Horaz
Horaz
Horaz (Aussprache: [hoˈraːt͡s]; * 8. Dezember 65 v. Chr. in Venusia; † 27. November 8 v. Chr.), eigentlich Quintus Horatius Flaccus, war neben Vergil, Properz, Tibull und Ovid einer der bedeutendsten römischen Dichter der Augusteischen Zeit. / https://de.wikipedia.org/wiki/Horaz
Quintus Horatius Flaccus (Classical Latin: [ˈkʷiːntʊs (h)ɔˈraːtiʊs ˈfɫakːʊs]; 8 December 65 BC – 27 November 8 BC), commonly known in the English-speaking world as Horace (/ˈhɒrɪs/), was the leading Roman lyric poet during the time of Augustus (also known as Octavian). The rhetorician Quintilian regarded his Odes as just about the only Latin lyrics worth reading: "He can be lofty sometimes, yet he is also full of charm and grace, versatile in his figures, and felicitously daring in his choice of words." / https://en.wikipedia.org/wiki/Horace
Horace (en latin Quintus Horatius Flaccus) est un poète latin né le 8 décembre 65 av. J.-C. à Vénouse dans le sud de l'Italie et mort le 27 novembre 8 av. J.-C. à Rome. / https://fr.wikipedia.org/wiki/Horace
Deutsche Ausgaben
- Horaz: Oden und Epoden. hrsg. v. W. Killy, Ernst A. Schmidt und übers. v. Ch. F. K. Herzlieb und J. P. Uz, Zürich/München 2000, ISBN 3-8289-4850-2.
- Horaz: Sämtliche Gedichte mit den Holzschnitten der Straßburger Ausgabe von 1498. lat./dt., hrsg. v. Bernhard Kytzler. Reclam, Stuttgart 1992, ISBN 3-15-028753-7.
- Horaz: Sämtliche Werke. hrsg. v. Hans Färber, Artemis & Winkler (Sammlung Tusculum), München 1993, zehnte Auflage. (in Versübersetzung) ISBN 3-7608-1544-8.
- Christoph Martin Wieland: Übersetzung des Horaz. hrsg. v. Manfred Fuhrmann, (= Bibliothek Deutscher Klassiker, Band 10), Dt. Klassiker-Verlag, Frankfurt am Main 1986 (einsprachig, Briefe und Satiren übers. mit Einl. u. Erkl.) ISBN 3-618-61690-2.
Quellen im Netz
Originaltext und Allgemeines
- Literatur von und über Horaz im lateinischen Originaltext in der Bibliotheca Augustana und bei Wikisource
- Q. Horati Flacci carmina: = Horaz Oden und Epoden, für den Schulgebrauch erkl. von Karl Konrad Küster. Paderborn : Schöningh, 1890. VIII, 428 S. (lat. Originaltext und ausführlicher deutscher Kommentar) Münchner Digitalisierungszentrum (MDZ)
- Des Q. Horatius Flaccus Oden und Epoden: Text und Uebersetzung mit Erläuterungen von Theodor Kayser. Tübingen : Fues, 1877. XIV, 337 S. Münchner Digitalisierungszentrum
Deutsche Ausgaben im Netz
- Quintus Horatius Flaccus Werke: deutsche Übersetzung mit dem Urtexte zur Seite. 2: Enthaltend die Satiren und Briefe. Leipzig : Wigand, 1837. 263 Doppels. MDZ
Alte Darstellungen
Meyers 1907
Horaz
[547] Horātius (Horaz), Quintus H. Flaccus, einer der hervorragendsten römischen Dichter, geb. 8. Dez. 65 v. Chr. zu Venusia in Apulien, gest. 27. Nov. 8 v. Chr. in Rom, war der Sohn eines Freigelassenen, der ihm in Rom trotz seiner bescheidenen Mittel eine gute Ausbildung geben ließ. Zur Fortsetzung seiner Studien nach Athen gegangen, schloß sich H., als nach Cäsars Ermordung 44 Brutus dorthin kam, der Sache der Freiheit an. Nach der Niederlage bei Philippi, wo er als Kriegstribun mitfocht, amnestiert, begab er sich nach Rom, wo er sich zu seinem Unterhalt eine Stelle als quästorischer Schreiber kaufte. Durch Gedichte kam er bald in Verkehr mit den angesehenen Dichtern Vergil und Varius, die ihm die Bekanntschaft des Mäcenas verschafften. Dieser gewann H. so lieb, daß er ihn in seinen vertrauten Umgang zog und durch Schenkung eines Landguts im Sabinerland in eine sorgenfreie Lage versetzte, so daß sich H. seinen poetischen Neigungen ungestört widmen konnte. Auch Augustus schätzte ihn hoch und wollte ihn als Privatsekretär in seine Dienste ziehen; doch H. wies den Antrag unter dem Vorwand schwacher Gesundheit ab. Die höchste Ehre ward ihm zuteil, als ihn Augustus im J. 17 mit der Abfassung des Festgedichtes zu den Säkularspielen betraute. – Wir besitzen von H. 4 Bücher Oden (»Carmina«, Lieder) nebst dem sogen. »Carmen saeculare«, ein Buch sogen. Epoden (eigentlicher Titel »Iambi«), 2 Bücher Satiren (»Sermones«) und 2 Bücher Briefe (»Epistulae«). Davon ist das erste Buch der Satiren um 35 herausgegeben, mm 30 das zweite nebst den Epoden, um 24 die drei ersten Bücher Oden, 20 das erste Buch der Episteln, um 13 das z. T. im Auftrag des Augustus gedichtete vierte Buch Oden, zuletzt das zweite Buch der Episteln. Von diesen wird die letzte, an die Pisonen gerichtete, die in zwangloser Folge eine Reihe ästhetischer Fragen der Literatur, besonders des Dramas, behandelt, als »Ars poetica«, oft als selbständiges Werk angeführt. Die Epoden sind in den Formen und z. T. in dem Ton des Archilochos gedichtet. Mit seinen Oden hat sich H. das Verdienst erworben, die Kunstformen der äolischen Lyrik, namentlich des Alkäos und der Sappho, in der römischen Literatur heimisch gemacht zu haben. Allerdings reicht seine poetische Begabung nicht an seine großen Vorbilder heran; Gefühl und Phantasie werden bei ihm vom Verstand überwogen, und die Vorzüge seiner lyrischen Dichtungen, in denen er sich von Nachbildungen griechischer Vorlagen allmählich zu selbständigern Schöpfungen durcharbeitete, bestehen nicht in der Wärme der Empfindung und Tiefe der