Indische Literatur
Indische Literaturen und Sprachen
Indische Literatur (besser indische Literaturen) ist die Literatur des Subkontinents Indien bis 1947 und der Republik Indien seitdem. Sie gehört zu den ältesten Literaturen der Welt, ihre ältesten Zeugnisse sind mehr als dreitausend Jahre alt. Da sie lange Zeit mündlich überliefert und erst spät aufgezeichnet wurde, schwanken die Zeitangaben zum Teil beträchtlich. Die älteste indische Literatur ist die Vedische (man spricht auch von Vedischem Sanskrit]. Aus ihr entwickelte sich das Sanskrit, unterteilt in Episches Sanskrit (die Sprache der großen epischen Dichtungen Mahabharata und Ramayana) und Klassisches Sanskrit. Zur altindischen Literatur zählen auch Texte in Prakrit (eine volkssprachliche Variante des gelehrten Sanskrit, die aber auf Sanskrit zurückwirkte und sich auch als Literatursprache durchsetzte), Pali oder Tamilisch. Später entwickelte sich Hindi und dann Urdu, welches arabisch-persische Einflüsse erfuhr. Mehr als 75 % der Inder sprechen indoeuropäische Sprachen, wozu neben den genannten (Ausnahme: Tamilisch, das zur dravidischen Sprachfamilie gehört) Bengalisch, Marathi, Gujarati, Punjabi, Rajasthani, Assamesisch und Odia gehören. Nicht zuletzt Englisch, das heute als Lingua Franca dient und auch bedeutende Autoren hervorgebracht hat. Andere in Indien gesprochene und geschriebene Sprachen gehören den Sprachfamilien Dravidisch (Telugu, Tamil, Kannada und Malayalam), Austroasiatisch (Khasi, Munda), Sinotibetisch (Karbi, Meitei, Lepcha sowie etliche tibetische und Westhimalajische Sprachen), Thaisprachen und viele andere. "Indisch" sind alle diese Sprachen, indem kulturelle Einflüsse sprach- und sprachgruppenübergreifend wirksam wurden. So wurden in Südindien vorherrschende dravidische Sprachen wie Kannada und Telugu stark vom indoeuropäischen Sanskrit beeinflußt (70-80 % des heute gebräuchlichen Wortschatzes), während viele nordindische Sprachen Sanskritwortschatz in beträchtlichen Größen durch arabisch-persisch beeinflußte Urduwörter ersetzten. Auch viele andere Sprachen beeinflußten einander wechselseitig. Nach der Unabhängigkeit stießen Versuche, das Englische durch Hindi als alleinige offizielle Sprache zu ersetzen, auf starken Widerstand.
Die ältesten Texte der indischen Literatur sind die Veden (veda = Wissen), religiöse Texte, die bis ins zweite Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung zurückreichen. Die älteste ist die Rigveda, 1028 Hymnen für die Götter der nomadischen Arier.
Brockhaus 1911
Indische Literatur
[856] Indische Literatur. Das älteste Denkmal der I. L. ist der Rigweda, dessen Inhalt fast ausschließlich religiöser Natur ist. Die ältesten Bestandteile gehen bis ins 3. oder 4. Jahrtausend v. Chr. zurück. Den Namen Veda (Wissen) im engern Sinne tragen noch drei andere Sammlungen (Sanskrit: Samhitā): der Sāmavēda, Yajurvēda und Atharvavēda, an die sich als Erläuterungsschriften die Brāhmana mit ihren Unterabteilungen, den Āranyaka und Upanishad, sowie die Sūtra anschließen. Sammlungen weltlichen Inhalts sind uns aus ältester Zeit nicht erhalten; Reste finden sich in dem großen Nationalepos, dem Mahābhārata (s.d.) und den Purānas (s.d.). An der Spitze der Kunstpoesie steht das Rāmāyana des Vālmīki aus unbekannter Zeit; ins 1. Jahr. n. Chr. gehört das Buddhacarita, »Leben des Buddha«, des Açvaghosha. Im 6. Jahr., der eigentlich klassischen Zeit, lebte der berühmteste ind. Dichter Kālidāsa. In dieselbe Zeit gehören die bekanntesten Dichter der Kunstepen (Mahākāvya) Bhāravi, Māgha, Bhatti, wahrscheinlich auch der Lyriker Amaru und Dandin. Im 7. Jahrh. schrieb namentlich der Spruchdichter Bhartrihari, der mit Amaru als Begründer einer der beliebtesten Gattungen ind. Poesie, der Çataka-Dichtung anzusehen ist. Diese Çataka enthalten 100 oder mehrere hundert Sprüche erotischen, didaktischen und religiösen Inhalts, und sie sind reich an vortrefflichen Sitten- und Naturschilderungen, sowie voll von Lebensweisheit. In dieses Jahrhundert gehört wohl auch noch Viçākhadatta, der Dichter des Dramas Mudrārākshasa, eines der bedeutendsten Dramen der Inder. Die Grammatik, die von frühester Zeit an gepflegt worden war und in Pānini ihren Höhepunkt erreicht hatte, blühte ebenfalls in diesem Jahrhundert. Von den Dichtern des 8. Jahrh. ist bes. Bhavabhūti zu erwähnen, der berühmteste Dramatiker nächst Kālidāsa. Im 9. Jahrh. fand das Pañcatantra (s.d.) in der nördl. Fassung seinen Abschluß. Andere Fabelwerke, wie der Hitopadeça (s.d.), die Çukasaptati u.a. sind noch jünger. Dem Anfange des 10. Jahrh. gehört an der Dramatiker Rāschaçekhara; am Ende desselben war der Hof des Mundscha in Dhārā der Mittelpunkt der Dichtkunst und Wissenschaft, noch mehr aber im 11. Jahrh. unter Muñjas Neffen Rhodschah. Im Anfange des 12. Jahrh. war der Sitz der Dichtkunst Bengalen, wo am Hofe des Königs Lakshmanasēna, der 1119 zur Regierung kam, die »fünf Perlen« lebten, unter denen Dschajadēva hervorragt. Die Dichter der spätern Jahrhunderte richten sich wesentlich nach ältern Vorbildern. Außer der Grammatik wurde von der wissenschaftlichen Literatur von frühester Zeit an die Philosophie gepflegt, die aus den Upanishad erwuchs, dann die Rechtswissenschaft, die Rhetorik, Metrik, Medizin, Tierarzneikunde, Astronomie. Umfangreich ist auch die in Pāli (s.d.) geschriebene Literatur der Buddhisten und die in Prākrit (s.d.) abgefaßte der Dschina, ebenso auch die Literatur in den neuern ind. Sprachen. – Vgl. L. von Schröder (1887), »Grundriß der indo-arischen Philologie« (1896 fg.).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 856. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001210866
Tamil
[805] Tamil, Tamulisch, die Sprache der T. oder Tamulen, im südl. Dekhan [Tafel: Menschenrassen, 31], des gebildetsten und intelligentesten drawidischen Stammes, daher die bedeutendste der drawidischen Sprachen (s. Dekhanische Sprachen), zerfällt in Alt-T. und modernes T. Grammatik von Lazarus (Lond. 1878); Wörterbuch von Lap (tamil.-franz., 1884), Winslow (tamil.-engl., 1862). Von der Tamilliteratur ist vor allem zu nennen der »Kurral« des Tiruwalluwar (Ausgabe von Graul in der »Bibliotheca tamulica«, 1856; deutsch 1855). Zu den T. gehören auch die Kuli im nördl. und nordwestl. Ceylon und auf Mauritius.
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 805. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001606069
Meyers 1907
[802] Indische Literatur, s. Sanskrit.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 802. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006816452
Sanskrit
[578] Sanskrit (eigentlich sąskṛta, wobei das a als Nasalvokal wie franz. an zu sprechen ist, »zurechtgemacht«, d.h. richtig gebildet), die alte Sprache Indiens, die jetzt in der Regel, ähnlich wie früher in Europa das Latein, nur noch von den Gelehrten in ganz Ostindien gesprochen und geschrieben wird, wenn auch hier und da gelehrte Radschas bestrebt sind, sie wieder in den täglichen Gebrauch einzuführen. So erzählt der Sanskritist M. Williams in seinem Reisewerk über Indien, daß der Maharadscha von Kaschmir ihm das Schauspiel eines Manövers seiner Soldaten bereitete, wobei alle Kommandos in S. gegeben wurden, und erst neuerdings wurde in dem Staat Udaypur durch eine Verordnung das S. als offizielle Amtssprache eingeführt. Eigentlich kommt nur dieser, seit zweitausend und mehr Jahren toten, durch die Tätigkeit einheimischer Gelehrten, besonders des Pânini (s. unten, S. 581), geregelten Kunstsprache der Name S. zu. Aus welchem der ältern Dialekte und zu welcher Zeit sich[578] das S. bildete, ist eine noch ungelöste Frage. (Vgl. O. Franke, Was ist S.? in Bezzenbergers »Beiträgen zur Kunde der indogermanischen Sprachen«, Bd. 17, S. 54 ff., Götting. 1891; E. Windisch in den »Actes du XIV. Congrès International des Orientalistes«, Bd. 1, S. 251 ff., Par. 1906.) Ebensowenig ist bis jetzt zu sagen, bis zu welchem Grade die Künstlichkeit der Sprache geht, da auch die abendländische Sanskritgrammatik bis jetzt wesentlich unter dem Einfluß von Pâninis Werk gestanden hat und man erst in neuerer Zeit anfängt, die Sprache aus sich selbst heraus zu beurteilen. Jedenfalls ist die ganze sogen. klassische Sanskritliteratur in dieser Kunstsprache geschrieben, in einer phonetischen Gestalt, die so nie volkstümlich gewesen sein kann, in fast ganz metrischer Form, und sie zeigt keine Sprach-, sondern nur Stilentwickelung, ein immer mehr zunehmendes Einschrumpfen des Satzbaues, an dessen Stelle ungeheuerliche Wortzusammensetzungen treten, Ersetzung des Verbum finitum durch Partizipialkonstruktionen u. dgl. Eine ältere Stufe des S., die wirklich den Charakter einer Volkssprache hat, liegt uns in dem Teile der indischen Literatur vor, den man unter dem Namen Veda (s. d.) zusammenfaßt. Größerer Reichtum an Formen und lebendigere Beweglichkeit des Satzbaues charakterisieren die vedische Sprache im Verhältnis zum klassischen S. An sie oder wenigstens an nahe mit ihr verwandte ältere Dialekte knüpfen die Volksmundarten des indischen Mittelalters (s. Prâkrit), das Pâli (s. d.) und die modernen indischen Volkssprachen arischer Herkunft (s. Indische Sprachen), an. Die hohe Bedeutung des S. liegt nicht nur darin, daß die reiche und wichtige Literatur eines hervorragenden Kulturvolkes in ihm geschrieben ist, sondern auch in seinem Verhältnis zu der vergleichenden Erforschung der indogermanischen Sprachen, von denen es einen Zweig bildet, dessen literarische Denkmäler die ältesten des ganzen Sprachstammes sind. Vornehmlich das Bekanntwerden des S. in Europa am Ende des 18. Jahrh. hat hier die wissenschaftliche Sprachforschung ins Leben gerufen, und wenn man jetzt auch viele angeblichen Altertümlichkeiten des S., z. B. das Überwiegen des a-Lautes und das Fehlen von ě und ŏ, als verhältnismäßig junge Entwickelung erkannt hat, und die Anschauung völlig verkehrt ist, das S. sei die Mutter der übrigen indogermanischen Sprachen, so sichern ihm doch der Reichtum und die grammatische Durchsichtigkeit seiner Formen immer noch einen hervorragenden Platz unter diesen Sprachen. Die aus einem semitischen Alphabet entsprungene, aber sehr eigentümlich entwickelte Schrift, mit der das S. gewöhnlich auch in Europa immer geschrieben und gedruckt wird, heißt Devânâgarî (s. d.); vgl. die Schrifttafel bei Artikel »Schrift«. Die sehr zahlreichen europäischen Grammatiken des S. lassen sich in zwei Klassen einteilen, je nachdem sie sich genau an das System und die Regeln der indischen Grammatiker anschließen oder eine mehr den europäischen Anschauungen entsprechende Methode zur Anwendung bringen. Zu der ersten Klasse gehören namentlich die Grammatiken von Colebrooke (Kalkutta 1805), Benfey (»Vollständige Grammatik der Sanskritsprache«, Leipz. 1852), Max Müller (deutsch von Kielhorn und Oppert, Kiel 1868), Kielhorn (deutsch, Berl. 1888); zu der letztern unter andern die Grammatik von Bopp (4. Aufl., das. 1868), das ausführliche Werk von Whitney (engl., 3. Aufl. 1896; deutsch von Zimmer, Leipz. 1879), Bühlers »Leitfaden für den Elementarkursus des S.« (Wien 1883) und Thumbs »Handbuch des S.« (1. Teil: »Grammatik«, Heidelb. 1905). Die erste den heutigen Anforderungen der Wissenschaft allseitig entsprechende Grammatik des S. ist Jak. Wackernagels »Altindische Grammatik« (I. Lautlehre, Götting. 1896; II., 1. Einleitung zur Wortlehre Nominalkomposition, 1905). Sehr beliebt zur ersten Einführung ins S. ist auch das eine Chrestomathie mit Glossar enthaltende »Elementarbuch der Sanskritsprache« von Stenzler (7. Aufl., Münch. 1902). Ein meisterhaftes ausführliches Wörterbuch lieferten Böhtlingk und Roth (Petersb. 1853–1875, 7 Bde.), ein kürzeres Böhtlingk (das. 1879–1889) und Cappeller (Straßb. 1887), ein »Wörterbuch zum Rigweda« Graßmann (Leipz. 1873). Für die Etymologie ist zu nennen: Uhlenbeck, Kurzgefaßtes etymologisches Wörterbuch der altindischen Sprache (Amsterd. 1898–99, 2 Bde.). Anthologien lieferten namentlich Lassen (3. Aufl., Bonn 1868), Benfey (Leipz. 1853–54, 2 Bde.), Häberlin (Kalkutta 1847), Böhtlingk (2. Aufl., Petersb. 1877) und Lanman (Boston 1884–89); für die vedische Sprache Delbrück (»Vedische Chrestomathie«, Halle 1874) und Bergaigne und Henry (»Manuel pour étudier le sanscrit védique«, Par. 1890).
