner Schauspielhaus.

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 837. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001620231