Neidhart von Reuenthal
Herders 1856
[311] Neidhart von Reuenthal, gemeiniglich Herr Nithart, auch der Bauernfeind genannt, vielleicht einer aus dem Geschlechte derer von Fuchs, geborner Bayer, bereits um 1217 ein berühmter Minnesänger, lebte lange am Hose Friedrichs des Streitbaren von Oesterreich, st. vor 1246, wurde in der Stephanskirche zu Wien begraben. N. machte die spöttische Schilderung der gemeinen Wirklichkeit des Bauernlebens seiner Zeit, die Hoffart, Tänze u. Prügeleien der »Dörper« (Tölpel-Dorfbewohner) sowie der Streiche, die er ihnen und die sie ihm spielten, zu seiner Hauptaufgabe. Er sang seine munteren Spottlieder keineswegs für das Volk, sondern für den ritterlichen Hof, wurde aber dennoch dadurch Einführer der höfischen Dorfpoesie und schlug die Brücke vom Minnesang zum Volkslied. N.s Lieder lebten noch in der Reformationszeit im Munde Vieler, seine Person selbst wurde zum Mittelpunkte zahlreicher und mitunter unsauberer Schwänke (Nitharte) gemacht, häufig mit dem possenreißenden Pfaff vom Kalemberge verwechselt und als 2. Till Eulenspiegel betrachtet. – Lebensbeschreibung von W. Wackernagel und Lieder inv. d. Hagens »Minnesingern« (Leipzig 1825–38, 4 Bde.).
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 311. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003446034
Pierer 1860
[772] Neidhart von Reuenthal, deutscher Dichter in der ersten Hälfte des 13. Jahrh., war aus Baiern gebürtig, lebte aber dann u. dichtete in Österreich; mit ihm beginnt eine neue Richtung in der deutschen Lyrik, indem er statt der bisherigen Weise, die Stoffe aus französischen Quellen u. aus den höheren Lebenskreisen zu entnehmen, vielmehr das bäuerische Leben u. Treiben mit eigenthümlichem Humor den höheren Kreisen vorführte. Ihm wurden dann mißbräuchlich bis ins 15. Jahrh. mehre rohe Lieder beigelegt u. er als Neidhart Fuchs zu einem Zeitgenossen des Pfaffen von Kalenberg gemacht, so wie auch allerhand Schwänke u. Abenteuer mit Bauern nach ihm Neidharte genannt wurden; seine noch übrigen Lieder stehen inv. d. Hagen's Minnesängern.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 772. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2001050379X
Meyers 1908
[500] Neidhart von Reuenthal, einer der bedeutendsten u. fruchtbarsten deutschen Lyriker des Mittelalters, Sprößling eines adligen Geschlechts aus Bayern, nachher aber in Österreich lebend, dichtete zwischen 1210 und 1240 und war der Gründer einer besondern Art des Minnegesangs (von Lachmann als »höfische Dorf poesie« bezeichnet), indem er in seinen Liedern vornehmlich das hoffärtige Treiben und die derbere Liebesweise der Bauern mit geistreich humoristischer Laune schilderte. Mißbräuchlich wurde er später unter dem Namen Neidhart Fuchs als eine Art Hofnarr des österreichischen Herzogs Otto des Fröhlichen dargestellt, während überhaupt in lyrischer Form erzählte Bauernschwänke schlechthin den Namen Neidharte erhielten. Eine noch dem 13. Jahrh. angehörige Sammlung seiner Lieder befindet sich auf Schloß Riedegg und wurde von Benecke in den »Beiträgen zur Kenntnis der altdeutschen Sprache etc.«, Bd. 2 (Götting. 1832), herausgegeben. Eine neuere kritische Ausgabe veranstaltete Haupt (Leipz. 1858), danach F. Keinz (das. 1889). Vgl. v. Liliencron, Über Neidharts höfische Dorfpoesie (in Haupts »Zeitschrift für deutsches Altertum«, Bd. 6, Leipz. 1848); Wilmanns (ebenda, Bd. 29); Bielschowsky, Leben und Dichten Neidharts von Reuenthal (Berl. 1891); C. Pfeiffer, Die dichterische Persönlichkeit Neidharts von Reuenthal (Paderb. 1903).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 500. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000714248X
Brockhaus 1911
[252] Neidhart von Reuenthal, Dichter, aus Bayern gebürtig, dichtete am österr. Hofe um 1210-45; Begründer der höfischen Dorfpoesie (s.d.); kritische Ausg. von Haupt (1858), Auswahl (1889). – Vgl. Bielschowsky (1891), Gusinde (1899), Pfeiffer (1903).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 252. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001384708