Die Sanskritliteratur.
Die Sanskritliteratur zerfällt in zwei der Zeit und dem Wesen nach, freilich nicht mit voller Schärfe, geschiedene Epochen: die Periode des Veda und die des klassischen S. Genaue chronologische Daten für die Abgrenzung der beiden Perioden lassen sich bei der großen Unsicherheit der indischen Chronologie nicht geben; dazu kommt, daß wir von der zweiten Periode aus allen Literaturzweigen im ganzen nur die Werke übrighaben, die den Höhepunkt jeder Gattung bezeichnen, so daß wir in deren Entwickelung nur spärliche Blicke tun können. In der ersten Periode werden alle Gegenstände nur in ihrer Beziehung auf die gottesdienstlichen Riten behandelt; erst in der zweiten treten wissenschaftliche und künstlerische Gesichtspunkte stärker hervor. Über die erste Periode s. Veda. Die Anfänge der zweiten Periode dürften etwa um das 6. Jahrh. v. Chr. anzusetzen sein, als die Volksdialekte sich immer selbständiger zu entwickeln begannen und die Sprache, in der die Brâhmana und Sûtra der vedischen Periode abgefaßt waren, immer mehr ausschließliches Eigentum der Gebildeten, eine Kunstsprache wurde, die noch heute in Indien zu literarischen Zwecken gebraucht wird. Besonders charakteristisch für die Sanskritliteratur ist das Zurücktreten wirklicher Prosa, indem selbst wissenschaftliche Werke großenteils in metrischer Form abgefaßt sind. Die Anfänge der Prosa, wie sie in den Brâhmana der ersten Periode vorliegen, sind überaus schwerfällig, und wiederum gibt es kaum etwas Gekünstelteres als die Prosa der spätern indischen Romane und Kommentare. Die gebräuchlichste metrische Form ist der epische Vers (Çloka), eine Doppelzeile, aus je 16 Silben bestehend, die am Schluß jeder Zeile iambischen Rhythmus hervortreten läßt.
Die epische Poesie, ausgehend von alten Erzählungen, die aus Prosa und Versen gemischt waren, zerfällt in zwei Gruppen, die Itihâsa-Purâna und die Kâvya. Zur ersten Gruppe, legendarisch-epischen, auch von vielerlei rituellem u. dgl. Stoff erfüllten Sammelwerken, die in ihrem Grundstock in die vedische Periode hinausreichen, gehören das »Mahâbhârata« (s. d.) und die »Purâna« (s. d.). Unter den Kâvya, d.h. Kunstdichtungen, die bestimmten Kunstdichtern (Kavi) zugeschrieben werden, nimmt den[579] ersten Platz ein das »Râmâyana« (s. Râmâjana) des Vâlmiki. Von den spätern sind die hervorragendsten die beiden von Kâlidâsa (s. d.) verfaßten Gedichte »Raghuvamça« und »Kumârasambhava«; die übrigen lehnen sich größtenteils im Inhalt an das »Mahâbhârata« und »Râmâyana« an und verfallen in der Form immer mehr einem armseligen Spiel mit Wort und Vers.
Das Drama (nâtaka, von nata, »Schauspieler«, ursprünglich »Tänzer«) scheint in Indien, wie bei andern Völkern, aus religiösen Festlichkeiten und Aufzügen mit Gesang und Tanz hervorgegangen zu sein; die Entwickelung zu der Vollkommenheit, in der es uns entgegentritt, hat man (besonders Windisch in den »Verhandlungen des fünften Orientalistenkongresses«, 1881; auch auf H. Reichs »Mimus«, Bd. 1, S. 694, ist zu verweisen) mit sehr zweifelhaftem Rechte dem Einfluß griechischer Dramen, wie sie an den Höfen der griechischen Könige in Baktrien, im Pandschab und in Gudscharat ausgeführt wurden, oder den Einwirkungen des griechischen Mimus zugeschrieben. Die Stoffe sind teils heroisch, teils dem höfischen oder bürgerlichen Leben angehörig, vielfach der Novellenliteratur entnommen. Auch das allegorisch-philosophische Drama und die burleske Posse ist vorhanden. Die einheimische Theorie unterscheidet zahlreiche Gattungen (nach einer Zählung 28). Hauptmotiv ist meistens die Liebe; ein tragischer Ausgang kommt nie vor. Die Form wechselt zwischen Prosa und Versen; Götter, Könige und hochgestellte Persönlichkeiten reden S., Frauen (mit gewissen Ausnahmen) und niedrigere Personen verschiedene Prâkritdialekte. Die Zahl der Akte ist in der Regel nicht über zehn. Den Höhepunkt der indischen Dramatik bezeichnen die dem König Çûdraka zugeschriebene »Mrittschhakatikâ«, die drei Stücke des Kâlidâsa (s. d.) und die des Bhavabhûti (s. d.). Die »Mrittschhakatikâ« (»Das Tonwägelchen«) ist wegen der farbenreichen Schilderung des indischen Volkslebens aus den verschiedensten Kreisen, von dessen Hintergrund sich die Liebe des Brahmanen Tschârudatta und der Hetäre Vasantasena abhebt, das interessanteste indische Drama und reich an großen poetischen Schönheiten (hrsg. von Stenzler, Bonn 1847 und mehrfach in Indien; übersetzt von Böhtlingk, Petersb. 1877, von L. Fritze, Chemn. 1879, von M. Haberlandt, Leipz. 1893; englisch von Ryder, Cambridge, Mass., 1905; für die deutsche Bühne bearbeitet [u. d. T.: »Vasantasena«] von E. Pohl, Stuttg. 1893). Aus dem 7. Jahrh. stammen die dem Könige Erîharscha zugeschriebenen Dramen »Ratnâvalî« (»Die Perlenschnur«), ein Intrigenstück (hrsg. von Cappeller in Böhtlingks Chrestomathie, 2. Aufl., Petersb. 1877, u. Bombay 1895; übersetzt von Fritze, Chemn. 1878); »Nâgânanda«, ein Sensationsstück mit buddhistischer Färbung (engl. von Boyd, Lond. 1872; franz. von Bergaigne, Par. 1879), und »Priyadarçikâ«. Unter den zahlreichen übrigen Dramen ist zu erwähnen das politische Intrigenstück »Mudrârâkschasa« (»Das Siegel des Ministers Râkschasa«) von Viçâkhadatta (7. od. 8. Jahrh.?, hrsg. Bombay 1893; deutsch von Fritze, Leipz. 1886) und das allegorisch-philosophische Schauspiel »Prabodhatschandrodaya« (»Ausgang des Mondes der Erkenntnis«) von Krischnamiçra, in dem Begriffe und Systeme als handelnde Personen auftreten (hrsg. von H. Brockhaus, Leipz. 1835–45; deutsch von Goldstücker, Königsb. 1842, von Hirzel, Zürich 1846; engl. von Taylor, Bombay 1886). Vgl. im allgemeinen Wilson, Select specimens of the theatre of the Hindoos (3. Aufl. 1871); Klein, Geschichte des Dramas, Bd. 3 (Leipz. 1866); Sylvain Lévi, Le théatre indien (Par. 1890); R. Pischel, Die Heimat des Puppenspiels (Halle 1900). Die indische Theorie des Dramas ist niedergelegt bei Bharata (s. d.), in Dhanandschajas »Daçarûpa« (hrsg. von F. E. Hall, Kalkutta 1865) und der sonstigen rhetorischen Literatur (s. unten).
Die indische Lyrik ist fast durchweg erotischen Inhalts und reich an Stellen von innigstem und zartestem Gefühl, anderseits freilich oft voll üppigster, ja lasziver Sinnlichkeit. Neben den hierhergehörigen Werken des Kâlidâsa (s. d.) und denen des Bhartrihari (s. d.) und Bilhana (s. d.) sei noch erwähnt das kurze, künstliche »Ghatakarpara« (»Der zerbrochene Krug«, hrsg. von Brockhaus, Leipz. 1841; übersetzt von Höfer, »Indische Gedichte«, Bd. 2, S. 129 ff.), ferner die jedesmal eine einzelne Situation mit seiner Beobachtung und tiefer Empfindung schildernden Epigramme des Amaru (hrsg. von Simon, Kiel 1893; im Auszug übersetzt von Rückert im »Musenalmanach für 1831«). Die ausschweifendste Üppigkeit der Phantasie zeigt der auf der Grenze von Lyrik und Drama stehende »Gîtagovinda« des Dschajadeva (s. d.). Eine umfassende Sammlung und Übersetzung der in dischen Spruchpoesie, in die unter anderm Bhartrihari und Amaru vollständig aufgenommen sind, gibt Böhtlingk in den »Indischen Sprüchen« (2. Aufl., Petersb. 1870–73; in Auswahl übersetzt von Fritze, Leipz. 1880). Eine Anthologie kleiner lyrischer Gedichte im Prâkritdialekt liegt im »Saptaçatakam« des Hâla vor (hrsg. von Weber, Leipz. 1881). Vgl. Brunnhofer, Über den Geist der indischen Lyrik (Leipz. 1882); G. Meyer, Indische Vierzeilen, in seinen »Essays und Studien«, Bd. 1, S. 289 ff. (Berl. 1885); Pavolini, Poeti d'amore nell' India (Flor. 1900).
Hohe Bedeutung hat in der indischen Literatur die Novellenliteratur und die Tierfabel wegen ihres engen Zusammenhanges mit dem Abendland; freilich ist die Frage über die Art des geschichtlichen Zusammenhanges der griechischen und der indischen Tierfabel noch nicht endgültig entschieden (vgl. A. Weber, Indische Studien, Bd. 3; Benfey, Einleitung zur Übersetzung des Pantschatantra; O. Keller, Untersuchungen über die Geschichte der griechischen Fabel, Leipz. 1862). Über die buddhistischen Dschâtakas s. Buddhismus. Über die Fabelwerke »Pantschatantra« und »Hitopadeça« s. d. Charakteristisch für die indischen Fabel- und Erzählungssammlungen ist die Form, indem eine Haupterzählung den Rahmen der verschiedenen Erzählungen bildet. Diese Form, die vereinzelt schon in den Dschatakas auftritt, erscheint ausgebildet in indischen Märchen- und Erzählungswerken, der Quelle zahlreicher arabischer, persischer und abendländischer Erzählungen. Die umfassendste Sammlung ist Somadevas »Kathâsaritsâgara« (»Ozean der Ströme der Erzählungen«, hrsg. von H. Brockhaus, Leipz. 1839–66, 3 Bde.; auch Bombay 1889; deutsch [unvollendet] von Brockhaus, Leipz. 1843, 2 Bde.; engl. von Tawney, Kalkutta 1880–87). Dem Werke des Somadeva (um 1070) sowie einem ähnlichen des Kschemendra liegt eine große, in einem Prâkritdialekt geschriebene Sammlung von Erzählungen aus dem 1. oder 2. (?) Jahrh. n. Chr., die »Brihatkathâ« des Gimâdhja, zugrunde. Außerdem sind in Indien noch drei Sammlungen verbreitet unter den Titeln: »Vetâlapantschavimçati« (hrsg. von Uhle, Leipz. 1881; übersetzt von Österley, das 1873, nach einem Text in Hindi; als[580] »Siddikür« bei den Mongolen verbreitet, hrsg. und übersetzt von Jülg, Leipz. 1866 u. Innsbr. 1868), »Simhâsanad vâtrimçati« (im Mongolischen als Ardschi-Bordschi bekannt; deutsch von Jülg, 1868) und »Çukasaptati«. Letztere ist das Original des persisch-türkischen »Tûti-Nâme« (»Papageienbuch«), dessen persische Bearbeitung von Iken (Stuttg. 1822), die türkische von Rosen (Leipz. 1858) übersetzt wurde. Der indische Text ist in seiner kürzern Form herausgegeben von R. Schmidt in den »Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes«, Bd. 10, Nr. 1, und übersetzt, Kiel 1894; es existiert auch eine ausführlichere Rezension (»Çukasaptati, textus ornatior«, deutsch von R. Schmidt, Stuttg. 1899). Endlich gehört hierher das zu vermutende Original des sogen. Sindabad-Kreises (s. Sieben weise Meister). Vgl. F. v. d. Leyen in den »Preußischen Jahrbüchern«, Bd. 99, S. 62 ff. (Berl. 1900). – Über den indischen Roman s. Bâna.
