Kurland

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Kurland (lettisch Kurzeme) ist neben Semgallen (Zemgale), Zentral-Livland (Vidzeme) und Lettgallen (Latgale) eine der vier historischen Landschaften von Lettland. https://de.wikipedia.org/wiki/Kurland


Damen Conversations Lexikon 1836

[242] Kurland. Die zunächst an Preußen grenzende Provinz von Rußland, ein fast ganz ebenes Ostseeland, fruchtbar und reich[242] an Getreide, Wiesen, Heerden an Waldungen und Wild, nicht stark bevölkert, doch überaus gut angebaut und Handel treibend mit Getreide, Hanf, Flachs, Holz, Talg, Honig, Butter, Käse etc., aber nicht mit Fabriken und Manufakturen hinreichend versehen. Die Hauptstadt der ganzen, 500 Quadrat M. großen und von 600,000 M. bewohnten Statthalterschaft ist Mitau (s. d.). Die Bewohner sind Deutsche, Liven, Polen und Juden; die herrschende Sprache ist die deutsche. Kurland gehörte in früherer Zeit dem deutschen Orden, hatte seit 1561 eigene Herzoge und unterwarf' sich 1795 dem russischen Scepter. V.

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 242-243. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001744488


Brockhaus 1838

[684] Kurland ist eine russ. Statthalterschaft, welche 473 ⧠M. mit 600,000 Einw. umfaßt und zwischen dem rigaischen Meerbusen, Liefland, Witepsk, Wilna und der Ostsee liegt, eine von Hügeln durchzogene Ebene bildet und reich an Waldungen, Sümpfen und Seen ist. Die Düna bildet die Nordgrenze und außer ihr hat K. noch die Küstenflüsse Windau und Aa. Der Boden ist größtentheils fruchtbar und bringt Holz, Hanf, Flachs, Getreide, Eisen und Torf. An den Küsten wird Fischerei, im innern Lande Bienen- und Viehzucht getrieben. Das Klima ist zwar rauh, aber gesund, und die Einwohner sind Liven, Deutsche, Polen und Juden. In K. und Liefland herrschte früher der deutsche Orden, bis der letzte Heermeister, Gotthard Kettler, 1561 Liefland abtrat, K. aber als in seiner Familie erbliches Herzogthum von der Republik Polen zu Lehn nahm. Seine Nachkommen herrschten bis 1737, wo dieselben ausstarben. Die Witwe des vorletzten Herzogs, Anna, hatte 1730 den russ. Thron bestiegen und brachte es 1737 dahin, daß ihr Günstling und Oberkammerherr, der Graf Ernst Johann von Biron, zum Herzoge gewählt wurde. Nach Anna's Tode wurde 1740 Biron nach Sibirien verwiesen und nun wurde erst der Herzog Ludwig Ernst von Braunschweig, dann, weil diesen Polen nicht anerkannte, der poln.-sächs. Prinz Karl zum Herzog gewählt. Die russ. Kaiserin Katharina II. setzte jedoch den aus Sibirien zurückgerufenen Biron 1763 wieder zum Herzog ein, der darauf auch von Polen anerkannt wurde und 1769 die Regierung seinem Sohne Peter überließ. Die poln. Revolution drohte sich auch auf K. auszudehnen und der kurländ. Adel, um einen festen Schutz für seine Vorrechte zu erlangen, beschloß 1795 auf einem Landtage, K. unbedingt an Rußland zu übergeben. Der Herzog Peter hielt sich in Petersburg auf und erfuhr hier durch eine Deputation den Beschluß der Stände [684] Da sein einziger Sohn 1790 gestorben war und er nur noch vier Töchter besaß, so unterzeichnete er zu Petersburg die Abtretungsurkunde an Rußland, indem eine Seitenlinie seines Hauses, welcher noch jetzt die Standesherrschaft Wartenberg in Schlesien gehört, durch eine jährliche Rente von 36,060 Thlr. abgefunden wurde. Durch einen kais. Ukas wurde 1817 die Urkunde bestätigt, durch welche der kurländ. Adel den Bauernstand in K., welcher bisher wie in Polen in der Leibeigenschaft schmachtete, für frei erklärte. – Die Hauptstadt von K., Mitau, zählt 16,000 Einw., von denen die Mehrzahl Deutsche sind. Der seit 1822 vollendete Jakobskanal versorgt die Stadt mit Wasser. Sie enthält mehre wissenschaftliche Anstalten, namentlich, welches zugleich von dem ganzen Lande gilt, ausgezeichnete Schulen. Außerdem sind noch die Hafenplätze Windau und Libau von Wichtigkeit.

