Labé, Louise

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Meyers 1908

[5] Labé, Louise, eigentl. Charly, genannt Labé, franz. Dichterin, geb. um 1526 in Parcieux (Ain) auf einem Gut ihres Vaters, der in Lyon Seiler war, gest. im März 1566 in Lyon, erregte frühzeitig durch ihre Schönheit, ihr Talent für fremde Sprachen und ihr kühnes, unerschrockenes Wesen die Bewunderung ihrer Zeitgenossen. Kaum 16 Jahre alt, nahm sie, als Kavalier verkleidet, unter dem Namen Kapitän Loys an der Belagerung von Perpignan teil (1542). Dann vermählte sie sich in Lyon mit Ennemond Perrin, dem Besitzer einer großen Seilerwerkstätte (daher sie la belle cordière genannt wird), und widmete sich nun der Dichtkunst und der Musik, für die sie ein ebenso großes Talent besaß. Ihr Haus war ein Sammelplatz der Dichter, Gelehrten und Künstler (Maurice Scève, Olivier de Magny u.a.); die Straße in Lyon, in der sie wohnte, heißt seit 1607 rue de la Belle Cordière. Ihre Gedichte (Sonette und Elegien), die den Einfluß Petrarcas zeigen, zeichnen sich durch echt lyrischen Schwung und eine seltene Reinheit der Sprache aus. Außerdem hat man von ihr eine reizende Allegorie in Prosa: »Le débat de Folie et d'Amour«. Die ersten Ausgaben ihrer Gedichte (Lyon 1555 u. ö.) sind jetzt sehr selten; die neueste (von Boy) erschien Paris 1887, 2 Bde. Vgl. Gonon, Documents historiques sur la vie et les mœurs de Louise L. (Lyon 1844); Laur, Louize L. (Straßb. 1873).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 5. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006963064


Damen Conversations Lexikon 1836

[247] Labé, Luise, die schöne Seilerin, eine durch Schönheit, Geist, Talente, Wissen und Großherzigkeit ausgezeichnete Frau, wurde 1527 zu Lyon geboren, erhielt frühzeitig Unterricht in der Musik, in mehreren Sprachen, ja sogar in männlichen, namentlich militärischen Uebungen, z. B. Reiten und Fechten. Abenteuerlich gestimmt, nahm sie in jener Zeit, die noch den Romantismus im Leben auf vielfache Weise begünstigte, als zartes Mädchen Kriegsdienste und wohnte 1543 unter dem Namen Capitain Loys der Belagerung von Perpignan bei, wo sie sich durch Muth und Unerschrockenheit vielfältig auszeichnete. Bald verließ sie jedoch das kriegerische Treiben und widmete sich ganz den Wissenschaften. Ihre Schönheit und ihr Geist fesselten bald das Herz eines sehr reichen Seilers, Perrin, der sie zu seiner Gattin wählte. Von jetzt an wurde ihr Haus der Sammelplatz aller schönen Geister, die den Talenten und der Schönheit der modernen Sappho huldigten. Luise glänzte als Dichterin; in Elegien und Sonetten besang sie die Liebe jener Zeit, deren Beimischung Galanterie und seine Frivolität war Sie, die Göttin des Tages, der Alles huldigend zu Füßen lag, zog sich schon dadurch den Haß und Neid der Frauen Lyons zu, und so[247] kommt es, daß einige der gleichzeitigen Schriftsteller ihren Lebenswandel als moralisch, andere wieder als unzüchtig schildern. Aus ihren Poesien selbst spricht zwar eine Frivolität, die jedoch mehr dem Zeitalter, als der Individualität zur Last gelegt werden kann. Gewiß ist, daß die Größten ihrer Zeitgenossen Luise Labé als eine Frau von außerordentlichen Talenten und von blendendem Liebreiz, ehrten und liebten, daß sie talentvolle Männer durch Schriften und Bildnisse feierten, daß man ihr zu Ehren die Straße, worin sie wohnte, mit ihrem Namen belegt. Ueber alle Beschreibung reizend soll Luise gewesen sein, wenn sie die von ihr gedichteten Lieder mit schöner, seelenvoller Stimme zur Laute sang. Dieß Gemisch von Anmuth und Hochherzigkeit, von Schwärmerei und Kraft, mußte diese Frau als eine außerordentliche Erscheinung gelten lassen; daß sie Kokette wurde, lag in ihrer eigenthümlichen Stellung, wie in der Zeit und der damaligen Gesittung. Ihr Todesjahr ist unbekannt; wahrscheinlich starb sie in der Blüthe ihrer Jahre und trat so vom Schauplatze der Welt ab mitten in ihrer Glanzperiode. Eine Sammlung ihrer Schriften erschien 1555. –i–

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 247-248. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001744577


Pierer 1860

[944] Labé, Luise Charly, genannt Dame Perrin, geb. 1526 in Lyon, wurde sorgfältig erzogen, lernte Griechisch, Lateinisch, Italienisch u. Spanisch u. übte sich zugleich im Reiten, Fechten etc.: sie nahm als Mann verkleidet Militärdienste, focht 1543 unter den französischen Fahnen in Spanien u. machte sich hier, kaum 16 Jahre alt, als Capitän Loys bekannt. Zurückgekehrt nach Frankreich, verheirathete sie sich in Lyon an Ennemond Perrin, Besitzer einer großen Seilerwerkstätte daher La belle Cordière [die schöne Seilerin] genannt. Ihr Hans wurde, nach dem schnellen Tode ihres Gatten, ein Sammelplatz der schönen Geister u. Gelehrten, von denen einige ihre Gunst genossen; sie st. 1566 in Lyon. Man hat von ihr 3 Elegien, 24 Sonette (das erste italienisch) u. ein Drama: Débat de la folie et de l'amour (welches Lafontaine den Stoff zu einer seiner schönsten Fabeln gab); Poetische Werke, Lyon 1555, Brest 1815, Lyon 1845, Par. 1853.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 944. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010298606