[Wissenschaftliche Literatur.] In der wissenschaftlichen Literatur der Inder nimmt den bedeutendsten Platz die Grammatik ein (vgl. Benfey, Geschichte der Sprachwissenschaft und orientalischen Philologie, Münch. 1869). Sie ist herangewachsen zunächst am Studium der vedischen Texte, und die »Padapâtha« und »Prátiçâkhya« sowie die »Nighantavas« (Glossensammlungen) samt Jâskas Kommentar dazu (»Nirukta«) sind wertvolle Überreste dieser ältern Periode (s. Veda). Dagegen kennen wir nicht die Vorläufer von dem bedeutenden Werk des Pânini, das bei seinem Bekanntwerden die gerechtfertigtste Bewunderung im Abendland hervorrief und sehr viel zum Fortschritt der grammatischen Forschung im 19. Jahrhundert beigetragen hat. Es ist ausgezeichnet durch eine überaus scharfsinnige Erforschung der Wurzeln und der Wortbildung wie durch die schärfste Präzision des Ausdrucks und die Durchführung einer überkünstlichen, äußerste Kürze ermöglichenden Terminologie. Gelebt hat Pânini nach freilich nicht sicherer Annahme im 4. Jahrh. v. Chr. (Ausg. von Böhtlingk, Bonn 1839–40, 2 Bde., und mit Übersetzung, Leipz. 1887). Vgl. Goldstücker, Pânini. His place in Sanscrit literature (Lond. 1861); Kielhorn, Der Grammatiker Pânini (in den »Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen«, 1885, Nr. 5); B. Liebich, Pânini. Ein Beitrag zur Kenntnis der indischen Literatur und Grammatik (Leipz. 1891). Seiner vielfachen Dunkelheit wegen ist das Werk früh kommentiert worden; erhalten sind uns die »Paribhâschâ«, Erläuterungen einzelner Regeln von unbekannten Verfassern (die wichtigsten sind gesammelt von Nâgoji, hrsg. von Kielhorn, Bombay 1868–74, 2 Bde.), die »Vârttika« des Kâtjâjana und das »Mahâbhâschya« des Patandschali (Ausg. von Kielhorn, Bombay 1878–85, 3 Bde.; Bd. 1 u. 2 in 2. Aufl. 1892–1906). Weitere grammatische Werke schließen sich zum Teil an Pânini an, zum Teil gehen sie eigne Wege, wie das »Kâtantra« (hrsg. von Eggeling, Kalkutta 1874 ff.). Vgl. Burnell, On the Aindra school of Sanscrit grammarians (Mangalore 1875). Die Grammatik der Prâkritdialekte behandelten Vararutschi (hrsg. von Cowell, 2. Aufl., Lond. 1868) und Hematschandra (hrsg. von Pischel, Halle 1877–80). Vgl. Pischel, Grammatik der Prâkritsprachen, S. 32 ff. (Straßb. 1900). Das lexikalische Werk des Amarasinha, der sogen. »Amarakoça«, vielleicht aus dem 6. Jahrh., ist herausgegeben von Kielhorn (2. Ausg., Bombay 1882) und mit andern indischen Wörterbüchern im »Abhidhâna Sangraha« (das. 1889 ff.). Quellenwerke der indischen Lexikographie werden seit 1893 von der Akademie der Wissenschaften in Wien herausgegeben. Vgl. Zachariae, Die indischen Wörterbücher (in Bühlers »Grundriß der indoarischen Philologie«, Straßb. 1897). Lehrbücher der Poetik und Rhetorik, mit seinen, oft sehr spitzfindigen Distinktionen, sind uns mehrfach erhalten, so der »Kâvyâdarça« des Dandin, wohl aus dem 6. Jahrh. (hrsg. und übersetzt von Böhtlingk, Leipz. 1890), das »Haçarûpa« (s. oben, S. 580), die Poetik des Vâmana (hrsg. von Cappeller, Jena 1875). Vgl. Regnaud, La rhétorique sanscrite (Par. 1884).
Die historischen Schriften sind alle so sehr mit Dichtung untermischt, daß sie kaum als wissenschaftliche Werke gelten können. Dies gilt auch von dem Hauptwerk der Gattung, der »Râdschataranginî« des Kalhana, einer Geschichte von Kaschmir (hrsg. von Stein, Bombay 1892; hrsg. und ins Französische übersetzt von Troyer, Par. 1840–52, 3 Bde., ins Englische von Stein, Westminster 1900, 2 Bde.). Daneben verdienen Erwähnung die halb historischen, halb poetischen »Tscharita«, die romanhaft ausgeschmückten Geschichten einzelner Könige oder sonstiger hervorragender Personen und ihrer Familien; s. Bâna, Bilhana. Hier ist auch auf die im Pâlidialekt verfaßten, historisch teilweise recht wichtigen buddhistischen Chroniken hinzuweisen, die sich auf Ceylon erhalten haben (Dipavamsa, hrsg. u. engl. übersetzt von Oldenberg, Lond. 1879; Mahâvamsa, hrsg. u. engl. übersetzt von Turnour, Ceylon 1837). Vgl. Oldenberg, Geschichtschreibung im alten Indien (»Deutsche Rundschau«, Bd. 130, S. 362 ff., Berl. 1907). – Über die Philosophie s. den Artikel »Indische Philosophie«.
Die Astronomie wurde bereits in der vedischen Zeit gepflegt, freilich in recht primitiver Weise. Man beobachtete die 27 oder 28 »Nakschatra«, d.h. Stationen des Mondumlaufs, und versuchte auf Grund wenig genauer Voraussetzungen Sonnenlauf und Mondlauf in einem fünfjährigen Zyklus auszugleichen. Vgl. Weber, Die vedischen Nachrichten von den Naxatra (in den Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin, 1860–61) und Über den Vedakalender namens Iyotisham (das. 1862). Die Fortschritte der Folgezeit waren zuerst nicht erheblich; auf eine sehr viel höhere Stufe hob sich die Astronomie erst unter dem Einfluß der Javana (Griechen), die von den indischen Astronomen selbst als ihre Lehrer genannt werden: eine Angabe, die durch mehrere aus dem Griechischen entlehnte astronomische Ausdrücke bestätigt wird. In diesem Zeitalter versteht man für die siderischen Umläufe von Sonne, Mond, Planeten annähernd genaue Bestimmungen zu geben; man kennt das Vorrücken der Äquinoktien etc. Im 8. und 9. Jahrh. wurden die Araber Schüler der Inder in der Astronomie. Das vielleicht älteste Werk der neuen Periode, uns allerdings nicht in seiner ursprünglichen Form vorliegend, ist der »Sûrya Siddhânta« (engl. von Burgeß und Whitney, im »Journal of the American Oriental Society«, Bd. 6, New Haven 1860); neben ihm stehen andre weniger wichtige »Siddhânta«, d.h. Systeme der Astronomie. Weiter sind zu. nennen die Astronomen Ârjabhata, Verfasser des »Ârjabhatîja« (hrsg. von Kern, Leiden 1874), Varâhamihira, Verfasser der »Pantschasiddhântikâ« (hrsg. und übersetzt von Thibaut, Benares 1889) und der astrologischen »Brihat Samhitâ« (hrsg. von Kern, Kalkutta 1865), beide nicht weit von 500; sodann Brahmagupta und Bhâskara,[581] von denen unten als Mathematikern die Rede sein muß. Vgl. G. Thibaut, Astronomie, Astrologie und Mathematik (in Bühlers »Grundriß der indoarischen Philologie«, Straßb. 1899).
Groß ist die Zahl der medizinischen Werke (»Âjurveda«), teils systematisch die ganze Wissenschaft zusammenfassender Schriften, teils Einzeluntersuchungen. In besonderer Blüte stand die Chirurgie: die Rhinoplastik hat Europa von den Indern kennen gelernt; auch der apothekarische Teil ist mit großer Vorliebe behandelt worden. Anfänge der Medizin liegen im »Atharva Veda« (s. Veda) und in der heiligen Literatur der Buddhisten vor; einiges Medizinische enthält eine alte Handschrift auf Birkenbast aus dem 5. Jahrh., das »Bower Manuscript« (hrsg. von R. Hörnle, Kalkutta 1893–97). Hauptwerke sind das des Suçruta, jedenfalls aus nachchristlicher Zeit (Kalkutta 1889; ins Englische übersetzt von Dutt, das. 1883 ff., und von Hoernle, Heft 1, das. 1897–1898) und das Werk des Tscharaka (Ausgabe das. 1896). Vgl. Wife, Commentary on the Hindu system of medicine (Kalkutta 1845; 2. Aufl., Lond. 1860); Trendelenburg, De veterum Indorum chirurgia (Berl. 1866); Haas, Über die Ursprünge der indischen Medizin (in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 30, Leipz. 1876) und Über Hippokrates und die indische Medizin des Mittelalters (ebenda, Bd. 31); A. Müller, Arabische Quellen zur Geschichte der indischen Medizin (ebenda, Bd. 34); Heßler, Über die Materia medica des Tscharaka (Münchener. akademische Sitzungsberichte, 1883); Cordier, Etudes sur la Médecine Hindoue (Par. 1894).
Die Literatur der Mathematik hebt in vedischer Zeit mit den »Çulvasûtra« an, die von der Ausmessung des Opferplatzes handeln und nicht unerhebliche geometrische Kenntnisse voraussetzen (vgl. Thibaut im »Journal of the Asiatic Society of Bengal«, Bd. 44, Kalkutta 1875; Bürk in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 55 u. 56, Leipz. 1901–02). Eine Leistung ersten Ranges war die Erfindung des heute allgemein angewandten Ziffernsystems; der Gebrauch der Null ist bereits für 500 n. Chr. bezeugt. Hervorragendes leisteten die Inder in der Algebra, vor allem auf dem Gebiete der unbestimmten Gleichungen. Die bedeutendsten mathematischen Autoren sind Brahmagupta (7. Jahrh.) und Bhâskara (12. Jahrh.), vgl. Colebrooke, Algebra with arithmetic and mensuration from the Sanscrit of Brahmegupta and Bhascara (Lond. 1817). Ob griechischer Einfluß auf die indische Mathematik anzunehmen ist, ist fraglich; unbestreitbar ist, daß in der Algebra die Inder die Leistungen der Griechen vielfach weit überboten haben. Vgl. L. v. Schröder, Pythagoras und die Inder (Leipz. 1884); Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik, Bd. 1 (3. Aufl., das. 1907); Jolly (s. oben bei Astronomie).
Die Literatur über Recht und Sitte, zusammengefaßt unter dem Namen Dharma, wurzelt in den zahlreichen Dharmasûtra der vedischen Zeit (s. Veda) und beginnt in der nachvedischen Periode mit dem in Çlokas verfaßten »Dharmaçâstra«, das den Namen des Mann trägt. Die, verglichen mit den Dharmasûtra fortgeschrittene, aber immer noch recht primitive Darstellung des eigentlich rechtlichen Stoffes ist beständig von theologischen und philosophischen Erörterungen unterbrochen. Das Werk kann nicht jünger als das 2. oder 3. Jahrh. n. Chr. sein, ist aber vielleicht wesentlich älter (hrsg. von Haughton mit engl. Übersetzung, Lond. 1825, 2 Bde.; von Deslongchamps mit franz. Übersetzung, Par. 1830–33, 2 Bde.; von Jolly, Lond. 1887, engl.; von Bühler als Bd. 25 der »Sacred books of the East«). Vgl. Johäntgen, Über das Gesetzbuch des Mann (Berl. 1863). Später als das Gesetzbuch des Mann ist das des Jâdschnavalkja (hrsg. und übersetzt von Stenzler, Berl. 1849), um das 4. (?) Jahrh. n. Chr. entstanden; hierzu der berühmte und einflußreiche Kommentar »Mitâkscharâ« (um 1100). Vgl. West und Bühler, Digest ot Hindu law (3. Ausg., Bombay 1884); A. Mayr, Das indische Erbrecht (Wien 1873); Jolly, Outlines of an history of the Hindu law of partition, inheritance and adoption (Kalkutta 1885); Kohler, Altindisches Prozeßrecht (Stuttg. 1891); Jolly, Recht und Sitte, in Bühlers »Grundriß der indoarischen Philologie« (Straßb. 1896).
Vgl. Lassen, Indische Altertumskunde (Bonn 1844–61, 4 Bde.; Bd. 1 u. 2 in 2. Aufl., Leipz. 1867 u. 1873); Benfey, Indien (in Ersch und Grubers Enzyklopädie); Weber, Vorlesungen über indische Literaturgeschichte (2. Aufl., Berl. 1876; Nachtrag 1878); L. v. Schröder, Indiens Literatur und Kultur (Leipz. 1887); M. Müller, Indien in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung (das. 1884); A. Macdonell, History of Sanskrit literature (Lond. 1900); Oldenberg, Die Literatur des alten Indien (Stuttg. 1903); Winternitz, Geschichte der indischen Literatur (Leipz. 1905); Pischel, Die indische Literatur (in der »Kultur der Gegenwart«, Teil 1, Abt. 7, Berl. 1906); Aufrecht, Catalogus Catalogorum. An alphabetical Register of Sanscrit works and authors (Leipz. 1891–1903, 3 Bde.).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 578-582. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007399669
Tamulen (Tamilen)
[303] Tamulen, höchststehender Zweig der Drawida, der in der vorderindischen Landschaft Karnatik (s. d. 1)[303] zwischen Madras und Kap Comorin, auch im nördlichen Ceylon wohnt, in kleinern Gruppen als Kling (s. d.) oder Kalinga in den Seestädten Hinterindiens und Indonesiens verbreitet ist. Die Zahl der T. beträgt in Britisch-Indien (1901) 16,525,500, davon in Madras allein 15,224,447; dazu kommen in Ceylon 750,000, in Ponditscherri und Karikal 200,000, in den Straits Settlements 53,500. Die T. sind meist unter Mittelgröße und von dunkler Hautfarbe; sie haben angenehme, aber etwas grobe Züge, weiches, lockiges Haar und große dunkle Augen (s. Tafel »Ostindische Kultur I«, Fig. 3). Die Sprache der T. (Tamil oder Tamulisch) wird von 14,8 Mill. Menschen gesprochen; sie besitzt eine eigne, aus dem Sanskritalphabet abgeleitete Schrift, dazu eine reichhaltige, alte Literatur und ist die reichste, am höchsten entwickelte und am frühesten kultivierte der Drawidasprachen. Ihre Literatur reicht mit ihren ältesten Denkmälern bis ins 10. Jahrh. n. Chr. zurück und enthält neben zahlreichen Übersetzungen aus den Sprachen des nördlichen Indien auch ausgezeichnete eigne Werke. Ihr berühmtestes ist der »Kural« (»Kurzzeiter«) von Tiruvalluvar, ein gnomisches Gedicht von 1330 kurzen Strophen, mit Sprüchen über die sittlichen Ziele des Menschen, voll zarter und wahrer Gedanken, aber ganz mit den Ideen des Buddhismus durchtränkt. Ausgaben des Gedichtes von Graul mit lateinischer Übersetzung in der »Bibliotheca tamulica« (Leipz. 1854–65, 4 Bde.) und von Pope (Lond. 1886); Proben tamulischer Dichtung gab in metrischer Übersetzung R. C. Caldwell (im »Indian Antiquary«, 1872). Eine Grammatik lieferte J. Lazarus (Lond. 1879), ein Elementarbuch Pope (7. Aufl., das. 1906); tamil-englische Lexika: Rottler (Madras 1834 bis 1841) und Winslow (das. 1862). Über die tamulische Schrift vgl. Burnell (in »Elements of South-Indian palaeography«, 2. Aufl., Lond. 1878) und Bühler, im »Grundriß der indoarischen Philologie«, Bd. 1 (Straßb. 1896). Vgl. auch Graul, Reise nach Ostindien (Leipz. 1854–56, 5 Bde.); Gehring, Südindien, Land und Volk der T. (Gütersl. 1899); Suau, L'Inde tamoule (Tours 1901).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 303-304. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007560532
Pierer
[888] Indische Literatur, alle in den verschiedenen indischen Sprachen geschriebenen Schriftwerke; bes. die Sanskrit-, Bengalische, Hindui- u. Hindostaniliteratur (s.d. a.).
