Molière

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Jean-Baptiste Poquelin, genannt Molière (getauft am 15. Januar 1622 in Paris; † 17. Februar 1673 ebenda), französischer Schauspieler, Theaterdirektor und Dramatiker.


Meyers 1908

[36] Molière (spr. molljǟr'), eigentlich Jean Baptiste Poquelin, der größte franz. Lustspieldichter, geb. 15. Jan. 1622 in Paris, gest. daselbst 17. Febr. 1673, erhielt seine Bildung auf dem Collège de Clermont (später Louis le Grand), genoß den Unterricht des berühmten Philosophen Gassendi (seine uns nicht erhaltene Lukrez-Übersetzung fällt in diese Zeit), studierte die Rechte und trat 1643, einer unwiderstehlichen Neigung folgend, unter dem Namen »M.« in eine Schauspielergruppe, die sich l'Illustre Théâtre nannte, aber in Paris Fiasko machte und wegen schlechter Geschäfte 1645 in die Provinz ging. Hier schwang sich M. bald zum Direktor auf, durchstreifte mit seiner Truppe, die anfangs im Dienste des Herzogs von Epernon in Bordeaux, später des Prinzen von Conti, Gouverneurs von Languedoc, in Pézenas (wo ihm 1897 ein Denkmal, von Injalabert, errichtet wurde) stand, zwölf Jahre lang ganz Frankreich und kehrte 1658, an Erfahrungen reich, nach Paris zurück. In die Wanderzeit fallen, neben vielen unbedeutenden Stücken, seine beiden Lustspiele: »L'Étourdi« (Lyon 1655, nach dem »Inavvertito« des Barbieri) und »Le dépit amoureux« (1656). Bald erwarb sich die neue Truppe, die in Paris anfangs im Petit-Bourbon, dann seit 1661 im Palais-Royal spielte, die Gunst des Königs und Monsieurs, seines Bruders, dessen Truppe sie sich nannte, die des Publikums erst 1659 durch die »Précieuses ridicules«, eine Satire gegen die Unnatur und Ziererei der Sprache, die in den Zirkeln des Hôtel Rambouillet gesprochen wurde. Dadurch machte er sich viele Feinde, die in Verbindung mit den in ihrem Privilegium geschädigten Schauspielern des Hôtel de Bourgogne keine Gelegenheit vorübergehen ließen, um M. in Wort und Schrift anzugreifen. Auf »Sganarelle« (1660) und den mißglückten »Don Garcie« (1661) folgten in demselben Jahr »L'école des maris«, eine Nachahmung der »Adelphi« des Terenz, und »Les Fâcheux«. 1662 ging er eine Ehe ein mit Armande Béjart, der Schwester (nach andern Tochter) seiner Freundin Madeleine Béjart, die ihm durch ihr oberflächliches, kokettes Wesen sein ganzes Leben verbittert hat. Schon wenige Monate darauf war er in der Lage, in dem Lustspiel »L'école des femmes« seine verzweifelte Stimmung zu schildern. Auf die heftigen Angriffe seiner Feinde antwortete er mit der »Critique de l'École des femmes« und dem »Impromptu de Versailles«. Nach einigen Gelegenheitsstücken: »Le mariage forcé«, »La princesse d'Elide« (1664), »Don Juan, ou le Festin de Pierre«, »L'amour médecin« (1665), brachte er 1666 den »Misanthrope«, sein großartigstes und wahrstes Stück, auf die Bühne und, nachdem er wiederum einige kleinere Stücke für die Unterhaltung des Hofes verfaßt hatte (»Le médecin malgré lui«, »Le ballet des muses«, »Le Sicilien, ou l'Amour peintre«), 1667 den »Tartuffe« u. d. T.: »L'Imposteur«, aber nur mit Einer Vorstellung; erst 1669 gelang es ihm, nach Überwindung der äußersten Schwierigkeiten, das Stück drei Monate hindurch auf dem Repertoire zu erhalten; der Jubel des Publikums entschädigte ihn für die Exkommunikation und die offenen und versteckten Angriffe seiner Feinde. In der Zwischenzeit (1668) gingen der »Amphitryon« (nach Plautus), »George Dandin« und »L'Avare« über die Bretter; letzterer, nach Plautus und in Prosa geschrieben, von Goethe für »besonders groß und in hohem Grade tragisch« gehalten. Nun folgen wieder Unterhaltungsstücke für den Hof: »Monsieur de Pourceaugnac«, »Les amants magnifiques«, die Ballettkomödie »Le bourgeois gentilhomme«, »Les fourberies de Scapin«, »La comtesse d'Escarbagnas«; dann sein letztes Meisterwerk: »Les femmes savantes« (1672), wie die »Précieuses ridicules« gegen die Pedanterie und Unweiblichkeit der Frauen gerichtet. Die vierte Ausführung des »Malade imaginaire« war seine letzte Leistung. Seine durch Sorgen und Arbeit untergrabene Gesundheit erlag den Anstrengungen, als er in der Promotionsszene das Wort »Juro« aussprach; er bekam einen Blutsturz und verschied wenige Stunden darauf. Die Geistlichkeit versagte ihm ein ehrliches Begräbnis; in der Nacht und unter den Verwünschungen des fanatisierten Pöbels wurde er begraben. Erst 1817 brachte man seine (angeblichen) Gebeine auf den Père Lachaise. 1778 stellte die Akademie, deren Pforten dem Dichter verschlossen gewesen waren, seine Büste in ihrem Saal auf; eine andre, von Houdon (s. Tafel »Bildhauerkunst XII«, Fig. 1), fand 1775 im Foyer der Comédie-Française Platz, und 1844 wurde ihm, seinem Sterbehaus in der Rue de Richelieu gegenüber, ein Denkmal, die Fontaine Molière, errichtet. Mignard hat den Dichter zu verschiedenen Zeiten gemalt.

