Palimpsest

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Meyers 1908

[331] Palimpsést (griech., lat. Codex rescriptus), ein Pergament, von dem die Schrift, mit der dasselbe ursprünglich beschrieben war, abgekratzt, wegradiert oder sonst unsichtbar gemacht wurde, damit man Neues darauf schreiben konnte. Da im Mittelalter das Schreibmaterial kostspielig war, so bediente man sich dieses Mittels namentlich in Klöstern häufig, um schon beschriebene Pergamentrollen oder Pergamentblätter wieder benutzen zu können. In neuerer Zeit ist es, zum Teil durch chemische Mittel, gelungen, die ältere Schrift wieder lesbar zu machen, freilich vielfach unter dauernder Schädigung des Objekts. So entdeckte man schon im 18. Jahrh. auf diese Weise ein Bruchstück aus dem 91. Buch des Livius, die gotische Bibelübersetzung des Ulfilas in der Wolfenbütteler Bibliothek u.a. Den Versuchen A. Mais und Peyrons gelang es, aus Palimpfesten, die dem Kloster Bobbio angehört hatten, Reste von Reden Ciceros, einen großen Teil von dessen Schrift über den Staat und Bruchstücke von den Briefen und Reden Frontos zu gewinnen. Auch die Institutionen des Gajus sind auf diese Weise aus einem Veroneser P. entdeckt worden.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 331. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007205694


Pierer

[574] Palimpsest (v. gr.), so v.w. Codex rescriptus, s.u. Codex 6).

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 574. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010581189

