Odessa

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Meyers 1908

[902] Odessa, Kreisstadt im russ. Gouv. Cherson, wichtigster Hafen- und Handelsplatz des Schwarzen Meeres und überhaupt Rußlands, liegt 40 km nördlich von der Mündung des Dnjestrlimans und ist Ausgangspunkt der Linie O.-Shmerinka-Kiew der russischen Südwestbahn. Die Stadt breitet sich an der Südwestseite der Bai von O. aus, auf einer nach W. zu unmittelbar in die kahle Steppe übergehenden Hochfläche, die, mehrfach von tiefen Wasserrinnen (Balki) durchschnitten, im Bereich der Stadt und südlich von ihr steil zum Meer abfällt. Die Stadthauptmannschaft O. (Areal 501 qkm) besteht aus der eigentlichen Stadt O., den Vorstädten Moldawanka, Peressyp und Slobodka-Romanowka und 18 Vororten.

Die Stadt selbst, um die sich die Staroportofrankowskaja (Alte Freihafen-) Straße halbkreisförmig herumzieht, ist sehr regelmäßig angelegt, die meisten Straßen kreuzen sich rechtwinklig und sind von großer Breite und Länge. Als die schönsten und als Mittelpunkte des Verkehrs sind zu nennen: die vom Bahnhof aus Meer führende Puschkinskaja und die ihr parallel laufenden Richelieu-, Katharinen- und Preobrashenskaja-Straße, die zu diesen querlaufenden Langeron-, De Ribas-, Griechische, Polizei- und Poststraße, die nach dem Peressyp hinabführende Sofiewskaja und der Nikolajewski-Boulevard, mit herrlicher Aussicht auf das Meer. Unter den öffentlichen Plätzen ist vor allem der schöne Katharinenplatz mit dem 1900 enthüllten Denkmal der Gründerin der Stadt, Katharina II. (von Dmitrenko), zu nennen, die Ssobornaja Ploschtschad mit dem Denkmal des Fürsten M. S. Woronzow und der Börsenplatz. Außer den genannten Denkmälern gibt es noch ein Denkmal Alexanders II. im Alexanderpark (1891 enthüllt) und Denkmäler des Herzogs von Richelieu und A. S. Puschkins (beide auf dem Nikolajewski-Boulevard).

O. zählt gegen 50 orthodoxe Kirchen, außerdem eine katholische, eine evangelische und eine reform. Kirche, ein Bethaus der Raskolniken, 2 Klöster, 3 israelitische Hauptsynagogen nebst vielen Betsälen und eine karaitische Synagoge sowie eine Moschee. Sehenswert sind die 1809 eingeweihte Preobrashenski-Kathedralkirche, 1903 gründlich renoviert, mit dem Grabmal des Fürsten und der Fürstin Woronzow und mehrerer Erzbischöfe, die Pokrowskikirche, 1822 erbaut, die mit besonderer Pracht ausgestattete Troitzkikirche, 1900 erweitert und renoviert. die 1869 erbaute Uspenskikirche, die in schönem dorischen Stil erbaute Peter-Paulskirche in der Moldawanka, die 1805 erbaute katholische Kirche, mit dem Grabmal des Grafen Langeron. Durch schöne Architektur zeichnen sich auch die Haupt- und die neue Synagoge aus. Von sonstigen öffentlichen Gebäuden heben wir noch hervor das 1887 eröffnete prachtvolle städtische Theater, das 1600 Zuschauer faßt, die in reichem florentinischen Stil gehaltene Börse (seit 1899) mit mächtigem, 2000 Personen fassendem Saal, das Postamtsgebäude, in dem sich Post, Telegraph und Telephon befinden, das Justizgebäude, das Stadthaus, die öffentliche Bibliothek; die neueste Zeit hat viele schöne und originelle Gebäude, zum Teil in privatem Besitz, entstehen sehen, so die Passage, das Sibirjakowsche Theater u.a. Sehr reich ist O. an öffentlichen Gärten. An den Nikolajewski-Boulevard schließt sich der originelle sogen. Kindergarten an. Weiter nach S. dehnt sich der große Alexanderpark aus, mit dem am Meer gelegenen neuen oder Alexander-Boulevard und dem Kurhaus »Langeron«. Weiteres s. unten: Umgebung.[902]

Die Bevölkerung betrug 1900: 449,673 Einw., darunter ca. 133,000 (29 Proz.) Juden und 7000 Deutsche; Franzosen, Italiener, Griechen, Südslawen und Armenier sind auch zahlreich vertreten.

