Schubart, Christian Friedrich Daniel
Meyers 1909
2) Christian Friedrich Daniel, deutscher Dichter, geb. 26. März 1739 in Obersontheim als Sohn eines Lehrers, gest. 10. Okt. 1791 in Stuttgart, besuchte das Gymnasium in Nördlingen und die Schule zum Heiligen Geist in Nürnberg, betätigte schon damals sein poetisches und musikalisches Talent, führte aber ein regelloses Leben, das in Erlangen, wo S. von 1758 an studierte, seine gesteigerte Fortsetzung fand. Sein Treiben stürzte ihn in Krankheit und Schulden, so daß ihn 1760 die Eltern heimriefen. Nach einem kurzen Aufenthalt als Hauslehrer in Königsbronn kehrte er 1762 ins Elternhaus (der Vater lebte seit 1740 in Aalen) zurück, von wo aus er in der Nachbarschaft den Pfarrern als Prediger aushalf, bis ihm 1763 im Spätherbst das Amt eines Präzeptors und Organisten in Geislingen zuteil ward. Hier verheiratete er sich im Januar 1764 mit der Tochter des Oberzollers Bühler, litt bald unter der Armseligkeit seiner häuslichen und amtlichen Verhältnisse, über die er sich durch literarische und musikalische Tätigkeit und öfters durch wilde Gelage und Zerstreuungen hinwegzuhelfen suchte. Eine Ode auf den Tod des Kaisers Franz I. trug S. das kaiserliche Dichterdiplom ein In Geislingen entstanden die »Todesgesänge« (Ulm 1767) und die »Zaubereien« (das. 1766), jene unter Klopstocks, diese unter Wielands Einfluß. 1769 wurde S. als Organist und Musikdirektor nach Ludwigsburg berufen. Sein Witz, seine poetischen und musikalischen Gaben führten ihn hier in vornehme Kreise ein; seine unbändige und regellose Art aber störte den Frieden seines Hauses, auch schadete er sich vielfach durch unbesonnene satirische Äußerungen. Ein stadtkundiges Liebesverhältnis mit einer Landsmännin aus Aalen vertrieb Schubarts Frau aus dessen Haus und brachte ihn selbst auf kurze Zeit in Haft, und als das mannigfache Ärgernis, das sein Wandel erregte, fortdauerte, erfolgte durch den Herzog 1773 Schubarts Dienstentsetzung und Landesverweisung. Nachdem er sich eine Zeitlang an verschiedenen Orten Süddeutschlands aufgehalten und dann in Mannheim die kaum gewonnene Gunst des Kurfürsten von der Pfalz durch unvorsichtigen Spott über die Mannheimer Akademie verscherzt hatte, wandte er sich nach München, wo er eine Zeitlang den Plan hegte, durch den Übertritt zum Katholizismus sein Glück zu machen. Der Plan zerschlug sich, und S. gedachte nun in Stockholm sein Heil zu versuchen; er kam jedoch nur bis Augsburg. Dorl begann er 1774 eine Zeitschrift: »Deutsche [50] Chronik«, zu veröffentlichen, die um ihrer patriotischen Haltung und lebendigen Darstellung willen großen Anklang fand. S. steht hier auf dem Standpunkt der Stürmer und Dränger. Als nach kurzer Zeit der Augsburger Magistrat den Druck des Journals verbot, setzte es S., der aus Augsburg ausgewiesen worden war, seit 1775 in Ulm fort. Aber bald traf ihn ein unerhörtes Geschick. Der Herzog Karl Eugen von Württemberg, den er auch durch spöttische Äußerungen gereizt hatte, ließ ihn im Januar 1777 auf württembergisches Gebiet locken, verhaften und auf den Hohenasperg bringen, um seiner »freventlichen Antastung fast aller gekrönter Häupter auf dem Erdboden« ein Ende zu machen. Hier mußte S. zehn Jahre lang schmachten, anfangs in strengster Hast, aller Bücher und Schreibmaterialien beraubt, später zu unwürdigen Geschäften herangezogen; erst 1785 durfte er Frau und Kinder wiedersehen und erst im Mai 1787 wurde infolge preußischer Verwendung der körperlich zerrüttete Mann wieder in Freiheit gesetzt und