Gedanken, sondern in der Klarheit der Anlage, der Feinheit und Gewandtheit des Ausdrucks, der Bestimmtheit, Reinheit und Schönheit der Sprache und der Strenge des Versbaues. Am vollendetsten sind die Lieder, in denen er, seiner Natur folgend, leichte und heitere Stoffe behandelt; wo sich sein Ausdruck zur Erhabenheit steigert, fühlt man stets das Gekünstelte, Berechnete heraus. Am eigenartigsten zeigt sich sein Wesen in den Satiren und in den Episteln, die'sich von erstern eigentlich nur durch die Briefform und größere Milde der Lebensanschauung unterscheiden, sonst im wesentlichen dieselbe Tendenz verfolgen, seine persönlichen Erfahrungen und Meinungen namentlich über soziale und literarische Verhältnisse in ungezwungener, doch keineswegs kunstloser Form, und in einem sich der Sprache des gewöhnlichen Lebens nähernden Stil zu besprechen. War auch sein Vorbild in diesen »Plaudereien«, wie er auch die Episteln gelegentlich nennt, Lucilius, nach dessen Vorgang er auch den Hexameter als metrische Form wählte, so gebührt ihm doch das Verdienst, diese Gattung zur eigentlichen Kunstform ausgebildet zu haben. Schon früh wurden H.' Gedichte zum Gegenstand gelehrter Erklärung gemacht wegen der darin berührten Verhältnisse und Personen. Erhalten sind die Scholien des Porphyrio (s. d.), denen wir wertvolle Nachrichten verdanken; aus später Zeit stammen die Scholien des sogen. Acron. Neben Vergil hat H. unter allen römischen Dichtern den größten Einfluß auf die poetische Literatur der modernen Völker geübt, und in welchem Maß er fort und fort die Gelehrten beschäftigt, bezeugt die unübersehbare Anzahl der Gesamt- und Einzelausgaben sowie Übersetzungen seiner Werke und der ihm gewidmeten Schriften.
Gesamtausgaben: von Bentley (Cambridge 1711 u. ö., zuletzt Berl. 1869); Orelli (4. Aufl. von Hirschfelder-Mewes, Berl. 1886 ff.; kleine Ausg., 6. Aufl. von Hirschfelder, das. 1884); Dillenburger (7. Aufl., Bonn 1881); Keller u. Holder (Leipz. 1870; 2. Ausg. 1899 ff., 2 Bde.); Lehrs (»mit Rücksicht auf die unechten Stellen hrsg.«, das. 1869); Kießling-Heinze (4. Aufl. 1901 ff.). Textausgaben: von Meineke (3. Ausg., Berl. 1875), Haupt (4. Aufl. von Vahlen, Leipz. 1881), L. Müller (3. Aufl., das. 1897), Hertz (Berl. 1892) u. a. Übersetzungen: von Voß (Heidelb. 1816, 2 Bde.; neueste Ausg., Leipz. 1873), Obbarius (3. Ausg., Paderb. 1872), Strodtmann (3. Ausg., Leipz. 1860), Teuffel und Weber (Stuttg. 1869), Binder (neue Ausg., Berl. 1884) u. a. –Sonderausgaben der Satiren: von Heindorf (Bresl. 1815; 3. Aufl. von Döderlein, Leipz. 1859), mit Übersetzung und Kommentar von Kirchner u. Teuffel (das.[547] 1854–57, 2 Bde.); mit Übersetzung von Döderlein (das. 1860), von Peerlkamp (Amsterd. 1863), Krüger (mit den Episteln; 14. Aufl., das. 1899 ff.), L. Müller (mit den Episteln, Wien 1893); Übersetzungen: von Wieland (das. 1786, 2 Bde.; neue Ausg., Bresl. 1881), v. Nordenflycht (Bresl. 1881), Bardt (2. Aufl., Berl. 1900), E. Vogt und F. van Hoffs (2. Aufl., das. 1904);-der Briefe: von Obbarius (Leipz. 1837 bis 1847), Döderlein (mit Übersetzung, das. 1856–58), Ribbeck (Berl. 1869); Übersetzungen: von Wieland (Dess. 1782; neue Ausg., Bresl. 1883), v. Nordenflycht (Bresl. 1874), List (Erlang. 1883) u. a.;-der Oden (und Epoden): Peerlkamp (2. Aufl., Amsterd. 1862), Nauck (14. Aufl., Leipz. 1894), Rosenberg (2. Aufl., Gotha 1883), L. Müller (Petersb. 1900); Übersetzungen: von Ramler (Berl. 1800, 2. Aufl. 1818), Ludwig (3. Aufl., Stuttg. 1885), v. Nordenflycht (Berl. 1866), Geibel (»Klassisches Liederbuch«, 50 Oden, 6. Aufl., das. 1896), Staedler (gereimt, das. 1900) u. a. Vgl. Teuffel, Über H. (Tübing. 1868); Jacob, H. und seine Freunde (2. Aufl., Berl. 1889); Walckenaer, Histoire de la vie et des poésies d'Horace (2. Aufl., Par. 1858); Desvergers, Vie d'Horace (das. 1855); L. Müller, H., eine literarhistorische Biographie (Leipz. 1880); Detto, Horaz und seine Zeit (2. Aufl., Berl. 1891); Aly, H., sein Leben und seine Schriften (Gütersloh 1893); Campaux, Histoire du texte d'Horace (Par. 1891); Cartault, Etudes sur les satires d'Horace (Par. 1899); Kettner, Die Episteln des H. (Berl. 1900).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 547-548. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006790550
Horatier
[546] Horātius, altpatriz. Geschlecht in Rom, latinischen Ursprungs, von dem eine Tribus den Namen Horatia bekam. Die bekanntesten Träger dieses Namens sind:
1) Die drei Horatier, Drillingssöhne des Publius H., die nach einer römischen Sage zur Zeit des Tullus Hostilius (672–640 v. Chr.), um den Krieg zwischen Rom und Albalonga zur Entscheidung zu bringen, mit den albanischen Curiatiern (Curiatii), ebenfalls Drillingsbrüdern, angesichts der beiden Heere kämpften; durch eine List gelang es nach dem Tode seiner zwei Brüder dem überlebenden Horatier, die Curiatier einzeln zu töten und so seinem Vaterlande den Sieg und die Oberherrschaft über Albalonga zu verschaffen. Die Gräber der beiden Horatier und der drei Curiatier sowie der sogen. Horazische Pfeiler, an dem die Spolien der Curiatier aufgehängt worden waren, waren noch zu des Livius Zeit vorhanden (s. Tafel »Architektur IV«, Fig. 9).