M. war von Haus aus ein vorzüglicher Schauspieler. Nicht nur die Rollen, die er für sich geschrieben, sondern auch andre, besonders die komischen, weniger die tragischen, spielte er unter dem Beifall des Publikums; schon sein Mienenspiel erregte stürmische Heiterkeit. Dabei war er eifrig und gewissenhaft, für gewöhnlich ernst, ja melancholisch; von seinen reichen Einnahmen machte er, zum Nutzen seiner Freunde und seiner Kunst, einen edlen Gebrauch. Vor allem aber ist M. Dichter, und wenn er schon in jenen Stücken, die er zur Augen- und Ohrenweide eines vergnügungssüchtigen Hofes schrieb, und in seinen Possen, in denen er seiner tollen Laune den Zügel schießen läßt, ungewöhnlichen Reichtum der Phantasie, seltene Leichtigkeit des Schaffens, tiefe Weisheit und unerschöpfliche Laune bekundet, so erheben ihn seine großen Charakterkomödien mit ihrer reinen Menschlichkeit und ewigen Wahrheit zu einem der ersten Dichter aller Zeiten. M. schafft selten frei; fast immer hat er Rahmen und Färbung seiner Stücke den Alten, den Italienern oder Spaniern entlehnt. Den Inhalt aber bilden die Torheiten und Lächerlichkeiten seiner Zeit; Falschheit und Unnatur, Heuchelei und Lüge verfolgt er mit glühendem Haß. Aber nicht Gestalten seiner Phantasie führt er uns vor, das Leben, das warme, wirkliche, pulsiert in seinen Werken; seine Blaustrümpfe und Marquis, sein Menschenfeind und Tartüff sind typisch geworden. Dazu ist[36] die Kunst, Verwickelungen zu erfinden (minder sie zu lösen), die Spannung des Zuschauers bis zum Schluß rege zu erhalten (z. B. in den »Femmes savantes«), bewunderungswürdig. Von gleicher Vortrefflichkeit ist sein Stil; klar und präzis, natürlich und doch überaus mannigfaltig, spricht er die Sprache der Stadt und des Landes, aller Klassen und aller Leidenschaften. Unter den zahlreichen Ausgaben von Molières Werken nennen wir nur die bedeutendsten: von Vivot und La Grange (1682, 8 Bde.), von Moland (2. Aufl. 1884, 12 Bde.) und besonders von Despois und Mesnard (1873–1900, 13 Bde.). Die letztere gibt im 10. Band eine ausführliche Biographie Molières, im 11. eine Bibliographie, im 12. und 13. ein Wörterbuch. Gute Schulausgaben einzelner Stücke besorgten Laun (fortgesetzt von Knörich, Leipz. 1873–1886, 14 Bde.) und Friische (Berl. 1879 ff.). Für die besten deutschen Übersetzungen der Werke Molières gelten mit Recht die des Grafen Wolf Baudissin, in fünffüßigen, reimlosen Jamben (Leipz. 1865–67, 4 Bde.), und die von L. Fulda (»Molières Meisterwerke«, 4. Aufl., Stuttg. 1904, 2 Bde.).