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 888. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010175296
Hindu
[386] Hindu (persisch, d.i. Bewohner von Hind od. Indien),
1) im Allgemeinen ein Bewohner Vorderindiens ohne Rücksicht auf die große ethnographische Verschiedenheit der einzelnen indischen Völkerschaften; im Besonderen aber werden zuerst von den Persern, dann von den übrigen muhammedanischen Völkern des Orients, sowie jetzt auch ziemlich allgemein von den Europäern,
2) die Angehörigen jenes großen Volkes Arischen Stammes (s. Indien) benannt, welches aus Hochasien nach den Indusgebieten einwanderte, dann seine Hauptsitze im Gangesgebiete hatte u. von hier aus seine Tultur über Vorderindien verbreitete. Abgeleitet von H. sind die Bezeichnungen Hindui (s. Hindustanische Sprache u. Indische Sprache) u. Hindustan (s.d.); die Briten u. nach ihnen auch andere Europäer nennen ohne Rücksicht auf Volksthümlichkeit H-s
3) alle Indier, welche der einheimischen Religion des Brahmanismus zugethan sind, im Gegensatz zu den Indiern, die sich zum Islam bekennen.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 386. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010115633
Sanskritliteratur
II. Literatur. Die Bestimmung der Zeit, in welcher die verschiedenen Erzeugnisse der Sanskritliteratur entstanden sind, ist im Allgemeinen sehr schwierig, da die Inder bei ihrem gänzlichen Mangel an historischem Sinne ihren Werken häufig dadurch ein höheres Ansehen zu verleihen suchten, daß sie dieselben berühmten Weisen u. Dichtern älterer Zeit zuschrieben. Gleichwohl ist es unzweifelhaft, daß die Sanskritliteratur zu denen gehört, welche die ältesten schriftlichen Denkmäler aufzuweisen haben. In der frühesten Periode ihrer Geschichte finden wir die arischen Inder im Pendschab, Ackerbau u. Viehzucht treibend, in den einfachsten patriarchalischen Verhältnissen. In dieser Zeit (etwa 2000–1500 v. Chr.) entstanden die meisten der später in den Vedas gesammelten Lieder u. Sprüche. Beim weitern Vordringen der Inder in das Tiefland zwischen Indus u. Ganges entwickelte sich unter den steten Kämpfen der einzelnen Stämme mit den Urbewohnern u. unter einander (1500–1300 v. Chr.) die epische Poesie, u. nachdem sich im Gangeslande größere Staaten gebildet hatten, in denen die Priester (Brahmanen) allmälig das Übergewicht erlangten, die Literatur der Gelehrsamkeit, indem die Erklärung der religiösen Lieder u. die Sammlung der alten Überlieferungen zur Beschäftigung mit Lexikographie, Grammatik, Astronomie, Philosophie u.a. Wissenschaften führte, woneben an den Höfen der Fürsten die Schönen Künste, das Drama etc. Pflege fanden. Die Ausbreitung des Buddhismus (500 v. Chr.) war für die Entwickelung der Sanskritliteratur von großem Einfluß; denn obgleich die Buddhisten sich in ihren Schriften der Volksdialekte bedienten, so bewirkte doch ihre Polemik gegen das Kastenwesen etc., daß die Brahmanen ihre Lehren durch neue Schriften in der heiligen Sprache fester zu begründen suchten. Auch waren es die Buddhisten, welche die Werke der Sanskritliteratur durch Übersetzungen fast über ganz Asien verbreiteten. Die Berührung mit dem Griechenthum seit 327 v. Chr. war namentlich für die Fortschritte der Inder in der Astronomie von Wichtigkeit. Seit dem Eindringen der Muhammedaner in Indien gerieth die Indische Literatur mehr u. mehr in Verfall, u. es trat auch hier, wie in allen Gebieten des geistigen Lebens, allmälig ein Zustand der Indifferenz ein.
In der Geschichte der Sanskritliteratur lassen sich zwei Perioden unterscheiden: die vedische u. die eigentliche Sanskritperiode.
A) Vedische Literatur. Unter dem Namen Veda, d.h. Kenntniß, Wissenschaft, werden eine Anzahl Schriften begriffen, welche, obwohl sehr verschiedenen Inhalts, doch sämmtlich in näherer od. entfernterer Beziehung zu Religion u. Cultus stehen u. als höchste Autorität für alles damit Zusammenhängende gelten. Da die meisten von ihnen schon vor Einführung der Schreibkunst entstanden, so wurden sie in den Familien u. Schulen der Brahmanen Anfangs mündlich fortgepflanzt, wodurch sich häufig mehre Çakhas (Recensionen) eines Werkes bildeten. Alle hierher gehörige Schriften zerfallen in drei Klassen: Sanhitas, [871] Brahmanas u. Sutras; als Quelle der beiden ersten wird die Çruti (Offenbarung), als die der dritten theils diese, theils die Smriti (Überlieferung) betrachtet. Die Verfasser der meisten dieser Schriften sind unbekannt. Die Sanhitas od. Sammlungen, auch speciell Vedas genannt, sind: a) die Riksanhita, eine Sammlung der Lieder, mit welchen die Inder in ihren alten Wohnsitzen im Pendschab die Götter um Gedeihen für sich u. ihre Heerden angefleht, sie für ihre Hülfe gepriesen u. ihre Thaten gefeiert hatten. Die Lieder, 1017 an Zahl, sind nach den Sängerfamilien geordnet, denen man sie zuschrieb u. stammen aus sehr verschiedener Zeit; herausgeg. von M. Müller (mit dem aus dem 14. Jahrh. stammenden Commentar des Sayana, Lond. 1849 f., ohne denselben Lpz. 1857); übersetzt von Langlois (Paris 1848 f.) u. Wilson (Lond. 1849 f.). Vgl. Nève, Etudes sur le Rigveda, Löwen 1842 b) Die Samasanhita, welche die von einer Klasse Priester, den Udgatar, bei den Opfern zu singenden Verse der Riksanhita enthält; herausgeg. u. übersetzt von Stevenson (Lond. 1843 u. 1842) u. Benfey (Lpz. 1848). c) Die beiden Yajuhsanhitas, Sammlungen der von dem Adhvaryu, dem eigentlichen Opferpriester, zu recitirenden Verse u. Opfersprüche. Die erste dieser Sammlungen, der Schwarze Yajurveda (herausgeg. von Röer, Calc. 1854 f.), enthält außer den Versen u. Sprüchen zugleich die Darstellung des betreffenden Rituals, welche eigentlich Gegenstand der Brahmanas ist; die andere dagegen, Weißer Yajurveda od. Vajasaneysanhita genannt (herausgeg. von Weber, Berl. 1849 f.), nur die ersteren. d) Die Atharvasanhita (herausgeg. von Roth u. Whitney, Berl. 1855 f.), nach ihrem angeblichen Verfasser genannt, welche jüngeren Ursprungs ist als die andern u. erst später als Veda anerkannt wurde. Die 760 Lieder derselben enthalten vorzugsweise Sprüche gegen Krankheiten u. schädliche Thiere, Verwünschungen der Feinde, Anrufungen heilsamer Kräuter etc. Die Brahmanas, d.h. brahmanische Schriften, haben die Darstellung alles zur gehörigen Ausführung der Opfer Erforderlichen zum Gegenstande, weshalb sie die dabei vorkommenden Verse u. Opfersprüche erklären, ihre Verbindung mit der Opferhandlung speculativ u. traditionell begründen, das Ritual in seinen Einzelnheiten darlegen etc. Jedes Brahmana schließt sich an eine Sanhita an u. zwar behandeln die Brahmanas, je nachdem sie zur Rik-Saman-, od. Yajuhsanhita gehören, entweder die Obliegenheiten des Hotar, des Recitirers der Opfersprüche od. des Udgatar, od. des Adhvaryu. Daß die Entstehung dieser Schriften viel später fällt, als die der Lieder der Sanhitas, erhellt schon daraus, daß das richtige Verständniß der letzteren in ihnen fast gänzlich erloschen ist. Herausgegeben sind bis jetzt nur das Taittirivabrahmana des Schwarzen Yajurveda von Rajendralalmittra (Calc. 1855 f.) u. das Adbhutabrahmana des Samaveda von Weber (Berl. 1859). Eine den Brahmanas verwandte, aber jüngere Schriftgattung sind die Aranyakas, d.h. Waldschriften. Sie sind als spätere Nachträge zu den Brahmanas zu betrachten u. bilden meist einen Theil derselben. Von besonderer Wichtigkeit sind die in den Brahmanas u. Aranyakas enthaltenen philosophischen Abhandlungen, welche den Namen Upanishad (d.h. Sitzung, Vortrag) führen. Sie behandeln die wichtigsten philosophischen Probleme, wie die Schöpfung der Welt, das Wesen Gottes, sein Verhältniß zu den Menschen etc., u. alle späteren philosophischen Systeme u. religiösen Secten gehen auf sie zurück. Noch jetzt werden sie unter allen vedischen Schriften am meisten studirt. Es gibt über 100 solcher Upanishads; einzelne sind von Rammohun Roy, Poley, Röer u. And. herausgegeben u. übersetzt worden. Die Sutras sind die jüngsten unter den vedischen Schriften. Das Anwachsen des in den Brahmanas u. sonst überlieferten Lehrstoffs führte darauf diesen zum Zwecke des Unterrichts in Sutras, d.h. kurze Regeln, zusammenzudrängen. Dieselbe Darstellungsform wurde auch noch in späterer Zeit für die Grammatik u. Philosophie angewendet, u. zwar ging man in dem Streben nach möglichster Kürze immer weiter, so daß die spätern dergl. Sutras ohne Commentar meist ganz unverständlich sind. Die Inder bringen die hierher gehörigen vedischen Schriften unter sechs Abtheilungen, Vedangas, d.h. Glieder des Veda genannt, nämlich: Çiksha (Lautlehre), Chandas (Metrum), Vyakarana (Grammatik), Nirukta (Worterklärung), Jyotisha (Astronomie) u. Kalpa (Ceremoniell). Besondere Erwähnung verdienen: die Pratiçakhyas, welche den richtigen Vortrag der vedischen Lieder zum Zwecke haben u., an eine bestimmte Recension eines Veda sich anschließend, die Eigenthümlichkeit derselben in Betreff der Laute, des Accentes etc. darstellen; ein zum Rigveda gehörendes hat Regnier (Par. 1857 f.) herausgeg.; das Nirukta des Yaska (herausgeg. von Roth, Gött. 1852), in welchem synonyme u. obsolete vedische Wörter im Anschluß an ältere Listen solcher Wörter (Nighanins) erklärt werden; die Kalpasutras, auch Çrautasutras genannt, weil sie sich auf die in den Brahmanas enthaltene Çruti (Offenbarung) stützen; sie behandeln das Opferritual; die Grihyasutras, welche die häuslichen Ceremonien behandeln; sie stützen sich auf die Smriti (Überlieferung) u. heißen deshalb auch Smartasutras. An die vedischen Sutras schließen sich endlich noch die Anukramanis an, Verzeichnisse der Dichter, Metra u. Gottheiten der Lieder einer Sanhita nach der Reihenfolge derselben. Vgl. über die Vedische Literatur im Allgemeinen: Colebrooke, On the Vedas (in seinen Miscellaneous essays, Lond. 1837) u. Roth, Zur Literatur u. Geschichte des Veda, Stuttg. 1846.