2) Marcus, nach Dionysios ein Nachkomme des Besiegers der Curiatier, mit dem Beinamen Pulvillus, war 509 v. Chr. einer der ersten römischen Konsuln und weihte als solcher (nach Dionysios erst in seinem zweiten Konsulat, im J. 507) den von Tarquinius[546] Superbus auf dem Capitolium erbauten Tempel des Jupiter.
3) Publius, mit dem Beinamen Cocles (der Einäugige), ebenfalls ein Nachkomme des Besiegers der Curiatier, nach Dionysios ein Bruder des vorigen, rettete, als 507 v. Chr. die Etrusker unter Porsena bereits den Janiculus erstiegen und die Römer in die Flucht geschlagen hatten, die Stadt dadurch, daß er der Sage nach allein die Sublicische Brücke so lange gegen die andringenden Feinde verteidigte, bis die Römer sie hinter ihm abgebrochen hatten, worauf er sich in den Strom stürzte und zu den Seinigen hinüberschwamm. Seine Mitbürger errichteten ihm nicht nur ein ehernes Standbild auf dem Comitium, das Plinius das erste öffentlich in Rom geweihte neben dem der Clölia nennt, sondern belohnten ihn auch durch Schenkung von so viel Land, als er an einem Tage umpflügen konnte.
4) Gajus H. Pulvillus, Sohn von H. 2), schlug, zum erstenmal Konsul mit T. Menenius, 477 v. Chr. die Etrusker und in seinem zweiten Konsulat 457 die Aquer. Er starb 456.
5) Marcus H. Barbatus, Bruder des vorigen, neben L. Valerius (Publicola) Gegner der Dezemvirn, vermittelte, nachdem jene zum Rücktritt genötigt worden, mit Valerius den Frieden zwischen den Patriziern und den (zum zweitenmal) auf den Heiligen Berg ausgewanderten Plebejern und ward darauf mit Valerius Konsul (449) und Miturheber der Leges Horatiae et Valeriae, die bestimmten, daß die Beschlüsse der Tribus für das ganze Volk bindend sein und keine Obrigkeiten ohne Berufungsrecht ernannt werden sollten. Nach Ordnung der innern Angelegenheiten kämpfte er glücklich gegen die Sabiner. Er ist der letzte Horatier, der sich in der politischen Geschichte einen Namen gemacht hat.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 546-547. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006790542
Sulzer 1771
[548] Horaz. Man würde sich einen zu niedrigen Begriff von einem der größten Dichter des Alterthums machen, wenn man sich einbildete, daß Horaz aus bloßer Liebhaberey ein Dichter geworden, daß er, wie es etwa in unsern Zeiten zu geschehen pflegt, seine Jugend und sein reiferes Alter angewendet habe, poetische Gedanken und Bilder aufzusuchen, und Sylben abzuzählen, um bey verschiedenen Gelegenheiten seinen Mitbürgern etwas zu lesen zu geben, das ihnen gefiele, und ihm den Ruhm eines witzigen Kopfs erwürbe. Der Graf Shaftesbury hat richtig angemerkt, daß die alten und neuen Kunstrichter, die diesen Dichter mit ihren Anmerkungen erläutert haben, uns den großen Mann in ihm gar nicht gezeiget haben, der er würklich gewesen ist. Wenn man nur das, was er selbst hier und da in seinen Gedichten von seinen persönlichen Umständen und von seinem Charakter einfließen läßt, zusammen nihmt, so zeiget er sich in einem sehr vortheilhaften Lichte.
Er war der Sohn eines freygelassenen, vermuthlich griechischen, Mannes von Vermögen und rechtschaffenem Wesen, der ihm eine gute Erziehung gegeben. Er drükt sich darüber an verschiedenen Orten sehr deutlich aus; er schreibet es seinem Vater zu, daß er ein redlicher und beliebter Mann geworden:
–– purus et insons –– si et vivo carus amicis: Causa fuit pater his.1
[548] Seinen Lehren danket er es, daß er sich nicht von dem Strohm der Laster hat hinreißen lassen:
–– Insuevit pater optimus hoc me, Ut fugerem, exemplis vitiorum quaeque notando.2
Er hatte verschiedene Lehrer und Aufseher; aber dieser rechtschaffene Vater verließ sich nicht auf sie, er war selbst der beste Aufseher:
Ipse mihi custos incorruptissimus omnes Circum doctores aderat.3
Nachdem er in Rom eine so gute Erziehung genossen, und, nach der damaligen Art, auch in den schönen Wissenschaften unterrichtet worden, reiste er nach Athen, wo er in der Schule der Academiker das Studium der Philosophie trieb. Indem er sich da aufhielt, brach der bürgerliche Krieg aus, durch den Brutus die römische Republik zu retten suchte. Horaz nahm die Parthey der Freyheit, aus patriotischen Gesinnungen und aus Hochachtung und Freundschaft gegen den Brutus, dem er in Griechenland bekannt worden. Dieser einzige Umstand, daß er vor dem Umsturz der Republik, mit dem Häuptern des Staates bekannt gewesen, und von so großen Männern zur Vertheidigung der Freyheit mit gebraucht worden, (denn es wurd ihm eine Legion anvertraut) muß uns einen vortheilhaften Begriff von ihm geben. Er hatte Ursach auch nachher sich dessen zu rühmen. Die Art, wie er davon spricht,
Me primis urbis, belli placuisse domique.4 –– Cum magnis vixisse invita fatebitur usque Invidia5
zeiget deutlich, daß er mit den größten Männern der sterbenden Republik, so wol vor, als in dem Krieg selbst, in vertrautem Umgange gelebt habe. Darum wurd er auch, als eines der Häupter der Freyheit, nach der Schlacht bey Philippi in die Acht erkläret, und verlohr seine Güter. Dieses zwang ihn zu einem ruhigen Leben, und weil er nun nichts mehr für die Freyheit thun konnte, warf er sich in die Aerme der Musen, so wie vor ihm Cicero in ähnlichen Umständen, sich ganz dem Studio der Philosophie ergeben hatte. Alle diese Umstände erzählt er selbst, mit der ihm ganz eigenen Kürze:
Romae nutriri mihi contigit, atque doceri Iratus Grajis quantum nocuisset Achilles: Adjecere bonae paulo plus artis Athenae; Scilicet ut possem curvo dignoscere rectum, Atque inter sylvas Academi quaerete verum. Dura sed emovere loco me tempora grato; Civilisque rudem belli tulit aestus in arma, Caesaris Augusti non responsura lacertis. Unde simul primum me dimisere Philippi Decisis humilem pennis, inopemque paterni Et laris et sundi, paupertas impulit audax Ut versus sacerem.6
Er äußert hier im Vorbeygang seine Gedanken über den bürgerlichen Krieg, auf eine Weise, die uns nicht erlaubet, es ihm übel zu nehmen, daß er sich mit dem Cäsar ausgesöhnt hat. Er gesteht ihm hier nur eine überwiegende Macht zu, die er stillschweigend der gerechten Sache der andern Parthey entgegen setzt. Man kann den beherztesten Mann nicht tadeln, daß er der entschiedenen Uebermacht nachgiebt, wenn er nur den Mächtigern nicht zugleich für den rechtmäßigen Herrn hält.
