Tibetische Sprache und Literatur

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Herder 1857

[477] Tibetanische Sprache und Literatur. Die tibet. Sprache ist einsylbig. hat sehr viele stumme Buchstaben u. wird in einer alten Form des ind. Devanagari von der Rechten zur Linken geschrieben. Die Literatur besteht wesentlich in Uebersetzungen der buddhistischen Schriften aus dem Indischen; die Sammlung Bkahhgyur (Uebersetzung der Gebote Buddhas), 1728–46 im Kloster Snarthang gedruckt, ist 100 Foliobände stark. Bstanhgyur (Uebersetzung von Lehrschriften) 225; Wörterbücher u. Grammatiken der tibet. Sprache haben wir von Csoma de Körös u. Isaak Jak. Schmidt.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 477. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003542823

Meyers 1909

[525] Tibetische Sprache und Literatur. Die tibetische Sprache gehört zu dem tibeto-birmanischen Zweige des indochinesischen Sprachstammes (s. die »Sprachenkarte«), ist also einsilbig und isolierend, und ihr Hauptdialekt, das Zentraltibetische, besitzt auch Tonakzente (s. Isolierende Sprachen). Doch weist sie recht erhebliche Spuren von Agglutination u. Flexion, zumal beim Verbum, auf. Außerdem bietet sie die seltene und interessante Erscheinung dar, daß ihre Schriftsprache die Formen des 7. Jahrh. n. Chr., wo sie entstand, starr beibehalten hat, während sich die Aussprache veränderte, so daß also Schrift und Laut ungefähr ebenso stark voneinander abweichen wie im Französischen oder Englischen. Die Schrift ist eine im 7. Jahrh. aus Nordindien entlehnte Silbenschrift, der es eigentümlich ist, daß jede Silbe durch einen Punkt abgeschlossen wird (s. die »Schrifttafeln«). Außer der Druckschrift, die aber keine beweglichen Lettern kennt, unterscheidet man drei Schriftarten. Grammatiken des Tibetischen verfaßten der Ungar Csoma (mit Wörterbuch, Kalk. 1834), J. F. Schmidt (Petersb. 1839–41), Foucaux (Par. 1858) und besonders Jäschke (»Tibetan grammar«, 2. Aufl., Lond. 1883), der auch ein »Tibetan-English dictionary« (das. 1882,1897) und ein großes »Handwörterbuch der tibetischen Sprache« (Gnadau 1871–75) herausgab; ein »Dictionnaire Thibétain-Latin-Français« veröffentlichten die katholischen Missionare in Tibet (Hongkong 1899); die heutige Umgangssprache Zentraltibets hat Graham Sandberg behandelt (1895). Untersuchungen über die wegen ihrer Altertümlichkeit für die indochinesische Sprachvergleichung sehr wichtige Sprache lieferten Schiefner, Jäschke, Huth, Conrady, Laufer. – Die tibetische Literatur besteht ihrem geistlichen Teil nach zumeist aus Übertragungen aus dem Sanskrit, die mit wenigen Originalwerken zwei Hunderte von Bänden starke Sammlungen füllen, den Kandschur (s. d.) und den neuern Tandschur. Die Profanliteratur an Erzählungen, Gedichten, Geschichtswerken ist nicht unbedeutend, aber noch wenig bekannt. An der Herausgabe und Übersetzung tibetischer Texte beteiligten sich der Ungar Csoma, die Deutschen J. F. Schmidt, A. Schiefner (s. d.), Jäschke, E. Schlagintweit, G. Huth, B. Laufer, Franke, die Franzosen Foucaux und Feer, die Inder Sarat Chandra Dās und Hari Mohan Vidyābhūshana.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 525. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007584342


Brockhaus 1911

[837] Tibetische Sprache und Literatur. Die tibet. Sprache ist die altertümlichste der sog. indochines. Sprachen, hat mehrere Dialekte, von denen der zentraltibetische der ausgebreitetste ist, wird mit einer Abart des ind. Devanagari-Alphabets geschrieben. Die Literatur besteht meist aus Übersetzungen (bes. buddhist. Werke) aus dem Sanskrit, außerdem aus Geschichtswerken, Fabeln, Märchen und Liedern. Grammatiken von Csoma (1834), Jäschke (2. Aufl. 1883), Sandberg (1894); Wörterbuch (tibet.-deutsch, 1871-76; tibet.-engl., 1881) von Jäschke.

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 837. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000162007X