Aus der reichen Literatur über Molières Leben etc. vgl. »Régistre de Lagrange«, eine genaue Theaterchronik eines Schauspielers aus Molières Truppe (Faksimileabdruck, Par. 1876); Taschereau, Histoire de la vie et des écrits de M. (das. 1825, 4. Aufl. 1851); P. Lindau, M. (Leipz. 1872); Lotheißen, M., sein Leben und seine Werke (Frankf. 1880); Mahrenholtz, Molières Leben und Werke (Heilbr. 1881); Moland, M., sa vie et ses ouvrages (1886); Fournel, Les contemporains de M. (1863 bis 1866, 3 Bde.); P. Lacroix, Iconographie moliéresque (2. Aufl. 1876); Chardon, Nouveaux documents sur la vie de M. (1886–1905, 2 Bde.); Larroumet, La comédie de M., l'auteur et le milieu (1887); Ehrhard, Les comédies de M.en Allemagne (1888); Eloesser, Die älteste deutsche Übersetzung Molièrescher Lustspiele (Berl. 1893); H. Fritsche, M. – Studien, ein Namenbuch zu Molières Werken (2. Ausg., das. 1887); Monval, Chronologie Moliéresque (Par. 1897); H. Schneegans, Molière (Bd. 42 der »Geisteshelden«, Berl. 1902); Davignon, M. et la vie (Par. 1904); Martinenche, M. et le théâtre espagnol (das. 1905); Trollope, Life of M. (Lond. 1905); Mantzius, Molieretiden (Kopenh. 1904; franz. von Pellison, Par. 1908). Als besondere Organe für die Molière-Forschung dienten der »Molièriste« (Par. 1879–89) 1010 das »Molière-Museum« (hrsg. von Schweitzer, Wiesb. 1879–84).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 36-37. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007102178


