Lützen
Brockhaus 1838
[788] Lützen, dessen Name durch zwei Schlachten, im dreißigjährigen und im Befreiungskriege gegen Napoleon, merkwürdig geworden ist, ist ein kleines Städtchen im Regierungsbezirk Merseburg der preuß. Provinz Sachsen, mit 1480 Einw. Die erste Schlacht fiel am 16. Nov. 1632 vor. Gustav Adolf (s.d.) hörte, als er vor der Veste Ingolstadt lagerte, daß Wallenstein in Sachsen eingefallen sei. Um nicht von der Ostsee abgeschnitten zu werden, brach er also sogleich aus Baiern auf und eilte mit 27,000 M. dem Kurfürsten Johann Georg, seinem Bundesgenossen, zu Hülfe. Er zog rasch bis Naumburg, um sich bei Grimma mit dem Kurfürsten von Sachsen und dem Herzog von Lüneburg zu vereinigen, da sein Heer sich seit Sept. 1631 bedeutend verringert hatte, gab diese Verbindung aber auf, als er erfuhr, daß Pappenheim nach Halle gegangen und Wallenstein's Heer zwischen Lützen und Weißenfels zerstreut einquartiert sei, und zog sogleich gegen Letztern. Wallenstein, von dem Anmarsch des Königs benachrichtigt, zog sogleich seine Truppen zusammen und berief Pappenheim. So ordnete er denn am 15. Nov. sein 40,000 M. starkes Heer zur Schlacht zwischen Lützen und dem Floßgraben, bis wohin sich der linke Flügel erstreckte. In einer Entfernung von 1000 Schritt gegenüber war die schwed. Schlachtlinie in zwei Treffen aufmarschirt. Der linke Flügel reichte bis L., der rechte, den der König selbst anführte, über den Floßgraben hinaus. Zwischen den Fronten beider Heere zog sich die große leipziger Straße hin. Der 16. Nov. brach unter einem dichten Nebel an, in dem schon einzelne Reitergeschwader kämpften, als die Schweden Luther's Lied: »Eine feste Burg ist unser Gott u.s.w.«, anstimmten. Um 10 Uhr endlich brach die Sonne durch den Nebel und eine halbe Stunde darauf gab Gustav das Zeichen zum Angriff. Als zuerst das schwed. Fußvolk wich, stellte sich Gustav, vom Pferde springend, an die Spitze desselben, rief: »Schweden, wo ist euer Muth? Vorwärts! Vorwärts!« schritt voran, und die Weichenden begannen aufs Neue den Kampf. Mann focht nun gegen Mann; eine Abtheilung der Reiterei brach nach und sprengte die kaiserl. Quarrés. Doch bald mußte jene wieder den Holk'schen Kürassieren weichen und Wallenstein trieb sie vollends mit dem wiedergeordneten Fußvolke bis an den Rand des Grabens zurück. Allein jetzt stürzten sich die schwed. Schwadronen auf Wallenstein's Reiter und in Kurzem schien der Sieg auf der Seite der Schweden. Der linke Flügel derselben jedoch begann zu weichen und Gustav, den seinigen Kniphausen, der die Mitte befehligte, übergebend, eilte jenem zu Hülfe. Auf einmal sah man des Königs Pferd ohne seinen Herrn, mit blutbedecktem Sattel, daherrennen. Herzog Bernhard sendete sogleich 100 Reiter aus, den König zu suchen und verkündete laut, daß dieser gefangen sei. Die Schweden kämpften nun wie Verzweifelnde, und der Sieg schien entschieden, als Pappenheim mit frischen Truppen ankam. Es begann eine neue Schlacht, in der Pappenheim fiel. So kämpfte man mit wechselndem Glück auf beiden Seiten fort, bis ein dichter Abendnebel der Schlacht ein Ende machte. Herzog Bernhard zweifelte an dem Siege und wollte sich nach Weißenfels zurückziehen, als Wallenstein selbst nach Leipzig in tiefer Nacht aufbrach, und Bernhard sah sich am Morgen als Sieger. Wallenstein zog sich nach Böhmen zurück. Die Beute der Schlacht, die neun Stunden gedauert und beiden Theilen 9000 Todte gekostet hatte, blieb den Schweden. Den König fand man entkleidet und von den Hufen der Pferde fast bis zur Unkenntlichkeit, unweit des bekannten großen Steins an der leipziger Straße. Die nähern Umstände seines Todes bleiben in Dunkel gehüllt. Doch scheint die Sage ungegründet, daß er durch Verrätherei und Rache gefallen sei. Die Folge dieser Schlacht war, daß Sachsen eine Zeit lang von den Erpressungen befreit blieb, die ihm Holk und Gallas auferlegt hatten, welche seit drei Monaten außerdem noch Alles verwüsteten.