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 684-685. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000839396

Herders 1855

[677] Kurland, ehemaliges Herzogthum, jetzt eine der russ. Ostseeprovinzen, zwischen der Ostsee, Livland, Witepsk und Wilna, 495 QM. groß mit 572000 E.; der Adel und der Bürgerstand bestehen fast gänzlich aus Deutschen, der Bauernstand aus Kuren, lettischen Stammes. Das Land ist ganz eben, hat viele Wälder, Moräste und Seen, rauhes Klima, ist aber doch fruchtbar an Getreide, Hanf und Flachs, welche auch die Hauptausfuhr bilden; an Mineralien findet sich Bernstein u. Raseneisen; Hauptstadt ist Mitau. – K. u. Semgallen wurde im 13. Jahrh. von dem Deutschorden (Schwertrittern) erobert und colonisirt; im 16. Jahrh. machte der Heermeister, ein Kettler, K. protestantisch u. zum erblichen Fürstenthum, 1560 wurde es poln. Lehen, fand aber in diesem Verhältniß doch keinen Schutz, indem es beständig zwischen Polen und Schweden strittig war. Mit Rußlands Uebermacht änderte sich die Lage schnell; Peter I. vermählte den Herzog Friedrich Wilhelm mit seiner Nichte Anna; nach seinem Tode ließ diese, die russ. Kaiserin geworden war, ihren Günstling Biron wählen und 1795 beantragte der Adel selbst die Einverleibung mit Rußland. K. behielt gewisse Privilegien, in neuester Zeit hat indessen die russ. Regierung die Garantie der protestantischen Religion durch massenhafte Proselytenmacherei unter den Bauern umgangen.

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 677. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003406202


