Koreanische Lyrik

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Grundbegriffe

Hansi

traditionelle koreanische Poesie in klassischem Chinesisch


Hyangga

(„heimische Lieder“) sind die ersten Beispiele koreanischer Gedichte, die eine eigenständige Form aufweisen, und die erste koreanische Literaturform, die von Koreanern aufgezeichnet wurde. Hyangga sind in Hyangch’al erhalten, einer hybriden Schrift, die bestimmte Sinogramme für ihre Bedeutung und andere für ihre Aussprache durch Koreaner verwendet. Ein genaues Verständnis dieser höchst ungewöhnlichen Schriftform erfordert die Hilfe einer linguistischen Analyse. Diese Lieder können als die ersten koreanischen literarischen Werke angesehen werden, die von Einzelpersonen geschaffen wurden.

Der Begriff Hyangga bezieht sich auf Gedichte aus der Shilla-Zeit bis ins frühe Koryŏ, aber er kennzeichnet auch eine koreanische Gedichtform, die sich von Gedichten unterscheidet, die von Chinesen in klassischem Chinesisch verfasst wurden. (Youngmin Kwon and Bruce Fulton: What Is Korean Literature? Berkeley: University of California, 2020, S. 7)

Kayo (Koryŏ kayo)

Einheimische Musik im Kontrast zur am Hof dominierenden chinesischen, eine Art Volkslieder. Die Lieder sind ein- oder mehrstrophig und relativ freirhythmisch. Kennzeichnend ist ein Refrain.

"Koryŏ kayo werden allgemein als Pyŏlgok bezeichnet und sind auch als Yŏyo („Koryŏ-Lieder“), Changga („lange Lieder“), Kosok ka („alte populäre Lieder“) und Sog’yo („populäre Lieder“) bekannt.

Koryŏ kayo wurden mündlich weitergegeben, bis zur Verbreitung des Hangŭl im frühen Chosŏn, als sie erstmals aufgezeichnet wurden." (ebd. S. 9)

"Im Gegensatz zur sinozentrischen Literatur der Oberschicht, die auf chinesischen Schriften beruhte, wurden Koryŏ kayo modifiziert, um daraus Palastmusik zu machen, und auch mündlich an die einfache Klasse weitergegeben, unter der sie überlebten. Viele von ihnen sind mutige, selbstbewusste Darstellungen menschlicher Erfahrungen, die die ungehemmten Gefühle des Alltags zum Ausdruck bringen." (ebd. S. 10)

Shijo (Sijo)

Gesungene dreizeilige Gedichte.

"Shijo sind die Quintessenz der traditionellen koreanischen Lyrik. Wir können davon ausgehen, dass diese Form im 14. Jahrhundert entstand, wenn man die noch vorhandenen Shijo-Sammlungen betrachtet, die Werke von konfuzianischen Gelehrten aus der späten Koryŏ-Ära wie Kil Chae, Yi Saek und Chŏng Mongju enthalten. Und im frühen Chosŏn wurden mehrere Shijo von so prominenten konfuzianischen Gelehrten wie Chŏng Tojŏng und Pyŏn Kyeryang verfasst. Dass die Schöpfer der frühen Shijo größtenteils berühmte Neokonfuzianisten waren, lässt darauf schließen, dass konfuzianisches Denken als ästhetische Grundlage für die Entwicklung dieser neuen Lyrikform diente. (...) Als neue lyrische Form, die auf der Grundlage der neuen Werte und Ethik des Neokonfuzianismus geschaffen wurde, wurde sie als Verkörperung konzentrierter Form und anmutiger Ästhetik weithin populär.

Die poetische Form des Shijo leitet sich von formalen Variationen des Koryŏ-Kayo ab." (Ebd. S. 11f)

"Sijo ist ein allgemeiner Begriff für ein dreizeiliges lyrisches Lied (in der Übersetzung werden sechs oder mehr Zeilen verwendet), dessen Melodie im 18. Jahrhundert standardisiert wurde, damit es zu einer einheitlichen musikalischen Kulisse gesungen werden konnte. Das Sijo stammt aus dem 15. Jahrhundert und war die beliebteste, elastischste und einprägsamste koreanische Gedichtform. Jede Zeile besteht aus vier metrischen Abschnitten, mit einer kleinen Pause am Ende des zweiten Abschnitts und einer großen Pause am Ende des vierten. Eine emphatische syntaktische Unterteilung wird normalerweise in der dritten Zeile in Form eines Gegenthemas, Paradoxons, einer Lösung, eines Urteils, Befehls oder Ausrufs eingeführt, der durch charakteristische Phrasen wie „Ach“, „Lass es sein“, „Ich würde lieber“, „Warum“, „Wahrlich“, „Ich bitte“ und „Junge!“ eingeleitet wird. Oft stellt diese Unterteilung einen logischen und entwicklungsmäßigen Übergang dar, und ein geschickter Dichter kann ein Gedankenmuster innerhalb strenger formaler Grenzen und Einheit in der Vielfalt erreichen." (The Columbia Anthology of Taditional Korean Poetry. Edited by Peter H. Lee. New York / Chichester, West Sussex: Columbia University Press Publishers, 2002, S. 69)

Anthologien auf Deutsch

  • Kranich am Meer. Koreanische Gedichte. Hrsg. Peter H. Lee. München, Wien: Hanser, 1959 – Auch in der Reihe Heyne Lyrik, München: Heyne, 1987 (Aufgrund der Übertragungen des Herausgebers vonFranz Wilhelm Huber u. Albert von Schirnding in die vorliegende Form gebracht)
  • Lob des Steinquelle. Koreanische Lyrik. Aus dem Sino-koreanischen übertragen, nachgedichtet und hrsg. v. Ernst Schwarz. Weimar: Kiepenheuer, o.J. (1973) (Gustav Kiepenheuer Bücherei) – Auch in der Insel-Bücherei Leipzig: Insel, 1988 (IB 1084)
  • Wind und Gras. Moderne koreanische Lyrik. Hrsg. u. aus dem Koreanischen übersetzt von Marion Eggert. München: Christian Rohr, 1991 – Überarb. u. erw. Neuausg. München: dtv, 2005

Anthologien auf Englisch

  • Anthology of Contemporary Korean Poetry. Hampton Roads, 1988. Ed. Neale Donald Walsch
  • The Columbia Anthology of Traditional Korean Poetry. Ed. Peter H. Lee. Columbia University Press, 2003
  • The Columbia Anthology of Modern Korean Poetry. Ed. McCann, David R. Columbia University Press, 2004
  • Modern Korean Poetry: For people learning Korean. 리 본, 2018


Über koreanische Lyrik

  • Korean Culture in 100 Keywords 외국인 학습자를 위한 한국 문화 100선. Darakwon, 2017
  • A Comparative Study of Korean Literature: Literary Migration. Palgrave Macmillan US, 2016. Sangjin Park (auth.)
  • What Is Korean Literature? Yongmin Kwon, Bruce Fulton. Institute of East Asian Studies, University of California, Berkeley, 2020


Koreanisch

  • Iksop Lee and S. Robert Ramsey: The Korean Language. Albany: State University of New York, 2000