Sumerer
Meyers 1909
[203] Sumērer, uraltes Volk, das in frühester Zeit Babylonien, ursprünglich und insonderheit Südbabylonien oder Sumer bewohnte. Seine Sprache gehört zu der Klasse der agglutinierenden Sprachen. Die babylonische Keilschrift ist eine Erfindung dieser ältesten Bewohner des babylonischen Tieflandes; die später zugewanderten Semiten entlehnten sie und[203] machten sie den Zwecken ihres eignen Idioms dienstbar. Infolge des viele Jahrhunderte langen Zusammenlebens der S. und der semitischen Babylonier ist die Sprache der letztern reich an sumerischen Lehnwörtern, und auch in Religion, Kultus, Künsten und Wissenschaften zeigt sich die semitische Kultur Babyloniens von der ältern, hochentwickelten sumerischen Kultur stark beeinflußt. Im Laufe schon sehr früher Jahrhunderte wurde das sumerische Element mehr und mehr von dem semitischen absorbiert. Die Existenz eines sumerischen Idioms und Volkes wird besonders von Joseph Halévy noch immer geleugnet, demgemäß die in sumerischer Sprache geschriebenen Texte von Semiten in einer Art Geheimschrift verfaßt seien. Statt »sumerisch« sagte man früher wohl auch »akkadisch«. Vgl. Lenormant, Études accadiennes (Par. 1873–79, 3 Bde., unvollendet) und La langue primitive de la Chaldée et les idiomes touraniens (das. 1875); Haupt, Die sumerischen Familiengesetze (Leipz. 1879) und Die akkadische Sprache (Berl. 1883); Zimmern, Babylonische Bußpsalmen (Leipz. 1885); J. Halévy, Observations critiques sur les prétendus Touraniens de la Babylonie (Par. 1874), Recherches critiques sur l'origine de la civilisation babylonienne (das. 1876) und Le sumérisme et l'histoire babylonienne (das. 1901); Weißbach, Die sumerische Frage (Leipz. 1898); E. Meyer, S. und Semiten in Babylonien (Berl. 1906).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 203-204. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007547366