dann, um die Sinnlosigkeit despotischer Willkür voll zu machen, zum Hofdichter und Theaterdirektor in Stuttgart ernannt. Die »Deutsche Chronik«, die inzwischen sein treuer Freund Joh. Martin Miller, der Dichter des »Siegwart«, in Ulm zum Besten der Familie weitergeführt hatte, nahm er unter dem Titel »Vaterlandschronik« wieder auf. Schubarts Dichtungen und sonstige schriftstellerische Werke sind das getreue Spiegelbild seiner Persönlichkeit. Freilich zeigen nur wenige eine reine künstlerische Vollendung, aber die volkstümlichen Naturlaute in vielen seiner klangvollen Lieder verraten den echten Lyriker; besondere Hervorhebung verdienen: »Die Fürstengruft« und der Hymnus »Friedrich d. Gr.« sowie einige den Volkston meisterhaft treffende, wie das »Kaplied«. Schubarts journalistische Begabung war sehr bedeutend. Über seine äußern und innern Erlebnisse hat er uns in »Schubarts Leben und Gesinnungen« (Stuttg. 1791–93, 2 Bde.; Neudruck in »Meyers Volksbüchern«) eigne, im Kerker abgefaßte Aufzeichnungen hinterlassen, die jedoch die beklemmende Luft des Gefängnisses, in der S. in selbstquälerische, pietistische Stimmung versunken war, allzusehr verraten, als daß ihnen historische Zuverlässigkeit beizumessen wäre. Schubarts »Sämtliche Gedichte« erschienen während seiner Gefangenschaft in Stuttgart 1785–86, 2 Bde. (beste Ausg. von G. Hauff in Reclams Universal-Bibliothek; Auswahl von Sauer in Kürschners »Deutscher National-Literatur«, Bd. 81); seine »Gesammelten Schriften« Stuttg. 1839–40, 8 Bde. Vgl. Strauß, Schubarts Leben in seinen Briefen (Berl. 1849, 2 Bde.); G. Hauff, Chr. Fr. Daniel S. in seinem Leben und seinen Werken (Stuttg. 1885); Nägele, Aus Schubarts Leben und Wirken (das. 1888); E. Holzer, Schubart-Studien (Ulm 1902) und S. als Musiker (Stuttg. 1905); R. Krauß, S. als Stuttgarter Theaterdirektor (in den »Württembergischen Vierteljahrsheften für Landesgeschichte«, neue Folge, Bd. 10, Stuttg. 1901). Die treubewährte Gattin des Dichters überlebte ihn 28 Jahre und starb 1819 in einer Armenanstalt zu Stuttgart. In Aalen wurde ihm 1891 ein Denkmal (Bronzebüste von Kurfeß) errichtet. – Sein Sohn Ludwig, geb. 1766 in Geislingen, lebte als preußischer Legationsrat in Nürnberg und starb 1812 in Stuttgart. Er übersetzte mehreres aus dem Englischen (z. B. Thomsons »Jahreszeiten«) und gab seines Vaters »Ideen zur Ästhetik der Tonkunst« (Wien 1806) und »Vermischte Schriften« (Zürich 1812, 2 Bde.) heraus.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 50-51. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007439512
Brockhaus 1809
[141] Christian Daniel Friedrich Schubart, Hof- und Theaterdichter zu Stuttgart, war am 26. März zu[141] Obersontheim in der Grafschaft Limpurg geboren. So wenig er anfangs irgend einige Anlagen zeigte, indem er in seinem siebenten Jahre weder lesen noch schreiben konnte, so schnell entwickelten sich auf einmahl seine Talente und besonders ein großes musicalisches Genie. Schon auf der Schule zu Nördlingen, die er seit 1753 besuchte, componirte er für das Clavier und dichtete Volkslieder, wobei er jedoch außer den Griechen und Römern die besten Deutschen Dichter las. Als Student auf der Universität Erlangen, wo er sich der Theologie widmete, war er sehr unordentlich und machte so vielen Aufwand, daß sein unbegüterter Vater, der Diaconus zu Aalen war, ihn nach Hause kommen lassen mußte. Seine musicalischen Kenntnisse, besonders sein gutes Orgelspiel und seine Gedichte, machten ihn in der dortigen Gegend sehr beliebt; auch seine