Pierer 1860

[919] Kurland, russisches Gouvernement, eine der sogenannten Ostseeprovinzen, bisweilen auch wohl nach seiner Hauptstadt: Gouvernement Mitau (lettisch Jelgawa) genannt; war ehemals das Herzogthum K. u. Semgallen u. grenzt im Osten an die Ostsee, im Norden an Livland u. Witebsk, im Osten an das Gouvernement Minsk u. im Süden an das Gouvernement Wilna u. an Preußen; das Gouvernement umfaßt 4971/4 QM.; ist meist eben (höchster Punkt der Hügel Kreewe-Kales bei Schloß Amboten, 600 Fuß hoch), an den Küsten zum Theil mit Dünen umgeben, im Ganzen fruchtbar; Flüsse: die Düna, Bulderaa, Windau, Heilige Aa u.a.; Seen gibt es über 300, meist im westlichen Theile; die beträchtlichsten sind: der Warnowizische, Rhizas, Garten, Ilsen, Minnauka, Weesicht, der Angernsche (der größte), der Usmaitensche (13/5 QM.), mit vier Inseln, Pussen, Durben, Tosmar, Libausche, Papensee u.a.; Mineralquellen gibt es in den beiden benutzten Schwefelquellen auf den Gütern Baldohn u. Barbern, außerdem noch Eisenquellen im Selburger Kreise; trotz der vielen Seen, unzugänglichen Sümpfe u. Moosbrüche ist das Land doch fruchtbar; das Klima ist im Ganzen rauh, nebelig, feucht u. unbeständig; der Winter dauert vom November bis März u. ist sehr kalt; einen mildernden Einfluß übt das Meer auf die Temperatur. Man baut auf leicht zu bearbeitendem Boden Korn u. anderes Getreide, weniger Gemüse u. Obst, sehr reichlich Flachs u. Hanf, die Wälder bringen viele Arten Beeren; Viehzucht nicht ausgezeichnet, die zum Theil undurchdringlichen Wälder nähren viel Raub-, Pelz- u. Speisewild (Bären, Wölfe, Elenthiere, wilde Schweine), die Gewässer viel Fische; von Mineralien gibt es etwas Sumpfeisen, Kalk, Gyps, Torf, auch Bernstein; Handel u. Fabriken sind noch unbedeutend; die Ausfuhr besteht lediglich in Landeserzeugnissen (Roggen, Leinsaat, Flachs, Holz, Häuten), die Einfuhr in Salz, Wein, Früchten etc.; Hafenorte sind. Libau u. Windau; Münzen, Maße u. Gewichte, s.u. Russisches Reich (Geogr.), vgl. Livland (Geogr.); die Zahl der Einwohner beträgt 550,000, meist Kuren, Stamm der Letten (s.d.), u. haben zum Theil große Vorrechte (freie Letten in fünf Dörfern, in dem einen heißen zwölf Bauern Kurische Könige), ferner Deutsche, Russen, Liven, Kewinnen, Juden, Zigeuner; die Lutherische Confession ist die herrschende, doch gibt es auch viel Katholiken. Der zahlreiche u. reiche Adel (aus Deutschland u. Polen abstammend) hat ansehnliche Vorrechte; die Leibeigenschaft der Bauern ist seit 1818 aufgehoben. Das alte Staatsrecht ist, als nicht gänzlich außer Anwendung, noch wichtig, vgl. Sammlung der Schriften in den Streitigkeiten zwischen den Herzögen von K. u. der Ritterschaft, Lpz. 1767, u. Fortsetzung, ebd. 1767; Schwarz, Bibliothek kurländischer Staatsschriften, Mitau 1799; Ziegenhorn, Staatsrecht von K., Königsb. 1772, Fol., u. Zusätze, Mitau 1776. Dagegen Heyking, Beantwortung u. Widerlegung, Lpz. 1777; Index corporis historico-diplomatici etc. Curoniae, Riga u. Dorp. 1833, Fol., 2 Bde.; Monumenta Livoniae, Sammlung zur Erläuterung der Geschichte K-s, Riga, Dorp u. Lpz. 1835, 2 Bde. Rechtspflege: Mit den deutschen Colonien ist Deutsches Recht nach K. eingewandert, u. neben dem Sachsenspiegel hat auch Römisches u. Kanonisches Recht sich dort geltend gemacht. Einheimische Rechtsquellen sind die Statuta curlandica (übersetzt von Birkel, Mitau 1804) u. Pitensia (vgl. Nettelbladt, Fascic. rer. curland. 1729 u. Anecd. curland., ebd.), doch fehlt ein System des Kurischen Rechts. Das allgemeine, am 31. Januar 1833 publicirte russische Gesetzbuch Swod Sakonow Rossijskoj Imperii, mit seinen jährlichen Fortsetzungen u. seit 1. Jan. 1835 gültig, sucht die möglichste Gleichmäßigkeit mit Rußland herbeizuführen; vgl. Bunge, Einleitung in das heutige kurländische Provinzialrecht, Dorp. 1824; Grundriß des heutigen kurländischen Privatlandrechts, ebd. 1825; Russisches Handelsrecht mit Rücksicht auf die Ostseeprovinzen, Riga 1829; Beiträge zur Kunde der lief- u. kurländischen Rechtsquellen, ebd. 1831; Das römische Recht in den Ostseeprovinzen, ebd. 1833; Bunge u. Madai, Erörterungen aus den in K. geltenden Rechten, ebd. 1840. Wappen: rother gekrönten Löwe in Silber; für das damit verbundene Semgallen ein vorschreitender Hirsch in Blau. Eintheilung in fünf Kreise: Goldingen, Hasenpot, Mitau, Selberg u. Tukkum; Hauptstadt: Mitau.

