Stettin
Stettin, polnisch Szczecin, Stadt in Polen, Hauptstadt der Woiwodschaft Westpommern (Województwo zachodniopomorskie), 396 472 Einwohner (2021). Zentrum des polnisch-deutschen Ballungsraums Stettin, der zu einer europäischen Metropolregion mit ca. 1,4 Millionen Einwohnern entwickelt werden soll. Stettin war die Hauptstadt des Herzogtums Pommern, seit 1278 Hansestadt, kam nach dem Tod des letzten pommerschen Herzogs 1637 zu Schweden, ab 1713/1720 zu Preußen und 1945 zu Polen.
Brockhaus 1911
[765] Stettin, Hauptstadt der preuß. Prov. Pommern [Karte: Ostpreußen etc. I, 2] und des Reg.-Bez. S. (12.078 qkm, 1900: 830.709, 1905: 857.496) E., 1 Stadtkreis, 12 Landkreise, [765] Stadtkreis an der Oder, (1900) 210.702 (1905: 224.078) E., Garnison, Sitz der Regierung, Oberlandes-, Land-, Amtsgericht, Oberpost-, Eisenbahndirektion, Reichsbankhauptstelle, Vorsteher der Kaufmannschaft, Handwerks-, Landwirtschaftskammer, Generalkommando des 2. Armeekorps; Königs- und Berliner Tor (Tore der ehemal. Festung), Denkmäler Friedrichs d.Gr., Friedrich Wilhelms III., Kaiser Wilhelms I., Brunnen mit der Stettina, königl. Schloß (mit Museum), altes und neues Rathaus, Theater, Börse, Konzerthaus, Arsenal, Waisenhaus; Königl. Seminar für gelehrte Schulen, 3 Gymnasien, 2 Realgymnasien, höhere Mädchenschule, Pommersches und Stadtmuseum; bedeutende Maschinenfabrikation und Schiffbau (darunter der »Vulcan« in Bredow), Zucker-, Chemikalien-, Portlandzement-, Papierfabrikation. Der Hafen wurde 1894-99 erweitert, 1898 ein Freihafen eröffnet. – S., im Mittelalter Hansestadt, kam 1648 an Schweden, 1720 an Preußen, bis 1873 Festung. – Vgl. Geschichte von Berghaus (2 Bde., 1875-76), W. H. Meyer (1887).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 765-766. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001589091
Meyers 1909
[9] Stettīn (hierzu der Stadtplan mit Registerblatt), Hauptstadt der preuß. Provinz Pommern und des gleichnamigen Regierungsbezirks, Stadtkreis, bis 1873 Festung, an der hier mehrfach geteilten Oder, besteht aus der eigentlichen Stadt am linken Flußufer mit ausgedehnten neuen Stadtteilen und Vorstädten, welch letztere nach der Entfestigung angelegt sind, und aus der Lastadie und den dazugehörigen Anlagen am rechten Ufer. Durch Eingemeindung von Vororten, wie Grabow, Bredow, Nemitz etc., hat die Stadt im letzten Jahrzehnt bedeutend an Umfang zugenommen. Beide Ufer der Oder sind für den allgemeinen Verkehr durch drei Brücken (Bahnhofsbrücke, Hansabrücke und Baumbrücke) verbunden; für den Eisenbahnverkehr sind über die Oder und ihre Nebenströme besondere Überbrückungen hergestellt. Groß ist die Zahl der zum Teil mit gärtnerischen Schmuckanlagen versehenen öffentlichen Plätze und der mit schönen Alleen durchzogenen Straßen. Unter den erstern sind besonders zu nennen: der Paradeplatz, der Königsplatz mit den Standbildern Friedrichs d. Gr. (von Schadow) und Friedrich Wilhelms III. (von Drake), der Kaiser Wilhelms-Platz, durchzogen von der Kaiser Wilhelm-Straße, anderen Einmündung in den Parade- u. den Königsplatz das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. (von Professor Hilgers) aufgestellt ist, der Jakobi-Kirchplatz mit dem Denkmal des Komponisten Löwe (modelliert von Glümer), der Rathausplatz mit schönem Monumentalbrunnen (modelliert von Manzel), der Platz Am Berliner Tor, ebenfalls mit Monumentalbrunnen (modelliert von Federhoff), der Bismarckplatz, der Arndtplatz etc.