Die zweite Schlacht bei Lützen geschah im Befreiungskriege 1813 am 2. Mai. Sie fiel eigentlich bei dem südl. von L. gelegenen Dorfe Groß-Görschen vor und war das erste gewaltige Zusammentreffen der nun vereinigten russisch-preuß. mit der von Napoleon neugeworbenen Streitkraft. Die gegen Ende des April über den Thüringerwald kommenden franz. Colonnen erreichten am 28. Apr. Naumburg; der Vicekönig von Italien nahm gleichzeitig Merseburg. Die russ. Vorposten zogen sich von Weißenfels und L. hinter die Elster, und die Hauptarmee der Verbündeten sammelte sich bei Leipzig. Diese überschritten am 2. Mai Vormittags den Fluß bei Pegau und marschirten im Süden L.'s gegen die rechte Flanke der franz. Marschcolonne auf. General Kleist wurde befehligt, mit 5000 M. den Posten bei Lindenau einzunehmen und dadurch Leipzig als Rückhalt der Verbündeten zu sichern; 12,000 M. Russen blieben in Zeitz zur Deckung der andern Seite. Der Übergang der Verbündeten über die Elster wurde durch Napoleon's Massen, die schon weiter auf der Straße nach Leipzig vorgerückt waren, und durch die größere Nähe des Vicekönigs, als man glaubte, wodurch Kleist mit einer dreimal stärkern Avantgarde in ein nachtheiliges Gefecht gerathen war, verzögert. Dadurch gelangte der Feind schon etwas gegen die Flanke und den Rücken der Verbündeten. Wittgenstein, der Oberbefehlshaber der Verbündeten, der das Ney'sche Corps, welches hinter den Dörfern Starfiedel, Kaja, Rana, Görschen bivouaquirte, für die feindliche Avantgarde hielt, ordnete demgemäß die Schlacht an und die Dörfer wurden wechselsweise genommen und verloren. Napoleon's Heranziehen immer neuer Streitkräfte brachte zwar ein Wanken in Wittgenstein's Anordnungen, doch wurde das franz. Centrum erschüttert; es begann zu weichen. Jetzt ließ Napoleon 80 Stück Geschütz auf Einen Fleck auf den bedrohten Punkt bringen und 16 Bataillone der Garde auf die Höhen hinter Kaja losstürmen. Zugleich wurde die rechte Flanke der russ. Garde von Eugen mit 30,000 M. von Markranstädt frisch angekommener Truppen hart bedrängt und ein wüthender Kampf begann. Die Dörfer zunächst dem Hauptgefecht fielen wieder in die Hände der Franzosen. Die Russen und Preußen wichen nur Schritt vor Schritt, kaum konnten die Franzosen in die Stellung vordringen, die sie am Morgen inne gehabt hatten. Da trat die Nacht ein. Bald hätte Blücher Napoleon gefangen genommen, der sich hinter den Quarrés seiner Garde befand, von denen jener nur noch 200 Schritte[788] mit seiner Reiterei entfernt war, wenn nicht die Dunkelheit daran gehindert hätte. So behaupteten jetzt beide Theile ohngefähr dasselbe Terrain, wie vor der Schlacht, und der Sieg blieb unentschieden. Die Verbündeten traten den Rückzug nach Dresden an und Napoleon gelangte dadurch bis zum 10. Mai in den Wiederbesitz Sachsens und der Elbe. Von 69,000 M. Preußen und Russen blieben 10,000, und von 102,000 M. Franzosen 15,000 Todte und Verwundete auf dem Schlachtfelde zurück. Blücher und Hünerbein waren verwundet, Prinz Leopold von Hessen-Homburg blieb und General Scharnhorst starb bald darauf an den hier erhaltenen Wunden.
Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 788-789. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000841846
Herder 1856
[43] Lützen, preuß. Städtchen im Reg.-Bez. Merseburg in der großen sächs. Ebene, mit 1900 E., berühmt durch 2 mörderische Schlachten. In der ersten am 16. Nov. 1632 blieb Gustav Adolf gegen Wallenstein, in der 2. am 2. Mai 1813 siegte Napoleon über das russ.-preuß. Heer u. gewann dadurch Sachsen und das Uebergewicht im Felde, welches er erst durch das Auftreten der österr. Streitkräfte wieder verlor.
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 43. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003419991
Pierer 1860
[631] Lützen, Stadt im Kreise u. Regierungsbezirk Merseburg der preußischen Provinz Sachsen; Schloß; 1970 Ew. Hier Schlacht am 6. Nov. 1632 zwischen den Schweden unter Gustav Adolf u. den Kaiserlichen unter Wallenstein, Erstere siegreich, doch fiel ihr König (s. Dreißigjähriger Krieg V.) Auch die Schlacht von Großgörschen (s.u. Görschen) am 2. Mai 1813 wird Schlacht v. L. benannt. Eine Viertelstunde nordöstlich von L. an der Chaussee nach Leipzig steht ein gothisches Denkmal aus Gußeisen, Gustav Adolf von Schweden zu Ehren, über dem sogenannten Schwedenstein (bei welchem Gustav Adolf aber nicht fiel, sondern welcher schon seit mehren Jahrhunderten unweit des Floßgrabens liegend. erst nach dem Tode des Königs an die Stelle gewälzt wurde, wo die Leiche gefunden worden war) am 6. Novbr. 1837 errichtet. Vgl. Vincke, Die Schlacht bei L., Berl 1832.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 631. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010373942
Meyers 1908
[881] Lützen, Stadt im preuß. Regbez. und Kreis Merseburg, unweit des Floßgrabens, an der Staatsbahnlinie Plagwitz-Lindenau-Rippach-Poserna, hat eine alte evangelische und eine kath. Kirche, ein schönes Rathaus mit einer Statue Gustav Adolfs von Schweden, ein Denkmal des Kaisers Wilhelm I., ein altes Schloß, Waisenhaus, Amtsgericht, Zuckerfabrik, Dampfmolkerei und (1900) 3838 meist evang. Einwohner. – L., an der seit 1300 wichtigen Straße Erfurt-Weißenfels-Leipzig gelegen, ist denkwürdig durch eine Hauptschlacht des Dreißigjährigen Krieges 16. (6.) Nov. 1632 zwischen den Schweden unter Gustav Adolf und den Kaiserlichen unter Wallenstein. Von Nürnberg war Wallenstein, von Gustav Adolf verfolgt, nach Sachsen aufgebrochen. Der König lagerte bei Naumburg, rückte aber auf die Kunde, daß Wallenstein Pappenheim nach Halle geschickt habe und von Weißenfels nach L. zurückgewichen sei, ihm 15. Nov. nach. Wallenstein rief daraufhin Pappenheim zurück und stellte sich nördlich von der nach Leipzig führenden Straße mit der Front nach Süden so auf, daß sich die Reiterei auf dem rechten Flügel unter Holk an L., auf dem linken unter Gallas an den Floßgraben lehnte. Die Schweden rückten am Morgen des 16. Nov. in zwei Treffen von der Rippach gegen die Kaiserlichen vor. Sie zählten etwa 14,000 Mann, die Kaiserlichen ohne Pappenheim 12,000 Mann. Durch eine Linksschwenkung kam der rechte Flügel der Schweden an den Floßgraben, der linke dicht an L. zu stehen; unter heftigem Artilleriefeuer der Kaiserlichen überschritt der König die Straße, kam gegen Mittag an den Feind, und nun begann die eigentliche Schlacht.