K. gehörte in den frühesten Zeiten zu Livland u. hatte mit diesem bis ins 16. Jahrh. gleiches Schicksal, s. Livland (Gesch.). Der Deutsche Orden od. vielmehr die seit Anfang des 13. Jahrh. hier ansässig gewesenen Schwertbrüder, die mit dem Deutschen Orden sich 1233 verbanden, gründeten daselbst das große Gutseigenthum mit der Leibeigenschaft. Als um 1560 die Russen ins Land einfielen u. der Orden sich nicht mehr zu helfen wußte, trat der letzte Heermeister, Gotthard Ketteler, Livland an den König von Polen, Sigismund August, als Großherzog von Lithauen, ab u. ließ sich dafür mit K. u. Semgallen als weltlichen Herzogthümern erblich belehnen. Der Herzog Gotthard führte nun die Reformation ein, gründete mehrere Kirchen u. bekannte sich 1587 zur Augsburgischen Confession. Ihm folgte sein ältester Prinz, Friedrich, der sich 1589 zu einer Theilung des Landes mit seinem Bruder Wilhelm entschloß, so daß er selbst zu Mitau, Wilhelm zu Goldingen seinen Sitz hatte. Beide geriethen aber bald in Mißhelligkeiten mit ihren Ständen, die sogar in offene Unruhen ausbrachen. Bes. machten zwei Brüder Nolden dem Herzog Wilhelm so viel Verdruß, daß, als sie mit königlich polnischem Geleitsbrief als königliche Commissarien zur Untersuchung gewisser Händel zwischen den Jesuiten u. der Stadt Riga nach Mitau kamen, Wilhelm sie in ihrer Herberge tödten ließ. Deshalb vertrieb der König den Herzog u. gab dessen Land an Friedrich, jedoch wurde Wilhelm, in Folge der Kriege mit Schweden, in denen K. sehr gelitten hatte u. Mitau zweimal, 1621 u. 1625, von den Schweden erobert worden war, 1632 wieder eingesetzt, ja nach dem Tode seines Bruders Friedrich 1639, der keinen Erben hinterließ, wurde er alleiniger Herzog von K., starb aber schon 1642, worauf sein Sohn Jakob das Herzogthum erbte. Dieser that viel für den überseeischen Handel Kurlands, erhielt 1647 von der Königin Christina von Schweden eine ewige Neutralität, brachte das Stift Pilten wieder[919] an sich u. erwarb von England die Insel Tabago. Überhaupt gedieh K. unter ihm u. konnten ein Heer von 14,000 Mann unterhalten. Von Schweden u. Mitau überfallen, wurde er aber gefangen u. erst durch den Frieden von Oliva, in dem er die Insel Runen u. einiges Gebiet jenseit der Düna abtrat, wieder frei; er st. 1682. Sein ältester Sohn, Friedrich Kasimir, bekam wieder Händel mit Polen über den Besitz des Stiftes Pilten, behauptete aber dasselbe. Ihm folgte 1698 Friedrich Wilhelm, geb. 1692, über dessen Vormundschaft die verwittwete Herzogin mit ihrem Schwager Ferdinand in Streit gerieth, der auch, von Peter unterstützt, die Regierungsangelegenheiten größtentheils in seine Gewalt bekam. In dem Nordischen Kriege trat der Vormund auf sächsische Seite, weshalb Karl XII. 1701 K. besetzte u. den Herzog Ferdinand nöthigte, nach Deutschland zu seiner Schwester, der Landgräfin Maria Amalie von Hessen-Kassel, zu fliehen. 1705 mußten die Schweden K. zwar wieder räumen, aber dafür überschwemmten es 20,000 Russen. Neue Hoffnungen gingen dem Lande durch die Vermählung des Herzogs mit der russischen Prinzessin Anna (s.d. 11), Tochter Iwans III. u. Nichte Peters d. Gr., auf; aber der junge Herzog hatte kaum sein Land zurückerhalten, als er 1711 auf der Rückreise von Petersburg starb. Die verwittwete Herzogin Anna blieb unter dem Schutze ihres Oheims, Peters d. Gr., noch eine Zeit lang Regentin u. nahm ihren Wittwensitz zu Mitau. Zwar trat ihres Gemahls Oheim, Herzog Ferdinand, die Regierung an, aber er lebte fortwährend im Auslande. Als er die Gutshoheit des kurländischen Adels verletzte, ordnete der polnische Oberlehnshof eine Landesverwaltung an, deren letzte Absicht war, K. nach dem Tode des kinderlosen Ferdinand als ein eröffnetes Lehn förmlich mit Polen zu vereinigen. Dagegen hielten die kurländischen Stände 1726, gegen das Verbot der Regierung, einen