S. hat 9 evang. Kirchen, unter denen die in ihrer jetzigen Gestalt spätgotische Petrikirche (1124 gegründet) als die erste christliche Kirche in Pommern und die Jakobikirche (aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrh.) wegen ihrer Größe bemerkenswert sind. Neu sind die Lutherkirche, die St. Gertrudkirche und die Bugenhagenkirche, letztere 1907 noch im Bau. Außerdem sind noch vorhanden: eine altlutherische, eine katholische und eine apostolische Kirche, 4 Baptistenkapellen und eine Synagoge. Andre hervorragende Gebäude sind: das königliche Schloß, jetzt Sitz der Regierung und des Oberlandesgerichts (ein neues Regierungsgebäude ist 1907 im Bau), das Militärkasino, das Schauspielhaus, die Börse, das Vereins- und Konzerthaus, der Zirkus, das neue, großartige Krankenhaus (auf einer Anhöhe vor der Stadt, 1879 eröffnet, mit ca. 300 Betten) sowie eine Anzahl von großartigen Neubauten, die teils verschiedenen Verwaltungsbehörden, teils als Schulen dienen. Aus der Zeit, da S. noch Festung war, sind noch zwei von Friedrich Wilhelm I. erbaute monumentale Tore (Königstor und Berliner Tor) vorhanden, die jetzt innerhalb der Stadt stehen und den Mittelpunkt breiter, mit Anlagen versehener Passagen bilden. – Die Zahl der Einwohner belief sich 1905 mit der Garnison (ein Grenadierregiment Nr. 2, ein Infanterieregiment Nr. 148, ein Feldartillerieregiment Nr. 38 und ein Pionierbataillon Nr. 2) auf 224,119 Seelen, darunter 209,152 Evangelische, 8635 Katholiken und 3010 Juden.
Industrie und Handel sind bedeutend. S. hat große Schiffswerften, Maschinenfabriken und Eisenwerke (darunter die Maschinenfabrik und Schiffbauanstalt »Vulkan« in der Vorstadt Bredow mit 7500 Arbeitern, die »Stettiner Oderwerke« mit 1000 Arbeitern, eine Schiffswerft, Kesselschmiede und Maschinenbauanstalt mit 500 Arbeitern und das Eisenwerk »Kraft« in Stolzenhagen mit 1200 Arbeitern), eine Nähmaschinen- u. Fahrradfabrik mit 1600 Arbeitern, chemische, Schamotte-, Ziegel- und Zementfabriken mit 3100 Arbeitern, sehr bedeutende Herrenkleiderkonfektion, Fabriken für Motorfahrzeuge, Zucker und Zuckerwaren, Schokolade, Parfümerien, Seife, Stearinkerzen, [9] Kartonnagen, Malz, Kunstseide, Papier, Dachpappe etc., Anthrazit-, Koks- und Kohlenwerke (Hedwigshütte), Branntweinbrennerei, Bierbrauerei, große Mühl- und Sägewerke etc. Für den Handel, der durch eine Handelskammer, durch 24 Konsulate fremder Länder, eine Börse, eine Reichsbankhauptstelle (Umsatz 1906: 2047,3 Mill. Mk.), die landschaftliche Bank, Stettiner Bank und andre große Geldinstitute sowie durch mehrere Versicherungsgesellschaften (Lebensversicherungsgesellschaft Germania, Preußische National-Versicherungsgesellschaft, Stettiner Rückversicherungsanstalt u. a.) unterstützt wird, ist S. der erste Seehandelsplatz des preußischen Staates. Die dortigen Hafenanlagen wurden 1894–98 mit einem Kostenaufwand von über 30 Mill. Mk. bedeutend erweitert und wie in Hamburg und Bremen mit einem Freihafen versehen. Das große neue Hafenbassin befindet sich östlich vom Stadtteil Lastadie und ist durch den Oder-Dunzigkanal mit dem Hauptarm der Oder verbunden. Auch der alte Hafen am Bollwerk wurde gleichzeitig erweitert und vertieft. Ausgeführt werden vorzugsweise: Getreide, Mehl, Sprit, Ölfrüchte, Holz, Chemikalien, Kartoffeln, Kraftmehl, Heringe, Zichorie, Zucker, Kohlen, Lumpen, Blei, Zink, Eisen, Zement, Abraumsalze, Malz, Gras- und Kleesaat, Faßdauben, Bier, Reis, Salz, Stärkezucker, Ölkuchen, Pappe und Packpapier, feuerfeste Steine etc. Die Gesamtausfuhr zur See bezifferte sich 1905 auf 823,275 Ton. Eingeführt werden: Steinkohlen, Eisen und Eisenwaren, Erden, Erze, Chemikalien, Eis, Getreide, Mehl, Kleie, Bau- und Nutzholz, Heringe, Reis, Ölsamen, Mais, Kaffee, Fettwaren, Petroleum, Steine etc. Die Gesamteinfuhr zur See betrug 1905: 3,006,788 Ton. Die Stettiner Reederei zählte 1905: 10 Segler zu 4671 und 105 Seedampfer zu 67,035 Reg.-Ton. Raumgehalt. Es kamen in demselben Jahr in S. an: 4923 Schiffe zu 1,481,518 Reg.-Ton., darunter 3295 Dampfer zu 1,339,048 Reg.-Ton.; es gingen ab: 4914 Schiffe zu 1,486,053 Reg.-Ton., darunter 3299 Dampfer zu 1,344,607 Reg.-Ton. Regelmäßige Dampferverbindungen unterhält S. mit den wichtigsten Häfen der Ostsee, mit norwegischen, belgischen, holländischen, englischen und nordamerikanischen Häfen. Für den Eisenbahnverkehr ist S. mit zahlreichen Bahnhöfen Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Berlin-S., S.-Strasburg i. U., S.-Jasenitz, S.-Belgard und Reppen-S. Dem Verkehr in der Stadt dient eine elektrische Straßenbahn.