Brockhaus 1809

Jean Baptista Moliere. Dieser große komische Theaterdichter hieß eigentlich Poquelin, und war 1620 zu Paris geboren. Sein Vater, ein Hoftapezirer, unterrichtete ihn in seiner Profession, ließ ihn aber auf sein wiederholtes Bitten studiren. Poquelin machte in den gesammten Schulwissenschaften und unter des großen Gassendi Anleitung sogar in der Philosophie die glücklichsten Fortschritte. Allein seine Neigung zum [156] Theater, die seine Aeltern von Jugend auf vergeblich zu unterdrücken suchten, bewog ihn bald unter die Schauspieler zu gehen. Er nahm, um die Ehre seiner Verwandten nicht zu kränken, den Namen Moliere an, machte Bekanntschaft mit einer Dorfkomödiantin, Bejart, deren Tochter er nachher heirathete, und errichtete mit ihr zu Lyon eine eigne Truppe, welche bald sehr in Aufnahme kam. Hier wurde er bald als trefflicher komischer Acteur beliebt, und fing nun an, sich auch als theatralischer Schriftsteller zu zeigen. Sein erstes Lustspiel, der Unbesonnene (lʼEtourdi), welches 1653 aufgeführt wurde, erhielt allgemeinen Beifall; eben dieses Lob bekamen einige kleine Versuche von ihm im Niedrigkomischen, die er aber nie drucken ließ. Er wurde, nachdem er eine Zeit lang in Beziers gespielt hatte, in Paris Schauspieler; und Ludwig XIV. erlaubte ihm, eine eigne Truppe zu unterhalten. In Paris herrschte noch ein großer Geschmack an den elendesten Possenspielen, und kein einziger komischer Schriftsteller war auch nur mittelmäßig. Moliere überwand alle Hindernisse; er bildete sich anfangs nach den Komikern der Alten, legre sie aber, als ihn der Beifall vieler Kritiker, besonders seines Freundes und Rathgebers Voileau, von der Vortrefflichkeit und Originalität seiner eignen Arbeit überzeugt hatte, ganz bei Seite, und schöpfte seine Ideen und Pläne allein aus dem Schatze von Menschenkenntniß, den er sich gesammelt hatte, und aus den Sitten seiner Zeit. Unterstützt von Ludwig XIV. welcher ihn zum Director der Hoftruppe machte, wagte er es nicht nur, die Thorheiten seines Zeitalters und Vaterlandes darzustellen, sondern er wählte auch oft lebende Personen, sogar Hofleute, zu Originalen seiner Stücke. Diese Kühnheit, vorzüglich sein Stück Tartüffe, in welchem er die unter der Maske der Frömmigkeit verborgene Boßheit angriff und die Blößen der Geistlichkeit zeigte, zog ihm viele Feinde zu; und das erwähnte Meisterstück würde ohne den Schutz des Königs gewiß den Flammen übergeben und er ein Opfer der wüthenden Clerisei geworden sein. Die Verehrung, die er genoß, war ungemein. Er arbeitete unermüdet, und lieferte, wenn ihm nur Ludwig XIV. der immer seine Befehle zu Verfertigung neuer Stücke sehr schnell vollzogen wissen wollte, gehörig Zeit ließ, fast immer Meisterwerke, [157] theils in Prosa, theils in Versen. Unter ihnen zeichnet sich besonders der Menschenfeind, der Tartuffe, der Geitzige, der eingebildete Kranke, die lächerlichen Preciosen, die Weiberschule, Dandin und viele andre aus. Am besten gelang ihm das vom Niedrigen eben so weit als vom Pomp entfernte Komische. Endlich traf ihn im 53. Jahre das gewöhnliche Schicksal großer Acteurs; er ward das Opfer seiner Kunst. Als er in seinem letzten Stück, der eingebildete Kranke, trotz einer wirklichen und gefährlichen Krankheit und wider die Bitten vieler Freunde dennoch auftrat, zog ihm die äußerste Anstrengung einen Blutsturz zu, der bald nach der Vorstellung, den 17. Febr. 1673, seine Tage endigte. Und dieser große Dichter konnte nur auf des Königs strengsten Befehl ein ehrliches aber bloß stilles Begräbniß erhalten! –

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 156-158. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000760951


Damen Conversations Lexikon 1836

[260] Moliere, Johann Baptist Pocquelin, geb. am 6. Januar 1620 zu Paris, wo sein Vater mit gebrauchten Sachen handelte, dabei aber Kammerdiener und Tapezier des Königs war. Die Erziehung des jungen Pocquelln beschränkte sich auf die Erlernung von Lesen und Schreiben. Zum Jünglinge erwachsen, wendete er sich an seinen Großvater, um die Einwilligung zum Studiren zu erlangen, ward in eine Pension gethan, empfing Unterricht im Jesuitercollegio und ward später ein Schüler des berühmten Philosophen Gassendi. Als M's Vater seinen Posten niederlegte, trat er an dessen Stelle, und begleitete den König 1641 auf der Reise nach Narbonne. Zurückgekehrt, folgte er seiner Neigung zum Theater, beschloß Schauspieler und dramatischer Schriftsteller zu werden, und verband sich mit einigen gleichgesinnten jungen Leuten zu Vorstellungen in der Vorstadt St. Germain. Das erste bedeutendere Stück, welches aus Moliere's Feder kam, war der Etourdi, welcher unter des Verfassers eigener Leitung und Mitwirkung 1653 in Lyon aufgeführt wurde. Sein Vater versuchte es, ihn von der gewählten Laufbahn zurückzubringen, und sandte ihm zu diesem Zwecke den Lehrer, bei dem er in Pension gewesen war, den aber Moliere so weit zu bringen wußte, daß er selbst Schauspieler wurde. Eine Aufführung, welcher der König und die Königin beiwohnten, verschaffte ihm die Erlaubniß, in dem Wachsaale des alten Louvre sein Theater einzurichten, 1660 wurde dieses in das Palais royal verlegt, 1663 erhielt Moliere eine jährliche Pension von 1000 Livres, und 1665 wurde er mit seiner Truppe zu Schauspielern des Königs ernannt. M's vorzüglichste Stücke sind: Le misantropê, Tartuffe, les femmes savantes, l'a vare etc.; in einigen andern, wie z. B. im Bourgeois gentilhomme, Pourceaugnac etc. hat er dem Geschmacke des Volkes an Possen zu sehr gehuldigt. Er war eben so guter Schauspieler, als Dichter, [260] eine seiner vorzüglichsten Darstellungen blieb die Titelrolle im Malade imaginair, aber sie kostete ihm auch das Leben. Er litt an Brustschmerzen, als er diese Rolle zum vierten Male gab, und konnte sie nur mit großer Anstrengung beendigen; zu Hause angekommen, legte er sich zu Bett, bekam einen heftigen Husten, sprengte sich eine Ader, und starb noch am nämlichen Tage, den 13. Februar 1673, in einem Alter von 53 Jahren. 22.