Außer den fiskalischen Branntweinniederlagen, den Werkstätten der Eisenbahn und der freiwilligen Flotte, die etwa 3000 Arbeiter beschäftigen, gab es 1903: 430 industrielle Anlagen und Fabriken mit 19,226 Arbeitern und 75,6 Mill. Rubel Produktionswert. An erster Stelle stehen die Zuckerindustrie (17,6 Mill. Rubel Produktionswert) und die Anstalten für Verwiegen und Verpacken von Tee (15,8 Mill. Rubel). Dann folgen Getreidemühlen (6,2 Mill.), Ölschlägereien (3,1 Mill.), Lederfabriken (2,8 Mill.), Maschinenbau (2,8 Mill.), Blechindustrie (2,7 Mill.), Korkfabrikation (2 Mill.), Tabakfabriken, Brauereien, Jutespinnereien, Farbenfabriken etc. Unvergleichlich viel bedeutender als die Industrie ist aber der Handel. Von allen Handelshäfen Rußlands hat O. den größten Gesamtumsatz und die größte Ausfuhrziffer; in der Einfuhr wird es nur von St. Petersburg übertroffen. Der Wert das Außenhandels betrug (in Millionen Rubel): (Tabelle).

Unter den Ausfuhrartikeln nimmt Getreide die weitaus erste Stelle ein. Von den 1902 insgesamt ausgeführten 22,83 Mill. metr. Ztrn. entfielen auf Getreide nicht weniger als 21,52 Mill., und zwar Weizen 7,53, Roggen 3,36, Gerste 3,07, Mais 6,56 Mill. metr. Ztr. Außer Getreide spielen eine größere Rolle in der Ausfuhr Odessas Spiritus (hauptsächlich nach der Türkei), Zucker (1902: 164,000 metr. Ztr.) und Baumwollwaren. In der Einfuhr stehen obenan Tee (180,000 metr. Ztr.), Baumwolle (262,400 metr. Ztr.), Südfrüchte (377,200 metr. Ztr.), Weine (114,800 metr. Ztr.), Metalle (213,200 metr. Ztr.), ferner Chemikalien, Gerb- und Farbstoffe, Maschinen, Jute etc. Die Teeeinfuhr über die europäische Grenze geht mit fast 80 Proz. über O. Der Hafen Odessas besteht aus der durch einen Wellenbrecher getrennten großen und kleinen Reede und mehreren Häfen, die sich vom Alexanderpark bis an das Ende der Vorstadt Peressyp hinziehen. Das älteste Bassin ist der sogen. Quarantänehafen, der mit dem daran anschließenden Neuen Hafen für die Schiffe der auswärtigen Fahrt bestimmt ist; darauf folgt der Kabotagehafen, der Praktitscheskihafen, der Hafen der Russischen Gesellschaft für Dampfschiffahrt und Handel mit Werften und Dockanlagen und am Ende des Hafenterritoriums der noch nicht ganz fertige Petroleumhafen; zwischen den beiden letztern soll jetzt ein neuer großer Getreidehafen erbaut und durch einen zweiten Wellenbrecher vom Meer abgeschlossen werden. Trotz zahlreicher Molen, unter denen die Quarantäne-mit der Reedemole den Hafen nach S. abschließt und an ihrer Spitze den Woronzowschen Leuchtturm trägt, ist der Hafen bei der gegenwärtigen Verkehrsentwickelung durchaus ungenügend. Mit der Eisenbahn steht er durch eine Zweigbahn in Verbindung, an welcher der Getreidelagerplatz (Chlebny Gorodok) mit einem großen Elevator liegt. Die Schiffahrtsbewegung wird durch folgende Zahlen veranschaulicht. (Tabelle)

Von den im J. 1902 eingelaufenen Schiffen waren 28 Segel-, 908 Dampfschiffe (von den ausgelaufenen 27, bez. 884). Mit Ladung kamen an 516, in Ballast 420; von den ausgehenden waren 829 beladen und nur 82 in Ballast. Von den 936 Schiffen des Jahres 1902 führten 361 die englische, 257 die russische Flagge. Deutschland war mit 50, Italien mit 120, Österreich-Ungarn mit 58 Schiffen beteiligt. Die Reederei Odessas ist überwiegend in den Händen der Russischen Gesellschaft für Dampfschiffahrt und Handel.