An Bildungs- und andern ähnlichen Anstalten besitzt S. 3 Gymnasien, 2 Realgymnasien, 2 Lehrerinnenseminare, eine Maschinenbau-, eine Baugewerk-, eine Seemaschinisten- und eine Navigationsschule, eine Landwirtschafts- und eine Handelsschule, eine Hebammenlehranstalt, eine Taubstummen- und eine Blindenanstalt, ferner eine Stadtbibliothek, ein Altertums-, ein naturwissenschaftliches und ein Kunstmuseum, einen Altertums- und einen Kunstverein, 2 Theater, einen Botanischen Garten etc. Sehr groß ist die Zahl der Wohltätigkeitsanstalten und milden Stiftungen, darunter das Johanniskloster (für arme alte Bürger sowie für deren Witwen und Töchter), ein Waisenhaus, 2 Siechenhäuser, eine Kinderheilanstalt, ein Taubstummen-, ein Krüppel-, ein Soldaten- und ein Seemannsheim, ein Magdalenenstift, mehrere Diakonissenanstalten, eine Walderholungsstätte (»Hohenkrug«) für Lungenkranke, die »Kückenmühler Anstalten« zur Pflege, Erziehung und bez. Heilung Schwachsinniger und Epileptischer etc. Des großartigen, musterhaft eingerichteten Krankenhauses ist bereits oben gedacht. Zu erwähnen ist noch die 1884 entdeckte Stahlquelle, deren Wasser gegen Magen-, Darm- und Leberleiden etc. benutzt und auch versendet wird. Von Behörden haben in S. ihren Sitz: das Oberpräsidium der Provinz Pommern, eine königliche Regierung, das Provinzial-Schul- und Medizinalkollegium, das Konsistorium, die Provinzialsteuerdirektion, die Provinzialverwaltung, die Pommersche Generallandschaftsdirektion, die Provinzialfeuersozietät, die Landesversicherung der Provinz, die Rentenbank für Pommern und Schleswig-Holstein, 2 Spezialkommissionen, eine Landwirtschafts- und eine Handwerkskammer, ein königliches Polizeipräsidium, 2 Hauptsteuerämter, eine Eisenbahndirektion, eine Oberpostdirektion, ein Oberlandes- und ein Landgericht, ein Landratsamt (für den Kreis Randow), ein Seemannsamt etc. Von Militärbehörden befinden sich dort: das Generalkommando des 2. Armeekorps, das Kommando der 3. Division, der 5., 6. und 74. Infanterie-, der 3. Kavallerie-, der 3. Feldartillerie- und 2. Gendarmeriebrigade sowie die 2. Kavallerie- und die 2. Küstenbezirks-Inspektion. Die städtischen Behörden zählen 24 Magistratsmitglieder und 72 Stadtverordnete. Die städtischen Einnahmen beliefen sich 1905/06 auf 39,665,738 Mk., die städtische Schuld Ende März 1905 auf 52,662,791 Mk., der ein Aktivvermögen von 78,319,336 Mk. gegenübersteht. – Zum Oberlandesgerichtsbezirk S. gehören die 5 Landgerichte zu Greifswald, Köslin, Stargard, S. und Stolp; zum Landgerichtsbezirk S. gehören die 15 Amtsgerichte zu Altdamm, Bahn, Fiddichow, Gartz a. O., Greifenhagen, Kammin, Neuwarp, Pasewalk, Penkun, Pölitz, Stepenitz, S., Swinemünde, Ückermünde und Wollin. – In der reizvollen Umgegend sind besonders bemerkenswert: die Eckerberger Forst, Besitzung der Familie Quistorp, mit dem 40 m hohen, aussichtsreichen Quistorpturm, die herrliche Buchheide mit prächtigen, alten Buchen, oder abwärts der Vergnügungsort Frauendorf u. a. (vgl. das Nebenkärtchen »Umgebung von S.« auf der Karte »Pommern« im 16. Bd.).