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 260-261. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000175176X


Brockhaus 1839

[169] Molière (Jean Bapt. Pocquelin, genannt de), der berühmteste franz. und überhaupt der größte Lustspieldichter der neuern Zeit, geb. 1622 zu Paris, war der Sohn eines Tapeziers in königl. Dienst, der auch zugleich Trödler war und seinen Sohn zur einstigen Fortsetzung dieser Geschäfte bestimmte.

Er ließ ihn jedoch vom 14. Jahre an das Jesuitencollegium besuchen, bis er ihn 1641 zurückrief, um an seiner Stelle den nach Narbonne reisenden Hof zu begleiten, was ihm selbst sein hohes Alter nicht gestattete. M. konnte sich aber mit der ihm angewiesenen Stellung nicht befreunden und war mit dem Hofe kaum nach Paris zurückgekehrt, als er, seiner leidenschaftlichen Neigung zum Theater folgend, 1642 einer Schauspielertruppe sich anschloß und seitdem den Namen Molière zulegte. Die Ausübung [169] der Kunst ging jetzt mit dem Studium der betreffenden Literatur alter und neuer Zeit bei ihm Hand in Hand, seit 1654 aber trat er mit dem zuerst in Lyon aufgeführten »Unbesonnenen« selbst als Lustspieldichter auf, Dies und einige andere in Provinzialstädten mit Beifall gegebene Stücke von ihm machten M. bekannt und er wagte es 1658 mit seiner Gesellschaft in Paris zu spielen, wozu ihm ein ehemaliger Schulgenosse, der Prinz de Conti, die Erlaubniß verschafft hatte. M. begann mit einer für damalige Zeitverhältnisse unerhörten Kühnheit, die aber zugleich von richtiger Beurtheilung der Pariser spricht, seine Vorstellungen mit »Die pretiösen Schönen«, in denen das gezierte schöngeistige Treiben eines nicht unangesehenen Theils des damaligen pariser Publicums verspottet wird, und mit den Lachern waren auch die meisten Stimmen auf M.'s Seite. Zum Zeichen der besondern Zufriedenheit Königs Ludwig XIV. ward er mit seiner Gesellschaft in königl. Dienste genommen und erfreute sich von nun an des königl. Schutzes gegen mancherlei Anfeindungen, denen er durch seine sittliche Richtung und seine Freimüthigkeit sich aussetzte, mit welcher er vorzüglich die Thorheiten seiner Zeit geißelte, während er selbst sich vor andern franz. Dichtern von den Vorurtheilen derselben frei erhielt. Seine Charaktere sind das Abbild der Wahrheit und mehre, wie z.B. Tartufe und Harpagon für Heuchler und Geizhals, auch bei uns sprüchwörtlich geworden; seinen Dialog zeichnet die höchste Natürlichkeit aus und seine Verse sind meisterhaft. M. ließ sich selbst durch die Aussicht, Mitglied der franz. Akademie zu werden, nicht dazu bewegen, nicht mehr aufzutreten und starb im Febr. 1673 in Folge eines Blutsturzes, der ihn überraschte, während er in seinem »Eingebildeten Kranken« auf der Bühne thätig war; aber nur auf Verwendung des Königs gestattete die Geistlichkeit bei dem damaligen Vorurtheile gegen Schauspieler, daß M. in der Stille in St.-Joseph bestattet wurde. Die größte, noch fortwährende Berühmtheit erhielten von M.'s Stücken »Die Schule der Frauen«, »Die Schule der Männer«, »Der Misanthrop« und »Tartufe«, die beißendste und meisterhafteste Verspottung heuchlerischer Frömmigkeit, daher noch 1825 die Geistlichkeit zu Rouen das Verbot ihrer Aufführung durchsetzte, wie das Stück denn auch nur durch einen Machtspruch Ludwig XIV. auf die Bühne kam. Die Akademie ließ 1778 M.'s Büste mit der Inschrift: »Nichts fehlte an seinem, er aber unserm Ruhme« in ihrem Sitzungssale aufstellen, das Théâtre français aber feiert jährlich seinen Geburtstag mit festlicher Darstellung eines seiner Stücke und Bekränzung seiner Büste, auch ist daselbst aus Reliquien seines Nachlasses ein sogenanntes Molière-Museum angelegt worden. Eine deutsche Übersetzung von M.'s Werken hat H. Zschokke (6 Bde., Zürich 1806) geliefert, und von einer neuen, besorgt von Mehren und herausgegeben von L. Lax, ist der erste Band (Aachen 1837) erschienen.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 169-170. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000846023