B) Sanskritliteratur. Fast alle hierher gehörige Werke, selbst streng wissenschaftliche, sind in metrischer Form abgefaßt; in prosaischer, außer den grammatischen u. philosophischen Sutras, nur Dramen, Fabeln u. Mährchen, u. die buddhistischen Legenden, welche aber gleichfalls meist mit poetischen Theilen untermischt sind. Was zunächst die epische Poesie betrifft, so gehören hierher: a) das Mahabharata, ein episch-didaktisches Sammelwerk, gegen 100,000 Çloken (Doppelverse) enthaltend. Den Kern des Ganzen bildet der Krieg zweier Herrscherfamilien, der Kuruiden u. Panduiden, an welchem sich viele Herrscher u. Volksstämme betheiligen u. welcher mit dem Untergange aller edeln Geschlechter des alten Indien endigt. Aber nur etwa ein Viertel des Werkes hat hierauf Bezug, drei Viertel sind Episoden epischen u. didaktischen Inhalts, welche mit der Haupterzählung u. unter sich nur sehr lose verbunden sind, s. Mahabharata. b) das Ramayana herausgegeben mit italienischer Übersetzung von Gorresio,[872] Par. 1843 f., französisch von Fauche, ebd. 1854 f., deutsch im Auszug von Holzmann, 2. A. Karlsr 1843), welches in allegorischer Form die Ausbreitung arischer Cultur nach dem Süden Indiens schildert, wobei die Arier durch den Helden Rama, die Ureinwohner durch Dämonen u. Affen repräsentirt werden. Das Gedicht, welches gegen 23,000 Çloken enthält, nennt selbst als seinen Verfasser den Valmiki, in der That scheint es ursprünglich von Einem Dichter herzurühren, wenn auch gewiß Vieles darin spätere Zuthat ist Seine jetzige Gestalt erhielt es sicher erst nach Chr. Geburt. c) die Puranas, Bearbeitungen der alten kosmogonischen, mythologischen u. epischen Sagen vom priesterlichen Standpunkt. Während in den untergegangenen älteren Werken dieses Namens das epische Element vorgewaltet zu haben scheint, treten in den neueren, welche wohl sämmtlich den letzten 1000 Jahren angehören, theologische u. philosophische Betrachtungen, rituelle u. ascetische Vorschriften u. Legenden zur Empfehlung einzelner Gottheiten in den Vordergrund. Ihr poetischer Werth ist im Allgemeinen sehr gering. Die Abfassung der Puranas, deren man 18 kennt, wird wie das Mahabharata dem Vyasa zugeschrieben; herausgegeben sind bis jetzt: das Bhagavatapurana, welches die Geschichte des Gottes Vishnu erzählt (mit Commentar, Calc. 1830, Bombay 1839, mit französischer Übersetzung von Burnouf, Par. 1840 f.), u. das Markandeyapurana (von Banerjea, Cal. 1851) u. einzelne Bruchstücke, wie das Devimahatmya, eine Episode des Markandeyapurana, welche die Göttin Durga verherrlicht (mit lateinischer Übersetzung herausgegeben von Poley, Berl. 1831). Eine Inhaltsübersicht sämmtlicher Puranas gibt Wilson in der Vorrede zu seiner Übersetzung des Vishnupurana, Lond. 1842; vgl. Nève, Les Pouranas, Par. 1852. Noch mehr, als in den Puranas, tritt das epische Element gegen das rituelle in den Hintergrund in den Upapuranas, deren gleichfalls 18 aufgezählt werden. Einer weit spätern Zeit, als die beiden großen Epen, gehören d) die Kunstepopöen (Kavya) an, welche immer mehr das epische Gebiet verlassen u. auf das erotische, lyrische u. didaktische übergehen. Die Zierlichkeit der Form u. die Überwindung schwieriger Sprachkunststücke bilden hier den Hauptgegenstand des dichterischen Strebens, während der Inhalt zur bloßen Nebensache wird. Ihren Stoff entlehnen sie fast alle den großen Epen. Hierher gehören die dem Kalidasa zugeschriebenen Gedichte Raghuvança u. Kumarasambhava (mit lateinischer Übersetzung herausgeg. von Stenzler, Lond. 1832 u. 1838) u. das Nalodaya desselben Dichters (sanskr. u. latein. von Benary, Berl. 1830, sanskr. u. engl. von Yates, Calc. 1844); das Kiratardschuniya des Bharavi (gedruckt Calc. 1814, die zwei ersten Gesänge deutsch von Schütz, Bielef. 1845); der Çiçupalabadha des Magha (Calc. 1815, 1.–11. Gesang deutsch von Schütz, Bielef. 1843); das Bhattikavya (Calc. 1828, 5 Gesänge deutsch von Schütz, Bielef. 1837); das Naiihadhacharitra des Harsha (Calc 1836); das Uttaranaishadacharita desselben (herausgeg. von Röer, Calc. 1853 f.). Das Drama scheint bei den Indern aus dem Tanze hervorgegangen zu sein, da Tänzer u. Schauspieler durch ein Wort (Nata) bezeichnet werden; doch läßt sich die frühere Entwickelungsgeschichte desselben nicht verfolgen, weil alle älteren Stücke verloren gegangen sind u. es uns gleich in vollendeter Form entgegentritt. Eine besondere Eigenthümlichkeit des indischen Drama ist die, daß Frauen u. Personen niederen Standes nicht S., sondern Volksdialekte reden. Trauerspiele gibt es bei den Indern gar nicht. Die Entstehungszeit der meisten Stücke ist unbekannt, doch scheint keins der vorhandenen viel über 1000 Jahre alt zu sein. Der ausgezeichnetste dramatische Dichter ist Kalidasa (s.d.) im 11. Jahrh. n. Chr. u. die von ihm verfaßten Stücke sind: Sakuntala od. der Erkennungsring, mit Recht von den Indern für die schönste Perle ihrer dramatischen Poesie gehalten; Vikramorvaçi od. die durch Heldenkraft gewonnene Urvaçi, u. Malavika u. Agnimitra (Ausgaben u. Übersetzungen s.u. Kalidasa). Die ersten beiden dieser Dramen beruhen dem Stoffe nach auf dem indischen Mythus u. der Sage; das dritte ist ein Intriguenstück. Unter den übrigen Dramen sind die vorzüglichsten die des Bhavabuti aus dem 8. Jahrh. n. Chr., von denen Malati u. Madhava (Calc. 1830) für das beste bürgerliche Schauspiel gilt, während der Stoff des Mahaviracaritra, d.h. Geschichte des Rama (herausgeg. von Trithen, Lond. 1849), u. des Uttararamacaritra, d.h. spätere Geschichte des Rama (Calc. 1831), dem Ramayana entlehnt ist. Ein sehr anziehendes bürgerliches Drama ist auch die Mricchakati, d.h. der Thonwagen, des Çudraka (herausgeg. Calc. 1829, von Stenzler, Bonn 1847), ein Intriguenstück die Ratnavali, d.h. das Juwelenhalsband (Calc. 1832), deren unbekannter Verfasser im 11. Jahrh. n. Chr. lebte. Das historische Drama wird vertreten durch das Mudrârâkshasa od. das Siegel des Ministers von Viçaksadatta, Calc. 1831; die Posse durch das Dsurtasamagama od. die Gaunerversammlung des Çriranga aus dem 15. Jahrh. (herausgegeben von Lassen in seiner Anthologie). Eigenthümlich sind den Indern die philosophischen Dramen, in denen Begriffe u. Systeme handelnd auftreten, wie der dem 11. Jahrh. angehörende Prabodhacandrodaya (d.h. Aufgang des Mondes der Erkenntniß) des Krishnamiçra (herausgegeben Calc. 1838, von Brockhaus, 1845, deutsch von Goldstücker, Königsb. u. Lpz 1842) u. der Caitanyacandrodaya (d.h. Aufgang des Mondes des Caitanya) des Karnapuri aus dem 16. Jahrh. (Calc. 1854). Vgl. Wilson, Select specimens of the theatre of the Hindus, 2. A. Lond. 1835. Die lyrische Poesie wird fast ausschließlich durch erotische Dichtungen vertreten, welche im Allgemeinen eine sehr zügellose Phantasie, nicht selten aber auch einen hohen Grad wahrer Gefühlszartheit verrathen. Ein Lieblingsthema sind die Liebesabenteuer des Krishna unter den Hirtinnen. Es gehören hierher: der Meghadhuta od. Wolkenbote des Kalidasa (s.d., deutsch noch von Schütz, Bielef. 1859); die Caurapancasika od. die 50 Strophen des Caura (herausgeg. von P. von Bohlen, Berl. 1833); das gereimte Gedicht Ghatakarpara od. der zerbrochene Krug (herausgeg. u. übersetzt von Dursch, Berl. 1828). Ein lyrisches Drama ist der durch Gluth der Sprache ausgezeichnete, tief mystische Gitagovinda des Jayadeva (mit latein. Übersetzung herausgeg. von Lassen, Bonn 1836, deutsch von E. H. von Dalberg, Erfurt 1802, von Mayer, Weim. 1802, von Riemschneider, 1818). Eine eigenthüm liche Gattung sind die Sprüche, welche lauter einzelne Situationen ohne Zusammenhang des Ganzen schildern, wie das Amaruçatakam od.[873] die 100 Sprüche des Amaru (mit französischer Übersetzung von Apudy, Par. 1831), u. die 300 Sprüche des Bhartrihari, welche in anziehendster Weise die Hauptbestrebungen des Jünglings, des Mannes u. des Greises schildern u. zu den trefflichsten Erzeugnissen der indischen Poesie gehören. Von lyrischen Gedichten anderer Art ist noch zu erwähnen das beschreibende Gedicht Ritusanhara od. Kreis der Jahreszeiten des Kalidasa (Calc. 1792, mit lateinischer u. deutscher Übersetzung von P. von Bohlen, Lpz. 1840) u. die dem Philosophen Çankaracarya zugeschriebene Anandalahari, d.h. Woge der Wonne, ein Hymnus an die Parvati (Calc. 1824, französisch von Troyer, Par. 1841). Von besonderem Interesse sind die Thierfabeln u. Märchen der Inder, da sie die ursprüngliche Quelle vieler der bekanntesten sowohl morgen- als abendländischen Erzeugnissen dieser Art sind. Fast in allen findet sich eine Haupterzählung zu Grunde gelegt, in welche alle übrigen eingeschalten werden. Die Form ist meist die prosaische, doch mit häufiger Einfügung von Versen. Die älteste Sammlung von Thierfabeln, das Pancatantra od. die 5 Bücher (herausgeg. von Kosegarten, 1. Thl. Bonn 1848, 2. Thl. Greifsw. 1859, deutsch von Benfey, Lpz. 1859), wird dem Vishnuçarman zugeschrieben; sie wurde auf Befehl des Sasaniden Nushirvan (531–79 n. Chr.) ins Pehlvi übersetzt, woran sich dann Übersetzungen in fast alle Sprachen Westasiens u. Europas schlossen. Ein Auszug daraus ist der Hitopadeça, d.h. freundliche Belehrung, s.u. Bidpai. Von den Sammlungen von Mährchen u. Erzählungen sind die ältesten: die Vetalapancavinçati, d.h. die 25 Erzählungen des Dämonen, von Çivadasa (Proben in Lassens u. Höfers Anthologien), u. die Çukasaptati, d.h. die 70 Erzählungen des Papagaien (der Anfang abgedruckt in Lassens Anthologie). Eine metrische Bearbeitung des Besten in diesem Gebiete in einfachem, geschmackvollem Styl enthält der Kathasaritsagara, d.h. der Ocean der Ströme der Erzählungen, des Somadeva aus dem 11. Jahrh. n. Chr. (1. bis 5. Buch herausgeg. von Brockhaus, Lpz. 1839, deutsch von Demselben, Lpz. 1843). Kunstvoller in Form u. Darstellung ist das ganz in Prosa verfaßte Daçakumaracaritra, d.h. die Abenteuer der 10 Prinzen (herausgeg. von Wilson, Lond. 1846). Zu den poetischen Werken gehört endlich noch die Rajatarangini od. der Strom der Könige des Kalhana aus dem 12. Jahrh. (Calc. 1835, franz. von Troyer, Par. 1840 f.), welche die Geschichte Kashmirs erzählt. Zwar findet sich hier eine Masse historischen Stoffes aufgehäuft, aber das Werk hat auf den Namen eines historischen keinen Anspruch, weil der Verfasser, welcher Mahakavi, d.h. großer Dichter, genannt wird, aller Kritik ermangelt u. Sage u. Geschichte bunt durch einander mischt. Eine Geschichte in unserem Sinne hat es bei den Indern nie gegeben, da ihre Anschauungsweise viel zu sehr durch religiöse Vorstellungen befangen u. ihr Sinn überhaupt mehr auf die Welt der Vorstellungen, als auf die Wirklichkeit gerichtet war.