Geschichte. S. ist eine alte wendische Ansiedelung, erscheint aber erst im 12. Jahrh., seit der Zerstörung von Jumne durch die Dänen, als der erste Seehandelsplatz an der Oder und erhielt von Herzog Barnim I. 1243 deutsches Stadtrecht. Seit etwa 1120 war es Sitz eines pommerschen Fürstenhauses und blieb es bis zum Aussterben der einheimischen Dynastie. 1360 war S. Mitglied des Hansebundes und nahm 1522 die Reformation an. Hier schlossen im Dezember 1570 Schweden und Dänemark unter Vermittelung des Kaisers Frieden. Am 11. Juli 1630 wurde S. Gustav Adolf eingeräumt, der große Verbesserungen an der Befestigung vornahm. Im Westfälischen Frieden nebst Vorpommern an Schweden abgetreten, ward S. nach hartnäckiger Verteidigung durch die Schweden und die Bürgerschaft 6. Jan. 1678 von dem Großen Kurfürsten von Brandenburg durch Kapitulation eingenommen, aber 1679 (im Frieden von St.-Germain-en-Laye) an Schweden zurückgegeben. Im Nordischen Krieg 1713 von den verbündeten Russen und Sachsen abermals belagert, wurde S. infolge einer Übereinkunft (29. Sept.) von Preußen und Holstein besetzt und erst im Frieden von Stockholm 1720 nebst Vorpommern an Preußen abgetreten. Nach der Katastrophe von 1806 übergab 29. Okt. der General v. Romberg die Festung ohne [10] Widerstand den Franzosen, die sie bis 5. Dez. 1813 behielten. 1873 wurde die Festung aufgehoben. Vgl. Berghaus, Geschichte der Stadt S. (Wriezen 1875 bis 1876, 2 Bde.); Th. Schmidt, Zur Geschichte des Handels und der Schiffahrt Stettins 1786–1846 (Stett. 1875); K. F. Meyer, S. zur Schwedenzeit (das. 1886); W. H. Meyer, S. in alter und neuer Zeit (das. 1887).
Der Regierungsbezirk Stettin (s. Karte »Pommern«) umfaßt 12,078 qkm (219,36 QM.) mit (1905) 857,807 Einw., darunter 823,498 Evangelische, 23,185 Katholiken und 5752 Juden (67 Einw. auf 1 qkm), und besteht aus den 14 Kreisen: (...)
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 9-11. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007525931
Brockhaus 1809
[386] Stettin, die Hauptstadt des gleichbenannten Herzogthums in Vorpommern, an der linken Seite der Oder (welche sich in einer Entfernung von 18 Meilen durch das Haff und die kleine Meerenge in die Ostsee ergießt), war ehedem mit in dem berühmten Hansebunde begriffen, und ist jetzt noch die vornehmste und beträchtlichste Handelsstadt in Pommern. Außer den mancherlei Fabriken und Manufacturen (z. B. der Rasch- und Zeugweberei, Zuckerraffinerie, Tabaks-und Segeltuch-Fabrik etc.) ist hauptsächlich die Schifffahrt und der Handel, vorzüglich der Holz- und Weinhandel, der beträchtlichste Nahrungszweig der Einwohner, wozu der Oderstrom freilich das Meiste beiträgt, indem Stettin selbst große Lastschiffe auf der See hat, und auch mehrere Nationen, besonders Schweden, Dänen und Holländer, nicht minder auch Engländer, Franzosen und Spanier sie besuchen, so daß diese Stadt der Stapelort für die beträchtliche Ein- und Ausfuhr der umliegenden Länder bleibt. Auch ist der Schiffbau durch seine beträchtliche Zunahme in den neuesten Zeiten ein wichtiger [386] Handelszweig geworden, und durch die verhängte Sperrung der Weser und Elbe hat der nun nach Emden und Stettin gewiesene Deutsche Einfuhr-Handel bedeutenden Werth für letztere erhalten. Sie genießt auch nebst der Stapelgerechtigkeit noch mehrere Handelsprivilegien, und umfaßt ungefähr 15,000 Einwohner. Ein königl. akademisches Gymnasium, mehrere bedeutende Schulen, die königl. Regierung über Vor- und Hinterpommern, so wie noch andere Collegia, machen die Stadt ebenfalls lebhaft. – Sie gehörte übrigens seit dem Westphälischen Frieden Schweden, wurde aber 1713 von den Nordischen Alliirten ein- und von Preußen in Sequestration genommen, bis sie denn endlich 1720 der Krone Preußen ganz abgetreten wurde.
Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 386-387. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000773549
Damen Conversations Lexikon
[411] Stettin, Hauptstadt der Provinz Pommern, an der Oder, mit 5 Kirchen, einem königl. Schlosse, einem Theater, Waisenhaus, einem Hebammeninstitute, 4 großen öffentl. Plätzen und 33,000 Ew., besitzt über 100 eigene Schiffe, treibt vermittelst des Hafens von Swinemünde einen ausgebreiteten Seehandel und entwickelt zugleich große Gewerbthätigkeit in der Garnspinnerei, Wollzeug-, Strumpf- und Bandweberei, Segeltuchfabrikation und Ankerschmiederei. Sie besteht aus der eigentlichen Stadt und den 4 Vorstädten Lastadie, Ober- und Unterwieck, der Citadelle und Alt- und Neu-Torwy, und zählt 1950 Häuser.
Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 411. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001769111
Brockhaus 1841
[294] Stettin, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks und Sitz des Oberpräsidiums und der höchsten Behörden der Provinz Pommern, liegt auf einem Hügel am linken Ufer der Oder, welche hier in vier Arme getheilt ist, die Oder, die Parnitz und die große und kleine Reglitz. (S. Oder.) Über diese alle führt ein 1 Meile langer Damm, welcher in der auf dem rechten Ufer gelegenen Vorstadt Lastadie beginnt, nach der Stadt Altdamm. S. wurde 1713 in dem nordischen Kriege den Schweden von den nordischen Verbündeten entrissen und im Frieden 1720 an Preußen abgetreten; 1806–13 war es von den Franzosen besetzt. Die Stadt ist eine Festung ersten Ranges, im Ganzen gut gebaut und hat 32,000 Einw., welche beträchtliche Fabriken in Tuch und andern Wollenwaaren, Leder, Segeltuch, Seife, Taback, Hüten, große Bierbrauereien und sehr bedeutenden Handel betreiben. Letzterer hat durch die in diesem Jahrzehnt vollendeten Arbeiten, durch welche auch größern Seeschiffen die Fahrt bis an die Stadt möglich gemacht ist, einen sehr merkbaren Aufschwung gewonnen und sieht jetzt einer neuen Belebung entgegen, da die Anlage einer Eisenbahn nach Berlin im Werke ist. Die Ankerschmiede in S. versieht alle preuß. Schiffe mit Ankern. Sehr beträchtlich ist auch der Schiffsbau. Die wichtigsten dortigen Gebäude sind das Schloß, in dem der Sitz der höchsten Behörden ist, und auch die reformirte und die katholische Kirche sich befinden, das Zeughaus, das Gouvermenthaus, das Landschaftshaus, die Börse und die Kaserne. Auf dem Königsplatze steht die bekannte Bildsäule Friedrich's des Großen von carrarischem Marmor. Von gemeinnützigen Anstalten besitzt S. ein Gymnasium, zwei Seminarien für Gelehrtenschulen und für Volksschulen, eine Hebammenanstalt, eine Steuermannsschule, ein Privatinstitut für Taubstumme und ein Waisenhaus. Die hier 1805 gestiftete Gesellschaft für pommersche Geschichte und Alterthumskunde besitzt eine bedeutende Sammlung von Alterthümern. Der Hafen von S. für diejenigen Schiffe, welche nicht bis zur Stadt gelangen können, ist Swinemünde.
Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 294. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000086689X
Herders 1857
[332] Stettin, Hauptstadt der preuß. Provinz Pommern und des gleichnamigen Reg.-Bez., an der in 4 Armen vorüberfließenden Oder, mit den Vorstädten Ober- und Unterwiek, Lastadie u. Tornei, wichtige Festung, bedeutender Handelsplatz, mit 55000 E., wichtiger Industrie. S. wurde 1630 von Gustav Adolf besetzt und 1648 an Schweden abgetreten; 1677 Belagerung u. Eroberung durch den großen Kurfürsten, 1713 durch Sachsen, Preußen und Russen, 1720 an Preußen abgetreten; Uebergabe 1806 durch den preuß. General von Romberg auf die erste Aufforderung; am 3. Dez. 1813 nach 8monatlicher Vertheidigung durch den französ. General Grandeau.
