Minutenopern

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Minutenopern (Opéras-minute)

Gedichtform in dem Band Opéras-minute von Fréderic Forte (2005).


Dagmara Kraus schreibt: „Wünschte Lichtenberg sich in seinen Sudelbüchern noch, ‚einen Finder zu erfinden für alle Dinge‘, hat Fréderic Forte mit seinen Opéras-minute (2005) einen ebensolchen Finder erfunden: wenngleich nicht für ‚alle Dinge‘, so doch für ein ganzes Konzeptbuch von (Bild-)Gedichten, die sich aus einer einzigen, fundamentalen Textproduktionsregel bzw. ‚contrainte‘ generieren, der Titel gebenden ‚Minutenoper‘.

Seit Erscheinen des Bandes Mitglied bei Oulipo, umreißt Forte seinen ‚Finder‘ in einem ereignispartiturhaften Kurztext wie folgt: ‚Auf einem Blatt einen einfachen vertikalen Strich von der Länge 7,62 cm ziehen, der ‚Szene‘ und ‚Kulissen‘ trennt. Sich dazu zwingen, durch das konstante Spiel von Variationen das Potential des so definierten typographischen Raums in 110 Minutenopern zu erforschen. In der zweiten Hälfte des Buches 55 verschiedene feste poetische Formen (etwa Haiku, Quintine, Lai, Algol-Gedicht oder perfektes Rondeau) ‚als Minutenopern fixieren‘.‘

Die wesentlich musikalische Idee der Minutenoper bestimmt mithin durchgängig Gestaltung und lnhalt des Buches. Die Kapiteltitel ausgenommen, spielt sich die poetische Handlung auf jeder Seite in verschiedenen, manchmal osmotischen Konstellationen links und rechts des linearen Vorhangs ab. Zu der strengen Zweiteilung kommt hier und da noch ein kleiner Handlungraum hinzu, ein im etymologischen Sinn obszönes Moment des Textes, ein Off, eine Art Orchestergraben in Miniatur. Unter den contraintes, die sich innerhalb einer Minutenoper umsetzen lassen, finden sich zahlreiche oulipotische Glanzstücke verschiedener Autorschaft wie die Grangaudsche Anagrammsestine (poteau) [(Pfeiler)], die zugleich eine der größten übersetzerischen Herausforderungen des Bandes darstellt."

In: Schreibheft 88/2017, S. 194