Meister Eckhart

Aus Lyrikwiki



Meister Eckhart (auch Eckhart von Hochheim; * um 1260 in Hochheim oder in Tambach; † vor dem 30. April 1328 in Avignon)


Brockhaus 1911

[478] Eckart, gen. Meister E., Mystiker, geb. um 1260 wahrscheinlich in Straßburg, Dominikaner, 1303-11 Ordensprovinzial für Sachsen, 1316 Vikar oder Ordensmeister zu Straßburg, dann Prior in Frankfurt a. M., seit etwa 1325 in Köln, wegen ketzerischer Ansichten angeklagt, 1327 durch bedingten Widerruf freigesprochen; erst nach seinem Tode 1329 verdammt. In seinen zahlreichen Schriften (eine Anzahl hg. von Pfeifer, 1857, mystische Schriften, deutsch 1903) und Predigten forderte er als Grundbedingung sittlich-religiösen Lebens das »Eins werden« mit Gott. – Vgl. Lasson (1868).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 478. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001066730


Meyers 1906

[354] Eckart (Eckehart, Eckhard), deutscher Mystiker, bekannt als Meister E., geb. um 1260 zu Hochheim bei Gotha, Dominikaner, war 1303–11 nach längerm Aufenthalt in Paris Provinzial seines Ordens für Sachsen, seit 1312 als Prediger, zeitweise in Straßburg (nicht in Frankfurt) tätig und 1325 Lesemeister am Studienhaus der Dominikaner zu Köln. Seit 1326 ward E. Gegenstand der Verdächtigungen und Klagen seines Erzbischofs, die sich auf die Beschuldigung pantheistisch gerichteter Mystik gründeten. In der Tat bewegten sich Eckarts mit paradoxer Kühnheit ausgedrückte Gedanken in einer Nichtung, die sie als denen der häretischen Mystiker verwandt erscheinen lassen konnten. E. selbst protestierte 13. Febr. 1327 öffentlich gegen solche Auslegung. starb aber bald darauf. 26 seiner Sätze wurden 27. März 1329 von Papst Johann XXII. verurteilt. E. ist der geisteskräftigste und trotz der besonders in seinen lateinischen Schriften deutlichen Anlehnung an Thomas von Aquino selbständigste unter den deutschen Mystikern. Seine deutschen Schriften gaben Pfeiffer (»Deutsche Mystiker des 14. Jahrhunderts«, Bd. 2, Leipz. 1857) und Jostes (Freib., Schweiz, 1895) heraus; einen Teil der lateinischen Denifle, dessen Arbeit: »Meister Eckarts lateinische Schriften und die Grundanschauung seiner Lehre« (im »Archiv für Literatur- u. Kirchengeschichte des Mittelalters«, 1886) der Forschung neue Wege gewiesen hat. Hochdeutsche Übertragungen veröffentlichten G. Landauer (»Meister Eckarts mystische Schriften«, Berl. 1903) und Büttner (Leipz. 1903 f.). Vgl. außerdem Lasson, Meister E. (Berl. 1868); Jundt, Essai sur le mysticisme spéculatif de Maître E. (Straßb. 1871); Preger, Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter (Bd. 1, Leipz. 1874).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 354. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000652771X


Eisler 1912

[147] Eckhart (Eckehard), Johann, geb. um 1260 bei Gotha, wurde Dominikaner, studierte in Köln und Paris, lehrte dort mit Unterbrechungen, auch in verschiedenen Städten Deutschlands, wurde 1307 Generalvikar, war von 1325 an in Köln, wegen seiner Lehren von der Kirche verfolgt; gest. 1327.

