Spruch

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Götzinger 1885

[930] Spruch. In der höfischen Lyrik benennt man mit diesen Namen seit Simrock im Gegensatz zu Lied und Leich die einzeln stehende, meist grössere, aus langen Versen bestehende, manchmal dem Gesetz der Dreiteiligkeit nicht unterworfene Strophe, die mehr gesagt als gesungen wurde; wenigstens wird bei ihr nirgends musikalischer Begleitung erwähnt; der Spruch, der sich erst allmählich vom gesungenen Liede lost, dient besonders politischem, gnomischem und satirischem Inhalt und nimmt daher um so mehr zu, als die hochgespannte, religiöse und dem Frauendienst gewidmete Empfindung abnimmt. Die bedeutendsten Sprüche stammen von Walther von der Vogelweide.

In anderer Bedeutung erscheint Spruch als Name eines gesprochenen Gedichtes belehrenden Inhaltes, unter Umständen eines Gedichtes in Reimpaaren überhaupt. Solche Dichtungen lösen sich langsam seit dem 12. Jahrhundert von den epischen Dichtungen ab; im 13. Jahrhundert am Abschluss der Blütezeit der höfischen Dichtung stehen die drei berühmten Spruchgedichte Freidanks Bescheidenheit, der Welsche Gast des Thomasin von Zirklar und der Renner des Hugo von Trimberg. Von dieser Zeit nimmt mit der Abnahme der erzählenden Dichtungen diese gereimte Spruchweisheit bis ans Ende des Mittelalters stetig zu; der Winsbeke und die Winsbekin, Lehren und Ermahnungen eines adeligen Vaters und einer adeligen Mutter an Sohn und Tochter enthaltend, gehören noch der guten Zeit an. Es treten dann Tierfabeln, kleine weltliche und geistliche, märchenhafte und allegorische Erzählungen in diesen Kreis; nach einer Pause erscheint am Ende des 15. Jahrhundert Sebastian Brants Narrenschiff, mit seinen Nachahmungen (vergl. den Artikel Narrentum), bis endlich bei Hans Sachs alles Spruch heisst, was weder gesungenes Lied noch gespieltes Drama ist, mag es nun im besonderen der Erzählung, der Allegorie, dem Lobspruch, dem Schwank, dem Gespräch, dem Traum etc. angehören. In dieselbe Kategorie gehören endlich die zahllose Menge von Einzelsprüchen, welche in diesen Jahrhunderten der Lehrhaftigkeit überall angebracht wurden, an Häusern, Brücken, auf Schwertern, Truhen, auf Wappen, Glas- und anderen Gemälden, Gläsern, Humpen, Krügen, Salzgefässen, Öfen etc. Vergl. Wichmann, die Poesie der Sinnsprüche und Devisen, Düsseldorf, 1882.

Quelle: Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 930. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000277741X


Meyers 1909

[798] Spruch, Gattung altdeutscher Lyrik, die mehr der Darstellung der Reflexion als der Empfindung gewidmet ist. Die Sprüche enthalten in der Regel eine einzige Strophe, während das Lied zumeist aus mehreren Strophen besteht. Die Spruchstrophen sind im ganzen größer und enthalten längere Verse als die Liedstrophen. Vgl. Rathay, Über den Unterschied zwischen Lied und S. bei den Lyrikern des 12. und 13. Jahrhunderts (Wien 1875).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 798. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007509480


Adelung 1801

[246] Der Sprúch, des -es, plur. die Sprüche, von dem Zeitworte sprechen. 1. Die Handlung des Sprechens, ohne Plural, wo es doch nur in den Rechten von der Handlung des ordentlichen oder selbst erwählten Richters gebraucht wird, nach welcher er in einer Sache ein Urtheil fället. Eine Sache zum Spruche bringen. Die Sache stehet auf den Spruch.

2. Dasjenige, was von jemanden gesprochen wird oder gesprochen worden. (1) Im weitesten Verstande, in welchem es doch nur in den Zusammensetzungen, Ausspruch, Einspruch, Lobspruch, Machtspruch, Vorspruch, Widerspruch, Zuspruch, u.s.f. üblich ist. (2) In einigen engern Bedeutungen. (a) * Ein jeder ausgesprochener oder auch schriftlich verfaßter Satz; eine jetzt veraltete Bedeutung. (b) Ein kurzer, nachdrücklicher und merkwürdiger Satz, besonders wenn er eine Lehre enthält. Salomo redete drey tausend Sprüche; 1 Kön. 4, 32. Die Sprüche Salomo, welche oft unrichtig Sprichwörter genannt werden. In der deutschen Bibel kommt es in dieser Bedeutung sehr häufig vor, welche aber in der anständigen Schreibart veraltet ist, und nur noch im gemeinen Leben gehöret wird; außer in den Zusammensetzungen Denkspruch, Wahlspruch u.s.f. (c) Ein Satz, eine Stelle aus der Bibel, besonders wenn sie eine lehrreiche oder wichtige Wahrheit enthält; auch nur am häufigsten im gemeinen Leben. Biblische Sprüche. Der Hauptspruch, Beweisspruch, Kernspruch. (d) Der Ausspruch eines Richters in einer streitigen Sache, eine Art des Urtheils. Einen Spruch thun. Es sind in dieser Sache schon drey Sprüche geschehen. (e) * Ein Gedicht, besonders ein aus dem Stegreife verfertigtes und mündlich hergesagtes Gedicht; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, welche aber zu den Zeiten der Schwäbischen Dichter sehr gangbar war, und bey den gemeinen Reimschmiden und Meistersängern mancher Gegenden noch zuweilen vorkommt. S. Spruchsprecher.

Anm. Im Niedersächsischen Sproke, Spröke. S. Sprechen. Im Oberdeutschen wird es auch für Anspruch gebraucht, Siehe dieses Wort.

Quelle: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 246. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000445568


Pierer 1863

[606] Spruch, 1) Urtheil des Richters in einer streitigen Sache; 2) kurzer, nachdrücklicher, eine Lehre enthaltender Satz; bes. 3) eine kurze Stelle aus der Bibel, in welcher der Beweis eines Dogma od. einer moralischen Lehre liegt. Daher Spruchlbuch, ein Buch, in welchem solche Sprüche zum Unterricht zusammengestellt sind.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 606. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010983430