Landtag u. erwählten auf demselben den natürlichen Sohn des Königs von Polen, den Grafen Moritz von Sachsen, zum Herzog. Aber diese Wahl, die ohnehin wider die Verfassung war, blieb ohne Wirkung. Auf einem Reichstage zu Grodno 1727 wurde die Vereinigung Kurlands mit Polen nachdem Tode Ferdinands von Neuem decretirt, u. der Graf Medem, der nach Warschau geschickt worden war, um gegen diesen Beschluß zu protestiren, wurde als Aufrührer verhaftet. Dies bewog Moritz von Sachsen, der mit einer geringen Mannschaft nach Mitau gekommen war, K. wieder zu verlassen. Dagegen vermählte sich der 75jährige Herzog Ferdinand 1730 mit einer Prinzessin von Sachsen-Weißenfels, Johanna Magdalena, u. empfing um dieser Verbindung willen 1731 zu Warschau die förmliche Belehnung mit dem Herzogthum K. Um dieselbe Zeit aber hatte die verwittwete Herzogin Anna den russischen Thron bestiegen; sie ließ K. militärisch besetzen u. erklärte dem polnischen Hofe, daß sie dasselbe bei seinem Verfassungsrechte als ein Lehn der Republik unter eignen Herzögen beschützen werde. Als daher 1737 Herzog Ferdinand starb, wählten die kurländischen Stände, auf Empfehlung der Kaiserin Anna, deren Oberkammerherrn, den Grafen Johann Ernst von Biron (s.d. 1), einen gebornen Kurländer, zu ihrem Herzoge, der aber fortwährend in Petersburg blieb u. nach dem Tode seiner Beschützerin 1740 von der Kaiserin Elisabeth nach Sibirien verwiesen wurde. Hierauf wählten die Stände 1741 den Herzog Ludwig Ernst von Braunschweig u., als Polen hierzu seine Einwilligung nicht gab, nach verschiedenen andern projectirten Wahlen, den Prinzen Karl von Sachsen 1758 zum Herzog, zu dessen Vortheil die Kaiserin allen Ansprüchen auf K. entsagte. Als aber 1762 Peter III. Kaiser von Rußland geworden war, gab er dem Herzog von Biron seine Freiheit wieder, u. als Katharina II. den russischen Thron bestiegen hatte, setzte diese Johann Ernst Biron wieder als Herzog von K. ein, u. Karl mußte 1763 weichen. Biron wurde auch auf dem polnischen Convocationsreichstage 1764 als einziger rechtmäßiger Herzog von K. anerkannt u. mit demselben belehnt. 1768 wurde eine neue Constitution für K. entworfen u. gewisse herzogliche Rechte, die von der Landschaft in Zweifel gezogen wurden, festgesetzt. Joh. Ernst st. 1772, nachdem er schon 1769 seinem Erbprinzen, Peter, die Regierung abgetreten hatte. 1774 wurde zu Warschau abermals eine Constitution entworfen. Auf dem Reichstage von 1776 bestätigte die Republik dem Herzog, der Ritterschaft, den Städten u. allen Einwohnern von K. u. Semgallen ihre Rechte u. Freiheiten, bes. die Investitur des Herzogs, die Pacta subjectionis u.a. Aber im Lande selbst waren die Zerwürfnisse zwischen Adel u. Bürgerstand nicht zu beseitigen, u. beide suchten bald in Petersburg, bald in Warschau Schutz; dasselbe that auch der Herzog, der sich 1792 mit der Gräfin Anna Charlotte Dorothea v. Medem vermählt hatte, welche manche Differenz in Warschau vermittelte, aber mehr um seine Regentenrechte fest zu stellen, als um die unzufriedenen Unterthanen unter sich zu versöhnen. Endlich am 18. März 1795 beschloß der kurländische Landtag, K. unbedingt Rußland zu unterwerfen. Dieser Beschluß wurde dem Herzog, der sich damals in Petersburg aufhielt, zur Bestätigung mitgetheilt u. von demselben, der keine Söhne hatte, am 28. März zu Petersburg, gegen eine Pension für sich u. seine Kinder, in einer besondern Abtretungsurkunde genehmigt. Dasselbe that auch die von dem Bruder des letzten Herzogs abstammende Linie Biron gegen eine jährliche Rente von 36,000 Thalern (s. Biron). 1818 wurde die Leibeigenschaft in K. aufgehoben u. die Verhältnisse der dortigen Gutsherrn durch eine Urkunde des Kaisers Alexander geordnet.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 919-920. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010294465