Man würde sich sehr irren, wenn man aus den letzten Worten dieser Stelle schließen wollte, daß ihn der Hunger gezwungen habe ein Dichter zu werden, um sein Leben mit dem Gewinnst von seinen Gedichten zu erhalten. Er will blos sagen, daß die Beraubung seiner Güter und die Verbannung alle Würksamkeit für Geschäfte bey ihm unmöglich gemacht und ihn gezwungen haben, einem andern Hange zu folgen.
Seine ersten Versuche in der Dichtkunst waren die Satyren, wozu er durch das Beyspiel des Lucilius aufgemuntert worden. Es war sehr natürlich, daß ein so groß denkender Mann seinen Unwillen gegen die Thorheit und das Laster ausließ. Dieser Unwillen war seine Muse, nicht der Kützel, als ein Poet sich einen Namen zu machen. Darum machte er anfänglich gar keinen Anspruch auf den Namen eines Dichters;
–– Ego me illorum, dederim quibus esse poetas, Excerpam numero.7
Darum gab er sich auch keine Müh als Dichter gelobt zu werden. Damals hatten die schönen Geister, wie noch itzt, ihre eigenen Methoden, sich Beyfall zu erwerben und sich rühmen zu lassen. Aber diese Schliche stuhnden ihm nicht an.
Non ego nobilium scriptorum auditor et ultor Grammatioas ambire tribus et pulpita dignor.8
Er schrieb, weil es ihm nicht möglich war über die Thorheiten und Laster zu schweigen.
[549] –– Seu me tranquilla senectus Expectat, seu mors atris circumvolat alis; Dives, inops, Romae, seu fors ita jusserit, exul Quisquis erit vitae, scribam, color.9
Noch währenden Unruhen des bürgerlichen Krieges, erlangte er die Freyheit wieder nach Rom zu kommen, kaufte sich in eine bürgerliche Decurie ein, und seine Freunde Virgilius und Varius machten ihn mit dem Mecänas bekannt. Anfangs that er sehr schüchtern, und erst neun Monate nach der ersten Bekanntschaft mit diesem Liebling des Augusts, wurd der Dichter unter die Zahl seiner Vertrauten aufgenommen.10 Dadurch wurd er auch bald dem Augustus selbst bekannt, der ihn sehr hoch schätzte.
Man kann aus hundert Stellen seiner Gedichte schließen, daß in dem Umgange, den Horaz mit Mäcenas und dem Augustus gehabt, die Unterredungen meistentheils die damals schon ungemein große Verdorbenheit der Sitten und die Thorheiten der Römer betroffen haben, und daß dieses zu mancher Satyre und Ode des Dichters Gelegenheit gegeben. Unter dem Schutz des Regenten konnte er sehr dreiste schreiben; darum wurd er sehr beißend und übertrat auch wol darin die Schranken der bürgerlichen Gesetze, deswegen er sich sehr viel Feinde machte. Weil er aber vor Verfolgung sicher war, so erwekte dieses bey ihm mehr Unwillen, als Furcht. Von Zeit zu Zeit that er heftige Ausfälle gegen die herrschenden Thorheiten und Laster der Römer und griff so wol einzele Personen, als das ganze Publicum an.
Seine Lebensart war so, wie sie sich für einen Philosophen schiket; er war ohne Ehrgeiz und vergnügt daß ihm sein Stand erlaubte für sich, von öffentlichen Geschäften und vom Hofe entfernt zu leben. Als ein wahrer Philosoph fühlte er das Vergnügen und die großen Vortheile des Privatlebens.
Nollem onus –– –– portare molestum. Nam mihi continuo major quaerenda foret res, Atque salutandi plures; ducendus et unus Et comes alter, uti ne solus rusve peregre –– Ve exirem; plures calones atque caballi Pascendi; ducenda petorrita.11
Er empfand es, daß er in diesem Stük viel Vortheile über die Großen hatte.
–– Commodius quam tu praeclare senator Millibus atque aliis vivo; Quantumque libido est Incedo solus; percontor quanti olus et far.
Mit einer solchen Sinnesart konnte er freylich auf die Römer, wie von einer Höhe herunter sehen, und ihnen ihre Thorheiten mit so viel Nachdruk vorwerfen.
Ein Mann von dieser Art war dem Augustus nicht nur zum Umgang und zu philosophischen Ergötzlichkeiten wichtig, sondern er sah auch, daß er ihm zur Ausbreitung seines Ruhmes und zur Unterstützung seiner Politik große Dienste leisten konnte. Es geschah auf ausdrükliches Verlangen des Regenten, daß Horaz seine und der Seinigen Siege besang. Viele der schönsten Oden sind aller Wahrscheinlichkeit nach auf dessen Angeben gemacht worden, um den Römern die Ruhe unter seiner Regierung, bisweilen auch, um seine Veranstalltungen und Gesetze, beliebt zu machen. Im Alter scheinet der Dichter sich von dem Hofe etwas entfernt zu haben, um für sich zu leben. Er hielt sich damals meistens auf seinem sabinischen Landgut, oder in seinem tiburtinischen Lusthaus auf, lebte als ein Philosoph, und kam viel seltener an den Hof, als man ihn da zu sehen wünschte.
