Musäus

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Musäus (Joh. Karl Aug.), geb. 1735 zu Jena, ein geistreicher und sprachgewandter, sowie durch seine Bearbeitungen deutscher Volksmärchen auch ein volksthümlicher deutscher Schriftsteller, dem zugleich als Mensch durch den seltenen Verein tiefer Kenntniß des Herzens mit der reinsten Gesinnung und des reichsten Witzes mit argloser Gutmüthigkeit, eine hohe Achtung gebührt. Nachdem er in seiner Vaterstadt Theologie studirt, auf eine Landpfarrerstelle bei Eisenach aber deshalb verzichten mußte, weil die Bauern wußten, daß er einmal getanzt hatte, wurde er 1763 am Hofe zu Weimar Pagenhofmeister und 1770 Professor am dortigen Gymnasium. Als Schriftsteller trat M. zuerst mit seinem »Grandison der Zweite« (2 Bde., Eisenach 1760–62) auf, der in der zweiten umgearbeiteten Auflage »Der deutsche Grandison« (2 Bde., 1781–82) genannt wurde und mit Erfolg den Thorheiten begegnete, zu denen der damals vielgelesene engl. Roman »Grandison« von Richardson Veranlassung gab. Mit gleichem Glück trat er in seiner lebendigen, von Witz und Schalkheit übersprudelnden Weise, gegen die von Lavater's Physiognomik angeregten Verirrungen in den »Physiognomischen Reisen« (4 Hefte, Altenburg 1778–79) auf, denen 1782 sein verbreitetstes Werk »Die Volksmärchen der Deutschen« (3. Ausg., von F. Jacobs, 5 Bde., Gotha 1826) folgte, die Wieland zu den besten literarischen Werken des letzten Viertels des vorigen Jahrhunderts zählte und die stets einen Platz unter den Werken verdienen werden, welche die Jugend mit Gewinn für Kopf und Herz lesen kann, obgleich sie durch zahlreiche Anspielungen auf zu damaliger Zeit bekannte und besonders literarische Verhältnisse gegen den wahren Märchenton oft verstoßen. Die Fortsetzung einer Reihe von Erzählungen unter dem Titel »Straußfedern« (1. Bd., Berl. 1787) unterbrach M.'s Tod an einem Herzpolypen im J. 1787. Nach demselben gab sein naher Verwandter, von Kotzebue, »Nachgelassene Schriften und Nachrichten von seinem Leben« (Lpz. 1791) heraus und ein Unbekannter ließ auf seinem Grabe ein einfachschönes Denkmal errichten.


Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 223. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000847178