Sehr bedeutend sind die Verdienste, welche sich die Inder um die Grammatik erworben haben, bes. durch ihre gründlichen u. scharfsinnigen Untersuchungen über die Gesetze der Lautveränderungen u. der Bildung der Wörter u. grammatischen Formen. Der älteste uns erhaltene Grammatiker ist Panini, wahrscheinlich aus der Zeit um Christi Geburt. Seine Grammatik, welche gegen 4000 Regeln (Sutras) enthält (herausgegeben Calc. 1809, von Böhtlingk, Bonn 1840), zeichnet sich bes. durch die zweckmäßige Terminologie aus, u. bildet die Grundlage für die gesammte grammatische Forschung u. die Richtschnur für den Sprachgebrauch bis auf die heutige Zeit. Ihrer Dunkelheit wegen ist sie schon früh commentirt worden, so von Katyayana, dem Verfasser der Varttikas, d.h. Erläuterungen, u. von Patanjali, welcher einen Commentar dazu (Mahabashya) abfaßte. Eine spätere Bearbeitung von Paninis Grammatik, welche namentlich eine bessere Anordnung der Regeln bezweckt, ist die Siddhantakaumudî des Bhattojidikshita (Calc. 1812), ein Auszug hieraus die Laghukaumudi (herausgeg. Calc. 1827, von Ballantyne, Mirzap. 1849 u.ö.). Von den spätern Grammatikern ist Vopadeva (im 12. Jahrh.) zu erwähnen, welcher in seinem Mugdhabodha, d.h. Belehrung des Einfältigen (herausgeg. Calc. 1807, von Böhtlingk, Petersb. 1847 u.ö.), das System des Panini beibehielt, dessen Terminologie aber änderte. Auch die Lexikographie ist durch zahlreiche Werke vertreten, welche sich jedoch von unsern Wörterbüchern wesentlich unterscheiden, da die Wörter darin nicht alphabetisch, sondern nach der Bedeutung geordnet sind, Das älteste erhaltene Wörterbuch ist der Amarakosha des Amarasinha (herausgeg. mit engl. Übersetzung von Colebrooke, 2. A. Seramtp. 1825, mit franz. Übersetzung von Loiseleur-Deslongchamps, Par. 1839 u.ö.); von späteren sind zu erwähnen: die Haravali, der Trikandaçesha des Purushottama u. der Abhidhanacintamani des Hemacandra (herausgeg. Calc. 1807, 1818, von Böhtlingk u. Rieu, Petersb. 1847). Eine den Indern eigenthümliche Klasse lexikalischer Werke sind die Sammlungen von Verbalwurzeln (Dhatupathas), deren es ebenfalls eine bedeutende Anzahl gibt, wie von Vopadeva, Durgadasa (beide herausgeg. Calc. 1831) u.a. Das älteste Lehrbuch über Metrik ist das des Pingala. Dasselbe wird von den Indern zu den vedischen Schriften gerechnet, so wenig es auch darauf Anspruch hat, da es auch die kunstvollsten, nur in späterer Zeit gebräuchlichen Metra behandelt. Andere Lehrbücher über Metrik sind der Çrutabodha des Kalidasa (herausgeg. von Brockhaus, Calc. 1841), die Chandomanjari des Gangadasa (Seramp. 1833) etc. Auch die Rhetorik u. Poetik haben die Inder eifrig gepflegt u. hier wie anderwärts durch seine, wenn auch oft spitzfindige Distinctionen den ihnen eigenen Scharfsinn bewährt. Über Rhetorik handelt der Sahityadarpana des Viçvanathakaviraja (Calc. 1828), über Poetik der Kavyaprakaça des Mammatacarya (Calc. 1829) u. das Praçastiprakaçika des Krishna Lala (Calc. 1842). Die Anfänge der Philosophie gehen in ein sehr hohes Alterthum zurück. Schon in der Riksanhita finden sich Hymnen, welche sich mit der Entstehung der Welt u. ähnlichen Fragen beschäftigen; mehr noch tritt dies in den Brahmanas u. Aranyakas hervor, in denen einzelne Abtheilungen, die sogenannten Upanishads, vorzugsweise philosophischen Speculationen gewidmet sind. Auch die epische Poesie ist reich an größeren philosophischen Abschnitten u. einzelne derselben, wie die Bhagavadgita im Mahabharata, können geradezu als philosophische Lehrgedichte gelten. Über die Entwickelung der einzelnen philosophischen Systeme läßt sich bis jetzt noch wenig Bestimmtes sagen, da[874] die Brahmanas u. Aranyakas, aus denen allein die Kenntniß derselben geschöpft werden könnte, hierzu noch viel zu wenig bekannt sind. Die Sutras, in welchen die Systeme selbst uns vorliegen, sind von verhältnißmäßig spätem Alter. Sechs Systeme sind es, welche im Verlaufe der Zeit besondere Verbreitung gefunden haben. Das älteste ist die Sankhyalehre des Kapila, welche eine Urmaterie als Grund der Welt aufstellt, aus der sich diese allmälig entwickelt habe. Eine weitere mehr spiritualistische Entwickelung hat dieses System in der Yogalehre des Patanjali erhalten. Die beiden Mimansa haben vorzugsweise den Zweck, die in den Brahmanas enthaltenen Lehren mit einander in Einklang zu bringen u. den wahren Sinn zu bestimmen, u. zwar hat die Purvamimansa des Jaimini die Vorschriften über Werkthätigkeit, die Uttaramimansa des Badarayana (auch Vedanta genannt) die Lehren über das schaffende Princip zu ihrem Gegenstande. Das Vaiçeshikasystem des Kanada u. das Nyayasystem des Gotama endlich gründen sich auf die Logik u. leiten die Entstehung der Welt aus Atomen her, welche sich durch den Willen eines feststellenden Wesens vereinigten. Von den bis jetzt gedruckten philosophischen Schriften vertreten das Sankhyasystem: das Sankhyapravacana (mit dem Commentar des Vijñana herausgeg. Seramp. 1821 u. von Hall, Calc. 1855 f.), die Sankhya-Karika des Içvarakrishna (herausgeg. von Lassen, Bonn 1832, englisch von Colebrooke, Lond. 1837), die Tattvakaumudi des Vaçaspatimiçra (Calc. 1849); das Vedantasystem: die Vedanta-Sutra des Badarayana (mit dem Commentar des Çankara, Calc. 1818, franz. von Poley, Paris, von Röer, Calc. 1854), der Vedantasara des Sadananda (Calc. 1829, 1849, 1850, mit deutscher Übersetzung von Frank, Münch. 1835, engl. von Röer, Calc. 1845), der Atmabodha (Calc. 1849), die Inanabodhini des Çankara (Upsala 1850, mit lateinischer Übersetzung von Windischmann, Bonn 1833); das Nyayasystem: der Bhashaparicheda mit dem Commentar des Viçvanatha (Calc. 1821, 1827, 1828, von Röer, ebd.), der Paribasha des Dharmarajadhvarindra (ebd. 1848) u.a. Vgl. Colebrooke, On the philosophy of the Hindus in seinen Essays, Lond. 1837; Frank, Vyasa, Münch. 1826, 1. Bd. M. Müller, Beiträge zur Kenntniß der indischen Philosophie im 6. Bde. der Deutschen Morgenl. Zeitschrift. Ausgezeichnet sind die Leistungen der Inder auf dem Gebiete der Mathematik u. Astronomie. Zwar läßt sich hier der Einfluß griechischer Bildung nicht verkennen; doch ist die weitere Entwickelung dieser Wissenschaften den Indern ganz eigenthümlich u. überragt die von den Griechen erreichte Stufe bei Weitem. Unbestritten gehört den Indern das durch die Araber nach dem Occident verpflanzte, in der civilisirten Welt jetzt allgemein gebräuchliche Bezeichnungssystem der Zahlen, sowie die ebenfalls durch die Araber nach Europa gebrachte Algebra. In der Astronomie zeichnen sich die Inder durch genaue Beobachtung der Umlaufsperioden der Erde u. des Mondes, durch richtige Bestimmung des Umfangs der Erde etc. aus. Die ausgezeichnetsten Mathematiker u. Astronomen sind: Aryabhatta im 3. Jahrh. n. Chr., der eigentliche Begründer dieser Wissenschaften; Varâhamihira im 6. Jahrh., welcher auch der Astrologie Eingang in Indien verschaffte; Brahmagupta im 7. Jahrh., der Verfasser des Brahmasiddhanta; Lata, wahrscheinlich der Verfasser des Suryasiddhanta, welches die Inder selbst jedoch dem Asuramaya zuschreiben (herausgeg. von Hall, Calc. 1859, englisch von Burgeß, 1858), u. Bhaskaracarya im 12. Jahrh., welcher ein Lehrbuch der Mathematik unter dem Titel Siddhantaçiromani verfaßte. Von den einzelnen Theilen dieses Werks handeln die Lilavati (Calc. 1832) über Arithmetik u. Geometrie, der Vijaganita (herausgeg. Calc. 1834, von Moore, ebd. 1845, englisch ebd. 1827) über Algebra, der Ganitadhya u. Goladhya (mit dem Commentar des Ranganatha herausgeg. von Wilkinson, Calc. 1842) über Astronomie. Besondere Werke über die Naturwissenschaften sind uns zwar nicht bekannt, doch zeigen dahin einschlagende Bemerkungen in andern Schriften, daß die Inder sich auch in ihnen als sinnige u. scharfe Beobachter bewährt haben. Eine sehr reiche Literatur hat dagegen die Medicin aufzuweisen, welche man bei den Indern auf einer hohen, ganz eigenthümlich entwickelten Stufe findet; Anatomie, Chirurgie, Therapie, Pharmakologie etc. sind der Gegenstand zahlreicher Darstellungen. Bes. geschickt waren die Inder in chirurgischen Operationen; sie kannten das Staarstechen, die Rhinoplastik, den Steinschnitt etc., ja selbst die Blatternimpfung scheinen sie schon im Alterthum ausgeübt zu haben. Das berühmteste medicinische Werk ist das des Suçruta (Calc. 1835, latein. von Heßler, Erlangen 1844). Vgl. Wise, Commentary of the Hindu system of medicine, Calc. 1845. Die Kriegskunst, die Musik u. die bildenden Künste sind von den Indern ebenfalls wissenschaftlich behandelt worden, doch ist von den dahin einschlagenden Schriften noch keine herausgegeben. Die Rechtswissenschaft wurde von den Indern schon früh mit Vorliebe gepflegt. Ihre Gesetzbücher (Dharmaçastras) unterscheiden sich dadurch von denen anderer Völker, daß sie nicht nur das eigentliche Recht, sondern überhaupt die ganze Lebensordnung berücksichtigen u. demnach außer Vorschriften über Rechtspflege auch solche über häusliche u. bürgerliche Pflichten u. über Reinigung u. Buße enthalten. Das älteste Gesetzbuch ist das des Manu, das Manavadharmaçastram (s.u. Manu); seine jetzige Gestalt erhielt es erst durch mehrfache Umarbeitungen. Außer diesem gibt es noch über 50 Gesetzbücher, von denen aber nurdas des Yajnavallya veröffentlicht ist (sanskr. u. deutsch von Stenzler, Berl. 1849); außerdem viele zum Theil sehr umfängliche Abhandlungen über einzelne Theile des Rechts, wie über Erbrecht von Simulavahana (Dayabhaga, herausgeg. Calc. 1813, englisch von Colebrooke, ebd. 1810, franz. von Orianne, Par. 1843), über Adoption von Nanda u. Devanda (Dattakamimansa u. Dattakacandrika, herausgeg. Calc. 1817, engl. von Sutherland, ebd. 1814, franz. von Orianne, Par. 1843) etc. Vgl. Macnaghten, Principles of Hindu law, Calc. 1824.
Was die buddhistische Sanskritliteratur betrifft, so ist dieselbe sehr reichhaltig, indem uns noch die ganzen heiligen Schriften der nördlichen Buddhisten in den Sanskritoriginalen vorliegen. Eine Übersicht der einzelnen Werke nebst Auszügen gab Burnouf in seiner Introduction à l'histoire du Bouddhisme indien (Par. 1844); auch lieferte derselbe eine vollständige Übersetzung einer der wichtigsten dieser Schriften: Le lotus de la bonne loi, Par. 1852. Die Schriften der südlichen Buddhisten sind gar nicht in Sanskrit vorhanden, sondern wurden[875] gleich ursprünglich in Pali verfaßt, s.u. Pali u. vgl. Prakrit.
In Europa wurde man auf die Sanskritliteratur erst seit der Ausbreitung der englischen Herrschaft in Ostindien mehr aufmerksam; unter denen, welche für eine gründlichere Kenntniß derselben wirkten, sind bes. Jones, Colebrooke, Wilson, Jam. Prinsep, Burnouf, Friedr. u. Aug. Wilh. v. Schlegel, Wilh. v. Humboldt, Bopp, Lassen, Herm. Brockhaus, M. Müller, Weber, Böhtlingk, Roth, Benfey, Stenzler, Westergaard, Röer u. Ballantyne zu erwähnen. Die größten Sammlungen von Sanskrithandschriften finden sich in London, Paris, Berlin u. Kopenhagen. Vgl. Bohlen, Das alte Indien, Königsb. 1830; Benfey, Indien, Lpz. 1840; Lassen, Indische Alterthumskunde, Bonn u. Lpz. 1845–61, Bd. 1–4; Weber, Indische Studien, Berl. 1845 f.; Derselbe, Vorlesungen über indische Literaturgeschichte, ebd. 1852; Müller, History of ancient Sanskrit Literature, Lond. 1859. Verzeichnisse der in S. u. über Sanskritliteratur erschienenen Werke enthalten: Gildemeister, Bibliothecae Sanscritae specimen, Bonn 1847, u. Zenker, Bibliotheca orientalis, Lpz. 1861, 2. Bd.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 869-876.
Hindustanische Sprache u. Literatur [Urdu]
[387] Hindustanische Sprache u. Literatur. Unter den neueren Indischen Sprachen (s.d. Art.), welche sich noch vor Ablauf des 10. Jahrh. u. Thr. nach dem Aufhören des Sanskrit als lebender Sprache aus den vom Volke gesprochenen verschiedenen Prakritmundarten im nördlichen Indien gebildet haben müssen, ist diejenige, welche sich im Hauptsitze der arabischen Inder u. des Sanskrit, dem eigentlichen Hindustan, entwickelte, die wichtigste geworden, weil sich vorzugsweise in derselben die Indische Literatur fortgesetzt hat. Man bezeichnet dieselbe nach Vorgang der Perser jetzt allgemein mit dem Namen Hindûi (d.i. Sprache der Hindu), sie ist nicht eine Tochtersprache, sondern nur eine Enkelsprache des Sanskrit u. vermittelt den Zusammenhang mit dem Prakrit der Sanskritzeit u. dem Hindustanischen od. Hindustani (pers., d.i. Sprache von Hindustan), od. der jetzigen Sprache des eigentlichen Hindustan. Das Hindui, auch Hindi (d.i. Sprache von Hind od. Indien) od. schlechthin Bhâkha, d.i. Sprache (gewöhnliche Sprache), genannt, wurde in verschiedenen Dialekten gesprochen, unter denen sich schon damals die Brâdsch-bhâkha, d.i. die Sprache der Landschaft Brâdsch, in der Spitze des Doab (zwischen Ganges u. Dschumna) vorzugsweise der literarischen Cultur zu erfreuen hatte. Das Hindui wurde stets mit Devanagarischrift geschrieben. Aus dem Hindui bildete sich seit dem 11 Jahrh. n. Chr. das Hindustani, in Folge der Eroberungszüge der Muhammedaner. Die siegreichen Fürsten ließen sich mit ihren Schaaren im eigentlichen Hindustan nieder u. gründeten hier bleibende Sitze. Sie sahen sich deshalb auch genöthigt die Sprache der Besiegten, das Hindui, zu adoptiren, doch wurden demselben durch diese Adoption einestheils eine große Anzahl persischer u. arabischer Worte zugeführt, während anderntheils die Sprache selbst in Bezug auf ihr inneres grammatisches Gefüge mancherlei Modificationen erfuhr. Auch wurde auf diese Mischsprache von den Muhammedanern das arabische Alphabet (zunächst in seiner persischen Modification) übertragen. Das Hindustani wurde zwar von Letzteren nicht sofort anstatt des Persischen zur Hof- u. Schriftsprache erhoben, doch werden schon in den ersten Jahrhunderten der muhammedanischen Herrschaft einige Dichter, wie Maçûd-i-Saad (um 1080); der berühmte Sadi (um 1250) u. im 14. Jahrh. Khusrau von Delhi, genannt, welche in der neuen Mischsprache dichteten. Eine eigentliche Literatur unter festen sprachlichen Formen entwickelte sich seit Begründung des Reiches der Großmoguls, bes. seit der Thronbesteigung Jehangirs, sowohl im eigentlichen Hindustan, als auch an den muhammedanischen Herrschersitzen im Dekan. Man unterscheidet jetzt zwei Formen des Hindustani: eine nördliche, im eigentlichen Hindustan, die gewöhnlich Urdu (türk., d.i. Heerlager, Sprache des Heerlagers, Zebân-i-urdu) genannt wird, u. vorzugsweise an den Höfen zu Agra, Delhi u. später Lucknow literarisch gepflegt wurde; u. eine südliche, das Dakhni (Sprache Dekans, Sprache des Südens), auch wohl Gnjrî (d.i. Sprache des Lagers), welches bes. an den Höfen von Golconda u. Hyderabad zur Ausbildung gelangte. Beide Formen zeigen nur einen lexikalischen Unterschied, insofern das Dakhni genöthigt war, für gewisse Hinduiworte[387] die entsprechenden Worte aus den Dravidischen Sprachen des Dekan zu substituiren. Grammatisch durchaus nicht verschieden von diesem Hindustani der moslemischen Indier ist das Hindî od. die Sprache der brahmanisch gebliebenen Hindu, nur hat sich dasselbe reiner von der Beimischung persischer u. arabischer Wörter erhalten, so wie die Nagarischrift beibehalten. Das Hindi ist demnach als das von den Hindus selbst modernisirte Neuhindui zu betrachten. Man unterscheidet bei dem Hindi das Kharî-bolî (d.i. die reine Sprache), das auch Fenth genannt wird, von dem Des-bhâkhâ (d.i. Sprache der Provinz); ersteres ist das reine Hindi, wie es in den gebildeten Hindukreisen von Delhi u. Agra gesprochen wird, letzteres hingegen bezeichnet die in sehr verschiedene Dialekte zerfallende Sprache der brahmanischen Hindus in den verschiedenen Landschaften Hindustans, s. Indische Sprachen.