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 332. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003527794
Pierer
[796] Stettin (neulat. Sedinum), 1) Regierungsbezirk der preußischen Provinz Pommern, gebildet aus Preußisch-Vorpommern, einem Theil Hinterpommerns, dem Flecken Löcknitz von der Uckermark u. einem kleinen Theile der Neumark; grenzt an die Ostsee, die Regierungsbezirke Köslin, Frankfurt u. Potsdam, die Großherzogthümer Mecklenburg-Strelitz u. Schwerin u. an den Regierungsbezirk Stralsund; ist 238,61 QM. groß; Ebene, welche sich in sandige Höhen, oft fruchtbar, oft heidig, u. in Marschen u. Wiesen längs der Oder theilt; Flüsse: die Oder, mit ihren Seen u. Mündungen, ferner Peene, Ücker mit Randow, Plöne, Ihna u. Rega; Seen: der Dammsche See, das Papenwasser, das Große u. Kleine Haff, das Achterwasser, der Kummerow, Kamminsche Bodden, Madue- u. Plöusee; 1858_: 623,729 Ew. (darunter 4114 Katholiken, 6332 Juden, 434 Dissidenten, die übrigen Evangelischer Confession), sie nähren sich von Ackerbau, Viehzucht, Fischerei u. Schifffahrt; Producte: Getreide, Flachs, etwas Tabak u. Hopfen, Obst (bes. Äpfel), Holz, bes. Schiffs- u. Stabhölzer, Ölkuchen, Öl, Raps, Spiritus. Wolle, See- u. Flußfische. Die Industrie beschränkt sich fast auf die Städte; auf dem Lande Leinweberei. Eintheilung in den Stadtkreis Stettin u. die 12 landräthlichen Kreise Anklam, Demmin, Greiffenberg, Greiffenhagen, Kammin, Naugard, Pyritz, Randow, Regenwalde, Saatzig, Uckermünde u. Usedom-Wollin. 2) Stadtkreis S., Kreis darin, begriff sonst fast 3 QM. u. 36,000 Ew., seit 1826 nur noch die Stadt S. mit nächsten Umgebungen. 3) Hauptstadt des Regierungsbezirks u. Kreisstadt des Stettiner u. Randower Kreises, am linken Ufer der Oder, welche in 4 Armen (eigentliche Oder, Parnitz, Große u. Kleine Reglitz) vorbeifließt, darüber führen 3 Brücken u. ein 1 Meile langer Steindamm, mit 3 Brücken über die Querarme, nach der Stadt Damm. S. ist bedeutende Festung. Die eigentliche Stadt am linken Ufer der Oder ist mit 7 ganzen u. 2 halben Bastionen, vor denen die gewöhnlichen Ravelins u. Contregarden liegen, u. noch an mehren Punkten westlich u. nördlich durch eine zweite mehre Fronten umfassende Umwallung befestigt. Südwestlich davon, auf einer dominirenden Höhe, liegt das Fort Preußen, ein südspitziger Stern mit Ravelins. Zwischen diesem u. der Stadt ist ein neuer Stadttheil angelegt u. die Communication zwischen beiden befestigt. Außerdem sind die detachirten Forts Wilhelm u. Leopold vorhanden. Am rechten Ufer der Oder liegt die mit tenaitlirten Werken nur in einfacher Umwallung befestigte Vorstadt Lastadie. Einige detachirte Werke sichern den Zugang zu ihr. Vorstädte: außer Lastadie (jenseits der Oder), Ober- u. Unterwiek, Alt- u. Neutorney, die Kupfermühle u. die Pamerensdorser Anlagen. S. hat ansehnliche Plätze: der Berliner od. Grüne Paradeplatz, ist mit Bäumen besetzt u. in dem daran gelegenen Hauptwalle befinden sich Casematten, in Friedenszeiten theils vermiethet, theils zu anderweitigen Zwecken benutzt; der Königsplatz, welchen Namen er im März 1806 bei der Anwesenheit Friedrich Wilhelms III. in S. erhielt (Weißer Paradeplatz); auf demselben befindet sich am Walle die durch die pommerschen Stände gesetzte, von Schadow gearbeitete, 1793 aufgestellte Marmorstatue Friedrichs des Großen u. die Friedrichs Wilhelm III. (von Drake, 1849 aufgestellt). S. ist Sitz des Oberpräsidiums, der Regierung u. des Appellationsgerichts, eines See- u. Handels- u. eines Kreisgerichts; hat 5 Kirchen, 1 katholische Kapelle, Kapelle der Baptisten, sowie der Freien