Kurdische Sprache und Literatur
Meyers 1907
Die Sprache der K. gehört zu der iranischen Familie der indogermanischen Sprachen, hat aber viele Fremdwörter aus den Nachbarsprachen aufgenommen. Vgl. Lerch, Forschungen über die K. (Petersb. 1857–58, 2 Tle., enthaltend kurdische Texte und Glossare); Hübschmann, Iranische Studien (in der »Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung«, 1878). Eine Grammatik lieferte Justi (Petersb. 1880), ein Wörterbuch Jaba (veröffentlicht von Justi, das. 1879). Vgl. auch Socin im »Grundriß der iranischen Philologie«, hrsg. von Geiger und Kuhn, Bd. 1 (Straßb. 1898). Eine eigentliche Literatur besitzen die K. nicht, dagegen sind sie reich an volkstümlichen Märchen, epischen und lyrischen Liedern, die neuerdings aus dem Munde des Volkes von Prym und Socin gesammelt sind (»Kurdische Sammlungen«, Petersb. 1887–90, 2 Bde.). – Musik und Tanz lieben die K. leidenschaftlich. Nationaltanz ist der Tschopi, ein Ringtanz mit lebhaftem Hin- und Herschwingen des Leibes, Fußstampfen und wildem Geschrei, begleitet von Trommel und Pfeife. Äußerster Haß gegen die Türken bildet noch heute einen allen K. gemeinsamen Zug. – In Persien brach 1880 infolge Steuererhöhung ein großer Aufstand unter den K. aus, die durch ihre türkischen Stammesgenossen unterstützt wurden, und konnte erst nach schweren Kämpfen niedergeworfen werden. Seit 1895 verüben die türkischen K., die militärisch in Hamidieh-Regimenter gegliedert wurden, fortgesetzt schwere Greuel gegen die Armenier. Vgl. Roediger und Pott, Kurdische Studien (in der »Zeitschrift für Kunde des Morgenlandes«, Bd. 3–7); Schläfli, Beiträge zur Ethnographie Kurdistans (»Petermanns Mitteilungen«, 1863); F. Millingen, Wild life among the Koords (Lond. 1870); Blau, Die Stämme des nordöstlichen Kurdistan (»Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 12, Leipz. 1858).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 856-857. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006958389
Pierer 1857
[914] Kurdische Sprache, bildet ein Glied der Iranischen Gruppe des Indogermanischen Sprachstammes; sie ist am nächsten mit dem Neupersischen verwandt, doch mehr als bloßer Dialekt u. muß wie das Afghanische als Schwestersprache des Neupersischen betrachtet werden. Sie ist weit mehr verderbt als das Neupersische u. nicht wie dieses als Schriftsprache fortgeschritten u. entwickelt. Das Kurdische zeigt eine starke Mischung verschiedener Völkeridiome; die grammatische Structur ist iranisch, der Wörterschatz aber, namentlich in den westlichen Kurdendialekten, zum großen Theil dem Türkischen u. Arabischen entlehnt. Auch die Neusyrische Sprache der Nestorianer ist im Hakkarygebiet nicht ohne Einfluß geblieben. Außerdem enthält aber das kurdische Idiom noch manches Eigenthümliche u. ist in eine Menge von Dialekten zerspalten. Ein nicht unbeträchtlicher Theil der südlichen Stämme redet Arabisch od. versteht dasselbe wenigstens so gut, wie seine eigene Muttersprache; auch wird das Türkisch-Tatarischeim türkischen Armenien, in Westpersien u. unter den Araratkurden allgemein verstanden u. selbst gesprochen. Im Allgemeinen hat die Sprache einen rauhen Klang, besonders bei den Kurden des Hakkarygebiets u. der Araratgegenden. Nach Lerch unterscheidet man zwei Hauptdialekte, den Kurmandschi- u. Zazadialekt. Neben dem im östlichen Kurdistan vorherrschenden u. südlich bis über Suleimanieh sich erstreckenden Hauptdialekte herrscht ein anderer (Safer) im Bochdangebirge u. in den Gegenden von Musch u. Bitlis, welcher von dem ersten so verschieden ist, daß ihn ein Bewohner des östlichen Kurdistan nicht verstehen würde. Der Reisende Ewlia zählt fünfzehn verschiedene Mundarten auf; der Missionar Hörns nennt im östlichen Kurdistan vier Mundarten (Hakkary, Mukri, Schakak u. Dialekt der Jesiden); der Gurandialekt herrscht in Senna, der Bebbehdialekt[914] in Suleimanieh; die Sprache der Masikurden in Khorasan differirt nur wenig von dem Bebbehdialekt. Im Schreiben, dessen die wenigsten Kurden kundig sind, bedienen sie sich des arabisch-persischen Alphabets. Eine eigene kurdische Literatur gibt es nicht, wenn auch von einzelnen Mollahs Lieder u. Gesänge aufgezeichnet od. Schriften in kurdischer Sprache verfaßt worden sind. Alle Kurdenstämme sind reich an Liedern u. Gesängen, welche die Thaten der alten Helden der Kriegerkaste feiern od. von Liebe, Trennungsschmerz u. andern Gegenständen singen. Ein berühmter kurdischer Dichter war Scheikh Ahmedi, mit dem Dichternamen Dâbel, welcher im 16. Jahrh. u.a. auch eine größere Dichtung Nem-u-Zine, die Geschichte zweier Liebenden, verfaßte. Als gelehrte Kurden werden aus jüngster Zeit der Mollah Hézir, bekannter unter dem Namen Neali-Effendi, in Damaskus u. Ahmed-Efendi Khoni in Bajezid genannt. Eine reiche Sammlung kurdischer Manuscripte besitzt der russische Consul Jaba in Erzerum. Nach Rich gehören außer den Dialekten im eigentlichen Kurdistan noch das Leki, das Luri u. das Bakhtlari in Persien zu dem kurdischen Aste der Iranischen Sprachen. Grammatik u. Wörterbuch des Kurdischen lieferte Garzoni, Rom 1787. Seitdem haben u.a. Beiträge zur Kenntniß der Sprache geliefert: Rödiger u. Pott (Kurdische Studien, in der Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes, Bd. 3 u. 4); Chodzo (Paris 1842) u. Beresin (Kasan 1853) in ihren Werken über die persischen Dialekte; Chodzo, Etudes philologiques sur la langue kurde, im, Journal Asiatique, Bd. 9, 1857; Lerch, Forschungen über die Kurden u. iranischen Nordchaldäer, 2 Hefte, Petersb. 1857–58.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 914-915. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010294104
Brockhaus 1911
Die kurdische Sprache ist eine Schwestersprache des Neupersischen (Grammatik von Justi, 1880; Prym und Socin, »Kurdische Sammlungen«, 1887, 1890). – Vgl. Lerch (1857-58), Binder (franz., 1887).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 1038. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001282298