Predigten – von denen er eine in Versen hielt – gefielen allgemein. Allein außerdem, daß ihm sein feuriger Geist nicht erlaubte, sich einem Fache ausschließlich und gründlich zu widmen, lebte er ausschweifend und neigte sich dessen ungeachtet nach und nach zum Pietismus hin. Er erhielt anfangs die Stelle eines Schullehrers und Organisten in Geißlingen, die er nach einigen Jahren (1768) mit der eines Organisten und Musikdirectors zu Ludwigsburg vertauschte. Jetzt trieb er die Musik als sein Hauptgeschäft, gab aber dabei verschiedenen Officieren Unterricht in den Wissenschaften und hielt ihnen Vorlesungen über Geschichte und Aesthetik. Seine freien Urtheile über die Geistlichkeit, seine Ausschweifungen in dem Wein und in der Liebe – ungeachtet er seit 1764 mit einer Gattin verbunden war, die in ihm das einzige Glück ihres Lebens fand – und seine Spöttereien über die Religion machten ihn jedoch bald seinen Vorgesetzten verhaßt. Ein verdächtiger Umgang mit einem Mädchen brachte ihn erst eine Zeit lang ins Gefängniß; bald nachher zog ein satirisches Lied, das er auf einen Hofmann machte, ihm den völligen Verlust seiner Stelle und die Landesverweisung zu. Er ging jetzt nach Heilbronn, Mannheim und Heidelberg, erwarb sich als Gelehrter und als trefflicher Clavierspieler den Beifall vieler Großen, und hatte Hoffnung, von dem Churfürsten von der Pfalz – vor dem er in Schwetzingen spielen mußte und dem sein Spiel gefiel – [142] eine Anstellung zu erhalten; allein ein von ihm gefälltes unüberlegtes Urtheil über die Akademie zu Manheim vereitelte alle Aussichten. Auf Anrathen des Churbaierischen Gesandten, Baron von Leiden, der ihn versicherte, daß, wenn er katholisch würde, er sein Glück in Baiern werde machen können, ging er nach München, wo der geheime Räth Lori väterlich für ihn sorgte; aber ehe er in Ansehung seiner Religionsänderung einen Entschluß gefaßt hatte, verlor er durch einen Brief, den ein vornehmer Mann in München aus Stuttgart erhielt, und in dem Schubart besonders als ein großer Religionsspötter geschildert wurde, in München alles Zutrauen, daher er, von dem Churfürsten und einigen Gönnern beschenkt, diese Stadt verließ, um nach Stockholm zu gehen. Er blieb jedoch in Augsburg und sing an ein Volksblatt unter dem Titel Deutsche Chronik zu schreiben, das mit allgemeinem Beifall aufgenommen wurde: seine freien Urtheile über Personen, Einrichtungen, Staatsverfassungen und kirchliche Einrichtungen zogen ihm bald wieder Stubenarrest zu, der zwar gleich wieder aufgehoben wurde; jedoch mußte er Augsburg verlassen. Er ging nun, nachdem er seine Frau und Kinder zu sich genommen, die seit seiner Vertreibung aus Ludwigsburg bei seinem Schwiegervater gelebt hatten, nach Ulm, wo er bis 1776 seine Chronik fortsetzte, überdieß mehrere Aufsätze, Gedichte, auch einige Clavierstücke lieferte; aber auch hier sollte er keiner langen Ruhe genießen. Er hatte den damahligen kaiserlichen Minister in Ulm, General Ried, gegen sich aufgebracht, weil er sich geweigert, ihm auf einem schlecht beschaffenen Flügel vorzuspielen. Ried, der ihn deßhalb aus Rache der Kaiserin Maria Theresia als den frechsten Religionsspötter schilderte, erhielt von dieser den Befehl, ihn heimlich aufzuheben und nach Ungarn in ewige Gefangenschaft zu bringen; Ried theilte diesen Befehl dem Herzog von Wirtemberg mit, der sogleich versprach, für Schubarts Gefangenschaft selbst zu sorgen. Man lockte den bedauernswürdigen Mann, weil er in Ulm zu viele Freunde hatte, am 13. Januar 1777 durch eine Einladung