Gemeinde, Synagoge, königliches Schloß, sonst Residenz der Herzöge von Pommern, mit Simultankapelle; Landschaftshaus mit Bibliothek, Gymnasium mit Bibliothek, naturhistorisches Museum, Friedrich[796] Wilhelmschule (höhere Bürgerschule), Städtisches Museum (eine Gemäldegallerie), Seminar für höhere Schulstellen (das Schullehrerseminar ist nach Pölitz verlegt), Taubstummeninstitut, Schifffahrtsschule, höhere Töchterschule, Elisabethsschule, mehre Elementarschulen, Hebammenlehranstalt, Waisenhaus, Bürgerrettungsinstitut, Krankenhaus, See- u. Stromversicherungsanstalten, Gesellschaft für pommersche Geschichte u. Alterthumskunde, Rathhaus (mit Sammlung aller seit Katharina II. geprägten russischen Medaillen in Gold, Geschenke russischer Herrscher), Börse, Banco-, Salzspeditionscomptoir, bedeutenden Wollmarkt S. enthält Fabriken, welche Segeltuch, Hüte, Leder, Korkpfropfen, Seife, Liköre, Zucker, Tabak, Schiffsanker produciren, mehre große Maschinenfabriken (darunter die Fabrik Vulcan die bedeutendste), Schiffbau, Bierbrauereien; Seehandel: mit (1860) 196 eigenen Schiffen, auch durch 14 Dampfschiffe (bes. nach Kopenhagen, Stockholm, Leith, Hull, Riga, Königsberg, Danzig, Petersburg, Swineminde u. Rügen); 1861 waren 14,800 Fahrzeuge eingegangen (darunter 2186 große Segelschiffe). Der Handel von S. ist lebhaft. Ausfuhrartikel: Holz, Leinwand, Getreide u. Zink (1861 insgesammt 29 Mill. Thaler an Werth); Einfuhrartikel: Wein, Salz, Leinsamen, Colonialwaaren, Twiste, Baumwolle, Talg u. Pottasche (1861 insgesammt 454 Mill. Thaler an Werth). Eisenbahnverbindung mit Berlin (mit Zweigbahn von Passow nach Pasewalk), über Pasewalk, Anklam u. Greifswald nach Stralsund (Vorpommersche Bahn), über Stargard nach Köslin (Hinterpommersche Bahn, mit Zweigbahn nach Kolberg) u. über Stargard u. Kreuz nach Posen, Bromberg, Danzig, Königsberg etc. Öffentliche Vergnügungen: mehre Spaziergänge, bes. auf dem Glacis; Theater; Freimaurerlogen: drei Zirkel, u. drei goldene Anker zur Liebe u. Treue. 1861_: 64,431 Ew. (einschließlich 5944 Militär).
S. ist von Wenden gegründet u. kommt seit der Zeit der Sächsischen Kaiser als Stedyn (Stetyn), als Stadt des Gaues Cithne vor. S. war eine heilige Stätte der Wendenn. auf 3 Hügeln gebaut, auf deren mittlerm der Tempel des Gottes Triglaw stand. Bedeutend wurde S. erst nach dem Untergang der Handelsstadt Vineta (s.d.) im 12. Jahrh., denn nun zog sich der Handel hierher. 1121 überfiel der Polenkönig Boleslaw die Stadt u. führte 8000 Menschen von da in die Gefangenschaft. Bald darauf nahm S. mit den pommerschen Herzögen das Christenthum an. Bei der Theilung Pommerns 1296 wurde S. die Residenz der Linie Pommern-Stettin. Unter der Regierung der Fürsten dieser Linie wurde S. Hansestadt. 1464 starb die Linie Pommern-Stettin aus u. S. fiel an Pommern-Wolgast. 1466 bemächtigte sich Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg der Stadt S. durch Verrath, doch kam sie 1472 an Pommern zurück u. der Herzog von Wolgast nahm dort größtentheils seine Residenz. Über den Neubau des herzoglichen Schlosses kam es 1501 mit den Herzögen zur Fehde u. S. wehrte sich tapfer, bis es 1503 zum Vergleich kam. 1522 wurde die Reformation in S. eingeführt. 1529 entstand durch Theilung eine neue Stettinische Linie, welche zwar mit Barnim IX. 1573 (er hatte schon 1569 abgedankt) wieder ausstarb, aber sogleich durch seine Neffen ersetzt wurde. 1570 wurde zu S. zwischen König Johann III. von Schweden u. König Friedrich II. von Dänemark Frieden geschlossen, s. Dänemark S. 708 u. Schweden S. 555. 