E. ist der bedeutendste christliche Mystiker. Vom Neuplatonismus, von Augustinus, Dionysius Areopagita u. a. beeinflußt, auch scholastische Lehren benutzend, will er den Inhalt des Glaubens nicht antasten, sondern vertiefen und lebendig zu Gemüte führen. Das Höchste ist ihm die Vereinigung der Seele mit Gott, die Schauung Gottes durch Versenkung in die Tiefen der eigenen Seele, in der sich für den, der sich von den Schranken des Ichs geistig losmacht, Gott selbst offenbart. Unser Erkennen Gottes ist Selbsterkenntnis Gottes in uns, welche erfolgt, wenn wir uns von aller Vielheit und Körperlichkeit abscheiden, um in der Schauung Gottes zu ruhen. Durch ein Nichtwissen erkennen wir Gott (vgl. Nicolaus Cusanus); wir müssen uns aufgeben, ersterben, in die »Abgeschiedenheit« gehen, um mit Gott eins zu werden (Ekstase). Dann wird Gott in unserer Seele geboren, nur er ist und wirkt in uns und wir sind vergöttlicht. Die Seelenkraft, welcher dies gelingt, nennt E. das »Fünklein«, in Erinnerung an die »scintilla«, als welche die »Synteresis« bei den Scholastikern (s. Albert) bezeichnet wird. Dieses »Licht« der Seele macht ihr die Zeit zur Ewigkeit, geht über alles diskursive Erkennen als Einheitsschauen hinaus.

Der Begriff Gottes und dessen Verhältnis zur Welt hat bei E. trotz alles Christentums und trotz des Festhaltens an der Dreieinigkeit zuweilen eine Wendung ins Pantheistische (oder Panentheistische). Persönlichkeit hat Gott nicht als die vor der Welt über alle Gegensätze erhabene »Gottheit«, sondern erst im und mit dem Akte der (ewigen, zeitlosen) Schöpfung. Die Gottheit, die »ungenaturte Natur«, ist vor der Schöpfung im Nichts das Nichts, sich selber unbekannt. Gott ist nichts von dem, was existiert, und zugleich die Allheit des Seins, das Sein aller Dinge, in allen Dingen »weselich«, »würkelich«. Erst in der »genaturten Natur« kommt Gott zum Bewußtsein seiner selbst, wird er sich als Dreieiniger selbst offenbar, indem er durch die Liebe (den heil. Geist) sich (als Vater) mit sich selbst (als Sohn) ewig zusammenschließt.[147]

Gottes zeitloses Schaffen ist ein Gebären seines Sohnes, der ein Wort und ein Bild des Vaters ist. Gott ist in allen Dingen wie in den Seelen, in denen er sich selbst gebiert, in allein liebt er sich selbst, indem er alle Kreaturen liebt, die alle nach ihm streben. Ohne Bezug auf Gott sind die Dinge, deren Urbilder (Ideen) ewig in Gott waren, nichts, ohne Wesen; ohne die Welt war die Gottheit nicht Gott. Die Selbstentfaltung Gottes ist also zugleich der (zeitlose) Prozeß der Weltentstehung, und wie Gott in seiner Dreiheit immer wieder sich als Einheit zusammenfaßt, zu sich zurückkehrt, so kehrt alle Vielheit der Dinge zur Einheit und Ruhe in Gott zurück, strebt alles nach dem »Entwerden«, nach der Vergöttlichung.

In demütiger Liebe sich Gott hinzugeben, ist denn auch das rechte, sittliche Verhalten des Menschen; aus dieser lauteren Gesinnung, aus dieser Gottinnigkeit fließen dann von selbst die guten Werke, die nicht an sich wertvoll, aber auch nicht zu verachten sind. Die Seele des Menschen ist eine immaterielle »Form« des Leibes, ein »einfaltig« (einfaches) Wesen, die in Gott präexistierte und zu ihm zurückkehrt. Gott ist Mensch geworden, damit wir Gott werden, wie wir in Christus alle nur ein Mensch sind und unsere Seele in ihren Kräften das Abbild Gottes ist, besonders in ihrem vernünftigen Erkennen.

Schüler E.s sind Tauler, Suso, ferner der Verfasser der »deutschen Theologie« (14. Jahrh., von Luther entdeckt), Ruysbroek u. a.

Die deutschen Schriften E.s finden sich bei F. PFEIFFER, Deutsche Mystiker, Bd. II, 1857; 2. A. 1906. – Die lateinischen Schriften z. T. bei DENIFLE, Arch. f. Liter, u. Kirchengesch. d. Mittelalters II, 1886. – Meister E.s myst. Schriften, hrsg. von G. Landauer, 1903; hrsg. von H. Büttner, 1903 f. – Schriften und Predigten, hrsg. von Büttner, 1902 f. – Vgl. AD. LASSOS, Meister E., 1868.

Quelle: Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 147-148. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001820311