nach Blaubeuern, von da er sogleich nach der Festung Hohen-Asperg gebracht wurde, wo der Herzog bei seiner Ankunft selbst zugegen war und den Kerker bezeichnete, in[143] dem man ihn verwahren sollte. In der Wand desselben war ein eiserner Ring eingemauert, um ihn nach Befehl des Fürsten daran zu ketten, wenn er nur im Geringsten etwas versähe. Dagegen setzte der Herzog Schubarts Gattin einen Jahrgehalt von 200 Gulden aus und ließ dessen Kinder in die Akademie zu Stuttgart aufnehmen. Die schreckliche Langeweile, die Schubarten in seinem Kerker plagte, wurde ihm durch den Commandanten Rieger erleichtert, der, so wie er überhaupt für Schubarts Bedürfnisse sorgte, ihm auch Bücher zukommen ließ, die aber geistlichen Inhalts und in dunklem und schwärmerischem Style geschrieben waren. Bei seiner Hypochondrie und feurigen Einbildungskraft fand Schubart an diesen Büchern Gefallen und bekam dadurch eine andächtelnde Stimmung, die bis an sein Ende blieb. Am 3. Februar 1778 erhielt er auf Befehl des Herzogs, statt seines zeitherigen Kerkers, ein gutes Zimmer, und empfing nun auch Besuche von seinem Bruder, von Lavater und besonders von dem damahligen Pfarrer zu Kornwestheim, Philipp Matthäus Hahn († 1790), der zwar als ein guter Mechaniker aber auch als ein theologischer Schwärmer bekannt ist; auch machte er mit einem Herrn von Scheidlin, der in einem neben dem seinigen befindlichen Zimmer gefangen saß, Bekanntschaft, und dictirte diesem durch eine Oeffnung unter seinem Ofen seinen Lebenslauf. Erst im Jahre 1787 ward er so glücklich, nicht allein seine Freiheit wieder zu erhalten, sondern auch als Hof- und Theater-Dichter zu Stuttgart angestellt zu werden, starb aber, da sein Schicksal nunmehr günstiger zu werden anfing, schon am 10. Oct. 1790. Der Ruhm, den er sich zuerst durch seine Deutsche Chronik erwarb – die manche nützliche Kenntnisse unter den ungelehrten Ständen verbreiten half – ist durch seine Gedichte fester gegründet: und die gerechte Nachwelt wird zwar Schubarten, sobald seine Aeußerungen die Religion betreffen, für einen Schwärmer erklären; allein sie wird auch nicht anstehen, dem Verfasser der Fürstengruft, des Hymnus auf Friedrich den Großen und mehrerer meisterhaften Gedichte unter Deutschlands unvergeßlichen und kraftvollen Dichtern eine Stelle anzuweisen.
Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 141-145. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000770868
Brockhaus 1841
[111] Schubart (Christian Friedr. Daniel), ein durch seine seltenen Schicksale merkwürdiger talentvoller deutscher Schriftsteller, wurde 1739 zu Obersontheim im Würtembergischen geboren, zeigte schon auf der Schule zu Nördlingen und auf der zu Nürnberg Talent zur Musik und Poesie und studirte seit 1758 zu Jena. Schon hier ergab er sich einem ausschweifenden Leben, welches er, durch keine Unglücksfälle belehrt, in der Folge fortsetzte. Er wurde nachher Schullehrer und Organist in Geislingen, dann Musikdirector in Ludwigsburg, verlor aber dieses Amt in Folge seines Übermuthes und seines unsittlichen Lebenswandels, durch welchen er schon früher seine Frau, seit 1764 mit ihm verheirathet, unglücklich gemacht hatte, sodaß sie sich von ihm hatte trennen müssen. Er hielt sich nun nacheinander an verschiedenen Orten auf, ohne irgendwo Ruhe zu finden, weil ihn die traurigen Folgen seines Leichtsinns überall vertrieben. Seit 1774 gab er in Augsburg eine Zeitschrift unter dem Titel »Deutsche Chronik« heraus, ein ausgezeichnetes Volksblatt, welches sich durch seine