[920] Kurland (Geneal.).

I. Aus dem Hause Sachsen: 1) Herzog Karl Christian, s. Karl 83). Seine Tochter Marie Christine, geb. 1779, wurde 1797 mit dem Herzog Karl Emanuel von Savoyen-Carignan vermählt, wurde 1800 Wittwe, vermählte sich in zweiter Ehe mit dem Fürsten Montleart u. st. 24. November 1851. II. Aus dem Hause Biron: A) Linie Sagan u. B) Linie Biron-Wartenberg, s. Biron.

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 920. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010294473


Meyers 1907

[861] Kurland, russ. Gouvernement, die südlichste der Ostseeprovinzen (s. Karte »Livland, Esthland und Kurland« bei Art. »Livland«), besteht aus dem eigentlichen K. (Herzogtum K.), dem Herzogtum Semgallen, dem alten Bistum Pilten und dem Bezirk von Polangen, grenzt im N. an Livland und an den Rigaischen Meerbusen, im O. an das Gouvernement Witebsk, im W. an die Ostsee, im S. an Kowno und Preußen und hat ein Areal von 27,286 qkm (495,5 QM.). Vom Areal sind 25 Proz. Ackerland, 30 Proz. Wiesen, 33 Proz. Wald und 12 Proz. Unland. Die nördlichste Spitze läuft in das weit hervorragende Kap Domesnäs aus. K. wird in mehreren Richtungen von flachen Höhenzügen (70–130 m hoch), die von S. her, aus Litauen, kommen, durchschnitten. Die 340 km lange, meist flache Seeküste bildet fast gar keine Busen; die einzigen Punkte, wo Schiffe landen können, sind Libau, Windau und Polangen. Die bedeutendsten Flüsse sind: die Kurische Aa, die Windau und die Düna, die Grenzfluß gegen Witebsk und Livland ist. Von Kanälen sind nennenswert: der Jakobskanal bei Mitau, nach dem Frieden von Oliva zwischen 1660 u. 1681 angelegt, verbindet die Schwite mit der Drixe bei Mitau, der Libausche Kanal, verbindet den gleichnamigen See mit der Ostsee und bildet zugleich einen Hafen. Die bedeutendern der sehr zahlreichen Seen sind: der Libausche (40 qkm), der Usmaitensche (42 qkm) und der Papensee (18 qkm). Von den Mineralquellen sind die schwefelhaltigen bei Baldohn und Barbern und die eisenhaltigen bei Buschhoff und Dondangen am bekanntesten. Das Klima ist gesund, aber veränderlich und oft nebelig.