Sie besitzt eine Flotte von 73 Dampfern und 67 eisernen Barken; außerdem hat die seit 1903 staatliche Schwarzmeer-Donau-Gesellschaft 12 Dampfer und die freiwillige Flotte 15 Dampfer. Durch nichtrussische Dampfer bestehen regelmäßige Verbindungen mit Triest, Marseille, Amsterdam, Antwerpen, Hull, Hamburg u.a. O. Dem Handel Odessas dienende Anstalten und Vereine sind ferner: die Börse, die Filiale der Staatsbank, die Odessaer Kommerzbank (Aktienkapital 5 Mill. Rubel), die Chersoner Bodenkreditbank, die Bessarabisch-Taurische Bodenkreditgesellschaft, die Gesellschaft für gegenseitigen Kredit, die Städtische Kreditgenossenschaft, viele bedeutende Bank- und Wechselfirmen, Transport- und Versicherungskontore und Agenturen auswärtiger Schiffahrtskompanien.

Für die Pflege des wissenschaftlichen Lebens sowie für Erziehung und Unterricht sorgen zahlreiche Anstalten, vor allen das frühere Lyzeum Richelieu (gegründet 1817), seit 1864 kaiserliche neurussische Universität (mit 4 Fakultäten: der historisch-philologischen, der physikalisch-mathematischen, der medizinischen und der juristischen; Zahl der Zuhörer 1904:[903] 1714). Ferner bestehen an öffentlichen Schulen: ein geistliches Seminar, 5 Gymnasien, 2 Realschulen, eine staatliche und 2 private Kommerzschulen, eine Schule für Handelsschiffahrt (die einzige in Rußland), eine weibliche Hochschule (sogen. weibliche pädagogische Kurse) seit 1903, ein Fräuleinstift, 2 Mädchengymnasien, eine Infanterie-Junkerschule und ein Kadettenkorps, eine Gartenbauschule, eine Kunstgewerbe- und eine Musikschule sowie 235 Volksschulen. Die Gesamtzahl der Lernenden betrug 1903: 38,000. Außerdem gibt es 22 jüdische Schulen, eine Talmud-Thora und 43 Cheders (jüdische Religionsschulen). An sonstigen wissenschaftlichen und Bildungsanstalten und Vereinen sind zu nennen die öffentliche Bibliothek (seit 1835) mit 140,000 Bänden, worunter viele wertvolle Inkunabeln und Unika, die schöne Bildergalerie von A. P. Russow mit ca. 850 Gemälden russischer Künstler, das Museum der Gesellschaft für Geschichte und Altertümer, das städtische Museum der schönen Künste, das pädagogische Museum, eine bakteriologische Station, ein landwirtschaftliches Versuchsfeld, die Gesellschaft für Geschichte und Altertümer (1839 gegründet); die Ökonomische Gesellschaft für Südrußland (gegründet 1828); der Landwirtschaftliche Verein, der Verein der Naturforscher (seit 1869); die Gesellschaft der Odessaer Ärzte (gegründet 1850); der Ingenieur- und Architektenverein; die Gesellschaft der schönen Künste und der Gartenbauverein. Die Mittelpunkte des deutschen Vereinslebens sind die Harmonia (gegründet 1859) und der Deutsche Handwerkerverein. Von den zahlreichen Wohltätigkeitsanstalten sind zu nennen: das Stadtkrankenhaus mit 1200 Betten; das jüdische Krankenhaus (seit 1829); das evangelische Hospital (seit 1892); die Heilanstalt für Arme (gegründet 1853); die Wohltätige Gesellschaft der Odessaer Damen (gegründet 1829) mit einem Waisenhospiz, einem Versorgungshaus für weibliche Gebrechliche, einem Armenschutzkomitee; die Slawische Wohltätige Gesellschaft zu St. Cyrill und Methodius (seit 1870); ferner ein Gebärhaus, ein Taubstummeninstitut (1843 gegründet), das Haus der Barmherzigen Schwestern mit einem Frauenspital und mehreren Nachtherbergen, Waisen- und Findelhäuser. O. besitzt mehrere Theater: das Städtische (Schauspiel und Oper), das Russische, das 1903 eröffnete Sibirjakowsche, mehrere Sommertheater und zahlreiche Konzertsäle. Es erscheinen 26 Zeitungen und Zeitschriften, darunter 3 große russische Tagesblätter und die deutsche Odessaer Zeitung. O. ist Sitz des Erzbischofs von Cherson und O., eines Militärbezirks, des Kommandos des 8. Armeekorps, des Gerichtshofs für Südrußland, eines Kreis- und eines Handelsgerichts sowie andrer Gerichtsbehörden, eines Lehrbezirks, einer Zensurbehörde, eines Zoll- und eines Akziseamtes, eines Steuerkontrollamtes, eines Hafenkapitäns, der Konsuln sämtlicher Handelsstaaten Europas (darunter ein deutscher Berufskonsul) und Amerikas und einer Telegraphenstation, die auch Annahmestelle der europäisch-indischen Telegraphenlinie ist. Durch Telephon steht O. mit Nikolajew, Cherson und Kischinew in Verbindung.