Alles dieses breitet ein ziemlich helles Licht über den sittlichen Charakter dieses Mannes aus. Er hatte Genie genug in der Dunkelheit eines niedrigen Standes sich die Einsichten zu erwerben, und sich zu einer Sinnesart zu bilden, die ihn den ersten Männern der Republik wichtig machten. Hätten die Vertheidiger der Freyheit gesiegt, so würde er ohne Zweifel ein ansehnlicher Mann, und eine Stütze des Staates geworden seyn. Nachdem die Bemühungen für die Erhaltung der Freyheit nicht nur völlig vergeblich worden, sondern so gar dem Staat schädlich würden gewesen seyn; verlohr er die Lust zu Geschäften, und unterwarff sich dem Schiksal. Er wurd von der herrschenden Parthey gesucht, und verbarg sich nicht vor ihr, wurd aber auch nicht ihr Schmeichler. Da er selbst für den Staat nichts mehr thun konnte, wurd er erst ein bloßer Zuschauer. Seine scharfe Beurtheilungskraft und sein richtiges Gefühl zeigten ihm den verdorbenen Charakter seiner Mitbürger in einem lebhaften Lichte. Da die patriotische Tugend nichts mehr helfen konnte, suchte er die Privattugend zu unterstützen. Es erregte seine Galle, daß die Römer, nachdem sie die politische Freyheit unwiederbringlich verlohren hatten, sich noch selbst in die sittliche Sclaverey der Leidenschaften stürzten. Er sah ein, daß auch unter der[550] neuen Regierungsform ein Mittel übrig war den Staat groß und die Bürger glüklich zu sehen, wenn sie nur selbst es seyn wollten. Ein großer Theil seiner Gedichte ziehlt dahin ab, sie davon zu überzeugen, und sie von dem völligen Verderben zu retten; sein eigenes Leben gab ihnen das Beyspiel dessen, was er von ihnen forderte. Diese große Art zu denken, mit einem sehr lebhaften poetischen Genie verbunden, machten ihn zu einem Dichter, der auf den wahren Zwek der Kunst arbeitete. Diesen moralischen Schwung kann man, wie ein scharfsinniger Engländer sehr richtig angemerkt hat, in allen Werken dieses Dichters gewahr werden, und der Verfasser der Episteln blikt selbst in den Oden hervor. Horaz ist, sagt dieser Kunstrichter12, vom ganzen Alterthum der populareste Schriftsteller, weil er an solchen Bildern reich ist, die aus dem gemeinen Leben hergenommen sind, und an solchen Anmerkungen, die die menschlichen Herzen und Geschäfte recht genau treffen. Man kann hinzuthun, und weil er fast überall den Zwek gehabt hat, nicht als ein witziger Kopf durch schöne Sachen seine Leser zu belustigen, sondern als ein das Publicum übersehender Philosoph, ihnen nützliche Sachen zu sagen.
Freylich war er auch ein witziger Kopf, der manches geschrieben, um mit seinen Freunden zu lachen. Man muß ihn aber nicht aus seinen, zum Zeitvertreib und zum Spaß geschriebenen, kleinen Liederchen, sondern aus seinen größern und ernsthaften Gedichten beurtheilen. Da sieht man überall einen Mann, der von dem, was er andern belieben will, innig durchdrungen ist, der deswegen jeden Gedanken mit der größten Lebhaftigkeit und Stärke sagt. Man fühlet überall mehr ein warmes, stark empfindendes Herz, und eine herrschende Vernunft, als eine reiche und lachende Phantasie. Darum wird er durch alle Zeiten der Lieblingsdichter ernsthafter und philosophischer Männer bleiben.
1 Sat. I. 6. 2 Sermon. I. 4. 3 Ib. 4 Ep. I. 20. 5 Sat. II. 1. 6 Epist. II. 2. 7 Serm. I. 4. 8 Epist. I. 19. 9 Serm. II. 1. 10 Serm. I. 6. 11 Serm. I. 6. 12 Der Verfasser des Versuchs über Popens Genie und Schriften
Quelle: Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 548-551. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011446382
Brockhaus 1809
[216] Quintus Horatius Flaccus, ein Römischer Dichter, der durch seine meisterhaften Werke eine wahre Zierde für das Zeitalter Augusts ward. Er opferte den Musen aus inniger Neigung, und konnte um so eher etwas Vorzügliches liefern, da er in einer vortheilhaften Unabhängigkeit von bürgerlichen Geschäften lebte, und beständig Gelegenheit hatte, mit den gebildetsten Männern Roms umzugehen. Seine Oden[216] haben ihm den Namen des Römischen Pindar erworben; und seine poetischen Briefe und Satyren, welche einen Schatz von echt Sokratischer Lebensweisheit enthalten, sind bis auf diesen Tag die Lieblingslectüre der gebildeten Stände geblieben. Wieland hat durch eine musterhafte Uebersetzung dieser letztern jeden der Lateinischen Sprache unkundigen Leser in den Stand gesetzt, mit den Werken dieses liebenswürdigen Dichters nähere Bekanntschaft zu machen.
Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 216-217. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000075496X
Brockhaus 1838
[414] Horatĭus (Quintus) Flaccus, ein berühmter röm. Dichter, dessen Gedichte uns größtentheils erhalten sind, wurde zu Venusium in Apulien 65 v. Chr. geboren. Sein Vater war ein Freigelassener und besaß ein kleines Grundstück, welches er jedoch verkaufte und nach Rom zog, um seinem Sohne, an dem er ungewöhnliche Talente bemerkt hatte, eine gute Erziehung geben zu können. Trefflich vorgebildet ging der Jüngling in seinem 20. Jahre nach Athen, welches damals als Hochschule der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Bildung galt. In Rom wurde bald nachher der große Imperator Julius Cäsar ermordet, weil man fürchtete, er möge sein Ansehen benutzen, die Republik zu stürzen, und die Mörder desselben, Brutus und Cassius, kamen nach Athen, wo sie Alles an sich zogen, was für die Sache der röm. Freiheit gegen die Rächer des Cäsar die Waffen ergreifen wollte. Auch H. trat in ihr Heer und wurde Anführer einer Legion. Bei Philippi in Macedonien kam es zu der bekannten Schlacht, in welcher die röm. Republik unterging, Brutus und Cassius fielen und H. nur durch die Flucht sein Leben rettete. Nachdem die neuen Machthaber den Besiegten die Rückkehr nach Rom bewilligt hatten, kam auch H. dahin zurück, aber sein kleines Vermögen war eingezogen worden und er konnte sich nur mit Mühe in einer kleinen Anstellung sein Brot erwerben. Eine politische Laufbahn wollte und konnte er unter den bestehenden Verhältnissen nicht machen; aber bald that sich sein gebildeter und gewandter Geist in anderer Weise hervor. Er trat öffentlich mit seinen Dichtungen heraus, die durch ihre leichte Form, durch den in ihnen herrschenden treffenden Witz, verbunden mit einer feingebildeten, heitern und doch sittlichen Lebensanschauung, bald die Aufmerksamkeit seiner ausgezeichnetsten Zeitgenossen auf ihn zogen. Virgil wurde sein Freund und machte ihn mit Mäcenas, dem reichen Beschützer der Wissenschaften und Künste, bekannt, der ihn wohlwollend aufnahm und das Glück seines Lebens dadurch begründete, daß er ihm ein kleines Landgut, das sabinische genannt, schenkte. Theils hier, theils in Rom lebte H. heiter und zufrieden, dankbar seinem Wohlthäter, aber es verschmähend, durch niedrige Schmeicheleien die Gunst der Gewalthaber sich zu erbetteln. Augustus, der ausgeführt hatte, was man von Cäsar nur befürchtet, trug dem H. eine Anstellung in seiner nächsten Umgebung an; aber dieser lehnte sie unter dem Vorwande, daß seine Gesundheit zu schwächlich sei, ab. Bald nach Mäcenas starb H. im I. 9 v. Chr. und wurde neben seines Gönners Grabmal auf dem Esquilin beigesetzt. Seine Gedichte sind Oden, Episteln und Satiren. In jenen ahmte er griech. Muster nach, erwarb sich jedoch das Verdienst, die lat. Sprache zuerst zu einem höhern Grade metrischer Ausbildung gebracht zu haben. Originell trat H. in seinen Satiren, denen auch seine Episteln verwandt sind, auf. Mit einer unübertrefflichen Leichtigkeit und Gewandtheit, die sich gleichermaßen in Form und Inhalt ausspricht, stellt er die Laster und Schwächen seiner Zeitgenossen als lächerliche Thorheiten dar, und indem er den Ernst eines Sittenpredigers vermeidet, trifft er auf diese Weise die Schlechtigkeit nur um so empfindlicher. Seine Werke sind vielfach herausgegeben und übersetzt worden. Große Verdienste hat sich Wieland um den H. erworben, indem er nicht allein dessen Satiren und Briefe in einer den Geist des Dichters glücklich abspiegelnden Übersetzung bekannt, sondern auch durch geistvolle Einleitungen und Anmerkungen dem jetzigen Publicum verständlich machte.
Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 414-415. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000833908
Herders 1855
[346] Horatius Flaccus, Quintus, der ausgezeichnetste altröm. Dichter, war der 65 v. Chr. zu Venusia in Apulien geb. Sohn eines Freigelassenen, welcher ihm eine vortreffliche Erziehung angedeihen ließ, bildete sich zu Rom und Athen aus, focht auf Brutus Seite als Tribun bei Philippi 42 v. Chr., erlangte in Rom durch Octavian Amnestie und die Stelle eines Quästurschreibers. Bald gewann er durch vortrefflich geschriebene Satiren hohe Gönner und als Virgil u. Varius ihn bei Mäcenas einführten, war sein Glück gemacht. Er mißbrauchte die Gunst der Großen niemals, lebte in spätern Jahren meist auf seinem Landgute Sabinum, nördlich von Tibur, und st. 9 v. Chr. Er hat uns hinterlassen: 103 Oden in 4 B., worin ausgezeichnete Männer verherrlichet, praktische Lebensweisheit oder vielmehr Lebensklugheit gelehrt, Wein, Weib u. Gesang besungen werden; 17 Epoden, die man füglich den Oden als 5. Buch beizählt; 18 Satiren in 2 B. und 12 Episteln in 2 B. (als Sermones häufig zusammengestellt und durch die Uebersetzung und Erläuterung d. geistesverwandten Wieland, Leipzig 1786 u. öfters, gewissermaßen zum geistigen Eigenthum der Gebildeten unserer Zeit geworden); endlich ein Carmen saeculare, zu den Oden gehörig und die lehr- und einflußreiche Ars poetica, welche den Pisonen gewidmet ist und häufig als 3. B. der Episteln betrachtet wird. Ueber die Person und Gedichte des H. ist schon endlos viel geschrieben und geredet worden; während er Abgott der meisten Philologen war und diese neuestens sogar entdeckten, daß er niemals geschmeichelt habe, hat ihn E. Lessing gegen Vorwürfe der gröbsten Unsittlichkeit vertheidigen müssen. Sicher bleibt: 1. daß das Urtheil über H. ziemlich ungünstig lauten muß, wenn man ihn nur vom christlichen Standpunkte aus betrachtet, äußerst günstig, wenn man in ihm nur den klugen Römer der augusteischen Zeit berücksichtiget; 2. daß er lediglich in der Satire originell, sonst aber, namentlich in den meisten Oden, ein Nachahmer der Griechen ist. jedoch ein Nachahmer von solchem Geiste und solcher Meisterschaft der Form, daß er uns über den Verlust seiner griech. Urbilder leicht zu trösten [346] vermag; 3. endlich, daß er kein Römer von altem Schrot und Korn oder ein tiefes speculatives Talent, sondern eben ein praktischer Lebemann und Hofpoet gewesen ist. Unter zahllosen Ausgaben nennen wir nur die erste, Mailand 1470, 4., dann die kritischen von Bentley und Fea, andere von Heinsius, Baxter, Geßner, Mitscherlich, Heindorf, Orelli; unter den Uebersetzungen ist die metrische von J. H. Voß ganz ungenießbar, besser sind die von Strodtmann (Leipzig 1852) und Günther (ebend. 1830, 2. Aufl. 1854).
Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 346-347. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20003375439
Pierer 1859
Horatier
[532] Horatīus. Die Horatĭa gens war theils ein patricisches Geschlecht von latinischem Ursprung mit den Familien Barbatus, Cocles u. Pulvillus, theils ein plebejisches mit der Familie Flaccus. Die ältesten bekannten sind: 1) die drei Horatier, Drillingssöhne eines Römers, Publius H., u. der Tochter eines Albaners Sequinus, welcher seine ältere Tochter an den Albaner Curiatius verheirathet hatte, daher mit den Drillingssöhnen dieses Ehepaares, den Curiatiern, Geschwisterkind. Eine römische Sage erzählt den Kampf der Horatier u. Curiatier, 669 v. Chr., welcher die erste Unterwerfung der Albaner unter die Römer zur Folge hatte. Statt des zwischen den Albanern u. Römern ausgebrochenen Krieges sollte, auf den Vorschlag des albanischen Dictators, Mettus Fuffetius, ein Sechskampf dieser Horatier u. Curiatier entscheiden. Zwei Horatier fielen bald, als aber der letzte, Publius H., die drei Gegner mehr od. minder verwundet sah, floh er, um verfolgt zu werden, u. erlegte die ihn, im Verhältniß der Erschöpfung schneller od. langsamer verfolgenden Curiatier, zurückkehrend, einzeln leicht. Beladen mit den erbeuteten Waffen u. Kleidern u. im Begriff in Rom einzuziehen, begegnete er seiner Schwester Horatia, der Verlobten eines der Curiatier, u. als diese, unter der Beutestückung ihres Bruders, die Kleider des Geliebten erkennend, in Wehklagen ausbrach, erstach er sie, als unrömisch gesinnt. Von den Duumviri capitales deshalb zu Tode verurtheilt appellirte er an das Volk, das seine Strafe auf Sühnopfer, unter anderen aufs Gehen durch das Jugum, milderte. Dieses Jugum (Tigillum sororium) wurde, baufällig, immer wieder hergestellt, so daß es noch zur Zeit des Augustus vorhanden war. Auch noch andere Denkmäler erinnerten in der späteren Zeit an diesen Vorfall, namentlich die Gräber u. das Feld der Horatier in Rom. 2) Marcus H., ein Nachkomme des Publius H., soll bei der Vertreibung des Königs Tarquinius II. thätig gewesen sein u. war 509. v. Chr. einer der ersten römischen Consuln. 3) Publius H. Cocles, Bruder des Vorigen, hielt, als 507 v. Chr. die Etrusker unter Porsena die Römer geschlagen u. den Janiculus erstiegen hatten, jene dadurch von der Stadt ab, daß er an der Brücke gegen sie kämpfte, bis dieselbe auf sein Geheiß abgebrochen worden war, dann sprang er in den Tibris u. kam unverwundet zu den Seinen. Er erhielt zum Lohne ein Stück Land, wie viel er in einem Tage ackern konnte, von allen Bürgern reiche Spenden u. ihm wurde eine Statue auf dem Comitium errichtet. 4) Cajus H. Pulvillus, Sohn von H. 2), s. Pulvillus. 5) Marcus H. Barbatus, s. Barbatus.
6) Quintus H. Flaccus,
nicht dem Geschlechte der Vorigen angehörend, war der Sohn eines Freigelassenen u. 8. December 65 v. Chr. zu Venusia in Apulien geboren; er wurde in Rom, wohin sein Vater nach dem Verkauf seiner Besitzung in Venusia übergesiedelt war, erzogen u. ging in seinem 20. Jahre nach Athen, wo er den Akademiker Theomnestos, den Peripatetiker Kratippos u. den Epikureer Philodemos hörte, ohne daß er sich jedoch ausschließend für die eine od. die anderen[532] dieser philosophischen Schulen entschied, sondern mit Freiheit aus jeder nahm, was ihm recht dünkte. Hier traf ihn im Jahr 44 die Nachricht von der Ermordung Cäsars am 15. März in Rom, u. als Brutus im Spätsomme nach Griechenland kam, folgte H., ein Anhänger der alten republikanischen Verfassung, als Kriegstribun seinen Fahnen; nach der Niederlage bei Philippi aber, wo er selbst seinen Schild verloren u. die Häupter der Republik dieselbe selbst aufgegeben hatten, gab auch er seine Hoffnung auf die Erhaltung der Verfassung auf, da er aus derselben den Geist entschwunden u. sie selbst nicht mehr lebensfähig erkannt hatte, kehrte nach Italien zurück u. befreundete sich mit dem Gedanken an die Monarchie, ohne sich jedoch dem Octavian selbst zu nähern. Durch den Verlust seines Vermögens in den Bürgerkriegen arm geworden, widmete er sich nun der Dichtkunst; durch Virgilius u. L. Varius dem Mäcenas empfohlen, wurde er (wahrscheinlich 40 v. Chr.) einer von dessen literarischen Gesellschaftern u. erhielt das Amt eines Scriba quaestorius (Finanzsecretär), zugleich erscheint er seitdem im Besitz seines Sabinum (s.d.), eines Landhauses bei Tibur, welches ihm Mäcenas geschenkt hatte. Er lebte nun abwechselnd hier, in Tibur u. Rom im vertrautesten Umgange mit seinem Gönner Mäcenas, starb kurz nach demselben am 27. November 8 v. Chr. u. wurde neben ihn auf dem Esquilinus bestattet. Verheirathet war H. nie; gegen die Beschuldigungen der Engherzigkeit, Inconsequenz, Schmeichelei u. Wollust hat ihn namentlich Lessing vertheidigt. H. hat sich das Verdienst erworben, die Lyrische Poesie in ihren schönen u. vollendeten Formen vom griechischen auf italischen Boden verpflanzt u. nicht ohne Selbständigkeit nachgeahmt zu haben; die erkannte Differenz zwischen den Idealen seiner Jugend, die er aus dem Geiste des alten Römerthums geschöpft hatte, u. dem Leben u. Treiben der Wirklichkeit in der Gegenwart, führte ihn zur Satyre, welche Anfangs eine herbere war, später aber ernster u. milder wurde, u. in welcher er ganz originell ist. Seine Gedichte zeichnen sich aus durch Wahrheit der Empfindung, Natürlichkeit der Gedanken, Einfachheit der Form. Seine