Das Hindustani od. Urdu wird vielleicht von einer größeren Anzahl Indiern gesprochen, als jede andere der indischen Volkssprachen; allein es ist gewissermaßen nur schleierförmig über Indien ausgebreitet. Centren für dasselbe waren bisher nur die Residenzen der bedeutenderen muhammedanischen Fürsten, wie Delhi, Lucknow, Hyderabad. In den Landschaften, welche nicht zum eigentlichen Hindustan gehören, wie in Bengalen, wird es von den Moslems meist sehr verderbt gesprochen. Die eingeborenen Beamten, namentlich im Verkehr mit ihren europäischen Vorgesetzten, bedienen sich meist des Hindustani; auch wird es vom größten Theil der Handelswelt verstanden. Auch die Sipahis der Gangesprovinzen sind des Hindustani mächtig; die ackerbautreibende Bevölkerung ist jedoch nur wenig od. nicht vollständig mit dieser Sprache vertraut. Im Dekan bleibt letztere dem gewöhnlichen Volke völlig unbekannt, u. wird auch von den höheren Klassen nur sehr wenig angewandt. Die Civilbeamten in Bengalen müssen das Hindustani erlernen, wenn sie angestellt sein wollen. Wenn auch in der Präsidentschaft Bengalen das Bengali die eigentliche Volkssprache ist, so herrscht doch das Hindustani, abgesehen vom Gebrauche desselben in Calcutta u. den oberen Gerichtshöfen od. Sadr Courts, vor (in größerer od. geringerer Annäherung an das Hindi) in den Zilas od. Districten von Behar, Purnea, Tirhut, Sáran, Bhagalpur u. Sháhábad. Die Zahl der Indier, welche das Hindustani verstehen, wird auf 60 Millionen geschätzt. Wegen der großen Verbreitung, die es bereits genießt, wurde es von den Engländern vorzugsweise unterstützt, u. hat in neuerer Zeit das Persische als Sprache der Administration u. Diplomatie fast ganz verdrängt. Unter den zahlreichen Hülfsmitteln für das Hindustani sind hervorzuheben die Grammatiken von Garcin de Tassy, Par. 1829; Anhang, 1833; Ballantyne, Edinb. 1838; Shakespeare, 5. Aufl., Lond. 1846; Forbes, ebd. 1846; Eastwick, 2. Aufl., von Small, ebd. 1858, u. Williams, ebd. 1858; die Wörterbücher von Shakespeare, 5. Aufl., Lond. 1845; Forbes, ebd. 1848, u. Yates, Calc. 1847. Weniger bearbeitet wurde das Hindi; Grammatiken. lieferten Ballantyne, Lond. 1839, u. Adam, Calc. 1845; Wörterbücher, Adam, ebd. 1829, 1839, u. Thompson, ebd. 1846; das Bradsh-Bhâkha insbesondere bearbeitete Shree Luloo Lal Kuvi, Calc. 1811. Eine sehr brauchbare Arbeit über das Hindui hat; Garcin de Tassy, Par. 1848, geliefert.
Wie in Hindustan zwei Sprachformen (Hindustani u. Hindi) neben einander bestehen, so haben sich auch zwei Literaturen gebildet, nämlich eine Literatur der Hindus in Hindui u. Hindi u. eine der muhammedanischen Indier in Hindustani. Während die brahmanischen Hindu sich fast nur an einheimische Stoffe halten, verarbeiten die Moslems nicht nur einheimische Stoffe, sondern auch persische, arabische u. andere Gegenstände, welche überhaupt allerwärts in den Literaturen der verschiedenen muhammedanischen Völker. auftreten. A) Die Hindiliteratur ist reich an poetischen, theologisch-philosophischen u. historischen Werken. Fast alle Stoffe der Sanskrit-Dichtungen, welche volksthümlich geworden waren, wurden auch wiederholt in Hindui u. Hindi bearbeitet. Gegenwärtig häufiger gelesen als die gleichnamigen altindischen Dichtungen werden das Râmâyan (gedruckt zu Kizarpore 1811, 1822, 1828; Calc. 1832) von Tulçidâs (gest. 1624) u. das Mahâbharat von Gokulnath aus Benares. Letzter bearbeitete auch das Harivansa; die Geschichte des Rama wurde unter Anderen auch von Kêçavadâs u. von Rae-Singh behandelt. Nawâz Kabishwar dichtete eine Sakuntala, Surdas die Erzählung von Nal u. Damajanti, Jatamal u. Jaïçî wählten die Geschichte von der Padmavatî für ihre Gedichte. Sehr populär sind die Bailal Pachisi u. die Singhasan Battiçi, zwei Märchensammlungen, von denen die letztere in dem sanskritischen Sinhâsana dratrinçati, die erstere im Vetala pancarinçati ihr Original findet. Die Baital-Patîsî wurden von Sûrat-Kabîshwar (um 1631) in Bradsch-Bhakha gedichtet. öfter gedruckt (z.B. Calc. 1809; Agra 1843; Indore 1849; mit englischer Übersetzung von Eastwick u. Barker, Hertford 1855) u. von Wila u. von. Lallû ins Hindustani übertragen. Die Singhasan-Battiçi rühren von demselben Sûrat her (gedruckt Agra 1843; Indore 1849) u. wurden von Mirza Kazim Ali Imvan ins Hindustani übertragen. Auch von anderen altindischen Märchensammlungen, wie dem Totakahâni od. Papageienbuch, der Hitopadeça, Rajnîti etc. gibt es Bearbeitungen in Hindi u. Hindustani. Großer Beliebtheit erfreut sich auch Prem Sagar (d.i. Ocean der Liebe) von Srî Lallû Iî Lâl Kabi, welches die Geschichte des Krishna nach dem Bhagavat des Vyasudeva erzählt, bereits öfter gedruckt wurde (Calc. 1805, 1810, 1825, 1831, 1842; herausgegeben von Eastwick, Herts. 1851; übersetzt von demselben, Herts. 1851) u. in den Braj-vilâs des Brajbasîdâs, so wie in Dichtungen von Lalach (französisch von Pavie, Paris 1852), Krishnadâs, Bhupati, Priyadâs etc. weniger bekannte Seitenstücke erhalten hat. Andere gefeierte Dichtungen sind: die Sapta Satika, eine Bearbeitung der Saptaçati des Govardhana von Srî Lallû Iî Lâl Kabi, die Sabhâ vilâs (herausgegeben von Price, Calc. 1828) von demselben Dichter; Pandhâdhyâi von Nanddâs, eine Nachahmung der Gîtagovinda; die Sât-saï des Bihârî Lâl; das Bhaktamal, eine Sammlung von Legenden indischer Heiliger, von Nabhaji, zu Ende der Regierungszeit Akbars verfaßt. Unter den romanartigen. Dichtungen sind hervorzuheben: Mâdhonal von Motirâm, der von Wila u. Lallu Jî Lâl ins Hindustani übersetzt, u. [388] under Singar von Sundardâs (um 1631) verfaßt. Nicht ohne historischen Werth, wenn auch mit Kritik zu gebrauchen, sind eine große Anzahl erzählender Dichtungen, welche ihre Stoffe aus der Geschichte des neueren Indien wählen. Dahin gehört vor Allem die Prithvî-râjâ-caritra von Cand (Tschand), der zu Ende des 12. Jahrh. lebte; ferner die Chatra prakâsh von Lal Kavi; Gopacala-kathâ, eine Geschichte von Gwalior, von Vargaraya; des Pothi Mohammad Shahi von Harinath; ferner Raj Vilâs von Man Kabishwar, Hamir-raça, Haricandra Lila, Suruj Prakâsh von Karna, Garb cintamani, Raja battana, Rishabha caritra (Geschichte der Rishabha, einer der vorzüglichsten Heiligen der Dschainas), Vansaçuli von Bakuta, Kalpadruma von Jai-Singh etc. Wie sich schon in früherer Zeit die Buddhisten vielfach der Volksidiome, nicht des Sanskrit, bedienen, so auch die späteren Reformatoren u. Sectenstifter unter den Hindus. Viele Schriften der Jainas sind in Hindui abgefaßt, wie die Srîpâla-caritra von Paramalla u. das gleichnamige Werk von Vinayavijaya-gani; die Kriyâ kathâ kaustubh von Krishna-Singh (um 1728), das Arth Vipâk, die Kartikeyânu-preksha von Jayacandra, der Suniçâr von Bakhtawar etc. Hierzu kommen die Schriften, worunter sehr schöne religiöse Dichtungen, der Veishnawas, unter denen viele Reformatoren des Brahmanischen Cultus auftauchten. Der bedeutendste unter letzteren ist Kabîr (blühte unter Sikander-Shâh Lodî, 1488–1516), dessen Lehre unter dem Einfluß der Vedanta u. des moslemischen Sufismus sich entwickelte. Seine Schriften sind im Khâs Grantha vereinigt; unter seinen Anhängern (Kabîrpanthis) sind Dharmadas als Verfasser des sehr geschätzten Amarmâl u. Bhagodas als Verfasser des Bijak zu nennen. Aus den Kabîrpanthis gingen mehrere andere Secten, wie die Sikhs, die Sâdhs, die Satnâmî hervor. Stifter der Sikhs ist Nanak, doch ist ihre Heilige Schrift, das Granth od. Adigranth (d.i. das hohe Buch), auch Gurumukhî genannt, nicht von Nanak selbst, sondern zu Ende des 16. Jahrh. von Arjunmal aus den Schriften des Stifters u. seiner unmittelbaren Nachfolger zusammengestellt (das Granth ist nicht in Pendschabi od. der eigenthümlichen Sprache des Pendschab, sondern in dem Bhattidialekte des Hindui verfaßt). Die Sadhs wurden von Birbhân gestiftet, welcher seine Lehren im Adi-upades um 1658 niederlegte. Dem Stifter der Satnâmî, dem Jagjivandas, werden das Prathama grantha, das Inyân prakâs (um 1761) u. die Mahâ pralaya beigelegt. Von anderen Secten wurden gestiftet die Vallabhacharîs von Vallabha, welcher zu Anfang des 16. Jahrh. den Vishnupada schrieb; ferner die Râmsanehis, deren Stifter Ram-Charan (geb. 1719), welcher, wie seine Schüler Ramjan, Dulharam u. Catradas, eine große Anzahl von Hymnen dichtete; die Dâdûpanthî, gestiftet von Dâdûjî od. Dâdû (um 1600), welcher das Granth Patha od. das Dâdû-panthî-granth verfaßte. Der Sectenstifter Siva Nârâyan, welcher zur Zeit Mohammed-Shah's lebte, wird als Verfasser von elf Schriften genannt. Auch die Sivaiten haben verschiedene religiöse Schriften in Hindui u. Hindi aufzuweisen. Andere religiöse Schriftsteller, die nicht als Sectenstifter auftraten, sind noch: Bhartribari, Bhupati, Brajbâcidâs, Nabhaji, Chaturbuj, Dulha-Râm, Govind-Singh, Pryadâs, Rae-Sing, Râmjan, Râmpraçad, Srutgopaldas, Bilwa-Mangal, Dhana-Bhagat, Pipâ etc. Von philosophischen Schriften in Hindi sind die Amrita dhara, eine Exposition des Vedanta-Systems, von Bhavanandadâs, die Vijnyânvilâs von Gangapati etc. zu nennen. Astronomischen Inhalts ist Bhugola Saro Likhyate von Sri Unkara Bhât; die Parsiprakâs von Vedangaraya ist ein Kalenderwerk, die Bija-Ganita ein arithmetisches Werk. Die Rhetorik bearbeiteten u. A. in der Mitte des 16. Jahrh. Gangadas, später Kêcavadâs (um 1602) in der Kavipriya. Die Metrik ist behandelt in dem Bâsha Pingala. Die Anekartha manjari ist ein Wörterbuch ähnlich bedeutender Wörter; ein Hindiwörterbuch verfaßte Abd-ulwâçî aus Hânsaw.
B) Die Literatur des Hindustani od. der Muhammedaner in Indien ist zwar sehr reich (die einheimischen biographischen Werke zählen allein mehr als 2000 Dichter auf), besitzt aber nur sehr wenig originale Werke. Wie fast durchaus in der Form, so zum großen Theil auch in Bezug auf den Inhalt, ist sie eine Tochter der persischen. Von letzter unterscheidet sie sich unter Anderm dadurch, daß sie auch indische Stoffe in ihren Gesichtskreis zieht, wobei sie aber kaum auf die altindischen Originale, sondern meist nur auf moderne Bearbeitungen im Hindi zurückgeht. Diejenigen Stoffe, welche auch sonst in allen Moslemischen Literaturen beliebt sind, erleiden in der Regel eine Modificirung, indem sie mit indischen Verhältnissen in Einklang gebracht werden. Fast alle bedeutendere Werke der schönen Literatur der Perser sind auch dem Inder durch mehr od. minder freie Übertragungen od. Bearbeitungen zugänglich gemacht worden. Die Blüthezeit der Hindustaniliteratur (s. oben) fällt in das 18. Jahrh.; Mittelpunkt für dieselbe bildete erst Delhi, später Lucknow. Unter den Dichtern, welche sich im 16. Jahrh. des Urdu bedienten, sind zu nennen: Abulsazi, der Minister Akbar's, u. Bayazid Ansari, das Haupt der Secte der Roschanis od. Dschalalis; im Dakhni dichteten Afzal (Mohammed) u. Mohammed Culi Cuth Shah, König von Golconda (1582–1611). Im 17. Jahrh. dichteten im nördlichen Indien Hatim, Azad (Faquir-ullah) u. Mohammed Jiwan; im Dekan Wali (Oeuvres, herausgeg. von Garcin de Tassy, Par. 1837–39, 2 Bde.), welcher für den bedeutendsten Dichter im Dakhni gilt; ferner Schah Gulschan; Ahmed von Guzerat, Tana-Schah, Schahi von Bagnagar u. Mirza Abulkaçim; Awari (od. Ibn Nischati), Gauwas, Muhacquic, Rasmi, Ajiz (Mohammed) u. A. Unter der großen Anzahl von Dichtern des 18. Jahrh. sind für das Urdu Sauda, Mir u. Hacan als die drei bedeutendsten des eigentlichen Hindustan hervorzuheben; außer diesen sind noch Jur'at, Arzu, Dard, Yaquin, Figan, Amjad, Amin-uddin von Benares, Aschik von Gazipur zu nennen; im Dakhni dichteten um dieselbe Zeit Haïdar-Shah mit dem Beinamen Marçiya-go, ferner Abjadi, Siradsch von Aurengabad (gest. 1754) u. Uzlat von Surat, einer der berühmtesten Dichter des Dekan (gest. 1751–52). Im gegenwärtigen Jahrhundert werden mit Auszeichnung genannt: für das Urdu Mumin aus Delhi (gest. 1852), Nacir (gest. 1842 od. 43), Atasch (gest. 1847); ferner Mul-Chand der eine[389] abgekürzte Übertragung des Shah-nameh verfaßte, u. Mamnun, welcher für den bedeutendsten hindustanischen Dichter der Gegenwart gilt. Im Dekan sind Kamal von Heiderabad u. Abd-ulhak aus Madras am meisten gefeiert. Auch mehrere Dichterinnen sind aufgetreten, wie Amat-ul Fatima Bégam, gewöhnlich Ji Sahib genannt, ferner Champa (eine Gattin des Nabob Huçam uddaula), Fach Bakhsch, eine Bayadere, wie auch Jân aus Farrukhabad. Letztere wohnte vor dem letzten indischen Aufstande in Lucknow, wo sie 1846 ihren Diwan veröffentlichte. Andere Dichterinnen nennt Garcin de Tassy in Les femmes poètes de l'Inde (Revue de l'Orient, 1854).