Herder 1856

[217] Molière (Moliähr), Jean Baptiste de, eigentlich Poquelin, ein unübertroffener Lustspieldichter und ausgezeichneter Schauspieler, geb. 1622 zu Paris, Sohn eines Trödlers, kam erst spät zum Studieren im Jesuitencolleg zu Narbonne und bald wieder davon ab, zog von 1642 an mit einer Schauspielertruppe in Frankreich herum, studierte den Plautus und Terenz, die ital. Lustspieldichter u.s.w. fleißig u. bildete so sein Genie als Dichter u. Schauspieler aus. Das erste seiner Lustspiele (lʼétourdi) wurde 1653 aufgeführt; in Paris durfte seine Truppe vor dem Hof zum erstenmal 1658 auftreten u. wurde sofort als troupe de Monsieur von Ludwig XIV. in Dienst genommen. M. hätte Akademiker werden können, mochte aber nicht, um auf den Brettern bleiben zu dürfen; st. 1673. Seine Büste steht seit 1778 im Saale der Akademie, seine Asche in einer Urne des Museums franz. Denkmäler, seinen Geburtstag (15. Jan.) feiert bis heute manches franz. Theater. M. hinterließ 30 Luftspiele, denen man das Studium der Alten und geistvolle Benutzung der Neuern sowie eine reiche Welt- u. Menschenkenntniß insgesammt absieht u. von denen viele nach Anlage u. Durchführung Muster bleiben, während M. im Niedrigkomischen schwerlich je übertroffen werden wird. Zu den berühmtesten Lustspielen gehören: der Geizhals (lʼavare), der immer Ersparnißmittel gefunden zu haben glaubt. Tartufe, die ebenso meisterhafte als boshafte Schilderung eines Frömmlers, dann die gelehrten Weiber (les femmes savantes), worin schöngeisterische Damen gebührend durchgehechelt werden u.s.w. Beste Ausgaben Amsterdam 1675, 5 B., von Auger, Par. 1819, neueste von Lefèvre, Par. 1854, 4 B. Deutsche Uebersetzung von H. Zschokke, Zür. 1805, 6 B. Lebensbeschreibungen zahlreich, neuestens [217] durch Raucou de Bazin: Notes historiques sur la vie de M., Paris 1851.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 217-218. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003437264