Umgebung. Außerhalb der Stadt liegen reizend am Meer die Vergnügungsgärten Kleinfontan und Arcadia, zwischen ihnen und der Stadt, zum Teil ebenfalls am Meer, dehnt sich die Villenkolonie aus, wo die wohlhabende Einwohnerschaft den Sommer verbringt. Als Kurort kommt O. neuerdings immer mehr in Aufnahme, einerseits als Seebad, wofür die Stadt das Kurhaus Langeron eingerichtet hat, anderseits um seiner Limane (vom Meer abgeschnittene Salzwasserbuchten) willen, deren Wasser und Schlamm vorzügliche Wirkung bei Rheumatismus, Neuralgie und vielen andern Krankheiten äußert. Mehr oder weniger komfortable Kuranlagen sind errichtet am Kujalnizki- (auch Andrejewski-), am Chadshibei- und am Klein-Liebenthaler Liman (vgl. »O. als Kurort«, hrsg. von der städtischen Medizinalverwaltung, Odessa 1896).

Geschichte. Die türkische Burg (Hadschibej) wurde 14. Sept. 1789 von dem russischen General Joseph de Ribas mit Sturm genommen. Der aufblühende Ort erhielt auf Befehl Katharinas II. 22. Aug. 1794 den Namen O. (nach der im Altertum in der Nähe gelegenen Kolonie Odessos). Der erste Gouverneur, de Ribas, begann den Bau eines Forts, und 1795 wurde O. zum ersten Kriegshafen des Schwarzen Meeres erklärt. Später wurden jedoch die Anstalten für Kriegszwecke nach Nikolajew, dagegen der Sitz des Generalgouverneurs von Neurußland nach O. verlegt, den als letzter General v. Kotzebue (bis 1874) einnahm. Von 1811–57 genoß O. Zollfreiheit, die der Stadt einen Aufschwung gab, der bis in die jüngste Zeit andauerte. O. wurde 10. April 1854 von der englischen Flotte beschossen. Wiederholt traten hier Cholera-Epidemien auf; 1859 und 1871 fanden von der griechischen Bevölkerung angestiftete Judenhetzen statt. Seit 1876 ist O. durch eine Anzahl Küstenbatterien befestigt. Vgl. Kochanskij, O. nach 100 Jahren (russ., Odessa 1894).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 902-904. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007175744