Viele Dichter in Urdu u. Dakhni haben ihre Aoesleu unter dem Titel Diwan vereinigt. Nur wenige Diwane führen noch besondere Bezeichnungen, wie z.B. der des Sultans Wajid Ali (welcher unter dem Dichternamen Akhtar dichtete) von Oude, den Titel Faïz bunyan (Lucknow 1848) trägt; der Diwan des Josch od. Ahmad Hacan Khan heißt Guldastsa-i-sukhan, die beiden Diwane des Rascht sind Nazm mubarak u. Nazm guirani, der des Tapisch Gulzari Mazamin betitelt. Der berühmteste unter allen Diwans ist der des Wali. neben welchem die des Sauda, Mir, Dard, Jurat, Yaquin, so wie aus neuester Zeit die des Atasch, Zank, Nawed, Nazir am meisten geschätzt werden. Die Diwane bestehen nur aus kleineren Gedichten od. Ghazels. Sinnlich erotische Poesien enthalten die Kokschastar; in dieser Gattung haben sich Ali Aacan aus dem Dekan, Schihab-uddin u. Mati Ram (in Hindi) am meisten ausgezeichnet. Umlänglichere Gedichte sind die Mesnewis, welche irgend einen Gegenstand, eine Begebenheit, oft eine ganze Erzählung behandeln. Hat ein Dichter mehrere derselben verfaßt, so heißt eine Sammlung derselben, wenn sie fünf Stück umfaßt, ein Khamsa, u. wenn sie sieben enthält, eine Hafta. Die beliebtesten Stoffe für diese Dichtgattung sind auch im Bindostan: a) die Abenteuer berühmter Liebespaare, wie Jussuf u. Salikha (von Amin, Tapisch, Fidwi aus Lahore, von Mujib, der noch 1856 lebte, von Aschik od. Mahdi-Ali bearbeitet, wozu noch ein sechstes Gedicht im Ischq-nameh, Bomb. 1847, kommt); ferner Mejnun u. Leïla, von Tajalli, Azim, Hawas od. Razi, von Wila etc.; weiter die Geschichte von Farhad u. Schirin, von Wamiq u. Azra u. dgl. Hierzu kommen b) die Geschichten sagenhaft gewordener Helden, wie Iskander (Alexander der Große), dessen Thaten auf Grund des Sikander-nameh des Nizami im Urdu von Azam aus Agra u. Nakhat aus Delhi besungen wurden; ferner die Geschichte Rustem's, des Helden des persischen Schah-nameh, von Amir Hamza, dem Oheim Mohammeds (bearbeitet von Aschk u. von Galib aus Lucknow), von Hatim-Tai (Gedichte von Baidari, Siraj u. Gobindnath), von Bahram-Gor. Letzteren Stoff behandeln Haidari in den Heft-Païkar, ferner Tabi aus Golconde u. Haquicat aus Bareilly. Hieran schließen sich die romantischen Dichtungen Schah o Derwisch von Jahan, die über Ben-Hanifa, den Sohn des Ali (von Azad, Sewak u. Wahidi) etc. Außer diesen allerwärts im moslemischen Orient beliebten Stoffen wurden von den hindustanischen Dichtern auch einheimische indische Stoffe behandelt. Dahin gehört u.a. die Geschichte der Sakuntala (Gedichte von Nawaz, Jawan, Gulam Ahmad u. And.), von Padmavati (Gedichte von Ischrat u. Ibrat), von Krischna, von Nal u. Damajanti (bearbeitet von Mir Ali aus Bengalen u. Ahmed Ali aus Lucknow), etc. Hierzu kommen noch eine Anzahl eigenthümlicher Märchenstoffe, wie die Abenteuer des Kamrup, welche unter mehreren anderen von Tahçin-uddin bearbeitet wurden; ferner die anmuthige Erzählung von der Rose von Bakawali (behandelt von Nacim in Agra, von Rihan u. And.). Verwandter Natur sind die romantischen Dichtungen in Prosa od. Versen, od. in beiden zugleich, von Hir u. Ranjhan, von Saci u. Panun, von Phulban (berühmte Bearbeitung von Awari), von Gul o Sanaubar (Rose u. Pinie), welche sehr beliebt ist; ferner existiren im Hindustani auch Bearbeitungen der Geschichte von den vier Derwischen (unter dem Titel Bag-o-Bihar), von den Abenteuern des Gniu Paramartan u. anderen oben erwähnten indischen Fabel- u. Märchensammlungen. Außer diesen populären Sagen- u. Märchenstoffen wurden von den neueren indischen Dichtern auch minder bekannte gewählt. Am bekanntesten darunter sind die Geschichten des Buland-Akhtar von Mir Khan, des Rizwan Schab, des Dilaram u. Dilruba, des Pari Rukh o Mah Sima etc. Dahin gehört auch die sehr beliebte Façana-i ajaïb (die Wunderbare Geschichte) des Surur aus Cawnpore. Von didaktischen Dichtungen (eingerahmte Fabeln mit moralischem u. religiösem Zwischenwerk) hat die persische Dichtung Ikhwan ussafa durch die elegante Bearbeitung Ikram-Ali's viel Verbreitung gefunden. Auch haben sich in neuester Zeit mehrere indische Moslems im Drama, doch ohne Erfolg, versucht. In der eigenthümlichen Dichtgattung des Inscha (d.i. Epistel) haben sich in Hindustannus gezeichnet: Faïz, Khalic, Nizam-uddin, Chironji-Cal, Yussuf Dakhni u. And. Von geschichtlichen Werken hat die Hindustanische Literatur nichts Besonderes aufzuweisen; doch sind einige Werke erschienen, welche einen eigenthümlichen Werth besitzen. Dahin gehören die Städtegeschichten von Delhi, Agra u. Calcutta; ferner die Geschichte des Ali Adil Shah von Nusrati, die Annalen der Gurkhas; ferner eine Geschichte der englischen Herrschaft in Bengalen von Nur Muhammed, die Geschichte der Scindiadynastien Dharam Narayan etc. Hieran schließen sich einzelne Reiseberichte, wie der des Yussuf Khan aus Lucknow über Frankreich u. England (Delhi 1853). Einen Hauptbestandtheil der Hindustaniliteratur bilden die Übersetzungen sowohl aus den übrigen Sprachen des Orients, als auch, bes. in neuerer Zeit, die aus dem Englischen u. Französischen. Dahin gehören die Übersetzungen des Koran von Abdul-Kadir u. Rasi-'uddin; die der Geschichte des Abulfeda von Karim u. Irci, des Ibn-Challikan von Subhan-Bakhsch, der berühmten arabischen juristischen Werke Mischkat scharif u. Adab-ulkazi. Mehrfach übertragen (auch in Hjndi) wurden Tausend u. eine Nacht. Andere Übersetzungen aus dem Arabischen hat die Vernacular translation Society angekündigt. Am zahlreichsten sind die Übersetzungen aus dem Persischen (s. oben). So existiren meist in mehreren Bearbeitungen der Gulistan u. Bostan des Saadi, des Schahname, des Pendnameh, des Attar, des Mesnewi scherif, des Dschelal-eddin Rumi u. v. A. Umgekehrt wurden auch mehrere der beliebtesten neuern indischen Literaturwerke[390] in das Persische übertragen. Die Übersetzungen von Werken der schönen Literatur (Rasselas, Robinson Crusoe, Vicar of Wakefield, Bunyan etc.), sowie guter populärer wissenschaftlicher Arbeiten aus dem Englischen, zum Theil auch aus dem Französischen ist in steter Zunahme begriffen. Auch die Missionäre der verschiedenen Kirchen haben zahlreiche religiöse Schriften u. Schulbücher in Hindi u. Hindustani veröffentlicht. Die Vermehrung der Bücher durch den Druck, bes. aber durch die Lithographie wird immer gewöhnlicher. 1837 wurde die erste lithographische Presse für diese Zwecke in Delhi aufgestellt; 1853 waren in den Nordwestlichen Provinzen bereits 34 thätig. Mit dem Bücherdruck wurde auch die bis dahin unbekannte Zeitungsliteratur in Ostindien eingebürgert. Viele brauchbare Materialien zur Geschichte der neuern indischen Literatur haben die Indier selbst in ihren biographisch-anthologischen Sammelwerken (Tezkirah) zusammengestellt, wie in dem von Schesta (Delhi 1837), von Mir, Qáyim, Qásim, Lutf, Imam bhaksh (Delhi 1844), Karimeddin (Delhi 1848) u. A. Daraus schöpfte Garcin de Tassy in seiner Histoire de la literature hindoui et hindoustani (Paris 1839 bis 1843, Bd. 1 u. 2), die selbst wieder in das Hindustani (Agra 1853) übertragen wurde. Vgl. noch Garcin de Tassy, Les auteurs hindoustanis (Paris 1856); Sprenger, A Catalogue of the library of the hing of Oude (Lucknow 1854, Bd. 1); Bibliotheca orientalis Sprengeriana (Gießen 1857). In Europa finden sich reiche Sammlungen von Handschriften u. Drucken in Hindi u. Hindustani in Paris (in der kaiserlichen Bibliothek u. im Besitz Garcin de Tassy's) in London (Library of the East India House) u. Berlin (die Sprengersche Sammlung in der königlichen Bibliothek).
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 387-391. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010115706
Herder 1854
[408] Indische Literatur, die, wurde gegen das Ende des vorigen Jahrh. in Europa bekannt (s. Anquetil du Perron); man versprach sich anfangs Außerordentliches von ihr für das ganze Gebiet der Wissenschaft, wurde jedoch in den meisten Beziehungen bald enttäuscht. Die zügellose Phantasie der Hindu macht denselben eine eigentliche Geschichtschreibung vollständig unmöglich und ihre Lyrik und Dramatik trotz einzelner Schönheiten durch maßlose Uebertreibung für den gewöhnlichen Europäer ungenießbar. so daß die Geduld eines gelehrten Forschers dazu gehört, um sich durch ein Werk der i.n L. durchzuarbeiten. Die ältesten Denkmale i.r L. sind die Vedas (s. d.), die hl. Bücher der Hindu; sie enthalten Gebete, Hymnen, Lieder, dogmatische und philos. Lehren, Lehrsprüche, Anweisungen zur Götterverehrung, Opferfeier etc. Die Puranas sind viel späteren Ursprungs, sie sind die Hauptquelle der Mythologie in der Volksreligion. Von der alten epischen Poesie haben sich 2 sehr umfangreiche Epopöen erhalten, das Mahabharata (dem Vyasa zugeschrieben), das den Kampf zweier Dynastien schildert, aber keinen historischen Kern erkennen läßt und das Ramayhana (von Valmiki), die 7. Verkörperung des Gottes Wischnu und die Eroberung Indiens durch denselben besingend. Von den dramat. Dichtern (Kalidasa, Sudraka, Bhavabhuti, Visakhadatta etc.) ist Kalidasa durch seine »Sakuntala« der deutschen Lesewelt dem Namen nach bekannt geworden, denn trotz alles Anpreisens kennt höchst selten jemand das Werk selbst, das sich allerdings durch einzelne Partien von wunderbarer Zartheit auszeichnet. Die gnomische Poesie hat z. Theil Treffliches geliefert und die Fabel hat in Indien ihre ursprüngliche Heimath, aus welcher sie über Persien und Arabien nach Europa wanderte; vgl. Hitopadesa. Die Gesetzeskunde fand in Indien fleißige Bearbeiter; die Gesetzessammlung des Menu ist streng genommen auch das einzige indische historische Werk, insofern dasselbe den Zustand eines ind. Staates darstellt, nachdem derselbe durch die Priesterkaste bereits auf die brahminische Religion begründet war; aus demselben Grunde aber gehört das Gesetz des Menu gewissermaßen auch zu den religiösen Schriften. An scharfsinnigen Grammatikern fehlte es den Hindu nicht; das Decimalsystem, sowie die Zahlzeichen sollen ind. Erfindungen sein, die mathemat. Kenntnisse fanden die Europäer jedoch sehr beschränkt, die astronom. Beobachtungen höchst mangelhaft, die Astrologie allgemein im Schwunge, die Medicin trotz einiger chirurg. Kenntnisse höchst unausgebildet. Dagegen haben die Hindu die speculative Philosophie in ihrem ganzen Umfange cultivirt und man findet bei ihnen alle Systeme, Pantheismus und Atheismus, Idealismus und Materialismus ausgebildet, wie dieselben bei den Griechen und in der neueren Zeit als angeblich höchste Weisheit austrompetet u. häufig genug geglaubt wurden. Vergl. indische Sprache.
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 408. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003383342