Pierer 1860

[364] Molière (spr. Moliähr), Jean Baptiste Pocquelln, genannt de M., Sohn eines Kammerdieners bei Ludwig XIII., geb. 15. Jan. 1630 in Paris; mußte, als sein Vater schwach geworden war, dessen Amt versehen u. begleitete 1641 den König nach Narbonne. Nach seiner Rückkehr nach Paris, 1642, gab er das begonnene Studium auf u. verband sich, den Namen M. annehmend, mit einer Schauspielertruppe (Illustre Théâtre), mit welcher er 1646–53 in den Provinzialstädten Vorstellungen gab. Sein erstes Lustspiel: L'etourdi, wurde 1653 in Lyon aufgeführt. Als Dichter u. Schauspieler erntete er bald gleichen Beifall u. seit 1658 in Paris spielend gefiel er selbst Ludwig XIV. so, daß derselbe M-s Truppe zu seiner Hofschauspielergesellschaft annahm. Ein Blutsturz endete 17, Febr. 1673 sein Leben. In seinen häuslichen Verhältnissen war M. nicht ganz glücklich (seine Frau, Armande Béjart, war sehr eifersüchtig); glücklicher aber im Umgange mit seinen Freunden u. mit den Großen (dem Marschall Vivonne, dem großen Condé, Larochefoucauld, Ludwig XIV.). 1792 wurde seine Asche in das Museum der französischen Denkmäler u. 1817 nach dem Friedhofe Père Lachaise gebracht. Die Akademie ehrte M. noch 1778 dadurch, daß sie seine Büste mit dem Verse von Saurin aufstellte: Rien ne manque à sa gloire, il manquait à la nôtre. 1844 wurde ihm in der Rue Richelieu in Paris dem Hause gegenüber, wo er während seiner letzten Lebensjahre gewohnt hatte, ein Denkmal gesetzt. Er schr. 30 Lustspiele, außer dem genannten noch: Dépit amoureux, Les précieuses ridicules, Cocu imaginaire, Ecole des maris (nach den Brüdern des Terenz), Les facheux, Ecole des femmes, Misanthrope, bes. 1664 den Tartufe, aufgeführt erst 1669 (deutsch von Unger, unter dem Titel: Der Betbruder, Berl. 1787; vgl. Gutzkow), der zwar Anfangs verboten, später aber wiederholt mit dem glänzendsten Beifall aufgeführt wurde; Amphitryon u. L'avare (beides Nachahmungen des Plautus), George Dandin, Les fourberies de Scapin, Le bourgeois gentilhomme u.a.; sein letztes war Le malade imaginaire; Oeuvres, Amst. 1675, 5 Bde., Par. 1734, 6 Bde., mit Commentar von A. Auger, ebd. 1819, 9 Bde., von Aimé Martin 1845 ff., von Lefèvre, Par. 1854, 4 Bde.; deutsch von Zschocke, Zür. 1805 f., 6 Bde. Vgl. Cailhava, Etudes sur M., Par. 1802; Tachterau, Histoire de la vie et des ouvrages de M., ebd. 1825, n.A. 1828.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 364. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010455701


Brockhaus 1911

[201] Molière (spr. -ĭähr), Jean Baptiste Poquelin, genannt M., franz. Lustspieldichter, geb. 15. Jan. 1622 zu Paris, Schauspieler, zog seit 1646 als Leiter einer Truppe in der Provinz umher, durfte sich 1658 in Paris niederlassen (seit 1661 im Palais Royal), gest. 17. Febr. 1673; geißelte witzig und geistreich die Gebrechen seiner Zeit, ausgezeichnet durch lebenswahre Charakteristik, bes. in den Hauptwerken. »Les précieuses ridicules« (1659), »L'école des maris« (1661), »Le misanthrope« (1666), »Le Tartufe« (1667), »L'avare« (1668), »Les femmes savantes« (1672), »Le malade imaginaire« (1673). Beste Ausg. von Moland (2. Aufl. 12 Bde., 1884), Despois, Mesnard und Desfeuilles (13. Bde., 1873-1900); Übersetzungen von Graf von Baudissin (4 Bde., 1865-67), Fulda (Auswahl, 3. Aufl. 1901). – Biogr. von Lotheißen (1880), Mahrenholtz (1882), Moland (franz., 1886), Larroumet (1886), Mesnard (1889), Schneegans (1901).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 201. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001363344