Freimüthigkeit, seine heitere Laune, Gemüthlichkeit und Mannichfaltigkeit großen Beifall verschaffte. Auch Augsburg mußte er aber verlassen, ebenso Ulm, und endlich wurde er ins Würtembergische gelockt und hier zu Blaubeuren 1777 auf landesherrlichen Befehl gefangen genommen. Zehn Jahre mußte er auf der Festung Hohenasperg die Gefangenschaft ertragen, ohne durch ein Urtheil zu solcher Strafe verdammt zu sein, ja ohne auch nur einmal ins Verhör genommen worden zu sein. Sein Geist, niedergedrückt durch ein so trauriges Schicksal und aufgeregt durch das Lesen mystischer Bücher, nahm nun eine mystisch-religiöse Richtung. Im J. 1785 gab S. »Gedichte aus dem Kerker« und im folgenden Jahre den schönen »Hymnus auf Friedrich den Großen« heraus. Endlich verwendete sich dieser König für den Unglücklichen und das I. 1787 gab demselben endlich die Freiheit wieder. Zugleich wurde S. Director der herzogl. würtemberg. Hofmusik und des Theaters zu Stuttgart. Er gab nun seine sämmtlichen »Gedichte« (2 Bde., Frankf. 1787; neueste Aufl., 3 Bde., 1825) heraus, setzte seine Zeitschrift unter dem Titel »Vaterlandschronik« fort und war mit der Abfassung seiner Lebensbeschreibung beschäftigt, als ihn der Tod 1791 [111] überraschte. Seine Poesien zeichnen sich durch Kraft und Erhabenheit aus, sind aber nicht frei von Schwulst und ungebändigter Phantasie. Zu dem Schönsten, was er geschrieben, gehören sein »Hymnus auf Friedrich den Großen«, seine »Fürstengruft« und sein »Ewiger Jude«. Sein Sohn Ludwig S. (geb. 1766, gest. 1812) beendigte seines Vaters Lebensbeschreibung und gab dessen »Vermischte Schriften« (2 Bde., Zürich 1812) heraus.
Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 111-112. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000863025
Herders 1857
[126] Schubart, Christian Friedr. Daniel, talentvoller Dichter und tüchtiger Musikus, geb. 1739 zu Obersontheim in Schwaben, Sohn des Predigers, sollte seit 1758 in Erlangen Theologie studieren, ergab sich jedoch einem wüsten Leben, wurde 1768 Organist und Musikdirector zu Ludwigsburg, bald aber wegen Lüderlichkeit und Mißbrauch der Presse abgesetzt und aus Württemberg verwiesen. In Heilbronn, Heidelberg, Manheim, München, Augsburg u. Ulm machte er allenthalben Streiche u. lud sich durch seine deutsche Chronik so viele Feinde auf den Hals, daß eine Unannehmlichkeit und Ausweisung nach der andern ihm zu Theil wurde. Im Januar 1777 betrat er unklug württemberg. Boden, wurde ergriffen und auf den Hohenasperg gesetzt, wo er ohne Verhör oder Untersuchung 10 Jahre sitzen mußte, bis ihn sein Hymnus auf Friedrich II. und die Fürbitten der Karschin befreiten. Er wurde Hofmusik- u. Theaterdirector in Stuttgart, st. aber 1791, bevor er seine Lebensbeschreibung vollendet hatte. S. war ein geist- und phantasiereicher Dichter, gewaltig in Gedanken und Wort, dabei ein freimüthiger politischer Schriftsteller, im Ganzen ursprünglich eine tiefgemüthliche humoristische Natur, aber ohne sittlichen Halt und deßhalb auch in allem ohne Maß. Unter seinen Gedichten sind manche (das Volkslied: Auf, auf, ihr Brüder! und seid stark; die Fürstengruft; der ewige Jude) noch heute allbekannt, seine geistlichen Lieder innig empfunden. Dazu die »Deutsche Chronik« 1774–77 und »Selbstbiographie« 1791. Gesammelte Schriften Stuttg. 1839–40, 8 Bde. – S. Ludwig, des Vorigen Sohn, geb. 1766 zu Geislingen, gest. 1812 als preuß. Legationsrath, übersetzte Thomsons Jahreszeiten, gab Ossians Gedichte (s. Macpherson) und Schriften seines Vaters heraus.