Die Bevölkerung zählt (1897) 672,534 Einw. (25 auf 1 qkm), davon sind 76 Proz. Protestanten, 16 Proz. Griechisch-Orthodoxe und Römisch-Katholische und ca. 8 Proz. Juden. Der Nationalität nach sind am meisten die Letten vertreten, welche die Klasse der Bauern bilden. Dem Deutschtum gehört der Adel und ein großer Teil der städtischen Bevölkerung an, 8,2 Proz.; Russen sind mit 1,7, Polen und Litauer mit 1 Proz. vertreten. Die lutherische Kirche steht unter einem Provinzialkonsistorium, das seinen Sitz in Mitau hat. Die Hauptbeschäftigung der Einwohner bildet der Ackerbau. Man baut Roggen, Hafer, Weizen, Gerste, Rüben und Futterkräuter, weniger Kartoffeln, Lein, Hanf und Buchweizen. Die Ernte war 1902: 40,915 Ton. Weizen, 151,854 T. Roggen, 151,530 T. Hafer, 87,020 T. Gerste und 239,270 T. Kartoffeln. Das Obst gedeiht vorzüglich, ebenso auch Gemüse. Die Viehzucht hebt sich von Jahr zu Jahr, namentlich was Veredelung der Rassen betrifft. Man zählt (1904) 388,000 Stück Hornvieh, 472,000 Schafe, 285,000 Schweine und 142,000 Pferde. Im nördlichen und östlichen Teil ist Nadelwald vorherrschend, während der südliche und westliche Teil reicher an Laubwald ist. Von den Wäldern gehört fast die Hälfte der Krone. Das Mineralreich liefert Gips, Lehm, Kalk, Torf, Bernstein, namentlich am Angaruschen See und am Meeresstrand, Sandstein, Mergel, Sumpfeisen und Braunkohle. Die Industrie ist, mit Ausnahme der Städte Libau und Mitau, von geringer Bedeutung und befaßt sich hauptsächlich mit der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte. Man zählte 1895: 385 industrielle Betriebe mit 13,5 Mill. Rub. Produktionswert (darunter 91 Branntweinbrennereien, die für 7,2 Mill. Rub. produzierten). Der Handel, namentlich über Libau (s. d.), nimmt bedeutenden Aufschwung. In militärischer Hinsicht ist K. dem Generalgouvernement von Wilna unterworfen. Das Gouvernement wird in zehn Kreise geteilt: Bauske, Friedrichstadt, Goldingen, Grobin, Hasenpoth, Illuxt, Mitau, Talsen, Tuckum und Windau. Hauptstadt ist Mitau. Das in vier Felder geteilte Wappen zeigt im ersten und vierten Feld in Silber einen roten, rot gekrönten, einwärts gerichteten Löwen (Kurland), im zweiten und dritten Feld einen aus der Schildkante zur Hälfte hervorschreitenden silbernen Elch mit einem Herzogshut am Kopfe (Semgallen).