[237] Codex (röm. Ant.), 1) Baumstamm; 2) Klotz, welchen Sklaven, daran geschmiedet, nach sich schleppten, um am Fliehen gehindert zu werden; 3) aus einem Stamm ausgehöhlter Kahn; 4) Handschrift, Buch, Gesetzbuch; daher 5) ein Buch, namentlich ein aus hölzernen, elfenbeinernen etc. Tafeln, Papier- u. Pergamentblättern, die beschrieben u. zusammengelegt wurden, zusammengesetztes Buch (s. Bücher); 6) daher Buch od. Schrift; bes. eine solche, welche aus alter Zeit noch im Manuscript, d.h. im Original od. in Abschriften stammend (Codex manuscriptus), vorhanden ist. Die Blätter solcher Codices wurden auf beiden Seiten beschrieben, entweder mit, durch das ganze Blatt gehenden Linien od. mit getheilten od. gespaltenen Columnen; selten finden sich 3 Columnen (z.B. im Vaticanischen C. des griechischen A. u. N. T.). Die Folge der Blätter od. Hefte bemerkte man am Ende derselben bald mit einem Custos, bald mit lateinischen Zahlen, deren verschiedene Stellung mit zu den Kennzeichen des Alters der Codices gehört. Sehr alte Codices sind fast quadratförmig od. doch wenig höher als breit. Der Einband ist gewöhnlich von gleicher Materie mit dem Stoff des C., bisweilen,[237] älteres, oft schon beschriebenes Pergament. Hölzerne Deckel als Einband sind ebenfalls alt; sie wurden mit Häuten u. Stoffen überzogen, auch mit Figuren, Gold, Silber, Edelsteinen etc., mit Buckeln, messingnen Ecken etc. geschmückt; s. Handschriften. Man unterscheidet: C. chartacĕus, eine Handschrift auf Papier, u. C. membranacĕus, auf Pergament od. eine andere Thierhaut geschrieben. C. rescriptus (gr. Palimpsestos) heißt ein C., wenn die ursprüngliche Schrift mit Bimstein getilgt ist, um das Pergament zur Aufnahme einer anderen Schrift, die über die alte verlöschte geschrieben wurde, geeignet zu machen. Auf diese Weise wurden zu den Mönchszeiten viele alte Pergamente, die zum Theil Schriften aus dem klassischen Alterthume enthielten, behandelt u. kirchliche Schriften darüber geschrieben; in neuester Zeit hat man durch Anwendung von Reagentien die alte Schrift wieder gelesen, vgl. Manuscript. 7) Sammlung gleichartiger Schriften, so C. diplomatĭcus, Sammlung von alten Urkunden u. Urkundenauszügen, dergl. es von Gudenus, Schöpflin, Dreyer u. A. gibt; C. medicamentarius, Landespharmakopöe, s. u. Pharmakopöe; bes. 9) (Rechtsw.), Sammlung von Gesetzen, im Alterthum bes. Sammlung von kaiserlichen Constitutionen. Die vorzüglichsten dieser Art sind: A) für das Römische Recht: a) C. Gregoriānus, Sammlung der Constitutionen aus der Zeit Hadrians bis zu Diocletian, zu welchen b) der C. Hermogenianus die Supplemente bildete; beide sind Privatarbeiten sonst unbekannter Rechtsgelehrter am Ende des 4. Jahrhunderts u. wurden durch die Justinianeischen Rechtsbücher entbehrlich, weshalb von ihnen nur Fragmente übrig sind; herausgeg. von Sichard mit C. Theod., von Schulting in Jurispr. antejust., von Beck in Jus civ. antejust. I., von G. Hänel, Bonn 1837, in Corp. jur. antejust. bonnen. fasc. II.; c) C. Theodosianus, Sammlung, welche der Kaiser Theodosius d. I. seit 429 durch 8 Rechtsgelehrte, an deren Spitze Antiochus stand, zusammenstellen, seit 435 durch 16 Beamte in 16 Bücher abfassen, im Februar 438 veröffentlichen u. vom 1. Jan. 439 als einzige Rechtsquelle der in ihm enthaltenen Constitutionen von Constantin d. Gr. bis dahin gelten ließ. Er ist nicht vollständig bis auf die neuere Zeit gekommen, zuerst von Sichard, Bas. 1528, Fol., von Tilius, Par. 1550 u. ö., mit Commentar von Jak. Gothofredus, besorgt von Marville, Lyon 1665, Fol. 6 Bde., verm. von Ritter, Lpz. 1736–45, Fol., 6 Bde., u. in Nachdrücken zu Mantua 1740, Vened. 1750, 1665, Fol.; von Beck in Jus civ. antejust., von G. Hänel, Bonn 1842, u. in Corp. jur. antejust. bonnen. fasc. II–V. Die neueren Entdeckungen von Constitutionen durch Closius, Tüb. 1824; Peyron, Tur. 1823; Pugge, Bonn 1825; Wenck, Lpz. 1825, finden sich in Hänels Ausgabe; d) C. Justinianēus prior (C. vetus), auf Befehl des Kaisers Justinian im J. 528 von 10 Rechtsgelehrten, an deren Spitze Tribonianus stand, aus den früheren Codices u. anderen Gesetzen gefertigt u. den 16. April 529 öffentlich bekannt gemacht; er ist jedoch verloren gegangen; e) C. Justinianēus repetītae praelectionis (C. novus), auf Befehl Justinians durch Tribonianus u. 4 andere Juristen gefertigt u. am 15. Nov. 534 publicirt; er besteht aus 12 Büchern, in denen 765 Titel od. 4648 Constitutionen enthalten sind; zuerst gedruckt cum glossa, Mainz 1479, Fol., von G. Holoander, Nürnb. 1530, Fol., u. von F. Regnault, Par. 1532, 2 Bde.; er macht einen Theil des Corpus iuris civilis (s.d.) aus. B) Für das Canonische Recht: a) C. canŏnum, ehedem die Sammlung der Kirchenordnungen, besonders in der griechischen Kirche: b) C. canŏnum ecclesiasticōrum, der angeblich zu den Zeiten des Papstes Innocenz I. u. Zosimus gebraucht u. aus Manuscripten zu Oxford herstammen soll, ist untergeschoben; c) C. canŏnum ecclesiae universae, Sammlung der Vorschriften u. Lebensregeln, welche in den ersteren Concilien gegeben wurden, aus welcher der Mönch Dionysius 527 einen neuen C. mit verschiedenen Abweichungen von jenen machte; d) C. canonum vet. ecclesiae romanae, von Fr. Pithöus, Frankf. 1586, Fol., herausgegeben. C) Für neuere Rechte: a) C. Augustēus od. Neuvermehrtes Corpus juris Saxonici, eine Privatsammlung der älteren Gesetze des Königreichs Sachsen, welche für die Erblande in veralteter Ordnung sich allein dort gesammelt finden, u. denen die für die Ober- u. Niederlausitz gesondert meist beigefügt sind. Der C. A. zerfällt in 3 Abtheilungen. aa) herausgeg von Lünig, Lpz. 1724, 3 Bde., Fol. (wird z.B. citirt: C. A. I. S. 27), bb) Fortgesetzter C. A., herausgeg von Bennigsen, Lpz. 1772, 3 Bde., Fol. (wird z.B. citirt: Cont. C. A. II. S. 50, od. C. I. C. A. II. S. 50); cc) 2. Fortsetzung des C. A., bearbeiteit von Fleck, umfaßt die Gesetze bis 1800 Lpz. 1805–6, 3 Bde., Fol. (wird z.B. citirt: II C. C. A. I. S. 383 od. C. II. C. A. I. S. 383), dd) 3. Fortsetzung des C. A., ebd. 1824, 2 Bde., besorgt vom Graf Hohenthal, geht mit Nachtragung einiger älteren Gesetze u. Ausschluß der 1813–15 erschienenen Generalgouvernementsverordnungen, so wie der Lausitzer Gesetze, bis zum 9. März 1818, wo sich die Gesetzsammlung anschließt; Hommel, Chronologisches Register über den C. A., Lpz. 1778 u. bis 1800 von Blöde fortgesetzt, ebd. 1806. Einen Auszug der noch geltenden Gesetze bietet der C. Saxonicus von Schaffrath, Lpz. 1842, 2 Bde. b) C. austriăcus, eine dergl. für die k. k. österreichischen Staaten, in alphabetischer Ordnung, Wien 1704, 2 Thle., Fol., u. Supplemente dazu, von Pöck, in chronologischer Ordnung bis 1770 reichend, Wien 1775 f., 6 Thle., Fol. c) C. constitutionum Osnabrugensium, für das Hochstift Osnabrück, Hanu. 1783 f., 2 Thle. d) C. Fridericianus, für die preußische Monarchie, zu Vereinfachung u. Abkürzung des Processes, Berl. 1747, 3 Bde., verfaßt von Cocceji, u. durch das Preußische Landrecht erledigt. e) C. juris bavarici judiciarii, Baierische Gerichtsordnung vom 14. Decbr. 1753, s. u. Baiern. f) C. juris ecclesiastici Josephini, Sammlung der geistlichen Verordnungen unter Kaiser Joseph II., Presb. 1789, 2 Thle. g) C. Maximilianeus civilis, Baierisches Landrecht, s. u. Baiern.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 237-238. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20009698337


Brockhaus 1911

[342] Palimpsést (grch.) oder Codex rescriptus (lat.), Handschrift auf vorher schon einmal beschriebenen, nachher aber abgewaschenen oder abgeriebenen Pergamenten. Mit Hilfe von chem. Reagentien ist das Lesen der ältern verwischten Schrift möglich. – Vgl. Wattenbach, »Das Schriftwesen im Altertum« (3. Aufl. 1896).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 342. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001419692