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 126. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003509575
Pierer
2) Christian Friedrich Daniel, geb. 26. März 1739 in Obersontheim in der schwäbischen Grafschaft Limburg, studirte seit 1758 in Erlangen Theologie, wo er sich einem wüsten Leben ergab, wurde 1764 Schullehrer[442] in Geislingen, 1768 Organist u. Musikdirector in Ludwigsburg, wo er sein regelloses Leben in erhöhtem Maße fortsetzte u. wegen unordentlichen Lebens verhaftet war; kaum wieder frei wurde er wegen einer Parodie der kirchlichen Litanei des Landes verwiesen. Er lebte nun als Schöngeist u. Musiklehrer. In Heilbronn, dann in Manheim, seit 1773 in München u. hierauf in Augsburg, wo er sich durch Ausschweisungen u. freie Äußerungen über die Geistlichkeit viele Feinde machte; von hier ging er nach Ulm, wo er anfing ein geregeltes Leben zu führen, wurde aber, weil er in seiner Deutschen Chronik gemeldet hatte, die Kaiserin Marig Theresia sei vom Schlage gerührt worden, 22. Jan 1777 nach Blaubeuern gelockt, verhaftet u. auf Hohenasperg gebracht. Hier saß er über ein Jahr in einem finstern Gefängniß, worauf seine Hast milder wurde: durch den Festungscommandanten Rieger u. den Pfarrer Hahn wurde er hier aus einem Religionsspötter ein Mystiker u. endlich auf Verwenden des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen (auf dessen Oheim Friedrich den Großen S. seinen berühmten Hymnus gedichtet hatte), nachdem er während seiner ganzen Gefangenschaft nie verhört worden war, am 11. Mai 1787 in Freiheit gesetzt u. zum Director der herzoglichen Hofmusik u. des Theaters zu Stuttgart ernannt, als welcher er 10. Oct. 1791 starb. Er sehr: Todesgesänge, Ulm 1767, u.a. (als Der Christ am Rande des Grabes) 1770; Gedichte aus dem Kerker (ohne sein Wissen veröffentlicht), Zür. 1785; Sämmtliche Gedichte, Frankf. 1787, 2 Bde. u.ö., n.A. Stuttg. 1839, 8 Bdchn. (darunter Die Fürstengruft, Der ewige Jude, Der Hymnus auf Friedrich den Großen u. 104 geistliche Lieder, z.B. Urquell aller Seligkeiten, Der Trennung Schmerz liegt schwer auf mir, Da stehen wir die Deinen etc.); Gesammelte Schriften, Stuttg. 1839 f., 8 Bde.; u. gab heraus Deutsche Chronik 1774–78 (ein Volksblatt); S-s Leben u. Gesinnungen, von ihm selbst im Kerker aufgesetzt, Stuttg. 1791–93, 2 Bde.; S-s Charakter, von dem Folgenden, Nürnb. 1798; David Strauß, S-s Leben in seinen Briefen, Berl. 1849, 2 Bde. 3) Ludwig, Sohn des Vorigen, geb. 1766 in Geislingen im Ulmischen, lebte als Legationsrath in Nürnberg u.st. 1812 in Stuttgart; er übersetzte Thomsons Jahreszeiten, Berl. 1789, 3. Aufl. 1805; Shakespeares Othello, Lpz. 1802; Ossians Gedichte, Wien 1808, 2 Bde.; u. gab heraus: Seines Vaters Ideen zur Ästhetik der Tonkunst, 1806; Dessen vermischte Schriften, Zür. 1812, 2 Thle. 4) Henriette, geb. 1770 in Altenburg, Schwester der Dichterin Sophie Mereau; lebte abwechselnd in Altenburg u. Jena, wo sie auch 1831 starb; sie übersetzte mehre englische Romane: Darstellungen aus dem wirklichen. Leben von Miß Opie, Lpz. 1816; Cäcilie od. die Rose von Raby, nach A. Musgrave, ebd. 1819; Der Eremit von Windermeere, ebd. 1820; Die Jungfrau vom See (nach Scott), ebd. 1819; Schottische Lieder u. Balladen, Altenb. 1817. 5) Vgl. Schubarth u. Schubert.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 442-443. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010871527
Brockhaus 1911
[657] Schubart, Christian Friedr. Dan., Dichter und Musiker, geb. 24. März 1739 zu Obersontheim, seit 1769 Musikdirektor in Ludwigsburg, wegen eines satir. Gedichts abgesetzt, lebte in Mannheim, München, Augsburg, Ulm; eine Notiz in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift »Deutsche Chronik« veranlaßte 1777 seine Verhaftung, ohne Verhör ward er auf Hohenasperg bis 1787 gefangen gehalten, darauf Theaterdirektor in Stuttgart, gest. das. 10. Okt. 1791. »Gesammelte Schriften« (1839-40). – Biogr. von Strauß (2. Aufl. 1878), Hauff (1885).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 657. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001546341