Philosophie ist eklektisch; ebenso weit entfernt von dem Cynismus des überschwenglichen Stoicismus, wie von der Frivolität des römischen Epicureismus, empfiehlt er die Weisheit als Wächter des Gewissens u. aller Tugenden, ohne welche reiner Genuß verbittert od. ganz unmöglich wird. Dem Versuch der neuesten holländischen Philologenschule, besonders Peerlkamps, ganze Gedichte u. mehrere einzelne Stellen in den Oden als unecht zu verwerfen, ist anderwärts gründlich begegnet worden. Ein anderer Versuch, die chronologische Ordnung der Gedichte des H. darzuthun, welchen besonders der Engländer Bentley machte, ist von deutschen Philologen, namentlich von Kirchner, in seiner Unhaltbarkeit nachgewiesen worden; als ausgemacht betrachtet man nur, daß H. zuerst die Satyren, dann die Epoden, hierauf die Oden nebst dem Carmen saeculare u. zuletzt die Briefe nebst der Ars poetica gedichtet hat. In den gewöhnlichen Ausgaben ist die Reihenfolge der Gedichte: a) Carmina (Odae), Lyrische Gedichte, 4 Bücher, dazu das Carmen saeculare, ein Hymnus auf Apollo u. Diana, den er auf Verlangen des Augustus zur Säcularfeier Roms (17 v. Chr.) dichtete, u. ein Buch Epoden (eine Nachbildung der Jamben des Archilochos), herausgegeben von Jani, Lpz. 1778–82, 2 Bde.; von Mitscherlich, ebd. 1800, 2 Bde.; von Döring, ebd. 1803 u. 1815; Peerlkamp, Harlem 1834; deutsch übersetzt von Ramler, Berl. 1800, 2. Aufl. ebd. 1818, 2 Bde.; von Scheller, Helmst. 1821; von der Decken, Braunschw. 1838, 2 Bde. b) Sermones, Satyren, 2 Bücher, herausgegeben u. erläutert von Heindorf, Bresl. 1815, u. Aufl. von Wüstemann, Lpz. 1843; mit Übersetzung von Kirchner, Strals. 18297 übersetzt von Wieland, Lpz. 1786, 4. Aufl. 1819, 2 Bde. u. A. c) Epistolae, poetische Briefe (worin er in sokratischer Manier die heiterste Philosophie u. den reichhaltigsten Schatz seiner durch Erfahrung geläuterten Lebensweisheit vorträgt), erklärt von Schmid, Halberst. 1828–30, 2 Bde.; von K. Passow, Lpz. 1833; von Obbarius u. Schmid, ebd. 1837–47, 2 Bde.; von Düntzer, Braunschw. 1843, 2 Bde.; übersetzt von Wieland, Lpz. 1787, 1790, 1801, von Günther, ebd. 1824, Passow, ebd. 1833. Zu den Episteln kommt noch eine ausführlichere Epistola ad Pisones od. Ars poetica (eine didaktisch-satyrische Züchtigung der damaligen Dichterlinge in Rom, veranlaßt u. näher bestimmt durch einvorhergegangenes Gespräch od. andere Familienverhältnisse mit den Pisonen), herausgegeben von Schelle, Lpz. 1806, oft übersetzt, auch von Wieland bei den Briefen. Die Scholiasten des H. sind Acro, Porphyrion (s. b.) u. der Scholiast des Cruquius (Commentator Cruquianus). Gesammtausgaben: Editio princeps, o. O. u. J. (Mail. 1470?); Vened. 1478, Strasb. 1498, Basel 1580; von Fabricius, ebd. 1555, 2 Bde., Fol.; von Lambinus, Leyd. 1561 u.ö.; u. Aufl. Tobt. 1829; von Cruquius, Antw 1578; von Torrentius, ebd. 1608; von Heinsius, Leyd. 1612, u.ö., zuletzt ebd. 1676; von Bentley, Cambr. 1711, Amst. 1728, Lpz. 1764, 2 Bde., zuletzt von Dindorf, ebd. 1826, 2 Bde.; von Cuningham, Haag 1721; von Baxter, Lond. 1725, u. ö, zuletzt von Bothe, Lpz. 1822; von Fea, Rom 1811, 2 Bde. (2. Aufl. von Bothe, Heidelb. 1826, 2 Bde.); von Vanderbourg, Par. 1812, 3 Bde.; von F. W. Döring, ebd. 1803–24. 2 Bde.; 1. Bd. 4. Aufl. 1829, 2. Bd. 2. Aufl. 1828; von W. Braunhard, ebd. 1831–38; J. K. Orelli, Zürich 1837 f., 2 Bde., 3. Aufl. von J. G. Baiter, 1850–52; für den Schulgebrauch die von Jahn, Meineke, Dillenburger (Bonn 1844, 3. Aufl. 1854), Krüger (1853), den reinsten Text enthält Haupt's Recension (Lpz. 1851); Vorlesungen über den H. von Nitsch u. Haberfeld, Lpz. 1792 ff., 4 Bde. Deutsche Übersetzung u.a. (metrisch) von Voß, Heidelb. 1806, Braunschw. 1821, 2 Bde.; von Preuß, Lpz. 1805–1809, 4 Bde.; von J. S. Rosenheyn (in gereimten Versen), Königsb. 1818, 2 Thle., von J. H. M. Ernesti, Münch. 1826–1827, 2 Bde.; von Scheller, Braunschw. 1828, 2. Aufl. 1830; von J. Nürnberger, Prenzl. 1827–31; von Günther, Lpz. 1830; von Fr. Gehlen, Essen 1835; von Strodtmann, Lpz. 1852. Lebensbeschreibungen u. Charakteristiken des H.: kurz bei Suetonius; Lessings Rettungen im 3. Bd. der Werke; Masson, Vita Horatii, Leyd. 1708; Teuffel, Charakteristik des H., Lpz. 1842; Derselbe, H., eine literatur-historische Übersicht, Tüb. 1843; Weber, H. als Mensch u. Dichter, Jena 1844.
Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 532-533. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010133798
Brockhaus 1911
[826] Horatĭus, Quintius H. Flaccus, Horāz, röm. Dichter, geb. 8. Dez. 65 v. Chr. als Sohn eines Freigelassenen zu Venusia in Apulien, Günstling des Mäcenas und Augustus, lebte später meist auf seinem Landgut Sabinum, gest. 27. Nov. 8 v. Chr.; dichtete Oden und Epoden, Satiren und Episteln. Neueste kritische Ausgaben von Kießling (2. Aufl., 3 Bde., 1886-98; Bd. 1, 4. Aufl. [hg. von Heinze] 1901), L. Müller (2 Tle., 1900), Keller und Holder (2. Aufl. 1899 fg.), viele Handausgaben, z.B. der Oden von Nauck (16. Aufl. 1905), der Satiren und Episteln von Krüger (15. Aufl. 1904 fg.) etc.; Übersetzungen von Strodtmann (2. Aufl. 1860), Bacmeister (Oden, 1871; Satiren und Episteln mit Keller, 1891), Blümmer (Satiren, 1897) u.a. – Vgl. Jakob (2. Aufl. 1889), Detto (2. Aufl. 1892), G. Friedrich (1894), Belling (1902).
Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 826. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001198319