Geschichte. Seit der Völkerwanderung war K. von Kuren (wohl meist lettischen Stammes) bewohnt, an der Küste von Liven (s. Livland). 1561 wurde[861] der letzte livländische Meister des Deutschen Ordens, Gotthard Kettler, als Herzog mit K. und Semgallen von dem König von Polen, Siegmund August, belehnt. Die lutherische Lehre, nach K. noch wenig eingedrungen, wurde von Herzog Gotthard eingeführt und 1572 eine Kirchenordnung gegeben. 1587 folgten Gotthards Söhne Friedrich und Wilhelm und herrschten gemeinsam, indem sie nur die Güter und Schlösser behufs Erhebung der Einkünfte teilten. Wilhelm wurde wegen eines Zwists mit den Brüdern v. Nolde vom Adel 1616 abgesetzt. Friedrich, der 1617 in der sogen. Regimentsformel eine neue Verfassung für K. gab, regierte seitdem allein. Als er 1642 kinderlos starb, folgte sein Neffe Jakob. Dieser suchte während der Kriege Polens mit Rußland und dann mit Schweden Neutralität zu beobachten; doch Karl X. von Schweden besetzte 1658 K. und ließ den Herzog gefangen abführen. Erst der Friede von Oliva (1660) gab diesem sein Land zurück, das 1661 durch das Stift Pilten vergrößert wurde. Durch den Krieg war der Handel und die Fabriktätigkeit, die Jakob erfolgreich gefördert hatte, arg geschädigt worden; er suchte durch Anlage von Kolonien in Tabago und Westafrika den Wohlstand zu heben. Hierin eiferte ihm sein Sohn Friedrich Kasimir (1682–1698) nach. Unter dessen Sohn Friedrich Wilhelm (1698–1711), der minderjährig unter der Vormundschaft seines Oheims Ferdinand und seiner Mutter regierte, hatte das Land während des Nordischen Krieges infolge der Invasion der Schweden (1700–1703, 1704–09) viel zu leiden. Der junge Herzog, in Deutschland erzogen, hatte kaum die Regierung angetreten, als er 1711 unmittelbar nach seiner Vermählung mit der russischen Prinzessin Anna Iwanowna starb. Die Herzogin Anna nahm unter dem Schutz Peters d. Gr. ihren Witwensitz in Mitau. Ihres Gemahls Oheim, Herzog Ferdinand, trat zwar die Regierung an, lebte aber im Auslande. Der König von Polen plante, K. nach dem Tode des kinderlosen Ferdinand als ein erledigtes Lehen einzuziehen. Um dies zu verhindern, erwählten die kurländischen Stände 1726 den natürlichen Sohn des Königs von Polen, Moritz von Sachsen, zum Herzog. Doch Rußland und Polen erklärten sich dagegen. Auf dem Reichstag zu Grodno wurde die Vereinigung Kurlands mit Polen, sobald Ferdinand gestorben sei, von neuem dekretiert; doch Rußland willigte nicht ein. August II. von Polen belehnte endlich Ferdinand mit K. (1731). Als mit dessen Tode 1737 das herzogliche Haus erlosch, setzte die Herzog in Anna, die inzwischen den russischen Thron bestiegen hatte, mit Zustimmung Augusts III., der ihr die polnische Krone verdankte, ihren Günstling, Ernst Johann von Biron, zum Herzog ein. Doch dieser blieb in Petersburg und wurde nach dem Tode seiner Beschützerin (1740) von der zur Regentin erhobenen Anna Leopoldowna nach Sibiren verbannt. Die Stände wählten darauf den Prinzen Karl von Sachsen 1758 zum Herzog. Katharina II. setzte aber 1763 Biron wieder als Herzog von K. ein. Er starb 1772, nachdem er schon 1769 die Regierung an den Erbprinzen Peter abgetreten hatte. Am 18. März 1795 beschloß der kurländische Landtag, wegen Mißregierung Peter abzusetzen und K. dem russischen Zepter zu unterwerfen. Auf diese Weise wurde K. eine russische Provinz. 1817 wurde die Leibeigenschaft aufgehoben. Seit den 1860er Jahren begann auch hier die Russifikation. S. Livland. Vgl. Ziegenhorn, Staatsrecht der Herzogtümer K. und Semgallen (Königsberg 1772); Tetsch, Kurländische Kirchengeschichte (Leipz. 1767–69); Schwartz, K. im 13. Jahrhundert bis zum Regierungsantritt Bischofs Edmund v. Werd (das. 1875); E. u. A. Seraphim, Aus Kurlands herzoglicher Zeit (Stuttg. 1892) und Aus der kurländischen Vergangenheit (das. 1893); E. Seraphim, Geschichte Liv-, Esth- und Kurlands (Reval 1895–96, 2 Bde.); A. Seraphim, Eine Schwester des Großen Kurfürsten, Luise Charlotte, Herzogin von Kurland (Berl. 1901); Hollmann, Kurlands Agrarverhältnisse (Riga 1893).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 861-862. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006958877


Brockhaus 1911

[1038] Kurland, russ. Gouvernement, zu den Baltischen Gouvernements oder den Ostseeprovinzen gehörig, 27.286 qkm, 674.034 meist luth. E. (3/4 Letten), 8 Kreise; Hauptstadt Mitau. K., um 1250 vom Deutschen Orden erobert, wurde 1561 ein poln. Lehnsherzogtum, 1795 russisch. – Geschichte von Seraphim (2 Bde., 1895-96).

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 1038. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000128259X