1630 wurde S. von den Schweden unter Gustav Adolf durch Vertrag mit dem Herzog Boguslaw XIV. besetzt. Dieser Fürst, der letzte Herzog von Pommern, starb schon 1637, u. ungeachtet der Ansprüche Brandenburgs auf Pommern, erhielt sich Schweden im Besitz S-s u. bekam die Stadt im Westfälischen Frieden 1648 abgetreten. 1659, als sich Brandenburg, Österreich, Dänemark u. Polen gegen König Karl Gustav von Schweden verbunden hatten, wurde S. durch die Kaiserlichen u. Brandenburger belagert, allein der Commandant Würz hielt sich tapfer, so daß die Belagerung 1660 aufgehoben wurde. 1672 wurde S. durch den Großen Kurfürsten wieder belagert u. mußte sich, fast in Trümmern, nach 6 Monaten den Brandenburgern ergeben. 1713 wurde es von den Russen u. Sachsen belagert, doch schlug sich der König von Preußen ins Mittel, zahlte den Belagerern 400,000 Thlr. u. nahm S. in Interimsadministration (s.u. Nordischer Krieg S. 90), auch wurde es 1720 im Frieden zu Stockholm mit ganz Pommern bis an die Peene von Schweden an Brandenburg abgetreten (s.u. Schweden S. 559). Unter preußischer Herrschaft hob es sich sehr u. die Festungswerke wurden von Friedrich Wilhelm II. u. Friedrich II. bedeutend verstärkt. 1729 wurde in S. die nachherige Kaiserin von Rußland, Katharina II., u. 1759 die nachherige Kaiserin von Rußland, Gemahlin des Kaisers Paul, Maria Feodorowna, geboren, u. deshalb wurden ihr von den Beherrschern Rußlands alle in Rußland geprägten goldenen Gedächtnißmünzen zugesandt. Im Siebenjährigen Kriege wurde S. nicht belagert; am 29. Oct. 1806 aber ergab sich der preußische General Romberg mit 6000 Mann auf die erste Aufforderung des französischen Generals Lasalle, s. Preußisch-Russischer Krieg von 1806 u. 1807 S. 573. S. blieb nun in den Händen der Franzosen. Den 5. Dec. 1813 ergab sich der französische General Grandeau mit 7500 Mann nach achtmonatlicher Blockade dem preußischen General Plötz, s. Russisch-Deutscher Krieg gegen Frankreich S. 590. Vgl. L. W. Bruggemann, Beschreibung der Stadt S., Stettin 1778; I. I. Sell, Briefe über S. u. die Umgegend, Berl. 1800; Ortschaftsverzeichniß des Regierungsbezirks S., Stettin 1822; Fremdenführer durch S., Stettin 1845; Chronik der Stadt S., ebd. 1849; Grieben, S. u. Umgegend, ebd. 1857; Specialkarte des Bezirks der Regierung von S., Weim. 1820, Fol.; Petermann, Specialkarte der Umgegend von S., Berl. 1845; Pläne von S., Stettin 1823, 1843, 1852 u. 1855, u. Berl. 1842 u. 1850.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 796-797. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011008911
Sprichwörter zu Stettin
1. In Stettin is 't nett un fîn; doch in ⇒ Pencun (s.d.) hängt de Hunger up'm Tûn.
2. Stettin ist nett, wer will mir das verneinen; man find't hier Nettigkeit bei Grossen wie bei Kleinen. – Deutsche Romanzeitung, III, 44, 631; Hesekiel, 26. Ist nett = Anagramm aus Stettin.
- 3. He sitt nich tho Stettin.
Er ist dort nicht so sicher als wenn er in der Festung Stettin wäre. »Stettin is gelegen geweset vp einem anberge vnd van nature, ock mit einem Slate (Schlosse) befestet geweset, also dat men id sehr vhaste geachtet heft, dat ock ein sprichwort geweset is, wol de da meinde, dat he vhaste sete, vnd doch nicht was, das men secht hefft: he sete nicht tho Stettin; dat is, he were so seker nicht, alse men he tho Stettin were.« (Thom. Kantzow, Chronik von Pommern, herausgegeben von W. Böhmer, S. 67.) Seines Heringshandels wegen hiess Stettin auch Fischhaus.
Dän.: Om de end var i Stetin selv, kunde de ikke beskermes. (Prov. dan., 531.)
Quelle: Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 842. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011732458