Pierer 1861

[212] Odessa, 1) Stadtgouvernement, welches die gleichnamige Stadt mit einem kleinen Gebiete umfaßt, einen Kreis des russischen Gouvernements Cherson bildet u. 140,000 Ew. zählt; 2) Stadt hier am Schwarzen Meere, am westlichen Ufer einer großen Bai, auf hoher Küste gelegen, so daß eine Treppe von 100 Fuß zu dem Hafen hinabführt, rings von Steppe umgeben, ist die dritte Stadt des. Russischen Reichs u. Sitz des Generalgouverneurs von Neu-Rußland u. Bessarabien, eines Militärgouverneurs u. des Erzbischofs von Cherson u. Taurien. O. ist offen, hat mehre öffentliche, mit Alleen geschmückte Plätze u. Märkte, die schöne Straße längs der Küste heißt der Boulevard, wo dem Herzog von Richelieu 1826 ein Denkmal errichtet wurde; Botanischen Garten; 16 Kirchen (darunter die Kathedrale St. Nikolaus, evangelische u. katholische Kirche), Synagoge, das Richelieulyceum mit einer adligen Pension, Institut für Orientalische Sprachen mit Bibliothek, Gymnasium, adeliges Fräuleinstift, mehre Kreisschulen, Technologisches Institut, Hebräische Schule, Schule für Acker- u. Gartenbau, öffentliche Bibliothek, Dendrographisches u. Mineralogisches Cabinet, Gesellschaft für Geschichte u. Alterthümer, Museum für Alterthümer, 3 Theater, Börse, Comptoir der Commerzbank, mehre wohlthätige Anstalten (darunter eine für Deutsche), großen Bazar (Palais royal), Jahrmarkt vom 14. Sept. bis 1. Oct., mehre Kasernen, Quarantäneanstalt, Sitz einer russischen Dampfschifffahrtsgesellschaft. In zahlreichen Fabriken fertigt man Tuch, Baumwollen- u. Seidenzeuge, Seife, Seile, auch hat man große Schiffswerfte, Schmiedewerkstätten, Branntweinbrennereien u. Bierbrauereien; die Fischerei ist bedeutend, das Hauptgeschäft O-s aber ist der Handel, da die Stadt Stapelplatz des ganzen russischen Handels im. Schwarzen Meer ist; bes. wird das Getreide Südrußlands u. Volhyniens, doch auch viel Mehl, Talg, Eisen, Kupfer, Caviar, Wachs, Hausenblase, Pottasche, Theer, Tauwerk, Pökelfleisch, Häute, Butter, Wolle etc. ausgeführt; eingeführt werden dagegen die Producte der Levante u. überhaupt der Küsten des Mittelmeers. Der Hafen ist durch zwei Dämme in drei Theile (Quarantaine-, Kriegs u. Handelshafen) getheilt, aber wegen seiner nicht hinreichenden Tiefe müssen die Schiffe von großem Tiefgang weit ab von der Küste ankern, auch gewährt er keinen Schutz gegen die heftigen Südost- u. Ostwinde. Durch den Krieg von 1853–56 litt der Handel zwar bedeutend, nahm aber nach dem Frieden wieder neuen Aufschwung. Ein seit 1833 auf dem Cap Takli angelegter Leuchtthurm leitet die aus- u. einfahrenden Schiffe bei Nacht. Eine Wasserkunst, eine Meile von der Stadt entfernt, versorgt die Stadt mit Wasser. Die Einwohnerzahl betrug 1856 über 101,000 Seelen: Russen, Franzosen, Italiener, Engländer, Deutsche (fast alle Handwerker sind Deutsche), Juden etc. – O. wurde 1792 südwestlich von dem alten Odessos auf der Stelle des frühern tatarischen Dorfes Chadschibey auf den Rath des Admirals Ribas von der Kaiserin Katharina II. angelegt u. blühte schnell empor, bes. seit 1803, wo der Herzog von Richelieu Gouverneur daselbst wurde; dieser fand 400 Häuser u. 7.–8000 Ew., u. als er 1814 seine Stelle abgab, verließ er 2600 Häuser mit 35,000 Ew. Nach Richelieu machten sich die Grafen Langeron u. Woronzow um das Wachsthum O-s verdient. Von 1817–1857 (15. Aug.) war O. ein Freihafen; am 22. April u. am 16. Mai wurde O. von den verbündeten Flotten der Franzosen u. Engländer wiederholt beschossen, doch ohne großen Schaden zu leiden, obgleich es nur durch einige schnell angelegte Batterien am Strande u. auf dem Hafendamm vertheidigt wurde.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 212. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010543929