Den rechten Flügel führte Gustav Adolf selbst, um Wallenstein am Vormarsch auf Leipzig zu hindern, und warf die Kaiserlichen allmählich zurück; Pappenheim traf mit seiner Reiterei ein und griff sofort an, wurde jedoch tödlich verwundet; Octavio Piccolomini aber mit zwei Regimentern hielt dem Angriff des blauen und des gelben Regiments mit unerschütterlicher Tapferkeit stand. Gustav Adolf führte ein neues Regiment vor; in dem von neuem hereinbrechenden Nebel entstand ein furchtbares Handgemenge, in dem der König selbst tödlich getroffen zu Boden sank. Über seiner Leiche tobte der Kampf weiter. Die Schweden, zur Wut entflammt, fochten unter Herzog Bernhard und General Kniphausen; mit größter Erbitterung und Entschlossenheit wurde von beiden Seiten gekämpft, bis die Nacht hereinbrach. Herzog Bernhard drängte endlich die Kaiserlichen zurück, deren Reiterei sich zur Flucht wandle, während die Infanterie noch standhielt. Wallenstein, selbst verwundet, brach die Schlacht ab; Pappenheims Fußvolk, das noch am Abend eintraf, deckte seinen Rückzug nach Leipzig, den er mit Hinterlassung mehrerer Geschütze antrat. Die Schweden lagerten die Nacht auf der Walstatt, gingen aber 17. Nov. nach Weißenfels zurück. Einen entscheidenden Sieg hatten sie nicht erfochten; der moralische Gewinn der Behauptung des Schlachtfeldes wurde durch den Verlust des Königs mehr als aufgewogen. Seine Leiche wurde unweit eines großen Feldsteins unter einem Haufen von Toten, von den Hufen der Pferde fast bis zur Unkenntlichkeit zertreten, gefunden. Lange erhielt bloß dieser sogen. Schwedenstein das Andenken an den König; aber infolge der Gedächtnisfeier des Sieges 1832 wurde über dem Stein ein gotisches Denkmal von Gußeisen errichtet. In einem Privatmuseum zu L. befinden sich zahlreiche Erinnerungen an die Schlacht. Vgl. Vincke, Die Schlacht bei L. am 6. Nov. 1632 (Berl. 1832); G. Droysen, Die Schlacht bei L. (»Forschungen zur deutschen Geschichte«, Bd. 5, Göttingen 1862); »Gedruckte Relationen über die Schlacht bei L.« (1. Heft der »Materialien zur neuern Geschichte«,[881] Halle 1880). – Eine zweite Schlacht bei L. 2. Mai 1813 wird richtiger nach dem südlich von L. gelegenen Dorf Großgörschen benannt. Weiteres s. Großgörschen.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 881-882. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007026870
Brockhaus 1911
[96] Lützen, Stadt im preuß. Reg.-Bez. Merseburg, (1905) 3986 E., Amtsgericht, altes Schloß; hier 16. Nov. 1632 Sieg Gustav Adolfs (welcher fiel) über Wallenstein; auch die Schlacht bei Großgörschen (s.d.) wird oft Schlacht bei L. genannt.
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 96. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001320688